Tipps für gute Beschreibungen

Tipps für gute Beschreibungen

Mit Beschrei­bun­gen tun sich viele Autoren schw­er. Denn sie kön­nen sowohl schön als auch lang­weilig aus­fall­en. Damit bergen beschreibende Pas­sagen immer ein gewiss­es Risiko. Was macht gute Beschrei­bun­gen also aus und wie schreibt man sie? In diesem Artikel teile ich einige Ideen.

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Sie lassen uns staunen oder die Flucht ergreifen. Sie erschaf­fen Atmo­sphäre oder zer­stören sie. Gute Beschrei­bun­gen sind eine ver­dammt hohe Kun­st.

Wie schreibt man sie also? Was müssen wir beacht­en? Wie viele Beschrei­bun­gen sind gut und ab wann sind sie Gift? Wie bekommt man beim Beschreiben einen guten Stil hin? Und was tut man, wenn einem keine Details zum Beschreiben ein­fall­en?

Das alles und noch viel mehr in diesem Artikel!

Was ist eine gute Beschreibung?

Beschrei­bun­gen existieren, weil wir manch­mal im Kopf des Gegenüber ein Bild erzeu­gen möcht­en. Wir Schreiber beispiel­sweise wollen, dass unser Leser vor seinem geisti­gen Auge möglichst das­selbe Bild hat wie wir selb­st. Wir wollen Kopfki­no erzeu­gen, Atmo­sphäre erschaf­fen, Gefüh­le her­vor­rufen.

Und damit liegt die Def­i­n­i­tion ein­er guten Beschrei­bung klar auf der Hand:

Eine gute Beschrei­bung erfüllt ihren Zweck.

Sie erzeugt Kopfki­no, erschafft Atmo­sphäre und weckt Gefüh­le.

Wie erre­icht man das also?

Tipps und Techniken

In der Kürze liegt die Würze

Ohne viel Umschweife:

Die besten Beschrei­bun­gen sind kurz, knack­ig und tre­f­fen den Nagel auf den Kopf.

Du musst kein hyper­de­tail­liertes Bild zeich­nen. Das Bild im Kopf des Lesers wird sowieso anders ausse­hen als Deine Vorstel­lung. Außer­dem “ver­wässern” viele Details das Bild, sodass man irgend­wann vor lauter Kleinigkeit­en das große Ganze nicht mehr sieht.

Eine Skizze reicht völ­lig aus: Was sind die charak­ter­is­tis­chen Merk­male eines Gegen­standes oder ein­er Fig­ur? Was fällt als erstes ins Auge? Welche Assozi­a­tio­nen erweck­en sie?

Joanne K. Rowl­ing hat die Fig­ur Severus Snape nie in allen Einzel­heit­en beschrieben. — Aber wir alle ken­nen den charak­ter­is­tis­chen “fet­ti­gen Vorhang” von ein­er Frisur.

Und an dieser Stelle auch ein Bonustipp:

Je bizarrer und ungewöhn­lich­er die her­aus­gepick­ten Details, desto bess­er.

Nie­man­den inter­essiert es, dass Leonie sich mor­gens die Zähne putzt. Aber wenn Lud­wig im Infla­tion­s­jahr 1923 sich seine Zigarre mit einem Geld­schein anzün­det, dann bringt das die rasende Entwer­tung des Geldes wun­der­bar auf den Punkt.
Erich Maria Remar­que: Der schwarze Obelisk, Kapi­tel 1.

Show, don’t tell

Wozu lang und bre­it etwas beschreiben, wenn man es auch zeigen kann?

Erin­nere Dich an den Film Die rechte und die linke Hand des Teufels und speziell an die Ein­führung der Fig­ur des Müden Joe. Als Joe in einem Gasthaus ein­trifft und der Wirt Bohnen verteilt, will Joe die ganze Pfanne haben und isst sie auch tat­säch­lich kom­plett auf. Das zeigt seinen Hunger äußerst ein­deutig.

Wenn Du also eine Beschrei­bung durch eine konkrete Hand­lung erset­zen kannst: Tue es! Sei generell möglichst sparsam mit Adjek­tiv­en und Adver­bi­en — denn sie “müllen” son­st Deine Beschrei­bun­gen mit irrel­e­van­ten Details zu. Konkrete Hand­lun­gen brin­gen Zustände und Gefüh­le in der Regel viel bess­er auf den Punkt als nack­te Beschrei­bun­gen.

Das gilt übri­gens beson­ders bei abstrak­ten Wörtern. Beschreibe Deine Fig­uren zum Beispiel niemals als “nett”, “sym­pa­thisch” oder “ehrfurchter­re­gend”. Solche Wörter sind nichtssagend. Denn jed­er stellt sich etwas anderes darunter vor.

Wenn Du also konkrete Bilder erzeu­gen willst, dann zeige und beschreibe nicht.

Ver­giss dabei aber nicht, dass auch hier weniger mehr ist. Denn so schön “Show, don’t tell” auch ist: Wenn du kom­plett irrel­e­vante Details “zeigst”, dann ist das fast genau­so lang­weilig wie eine unnötig aus­führliche Beschrei­bung.

Mehr zum The­ma “Show, don’t tell” gibt es in einem eigen­ständi­gen Artikel.

Originelle Stilmittel und Wortwahl

Das vielle­icht Schw­er­ste an Beschrei­bun­gen ist die Orig­i­nal­ität. Wie machen wir unsere Beschrei­bun­gen also knack­ig, frisch und orig­inell?

Unter den rhetorischen Stilmit­teln gibt es die soge­nan­nten Tropen. Eine detail­lierte Erk­lärung find­est Du in der entsprechen­den Rei­he. An dieser Stelle beg­nü­gen wir uns damit, dass die Tropen beson­ders gut beeignet sind, um mit eini­gen weni­gen Worten äußerst reiche Bilder zu erzeu­gen.

Beson­ders wichtige Vertreter sind dabei die Meta­pher und der Ver­gle­ich. — Vor allem, wenn sie nicht nur einen einzi­gen Sachver­halt beschreiben, son­dern als “Sys­tem” auftreten:

Der rus­sis­che Autor Evgenij Zam­jatin beschreibt in sein­er Erzäh­lung Die Höh­le die Zustände im win­ter­lichen Peters­burg nach der rus­sis­chen Rev­o­lu­tion, geprägt durch Hunger, Kälte und den Kampf ums nack­te Über­leben. Dabei benutzt er durchgängig eine Steinzeit­metaphorik: Er spricht von Mam­muts, beschreibt Wohn­häuser als Felsen mit Höhlen und benutzt tierische Ter­mi­nolo­gie wie “Weibchen” für Men­schen. Damit entste­ht vor dem geisti­gen Auge das Bild von ein­er evo­lu­tionären Rück­en­twick­lung, ein­er postapoka­lyp­tis­chen Welt, und das wiederum bringt das Gefühl dieser katas­trophalen Lebens­be­din­gun­gen ein­dringlich rüber.

Doch auch alle­in­ste­hende Stilmit­tel kön­nen äußerst effek­tiv sein. — Das heißt, solange sie zur Stim­mung der jew­eili­gen Szene passen und — vor allem — nicht abge­droschen sind. Wir alle ken­nen sie ja: “schnell wie der Blitz”, “Bären­hunger” und so weit­er … Wir alle ken­nen sie und deswe­gen lesen wir ganz emo­tion­s­los über sie drüber.

Nimm Dir also ruhig etwas mehr Zeit, um ein einzi­gar­tiges Bild zu erschaf­fen, das neu ist und den Leser aufrüt­tet.

Ver­giss die Meta­phern und Ver­gle­iche, die du kennst. Konzen­triere Dich auf die Sache, Hand­lung, was auch immer Du beschreiben möcht­est: Stell Dir vor, dass Du es zum ersten Mal im Leben wahrn­immst. Stell Dir vor, Du hast Dein ganzes Leben hin­term Mond ver­bracht und kennst es nicht. Was fällt Dir daran als erstes auf? Was empfind­est Du, während Du es ent­deckst? Was siehst, hörst, schmeckst, fühlst und riechst Du? Welchen Din­gen ähnelt es? Welche Gedanken löst es in Dir aus?

Wenn die Antworten bizarr und vielle­icht sog­ar wider­sprüch­lich aus­fall­en, dann bist Du auf einem guten Weg. Hier zum Beispiel eine eigentlich ganz unl­o­gis­che, aber dafür umso kräftigere Meta­pher — Es han­delt sich dabei um die Beschrei­bung des ehe­ma­li­gen Schlacht­feldes bei Ver­dun:

“Nir­gends auf der Welt gibt es ein solch­es Schweigen, denn dieses Schweigen ist ein gewaltiger ver­stein­ert­er Schrei.”
Erich Maria Remar­que: Schweigen um Ver­dun.

Ein Schrei ist das Gegen­teil von Schweigen — und er kann auch nicht stein­ern sein. Doch ger­ade deswe­gen wirkt diese Meta­pher: Sie ist ungewöhn­lich, sie rüt­tet auf und sie ver­wis­cht die Gren­zen zwis­chen der stillen Gegen­wart und dem Grauen des Krieges, der sich für immer in die Seele des Betra­chters einge­bran­nt hat.

Schlachtfeld von Verdun im Ersten Weltkrieg und 2005
Links: Die Wiederer­oberung von Fort Douau­mont am 24. Okto­ber 1916, Kün­stler: Hen­ri Georges Jacques Charti­er. | Rechts: Granat­trichter von Ver­dun im Jahr 2005, Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Battelfield_Verdun.JPG, vom Urhe­ber unter der Pub­lic Domain-Lizenz veröf­fentlicht.

Die Macht der Erzählperspektive

Was eine Beschrei­bung inter­es­sant und einzi­gar­tig machen kann, ist die indi­vidu­elle Sichtweise ein­er Fig­ur. Lieschen sieht die Dinge anders als Fritzchen — und was sie wahrn­immt, denkt und wie sie es wiedergibt, sagt wiederum sehr viel über sie aus.

Wenn Du also einen intern fokalisierten Erzäh­ler hast, dann schre­it das förm­lich nach ein­er Beschrei­bung, wie sie nur von Dein­er Reflek­tor­fig­ur stam­men kön­nte.

Damit hängt auch die Stilis­tik der Beschrei­bun­gen, wie poet­isch und bildlich sie sein sollen, von der Erzählper­spek­tive ab: Wenn die Reflek­tor­fig­ur etwas poet­is­ch­er ver­an­lagt ist, dann brauchen Deine Texte mehr Meta­phern als bei ein­er weniger kün­st­lerisch ver­an­lagten Fig­ur.

Diese Herange­hensweise ist umso effek­tiv­er, wenn Du Deine Geschichte aus ein­er ungewöhn­lichen Per­spek­tive erzählst.

In Lew Tol­sto­js Erzäh­lung Der Lein­wandmess­er zum Beispiel erhal­ten wir einen Ein­blick in das Innen­leben eines Pfer­des. Dieses hat unter anderem seine höchst eigene Sichtweise auf das The­ma Besitz.

Ein anderes Beispiel find­et sich in Das wan­del­nde Schloss von Diana Wynne Jones: Hier gibt es ein Kapi­tel, in dem die Pro­tag­o­nistin Sophie, die in ein­er Fan­ta­sy-Welt aufgewach­sen ist, in unsere reale Welt gelangt. Dabei sieht sie Dinge wie einen Fernse­her, Videospiele und Autos zum ersten Mal und hat dementsprechend eine inter­es­sante Wahrnehmung davon.

Wichtig bei Erzählper­spek­tiv­en ist aber, sie auch wirk­lich einzuhal­ten. Das heißt: Wenn Du durch Fritzchens Augen beschreib­st, dann stellen Beschrei­bun­gen von Din­gen, die Fritzchen nicht sehen kann, oder Fritzchens Wirkung nach außen hin einen Bruch dar. Doch zur Ein­hal­tung der Erzählper­spek­tive ist bere­its ein eigen­er Artikel geplant. Deswe­gen gehe ich an dieser Stelle nicht aus­führlich­er darauf ein.

Beschreibungen in der Praxis

So viel zu den Tipps an sich. — Doch die wichtig­ste Frage ist immer noch offen:

Wann set­zt man welche Art von Berei­bun­gen ein?

Die all­ge­me­in­ste Antwort darauf ist:

Es kommt auf die Geschichte an.

Doch was bedeutet das konkret? Hier einige grund­sät­zliche Über­legun­gen, an denen ich mich ent­lang­hangeln würde:

  • Wie bildlich Dein Text sein soll, musst Du selb­st wis­sen. Das vari­iert von Text zu Text und von Ziel­gruppe zu Ziel­gruppe. Aber mein Ein­druck wäre, dass hand­lung­sori­en­ti­etere Texte meist weniger Beschrei­bun­gen haben als Geschicht­en, in denen es mehr um das Innen­leben von Fig­uren geht. Ger­ade Beschrei­bun­gen der Außen­welt spiegeln häu­fig das Innen­leben der Reflek­tor­fig­uren. Ob Erna zum Beispiel einen son­ni­gen Tag als etwas Schönes oder als Hohn wahrn­immt, hängt sehr stark von ihrer eige­nen Ver­fas­sung ab.
  • Und das gilt nicht nur für ganze Texte, son­dern auch für einzelne Szenen: Denn je länger eine Beschrei­bung ist, desto länger pausiert die Hand­lung. - Vor allem, wenn die Beschrei­bung los­gelöst ist vom Innen­leben der Reflek­tor­fig­ur. Und beson­ders Action­szenen ver­tra­gen sowas nicht. Cle­vere Meta­phern und kurze Ver­gle­iche hinge­gen kön­nen auch hand­lungs­fokussiert­ere Szenen bere­ich­ern durch witzige, drama­tis­che oder ander­weit­ig emo­tionale Bilder.
    (Mehr zum The­ma Pause und Erzähltem­po all­ge­mein gibt es in einem eige­nen Artikel.)
  • Nicht zulet­zt zeich­net die Häu­figkeit von Meta­phern und die Kun­st­fer­tigkeit von Beschrei­bun­gen generell den indi­vidu­ellen Stil Man muss nicht auf Teufel komm raus jemand sein wollen, der man nicht ist. Wenn orig­inelle und poet­is­che Meta­phern Dir schw­er fall­en — dann sei eben sparsam mit ihnen und lass Deinen Text auf einem anderen Gebi­et glänzen. Nichts liest sich hölz­ern­er als zwang­haft aus den Fin­gern gesaugte Beschrei­bun­gen eines Möchte­gern-Poet­en.
  • Gle­ichzeit­ig gilt aber auch: Übung macht den Meis­ter! Nur, weil Du ger­ade jet­zt vielle­icht keine guten Beschrei­bun­gen scheib­st, heißt das nicht, dass das so bleiben muss. Lies Büch­er mit guten Beschrei­bun­gen — ich per­sön­lich empfehle meinen Lieblingsautor Remar­que — und dann übe, übe, übe!

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