Tipps für gute Beschreibungen

Tipps für gute Beschreibungen

Mit Beschrei­bun­gen tun sich vie­le Autoren schwer. Denn sie kön­nen sowohl schön als auch lang­wei­lig aus­fal­len. Damit ber­gen beschrei­ben­de Pas­sa­gen immer ein gewis­ses Risi­ko. Was macht gute Beschrei­bun­gen also aus und wie schreibt man sie? In die­sem Arti­kel tei­le ich eini­ge Ideen.

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Sie las­sen uns stau­nen oder die Flucht ergrei­fen. Sie erschaf­fen Atmo­sphä­re oder zer­stö­ren sie. Gute Beschrei­bun­gen sind eine ver­dammt hohe Kunst.

Wie schreibt man sie also? Was müs­sen wir beach­ten? Wie vie­le Beschrei­bun­gen sind gut und ab wann sind sie Gift? Wie bekommt man beim Beschrei­ben einen guten Stil hin? Und was tut man, wenn einem kei­ne Details zum Beschrei­ben einfallen?

Das alles und noch viel mehr in die­sem Artikel!

Was ist eine gute Beschreibung?

Beschrei­bun­gen exis­tie­ren, weil wir manch­mal im Kopf des Gegen­über ein Bild erzeu­gen möch­ten. Wir Schrei­ber bei­spiels­wei­se wol­len, dass unser Leser vor sei­nem geis­ti­gen Auge mög­lichst das­sel­be Bild hat wie wir selbst. Wir wol­len Kopf­ki­no erzeu­gen, Atmo­sphä­re erschaf­fen, Gefüh­le her­vor­ru­fen.

Und damit liegt die Defi­ni­ti­on einer guten Beschrei­bung klar auf der Hand:

Eine gute Beschrei­bung erfüllt ihren Zweck.

Sie erzeugt Kopf­ki­no, erschafft Atmo­sphä­re und weckt Gefühle.

Wie erreicht man das also?

Tipps und Techniken

In der Kürze liegt die Würze

Ohne viel Umschweife:

Die bes­ten Beschrei­bun­gen sind kurz, kna­ckig und tref­fen den Nagel auf den Kopf.

Du musst kein hyper­de­tail­lier­tes Bild zeich­nen. Das Bild im Kopf des Lesers wird sowie­so anders aus­se­hen als Dei­ne Vor­stel­lung. Außer­dem „ver­wäs­sern“ vie­le Details das Bild, sodass man irgend­wann vor lau­ter Klei­nig­kei­ten das gro­ße Gan­ze nicht mehr sieht.

Eine Skiz­ze reicht völ­lig aus: Was sind die cha­rak­te­ris­ti­schen Merk­ma­le eines Gegen­stan­des oder einer Figur? Was fällt als ers­tes ins Auge? Wel­che Asso­zia­tio­nen erwe­cken sie?

Joan­ne K. Row­ling hat die Figur Seve­rus Sna­pe nie in allen Ein­zel­hei­ten beschrie­ben. – Aber wir alle ken­nen den cha­rak­te­ris­ti­schen „fet­ti­gen Vor­hang“ von einer Frisur.

Und an die­ser Stel­le auch ein Bonustipp:

Je bizar­rer und unge­wöhn­li­cher die her­aus­ge­pick­ten Details, des­to besser.

Nie­man­den inter­es­siert es, dass Leo­nie sich mor­gens die Zäh­ne putzt. Aber wenn Lud­wig im Infla­ti­ons­jahr 1923 sich sei­ne Zigar­re mit einem Geld­schein anzün­det, dann bringt das die rasen­de Ent­wer­tung des Gel­des wun­der­bar auf den Punkt.
Erich Maria Remar­que: Der schwar­ze Obe­lisk, Kapi­tel 1.

Show, don’t tell

Wozu lang und breit etwas beschrei­ben, wenn man es auch zei­gen kann?

Erin­ne­re Dich an den Film Die rech­te und die lin­ke Hand des Teu­fels und spe­zi­ell an die Ein­füh­rung der Figur des Müden Joe. Als Joe in einem Gast­haus ein­trifft und der Wirt Boh­nen ver­teilt, will Joe die gan­ze Pfan­ne haben und isst sie auch tat­säch­lich kom­plett auf. Das zeigt sei­nen Hun­ger äußerst eindeutig.

Wenn Du also eine Beschrei­bung durch eine kon­kre­te Hand­lung erset­zen kannst: Tue es! Sei gene­rell mög­lichst spar­sam mit Adjek­ti­ven und Adver­bi­en – denn sie „mül­len“ sonst Dei­ne Beschrei­bun­gen mit irrele­van­ten Details zu. Kon­kre­te Hand­lun­gen brin­gen Zustän­de und Gefüh­le in der Regel viel bes­ser auf den Punkt als nack­te Beschreibungen.

Das gilt übri­gens beson­ders bei abs­trak­ten Wör­tern. Beschrei­be Dei­ne Figu­ren zum Bei­spiel nie­mals als „nett“, „sym­pa­thisch“ oder „ehr­furcht­erre­gend“. Sol­che Wör­ter sind nichts­sa­gend. Denn jeder stellt sich etwas ande­res dar­un­ter vor.

Wenn Du also kon­kre­te Bil­der erzeu­gen willst, dann zei­ge und beschrei­be nicht.

Ver­giss dabei aber nicht, dass auch hier weni­ger mehr ist. Denn so schön „Show, don’t tell“ auch ist: Wenn du kom­plett irrele­van­te Details „zeigst“, dann ist das fast genau­so lang­wei­lig wie eine unnö­tig aus­führ­li­che Beschreibung.

Mehr zum The­ma „Show, don’t tell“ gibt es in einem eigen­stän­di­gen Arti­kel.

Originelle Stilmittel und Wortwahl

Das viel­leicht Schwers­te an Beschrei­bun­gen ist die Ori­gi­na­li­tät. Wie machen wir unse­re Beschrei­bun­gen also kna­ckig, frisch und originell?

Unter den rhe­to­ri­schen Stil­mit­teln gibt es die soge­nann­ten Tro­pen. Eine detail­lier­te Erklä­rung fin­dest Du in der ent­spre­chen­den Rei­he. An die­ser Stel­le begnü­gen wir uns damit, dass die Tro­pen beson­ders gut beeig­net sind, um mit eini­gen weni­gen Wor­ten äußerst rei­che Bil­der zu erzeugen.

Beson­ders wich­ti­ge Ver­tre­ter sind dabei die Meta­pher und der Ver­gleich. – Vor allem, wenn sie nicht nur einen ein­zi­gen Sach­ver­halt beschrei­ben, son­dern als „Sys­tem“ auftreten:

Der rus­si­sche Autor Evge­nij Zam­ja­tin beschreibt in sei­ner Erzäh­lung Die Höh­le die Zustän­de im win­ter­li­chen Peters­burg nach der rus­si­schen Revo­lu­ti­on, geprägt durch Hun­ger, Käl­te und den Kampf ums nack­te Über­le­ben. Dabei benutzt er durch­gän­gig eine Stein­zeit­me­ta­pho­rik: Er spricht von Mam­muts, beschreibt Wohn­häu­ser als Fel­sen mit Höh­len und benutzt tie­ri­sche Ter­mi­no­lo­gie wie „Weib­chen“ für Men­schen. Damit ent­steht vor dem geis­ti­gen Auge das Bild von einer evo­lu­tio­nä­ren Rück­ent­wick­lung, einer post­apo­ka­lyp­ti­schen Welt, und das wie­der­um bringt das Gefühl die­ser kata­stro­pha­len Lebens­be­din­gun­gen ein­dring­lich rüber.

Doch auch allein­ste­hen­de Stil­mit­tel kön­nen äußerst effek­tiv sein. – Das heißt, solan­ge sie zur Stim­mung der jewei­li­gen Sze­ne pas­sen und – vor allem – nicht abge­dro­schen sind. Wir alle ken­nen sie ja: „schnell wie der Blitz“, „Bären­hun­ger“ und so wei­ter … Wir alle ken­nen sie und des­we­gen lesen wir ganz emo­ti­ons­los über sie drüber.

Nimm Dir also ruhig etwas mehr Zeit, um ein ein­zig­ar­ti­ges Bild zu erschaf­fen, das neu ist und den Leser aufrüttet.

Ver­giss die Meta­phern und Ver­glei­che, die du kennst. Kon­zen­trie­re Dich auf die Sache, Hand­lung, was auch immer Du beschrei­ben möch­test: Stell Dir vor, dass Du es zum ers­ten Mal im Leben wahr­nimmst. Stell Dir vor, Du hast Dein gan­zes Leben hin­term Mond ver­bracht und kennst es nicht. Was fällt Dir dar­an als ers­tes auf? Was emp­fin­dest Du, wäh­rend Du es ent­deckst? Was siehst, hörst, schmeckst, fühlst und riechst Du? Wel­chen Din­gen ähnelt es? Wel­che Gedan­ken löst es in Dir aus?

Wenn die Ant­wor­ten bizarr und viel­leicht sogar wider­sprüch­lich aus­fal­len, dann bist Du auf einem guten Weg. Hier zum Bei­spiel eine eigent­lich ganz unlo­gi­sche, aber dafür umso kräf­ti­ge­re Meta­pher – Es han­delt sich dabei um die Beschrei­bung des ehe­ma­li­gen Schlacht­fel­des bei Verdun:

„Nir­gends auf der Welt gibt es ein sol­ches Schwei­gen, denn die­ses Schwei­gen ist ein gewal­ti­ger ver­stei­ner­ter Schrei.“
Erich Maria Remar­que: Schwei­gen um Ver­dun.

Ein Schrei ist das Gegen­teil von Schwei­gen – und er kann auch nicht stei­nern sein. Doch gera­de des­we­gen wirkt die­se Meta­pher: Sie ist unge­wöhn­lich, sie rüt­tet auf und sie ver­wischt die Gren­zen zwi­schen der stil­len Gegen­wart und dem Grau­en des Krie­ges, der sich für immer in die See­le des Betrach­ters ein­ge­brannt hat.

Schlachtfeld von Verdun im Ersten Weltkrieg und 2005
Links: Die Wie­der­erobe­rung von Fort Douau­mont am 24. Okto­ber 1916, Künst­ler: Hen­ri Geor­ges Jac­ques Char­tier. | Rechts: Gra­nat­trich­ter von Ver­dun im Jahr 2005, Quel­le: https://​en​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​F​i​l​e​:​B​a​t​t​e​l​f​i​e​l​d​_​V​e​r​d​u​n​.​JPG, vom Urhe­ber unter der Public Domain-Lizenz veröffentlicht.

Die Macht der Erzählperspektive

Was eine Beschrei­bung inter­es­sant und ein­zig­ar­tig machen kann, ist die indi­vi­du­el­le Sicht­wei­se einer Figur. Lies­chen sieht die Din­ge anders als Fritz­chen – und was sie wahr­nimmt, denkt und wie sie es wie­der­gibt, sagt wie­der­um sehr viel über sie aus.

Wenn Du also einen intern foka­li­sier­ten Erzäh­ler hast, dann schreit das förm­lich nach einer Beschrei­bung, wie sie nur von Dei­ner Reflek­tor­fi­gur stam­men könnte.

Damit hängt auch die Sti­lis­tik der Beschrei­bun­gen, wie poe­tisch und bild­lich sie sein sol­len, von der Erzähl­per­spek­ti­ve ab: Wenn die Reflek­tor­fi­gur etwas poe­ti­scher ver­an­lagt ist, dann brau­chen Dei­ne Tex­te mehr Meta­phern als bei einer weni­ger künst­le­risch ver­an­lag­ten Figur.

Die­se Her­an­ge­hens­wei­se ist umso effek­ti­ver, wenn Du Dei­ne Geschich­te aus einer unge­wöhn­li­chen Per­spek­ti­ve erzählst.

In Lew Tol­s­to­js Erzäh­lung Der Lein­wand­mes­ser zum Bei­spiel erhal­ten wir einen Ein­blick in das Innen­le­ben eines Pfer­des. Die­ses hat unter ande­rem sei­ne höchst eige­ne Sicht­wei­se auf das The­ma Besitz.

Ein ande­res Bei­spiel fin­det sich in Das wan­deln­de Schloss von Dia­na Wyn­ne Jones: Hier gibt es ein Kapi­tel, in dem die Prot­ago­nis­tin Sophie, die in einer Fan­ta­sy-Welt auf­ge­wach­sen ist, in unse­re rea­le Welt gelangt. Dabei sieht sie Din­ge wie einen Fern­se­her, Video­spie­le und Autos zum ers­ten Mal und hat dem­entspre­chend eine inter­es­san­te Wahr­neh­mung davon.

Wich­tig bei Erzähl­per­spek­ti­ven ist aber, sie auch wirk­lich ein­zu­hal­ten. Das heißt: Wenn Du durch Fritz­chens Augen beschreibst, dann stel­len Beschrei­bun­gen von Din­gen, die Fritz­chen nicht sehen kann, oder Fritz­chens Wir­kung nach außen hin einen Bruch dar. Doch zur Ein­hal­tung der Erzähl­per­spek­ti­ve ist bereits ein eige­ner Arti­kel geplant. Des­we­gen gehe ich an die­ser Stel­le nicht aus­führ­li­cher dar­auf ein.

Beschreibungen in der Praxis

So viel zu den Tipps an sich. – Doch die wich­tigs­te Fra­ge ist immer noch offen:

Wann setzt man wel­che Art von Berei­bun­gen ein?

Die all­ge­meins­te Ant­wort dar­auf ist:

Es kommt auf die Geschich­te an.

Doch was bedeu­tet das kon­kret? Hier eini­ge grund­sätz­li­che Über­le­gun­gen, an denen ich mich ent­lang­han­geln würde:

  • Wie bild­lich Dein Text sein soll, musst Du selbst wis­sen. Das vari­iert von Text zu Text und von Ziel­grup­pe zu Ziel­grup­pe. Aber mein Ein­druck wäre, dass hand­lungs­ori­en­tie­te­re Tex­te meist weni­ger Beschrei­bun­gen haben als Geschich­ten, in denen es mehr um das Innen­le­ben von Figu­ren geht. Gera­de Beschrei­bun­gen der Außen­welt spie­geln häu­fig das Innen­le­ben der Reflek­tor­fi­gu­ren. Ob Erna zum Bei­spiel einen son­ni­gen Tag als etwas Schö­nes oder als Hohn wahr­nimmt, hängt sehr stark von ihrer eige­nen Ver­fas­sung ab.
  • Und das gilt nicht nur für gan­ze Tex­te, son­dern auch für ein­zel­ne Sze­nen: Denn je län­ger eine Beschrei­bung ist, des­to län­ger pau­siert die Hand­lung. - Vor allem, wenn die Beschrei­bung los­ge­löst ist vom Innen­le­ben der Reflek­tor­fi­gur. Und beson­ders Action­sze­nen ver­tra­gen sowas nicht. Cle­ve­re Meta­phern und kur­ze Ver­glei­che hin­ge­gen kön­nen auch hand­lungs­fo­kus­sier­te­re Sze­nen berei­chern durch wit­zi­ge, dra­ma­ti­sche oder ander­wei­tig emo­tio­na­le Bilder.
    (Mehr zum The­ma Pau­se und Erzähl­tem­po all­ge­mein gibt es in einem eige­nen Arti­kel.)
  • Nicht zuletzt zeich­net die Häu­fig­keit von Meta­phern und die Kunst­fer­tig­keit von Beschrei­bun­gen gene­rell den indi­vi­du­el­len Stil Man muss nicht auf Teu­fel komm raus jemand sein wol­len, der man nicht ist. Wenn ori­gi­nel­le und poe­ti­sche Meta­phern Dir schwer fal­len – dann sei eben spar­sam mit ihnen und lass Dei­nen Text auf einem ande­ren Gebiet glän­zen. Nichts liest sich höl­zer­ner als zwang­haft aus den Fin­gern gesaug­te Beschrei­bun­gen eines Möchtegern-Poeten.
  • Gleich­zei­tig gilt aber auch: Übung macht den Meis­ter! Nur, weil Du gera­de jetzt viel­leicht kei­ne guten Beschrei­bun­gen scheibst, heißt das nicht, dass das so blei­ben muss. Lies Bücher mit guten Beschrei­bun­gen – ich per­sön­lich emp­feh­le mei­nen Lieb­lings­au­tor Remar­que – und dann übe, übe, übe!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert