Horror: Gruselige Geschichten (oder einfach nur Szenen) schreiben

Horror: Gruselige Geschichten (oder einfach nur Szenen) schreiben

Wie erzeugt man Angst? Selbst in Geschich­ten jen­seits des Hor­ror-Gen­res wird es ger­ne gru­se­lig, wider­lich und ver­stö­rend. Was jagt dem Leser also kal­te Schau­er über den Rücken und stellt sei­ne Nacken­haa­re auf? Wie sorgt man dafür, dass das Gru­se­li­ge wirk­lich gru­se­lig ist? Dar­über reden wir in die­sem Artikel …

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Hor­ror ist nicht nur etwas für Hor­ror-Fans. Ich zum Bei­spiel kon­su­mie­re die­ses Gen­re eher sel­ten, aber rate mal, was mei­ne liebs­te Epi­so­de in den Herr der Rin­ge-Büchern ist. Es ist näm­lich nicht die Zer­stö­rung des Rings, weder die Schlacht von Helms Klamm, noch die auf den Pelen­nor-Fel­dern, es sind nicht die Besu­che in den geheim­nis­vol­len Elben­rei­chen, son­dern etwas, das es nicht ein­mal in die Ver­fil­mung geschafft hat: die Hügel­grä­ber­hö­hen. Als die Hob­bits sich inmit­ten von Hügel­grä­bern im Nebel ver­lie­ren, von Geis­tern gefan­gen genom­men und einem schwarz­ma­gi­schen Ritu­al unter­zo­gen werden.

Man­che Geschich­ten exis­tie­ren pri­mär dazu, den Leser zu gru­seln. Sie wer­den dem Hor­ror-Gen­re zuge­ord­net. Doch wie das Herr der Rin­ge-Bei­spiel zeigt, sind Hor­ror-Ele­men­te auch in Geschich­ten ande­rer Gen­res verbreitet.

Angst ist nun mal ein sehr star­kes Gefühl und sorgt für Span­nung. Des­we­gen ist Hor­ror durch­aus etwas, womit man sich auch als Nicht-Hor­ror-Autor aus­ein­an­der­set­zen sollte.

Und genau das tun wir in die­sem Artikel.

Warum Horror?

Fik­tio­na­le Geschich­ten sind eine Art Spiel: Wir ver­set­zen uns ins eine alter­na­ti­ve Welt und erle­ben in die­sem siche­ren „Als ob“ emo­tio­na­le Höhen und Tie­fen. Wir bekom­men etwas, das wir im rea­len Leben ver­mis­sen, oder wir leben Fan­ta­sien aus, die wir in der Rea­li­tät defi­ni­tiv nicht haben wol­len, oder wir ver­ar­bei­ten etwas, das wir tat­säch­lich erlebt haben. Aber es geht eben immer um Gefüh­le. Und Angst ist eins der grund­le­gends­ten Gefüh­le überhaupt.

Natür­lich arbei­ten Hor­ror-Geschich­ten häu­fig mit Über­na­tür­li­chem, Unbe­greif­ba­rem und/​oder Ent­ar­te­tem. Doch auch jen­seits von Geis­tern, Vam­pi­ren und Fran­ken­stein-Mons­tern, haben die­se Din­ge ihren Platz. Ich per­sön­lich bin eine lang­jäh­ri­ge und abge­här­te­te Lese­rin und Zuschaue­rin von Kriegs­ge­schich­ten und wür­de sagen, dass sich auch hier oft klas­si­sche Hor­ror-Ele­men­te finden:

So ist es bei­spiels­wei­se äußerst gru­se­lig, als Schofield und Bla­ke in 1917 das Nie­mands­land über­que­ren und die feind­li­chen Schüt­zen­grä­ben erkun­den. Aus dem Schlamm ragen ent­stell­te Kör­per­tei­le, die mit Regen­was­ser gefüll­ten Gra­nat­trich­ter sind töd­li­che Sümp­fe und man weiß nie, wel­ches Schick­sal hin­ter der nächs­ten Ecke lauert.

Und der Film Komm und sieh ist ein ein­zi­ger sur­re­al wir­ken­der Hor­ror-Trip, der jedoch die äußerst rea­len Ver­bre­chen der deut­schen Besat­zer in Weiß­russ­land wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges dar­stellt und dadurch umso trau­ma­ti­sie­ren­der wirkt.

Doch auch in ande­ren Gen­res ist Hor­ror zu fin­den, vor allem in Fan­ta­sy, das sich ja oft mit Hor­ror über­schnei­det. In Sci­ence Fic­tion kön­nen Ali­ens oder abar­ti­ge wis­sen­schaft­li­che Expe­ri­men­te für einen Gru­sel­fak­tor sor­gen. Aben­teu­er- und Action­ge­schich­ten pro­fi­tie­ren oft von der ein oder ande­ren Hor­ror-Ein­la­ge. His­to­ri­sche Set­tings gehen oft mit Gele­gen­hei­ten für blan­ke Angst ein­her. Moder­ne Set­tings ste­hen ihnen – sei­en wir ehr­lich – in nichts nach. Und so wei­ter und so fort …

Aber ob Du nun eine rei­ne Hor­ror-Geschich­te oder nur Hor­ror-Ele­men­te schrei­ben willst: Guter Hor­ror erzeugt Angst. Punkt. Wovor fürch­ten wir uns also?

Was ist gruselig?

Der Hor­ror-Meis­ter Ste­phen King unter­schei­det zwi­schen drei Arten von Angst:

  • Ter­ror ist die Angst vor dem Unbe­kann­ten. Man hat das Gefühl einer mög­li­chen Bedro­hung, aber man weiß nichts Kon­kre­tes. Des­we­gen füllt die eige­ne Fan­ta­sie die Lücken aus. Außer­dem wird Span­nung auf­ge­baut, als man sich lang­sam der Auf­lö­sung nähert. – Oder als die Auf­lö­sung selbst auf einen zukriecht …
  • Hor­ror ist die Angst vor dem Sicht­ba­ren, einem kon­kre­ten Mons­ter. Hier kommt es natür­lich vor allem auf die Dar­stel­lung des Mons­ters an, aber ich wür­de sagen, dass bei Hor­ror auch eine sub­jek­ti­ve Kom­po­nen­te mit­schwingt. Immer­hin gibt es auf der einen Sei­te des Spek­trums Men­schen, die schon bei einer klei­nen Spin­ne los­schrei­en, und auf der ande­ren Sei­te Leu­te, die im Zoo vor den Spin­nen-Ter­ra­ri­en ent­zückt „O ist das nied­lich!“ rufen. Ent­spre­chend ver­schie­den reagie­ren die bei­den Grup­pen, wenn in einer Geschich­te Rie­sen­spin­nen auftauchen.
  • Gross-out ist Ekel. Es geht um blu­ti­ge, zer­fetz­te Kör­per­tei­le, stin­ken­de, kleb­ri­ge Sub­stan­zen, Ver­we­sung und Maden, Ver­dreh­tes, Gro­tes­kes und Ent­ar­te­tes, aber auch um gesell­schaft­li­che Tabus. Auch hier, wür­de ich sagen, kommt es teil­wei­se auf das Indi­vi­du­um an: Mei­ne Cou­si­ne zum Bei­spiel stu­diert Medi­zin und kann ziem­lich gelas­sen Fotos angu­cken, wo leben­den Men­schen Wür­mer aus den Augen krie­chen. Ich hin­ge­gen fin­de das ekli­ger als zer­ris­se­ne und ange­knab­ber­te Leichen.

Ver­schie­de­ne Autoren set­zen in ihren Geschich­ten ver­schie­de­ne Schwer­punk­te und jede die­ser Arten von Angst hat ihren Sinn und Zweck, je nach dem, was beim Leser bewirkt wer­den soll. Vor allem aber ist guter Hor­ror ein Zusam­men­spiel von allen drei Typen:

So ist der kan­ni­ba­lis­ti­sche Seri­en­mör­der Han­ni­bal Lec­ter des­we­gen so furcht­ein­flö­ßend, weil er einer­seits ein sehr gebil­de­ter und zivi­li­sier­ter Mensch ist, man aber zugleich weiß und fühlt, dass sich hin­ter die­ser Fas­sa­de ein Mons­ter ver­birgt. Es ist die Angst vor dem Unsicht­ba­ren und Unbe­kann­ten also, die das Mons­ter zur Gel­tung bringt. Irgend­wann muss die Dro­hung aber natür­lich wahr wer­den, sonst neh­men wir das Mons­ter nicht ernst. Des­we­gen gelingt Han­ni­bal Lec­ter in Das Schwei­gen der Läm­mer ein raf­fi­nier­ter und blu­ti­ger Gefäng­nis­aus­bruch: Unse­re Befürch­tung bewahr­hei­tet sich, das Mons­ter ist tat­säch­lich hoch­gra­dig gefähr­lich und es ist auf frei­em Fuß …

Nichts­des­to­trotz sieht Ste­phen King eine gewis­se Hier­ar­chie bei sei­nen Angttypen:

„I reco­gni­ze ter­ror as the finest emo­ti­on […], and so I will try to ter­ro­ri­ze the rea­der. But if I find I can­not ter­ri­fy him/​her, I will try to hor­ri­fy; and if I find I can­not hor­ri­fy, I’ll go for the gross-out.“
Ste­phen King: Dan­se Macab­re, II. Tales of the Hook.

Der größ­te Nach­teil von Hor­ror und Gross-out ist, wür­de ich sagen, die sub­jek­ti­ve Kom­po­nen­te. Bei Ter­ror hin­ge­gen wird der Leser sei­ner eige­nen Fan­ta­sie über­las­sen, die indi­vi­du­ell auf ihn zuge­schnit­te­ne Schre­ckens­sze­na­ri­en produziert.

Uncanny Valley

Auch ope­riert Ter­ror mit dem Bekann­ten, Ver­trau­ten, das aber zugleich unbe­kannt und bedroh­lich ist. Der Uncan­ny-Val­ley-Effekt fällt in die­se Kate­go­rie – also das Phä­no­men, dass ver­trau­te Din­ge uns nicht gru­seln und auch kei­ne all­zu fremd­ar­ti­gen Din­ge, dafür aber die Din­ge dazwi­schen:

Wir fürch­ten uns nicht vor leben­den Men­schen und auch nicht vor Indus­trie­ro­bo­tern, aber wehe, ein Robo­ter ist einem Men­schen zum Ver­wech­seln ähn­lich und nur an sei­nem leicht fremd­ar­ti­gen Ver­hal­ten iden­ti­fi­zier­bar! Das ist gru­se­lig. Eben­so wie Lei­chen, Zom­bies und Clowns, die alle irgend­wie mensch­lich sind – und dann wie­der doch nicht.

Die­ser Effekt dürf­te unter ande­rem erklä­ren, war­um die Naz­gûl in Der Herr der Rin­ge als Schwar­ze Rei­ter gru­se­li­ger sind als auf ihren Geflü­gel­ten Wesen: Als Geis­ter auf geflü­gel­ten Mons­tern sind sie objek­tiv gefähr­li­cher, aber so sind sie auch recht fremd­ar­tig. Als Schwar­ze Rei­ter hin­ge­gen sind sie ver­traut, schein­bar nur gewöhn­li­che Men­schen auf Pfer­den – und den­noch schwingt da etwas Kal­tes, Jen­sei­ti­ges mit.

Auch wage ich zu behaup­ten, dass Kriegs­zit­tern und der Two Thousand Yard Sta­re viel gru­se­li­ger sind als die übli­chen Blut­fon­tä­nen und zer­fetz­ten Kör­per­tei­le, die man stan­dard­mä­ßig in Kriegs­fil­men sieht. Eben weil es schein­bar gesun­de, kör­per­lich voll­stän­di­ge Men­schen sind, die aber unna­tür­lich zit­tern, zucken und hüp­fen oder unsäg­lich durch­drin­gend, sogar eher wahn­sin­nig ins Nichts starren.

Ansons­ten braucht es bei Uncan­ny Val­ley nicht immer um Men­schen­ähn­lich­keit zu gehen. Ein ver­las­se­ner Spiel­platz wirkt des­we­gen so gru­se­lig, weil dort spie­len­de Kin­der feh­len und somit etwas nicht stimmt. Wenn unbe­leb­te Gegen­stän­de sich uner­klär­lich zu bewe­gen schei­nen, dann stimmt auch etwas nicht und Angst setzt ein. Und wenn da plötz­lich ein Schat­ten ist, wo nach den Geset­zen der Phy­sik kein Schat­ten sein dürf­te, dann ist auch das creepy.

Das richtige Monster

Doch ich will Dir natür­lich nicht vor­schrei­ben, das Du gru­se­lig fin­den sollst und was nicht. Es ist ohne­hin am bes­ten, wenn Du von Dei­nen eige­nen Ängs­ten aus­gehst. Denn wenn Du zum Bei­spiel eine Spin­nen­pho­bie hast, weißt Du ziem­lich genau, was Dich an ihnen so ekelt, wel­che Gedan­ken, Asso­zia­tio­nen und kör­per­li­chen Emp­fin­dun­gen die ein­zel­nen Aspek­te einer Spin­ne in Dir aus­lö­sen. Und viel­leicht kannst Du Dei­ne Angst vor Spin­nen sogar so inten­siv beschrei­ben, dass es mich ansteckt. – Und ja, ich gehö­re zu der Sor­te von Leu­ten, die ihren Haus­spin­nen lie­be­voll Namen geben und die­se armen, ver­schreck­ten Tier­chen hel­den­haft aus einer krei­schen­den Mäd­chen­um­klei­de retten.

Was macht also Dir Angst? Schrei­be dar­über und es wird schon das rich­ti­ge Mons­ter für Dei­ne Geschich­te sein.

Und als Tipp am Ran­de: Hor­ror kann nur berei­chert wer­den, wenn das Mons­ter nicht nur ein Mons­ter ist, son­dern ein Sym­bol oder eine Meta­pher dar­stellt für etwas Rea­les, das viel­leicht aus der Figur selbst kommt. So sind die Demen­to­ren in Har­ry Pot­ter unter ande­rem des­we­gen ein so effek­ti­ves Hor­ror-Ele­ment, weil sie Depres­si­on ver­kör­pern. Es sind nicht ein­fach nur ver­mumm­te, rot­ten­de Wesen, die Käl­te ver­strö­men, son­dern sie sau­gen nichts Gerin­ge­res als Freu­de und sogar die See­le aus ihren Opfern. Die­se abs­trak­te­re Dimen­si­on macht die Demen­to­ren weni­ger fass­bar und gibt ihnen Tiefe.

Wie schreibt man gruselig?

Vor allem aber kommt es bei Hor­ror auch sehr stark auf das Wie an. Und dafür sind beson­ders die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der Haupt­fi­gur und die Erzähl­per­spek­ti­ve entscheidend:

  • Denn wenn Du mir durch eine inten­si­ve inter­ne Foka­li­sie­rung die Gefüh­le einer Figur mit Spin­nen­pho­bie ver­mit­teln kannst, dann wer­de ich, wie gesagt, ihre Angst füh­len. Und wenn Du mir eine noch so süße Kat­ze aus der Per­spek­ti­ve einer Maus beschreibst, wer­de ich die­se rie­si­ge, sadis­ti­sche Kil­ler­ma­schi­ne mit ihren Reiß­zäh­nen und Klau­en in mei­nen Alb­träu­men sehen.
  • Des Wei­te­ren gibt das Innen­le­ben einer Haupt­fi­gur dem Text eine sub­jek­ti­ve Fär­bung, sodass die Fan­ta­sie des Lesers in eine ganz bestimm­te Rich­tung gelenkt wird: So kann ein objek­tiv völ­lig neu­tra­les Klop­fen in der Nach­bar­woh­nung durch­aus gru­se­lig wer­den, wenn die Haupt­fi­gur her­aus­zu­hö­ren glaubt, dass es eher ein dick­flüs­si­ges Trop­fen ist, das viel­leicht aus einer an den Bei­nen auf­ge­häng­ten kopf­lo­sen Lei­che kommt …
  • Doch auch ein null­ko­ka­li­sier­ter Erzäh­ler kann für Span­nung sor­gen: Wenn Du zum Bei­spiel einen auf Hitch­cocks-Bom­be-unter-dem-Tisch machst und den Leser früh wis­sen lässt, dass in dem ver­las­se­nen Haus ein blut­rüns­ti­ges Mons­ter lau­ert, wird er der ahnungs­lo­sen Haupt­fi­gur gespannt bei der Erkun­dung die­ses Hau­ses fol­gen und jeden Moment einen Angriff erwarten.

Es gibt vie­le Mit­tel und Wege, Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der Haupt­fi­gur auf­zu­bau­en, die ver­schie­de­nen Erzähl­per­spek­ti­ven haben alle ihre Vor- und Nach­tei­le und es gibt auch vie­le Tech­ni­ken, Span­nung zu erzeu­gen. Sie alle an die­ser Stel­le auf­zu­zäh­len wür­de die­sen Arti­kel jedoch unend­lich in die Län­ge zie­hen, daher emp­feh­le ich an die­ser Stel­le, sich zu die­sen The­men geson­dert zu informieren.

Wei­ter­hin ist es bei Hor­ror wich­tig, auf den Schreib­stil zu ach­ten. Die Beschrei­bun­gen soll­ten einer­seits bild­lich sein, ande­rer­seits aber das Pacing nicht beein­träch­ti­gen, weil lan­ges Geschwa­fel über noch so schar­fe, blu­ti­ge Kral­len dem Gan­zen irgend­wann die Span­nung her­aus­nimmt. Am bes­ten soll­ten die Beschrei­bun­gen also ein­fach und ver­ständ­lich sein, damit der Leser nicht von sei­nem Kopf­ki­no abge­lenkt wird. Ach­te dabei außer­dem auf die Ein­be­zie­hung aller fünf Sin­ne, die kör­per­li­chen Reak­tio­nen der Reflek­tor­fi­gur und natür­lich auch auf „Show, don’t tell“. Und nicht zuletzt steht Dir ein rei­ches Arse­nal an rhe­to­ri­schen Stil­mit­teln zur Ver­fü­gung, die durch­aus einen emo­tio­na­len Effekt auf den Leser haben.

Ler­ne das alles zu kom­bi­nie­ren und dann begeg­net der Prot­ago­nist in Dei­ner Geschich­te nicht ein­fach bloß einem men­schen­fres­sen­den Mons­ter, son­dern nimmt zuerst das ani­ma­li­sche Schnau­fen wahr, dann einen war­men, süß­li­chen Lei­chen­ge­ruch und dann das mensch­li­che Gedär­me, das zwi­schen den Reiß­zäh­nen bau­melt. – Eine Kom­bi­na­ti­on aus eini­gen weni­gen Details, kon­kre­ten Wahr­neh­mun­gen durch drei ver­schie­de­ne Sin­ne, ange­ord­net in Form einer Kli­max. Wenn der Reflek­tor­fi­gur sich dann noch die Nacken­haa­re auf­stel­len, sie sich wie gelähmt fühlt und nicht atmen kann, dann ist das Gan­ze abgerundet.

Doch auch die­ses The­ma wer­de ich an die­ser Stel­le nicht groß­ar­tig ver­tie­fen und Du soll­test Dich geson­dert infor­mie­ren, weil die kom­plet­te Band­brei­te der Mög­lich­kei­ten nicht in die­sen einen Arti­kel passt.

Ansons­ten soll­test Du auf ein Auf und Ab der Gefüh­le ach­ten, den Prot­ago­nis­ten hin und wie­der in fal­scher Sicher­heit wie­gen und ihm Raum zum Durch­at­men und Hoff­nungs­chöp­fen las­sen – um die­se Hoff­nung anschlie­ßend grau­sam in Scher­ben zu schla­gen. Das sorgt dafür, dass die Stim­mung in Dei­ner Geschich­te nicht zu mono­ton wird, weil es beson­ders bei einem sol­chen emo­ti­ons­ge­la­de­nen Gen­re wie Hor­ror leicht zu Über­rei­zung kom­men kann.

Ein Bei­spiel: In Game of Thro­nes gab es irgend­wann so vie­le grau­sa­me Tode, dass ich irgend­wann nur noch gelang­weilt die Ach­seln zuck­te und mir dach­te: „Oh, okay. Wer ist der Nächste?“

Nun ist Game of Thro­nes nicht expli­zit Hor­ror, aber der­sel­be Effekt kann auf­tre­ten, wenn in Dei­ner Geschich­te fast durch­gän­gig Kör­per­tei­le durch die Gegend flie­gen. Irgend­wann stumpft der Leser ein­fach ab und lang­weilt sich. Eben­so wie auch in Game of Thro­nes selbst das Hor­ror-Ele­ment der Zom­bies irgend­wann so aus­ge­lutscht war, dass ich zumin­dest nur noch mei­ne Augen ver­dreht habe.

Zusätz­lich zum Auf und Ab soll­test Du natür­lich auch dar­auf ach­ten, dass der Hor­ror sich im Ver­lauf der Geschich­te stei­gert. Doch dass eine Geschich­te sich zum Höhe­punkt hin hoch­schau­keln soll­te, gilt für alle Gen­res, daher wer­de ich an die­ser Stel­le nicht wei­ter dar­auf eingehen.

Stolperfallen

Bei allem, was Du bei Hor­ror tun kannst, gibt es natür­lich auch Din­ge, die Du tun­lichst ver­mei­den solltest:

An aller­ers­ter Stel­le sind da natür­lich aus­ge­lutsch­te Kli­schees, die nicht nur ner­ven, son­dern Dei­ne Geschich­te auch vor­her­steh­bar machen und ihr die Span­nung her­aus­neh­men. Ich spre­che da von Din­gen wie Final Girl, d. h. wenn die letz­te leben­de Figur eine meis­tens blon­de, jung­fräu­li­che, tabak- und alko­hol­ver­wei­gern­de jun­ge Dame ist. Oder von sol­chen ras­sis­ti­schen Din­gen, wie dem Schwar­zen, der als Ers­ter ster­ben muss. Sowas kann nie­mand mehr sehen. Also bit­te einen gro­ßen Bogen dar­um machen.

Auch ist es meis­tens kon­tra­pro­duk­tiv, wenn der Prot­ago­nist all­zu viel Hand­lungs­spiel­raum hat. Um einen ver­ängs­tig­ten Otto Nor­mal­ver­brau­cher fürch­tet der Leser ten­den­zi­ell mehr als um einen pro­fes­sio­nel­len Mons­ter­jä­ger – oder zumin­dest Sol­da­ten, Poli­zis­ten oder Kampf­sport­ler, der sich theo­re­tisch gut ver­tei­di­gen kann. Wenn Du um einen kampf­fä­hi­gen Prot­ago­nis­ten also par­tout nicht her­um­kom­men kannst oder willst, soll­test Du ihn wenigs­tens etwas wehr­lo­ser machen, ihm sei­ne Waf­fen weg­neh­men, ihm eine schwe­re Wun­de zufü­gen oder was Dir sonst noch einfällt.

Und die wich­tigs­te Stol­per­fal­le zuletzt: Vor­sicht bei LGBTQ+, Neu­ro­di­ver­si­tät, psy­chi­schen Krank­hei­ten und Stö­run­gen und ande­ren Din­gen, die in der rea­len Welt für Dis­kri­mi­nie­rung sor­gen! So ist es gar nicht so lan­ge her, dass Trans­se­xua­li­tät ein gesell­schaft­li­ches Tabu war und Ekel pro­vo­zier­te. Und selbst heu­te müs­sen Trans­se­xu­el­le um Akzep­tanz kämpfen.

Und nein, es reicht nicht, wenn in Das Schwei­gen der Läm­mer gesagt wird, dass Buf­fa­lo Bill kein rich­ti­ger Trans­se­xu­el­ler sei. Das ist rei­nes Tell und bleibt dem Leser nicht im Gedächt­nis. Wor­an sich der Leser eher erin­nert, ist das Kos­tüm, das sich Buf­fa­lo Bill aus ech­ten Frau­en näht – und die dadurch auf­tre­ten­de nega­ti­ve Asso­zia­ti­on mit Transsexualität.
(Lind­say Ellis zu dem The­ma: https://​you​tu​.be/​c​H​T​M​i​d​T​L​O​6​0​?​t​=​1​345)

Ähn­li­ches gilt für alle ande­ren Abwei­chun­gen von der „Norm“. Denn Men­schen, die nicht so ganz dem gesell­schaft­li­chen Stan­dard ent­spre­chen, rut­schen bereits im rea­len Leben oft in die Uncan­ny Val­ley und wer­den dem­entspre­chend behan­delt: Autis­ten wer­den über­durch­schnitt­lich häu­fig gemobbt und depres­si­ve oder ander­wei­tig see­lisch kran­ke Men­schen haben oft Angst, sich Hil­fe zu suchen, weil man sie als ver­rück­te Axt­mör­der abstem­peln könn­te. Bit­te schrei­be über sol­che The­men also mit so viel Fin­ger­spit­zen­ge­fühl wie möglich.

Schlusswort

So viel also zu mei­nem schnel­len Durch­lauf zum The­ma Hor­ror. Wie gesagt, ich bin kei­ne Exper­tin auf die­sem Gebiet, aber ich hof­fe, Dir trotz­dem ein wenig gehol­fen zu haben.

Vor allem woll­te ich rüber­brin­gen, dass Hor­ror in mei­nen Augen mehr ist als bloß ein Gen­re. Zumal ich an Gen­res ohne­hin nicht glau­be. Man kann in einer Geschich­te Schwer­punk­te set­zen, zum Bei­spiel eben auf das Hor­ror-Gefühl, aber in einer guten Geschich­te steckt mei­ner Mei­nung nach mehr und wie vie­le Ele­men­te aus wel­chen Gen­res man da ein­baut, ist für mich eher zweitrangig.

Nun bin ich aber nicht das Non­plus­ul­tra und es gibt vie­le Men­schen, die sich für bestimm­te Gen­res beson­ders inter­es­sie­ren, zum Bei­spiel eben Hor­ror. Doch Hor­ror ist nicht gleich Hor­ror und nicht jeder Hor­ror-Fan inter­es­siert sich für die glei­che Art von Hor­ror. Was also rich­tig oder falsch für Dei­ne indi­vi­du­el­le Geschich­te ist, kannst nur Du selbst ent­schei­den. – Mit Blick auf Dei­ne indi­vi­du­el­le Ziel­grup­pe, ver­steht sich.

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