Zeitebenen beim Erzählen: Die deutschen Zeitformen und wie man sie benutzt

Zeitebenen beim Erzählen: Die deutschen Zeitformen und wie man sie benutzt

Autoren spie­len ger­ne mit Spra­che. Doch beson­ders beim Erzäh­len von fik­tio­na­len Geschich­ten wird es kom­pli­ziert: Meh­re­re Zeit­ebe­nen müs­sen in ein Ver­hält­nis gebracht wer­den. Die Wahl bestimm­ter Zeit­for­men in unter­schied­li­chen Kon­tex­ten und Situa­tio­nen erzeugt dabei fei­ne Unter­schie­de. Des­we­gen bespre­chen wir in die­sem Arti­kel, wann man wel­ches Tem­pus benutzt, und bewun­dern eini­ge Beson­der­hei­ten der deut­schen Sprache.

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Erzäh­len ist ver­wir­rend. Vor allem, wenn man sich vor Augen führt, was da „tech­nisch“ gese­hen im Hin­ter­grund pas­siert und wel­chen Ein­fluss das auf die Gram­ma­tik und spe­zi­ell auf die Zeit­for­men hat:

Wenn eine Geschich­te zum Bei­spiel von Fritz­chens ver­gan­ge­nen Aben­teu­ern han­delt, dann befin­den sich der Erzäh­ler und der (fik­ti­ve) Leser in der Gegen­wart, wäh­rend Fritz­chens Aben­teu­er eben in der Ver­gan­gen­heit lie­gen. Für die Fritz­chen-Figur inner­halb der Geschich­te ist die­se Ver­gan­gen­heit jedoch die Gegen­wart. Und als ob das nicht schon kom­pli­ziert genug wäre, kom­men Din­ge zur Spra­che, die aus Fritz­chens Sicht in der Zukunft, aus der Sicht des Erzäh­lers aber in der Ver­gan­gen­heit lie­gen. Und Du als Autor musst das irgend­wie handhaben.

Des­we­gen spre­chen wir in die­sem Arti­kel über das Zeit­ver­hält­nis zwi­schen den erzähl­ten Ereig­nis­sen und dem Erzähl­akt sowie über die gram­ma­ti­ka­li­schen Tempusformen.

Ereignisse und Erzählakt: Der Weg zur Erzählung

Begin­nen wir am bes­ten mit den Grund­la­gen: Was ist Erzäh­len? Zu die­sem The­ma haben wir bereits in einem der ers­ten Arti­kel auf die­ser Web­site gespro­chen, daher wie­der­ho­len wir an die­ser Stel­le ein­fach nur die Defi­ni­ti­on des Erzäh­lens im enge­ren Sinne:

Erzäh­len ist das Beschrei­ben einer Zustands­ver­än­de­rung durch eine Erzähl­in­stanz.

Zu Deutsch: Es hat eine Zustands­ver­än­de­rung statt­ge­fun­den, aus A wur­de B, und dann kommt ein Erzäh­ler daher und beschreibt die­sen Prozess.

Wenn die Geschich­te also von Fritz­chens Aben­teu­ern han­delt, dann haben die­se Aben­teu­er irgend­wann statt­ge­fun­den, der Erzäh­ler der Geschich­te hat davon irgend­wie Kennt­nis erlangt und erzählt nun dem Leser davon.

Im Fall von fik­tio­na­ler Lite­ra­tur müs­sen wir natür­lich beden­ken, dass wir uns im „Als ob“ befin­den: Wir wis­sen, dass das Erzähl­te nicht wahr ist, dass Fritz­chen und sei­ne Aben­teu­er nur eine Erfin­dung des Autors sind, aber wir tun spie­le­risch so, als wären sie real. Somit kann die beschrie­be­ne Zustands­ver­än­de­rung beim Erzäh­len auch kom­plett aus­ge­dacht sein – trotz­dem bleibt das Prin­zip bestehen: Der Erzäh­ler hat von die­sen noch so fik­ti­ven Ereig­nis­sen irgend­wie erfah­ren und gibt sie an den Leser weiter.

Unab­hän­gig von der Echt­heit der Zustands­ver­än­de­rung fin­det also ein Ver­ar­bei­tungs­pro­zess durch den Erzäh­ler statt. Auch dar­über haben wir bereits in einem frü­he­ren Arti­kel gespro­chen und fri­schen an die­ser Stel­le nur kurz auf.

Laut Wolf Schmid ent­steht ein Erzähl­text in vier Schrit­ten. Die­se wären:

  • 1. Gesche­hen: Es pas­sie­ren alle mög­li­chen Din­ge. Fritz­chens Eltern haben ihr ers­tes Date, Fritz­chen wird gebo­ren, Fritz­chen bekommt eine Mis­si­on, Fritz­chen erschlägt einen Dra­chen, Fritz­chen geht aufs Klo und in Chi­na fällt ein Sack Reis um.
  • 2. Geschich­te: Aus dem schier unend­li­chen Wirr­warr von Gescheh­nis­sen wer­den bestimm­te Vor­fäl­le aus­ge­wählt. Als Anker­punkt für die­se Aus­wahl fun­giert die Prä­mis­se, vor deren Hin­ter­grund sich bestim­men lässt, wel­che Gescheh­nis­se rele­vant sind und wel­che nicht. Wenn die Geschich­te also davon han­deln soll, wie Fritz­chen einen Dra­chen besiegt (= Prä­mis­se!), dann beschrän­ken wir uns auf das Erhal­ten der Mis­si­on und den Kampf gegen den Dra­chen. Das ers­te Date sei­ner Eltern, sei­ne Geburt, sei­ne Toi­let­ten­gän­ge und den Sack Reis strei­chen wir. Es geht also um die Sto­ry, die erzählt wer­den soll.
  • 3. Erzäh­lung: Die aus­ge­wähl­ten Gescheh­nis­se wer­den auf eine bestimm­te Wei­se ange­ord­net. Dabei kann der Erzäh­ler ganz chro­no­lo­gisch vor­ge­hen und mit dem Erhalt der Mis­si­on begin­nen oder er kann ana­chro­nis­tisch berich­ten, zum Bei­spiel bei der Lei­che des Dra­chen anfan­gen und erst dann erklä­ren, wie es zu die­sem Kampf über­haupt gekom­men ist. Es geht also um den kon­kre­ten Plot, in den die Sto­ry ver­packt wird.
  • 4. Prä­sen­ta­ti­on der Erzäh­lung: Die fest­ge­leg­te Anord­nung der aus­ge­wähl­ten Gescheh­nis­se wird in eine fes­te, sprach­li­che Form gegos­sen, also in einen kon­kre­ten Erzähl­text, der zum Bei­spiel begin­nen kann mit: „Es war ein­mal ein Rit­ter namens Fritzchen …“

So viel zur Wie­der­ho­lung. Du musst natür­lich nicht die gan­ze Theo­rie aus­wen­dig ler­nen, aber schrei­be Dir zumin­dest das Grund­prin­zip hin­ter die Ohren:

Etwas pas­siert, der Erzäh­ler ver­ar­bei­tet das und gibt es erst dann wieder.

Und das wie­der­um bedeutet:

Man kann streng­ge­nom­men nur von ver­gan­ge­nen Din­gen erzäh­len.

Also nur von Din­gen, die man wahr­ge­nom­men und irgend­wie ver­ar­bei­tet hat. Selbst Sport­kom­men­ta­to­ren, die live berich­ten, was auf dem Fuß­ball­feld pas­siert, erzäh­len mit Ver­zö­ge­rung: Sie müs­sen den Tor­schuss erst gese­hen haben, bevor sie „Toooooo­or!“ schrei­en kön­nen. Die­se Ver­zö­ge­rung mag nur den Bruch­teil einer Sekun­de betra­gen, aber durch sie ist selbst die Live-Mode­ra­ti­on bei Sport­er­eig­nis­sen im Grun­de eine Erzäh­lung von Ver­gan­ge­nem. Das Erzäh­len von Gegen­wär­ti­gem ist – zumin­dest für einen Men­schen – nicht möglich.

An die­ser Stel­le beob­ach­ten wir also beson­ders deut­lich ein Aus­ein­an­der­ge­hen der zeit­li­chen Dimen­sio­nen, bedingt durch die beschrie­be­ne Zeitverzögerung:

Der Erzäh­ler und sein Leser haben ihre eige­ne Gegen­wart, näm­lich den Moment des Erzähl­ak­tes bzw. der Prä­sen­ta­ti­on der Erzäh­lung. Der Rit­ter Fritz­chen in der Geschich­te ahnt wahr­schein­lich nicht ansatz­wei­se von die­sem Erzähl­akt und befin­det sich in sei­ner höchst eige­nen Gegen­wart, näm­lich der Gegen­wart des Gesche­hens, der soge­nann­ten Basis­er­zäh­lung.

Die Basis­er­zäh­lung liegt zeit­lich meis­tens vor dem Erzähl­akt. – „Meis­tens“ des­we­gen, weil sie tat­säch­lich in der Zukunft lie­gen kann, auch wenn die Wahr­neh­mung und Ver­ar­bei­tung der Ereig­nis­se logi­scher­wei­se in der Ver­gan­gen­heit statt­ge­fun­den haben. Dabei kann durch das Weg­las­sen des ver­gan­ge­nen Gescheh­nis­ses der Wahr­neh­mung die Erzäh­lung kos­me­tisch ver­ein­facht wer­den: Statt „Ich habe gese­hen, dass Fritz­chen den Dra­chen besie­gen wird.“ sagt der Erzäh­ler: „Fritz­chen wird den Dra­chen besie­gen.“ – Und schon ist es eine Basis­er­zäh­lung von ein­deu­tig zukünf­ti­gen Ereignissen.

Grund­sätz­lich kann es sich bei der Erzäh­lung im Futur aber auch um eine gram­ma­ti­ka­li­sche Ver­fäl­schung des rea­len Ent­ste­hungs­pro­zes­ses han­deln: Der Erzäh­ler hat ein Gesche­hen wahr­ge­nom­men, ver­ar­bei­tet es in eine Erzäh­lung und ersetzt bei der Prä­sen­ta­ti­on die gram­ma­ti­ka­li­sche Ver­gan­gen­heits­form durch das Futur. – Und kommt sich dabei sehr ori­gi­nell vor.

Die deutschen Zeitformen: Präsens, Perfekt, Präteritum, Plusquamperfekt, Futur I und Futur II

So kom­men wir also zum The­ma der gram­ma­ti­ka­li­schen For­men und der Sti­li­sie­rung bzw. sprach­li­chen Ver­fäl­schung der rea­len Ver­hält­nis­se mit­tels der Gram­ma­tik. Denn wie eben ange­deu­tet, gibt es nicht nur einen Unter­schied zwi­schen der Gegen­wart der Figu­ren bzw. des Gesche­hens und der Gegen­wart des Erzähl­ak­tes, son­dern der Erzäh­ler treibt wäh­rend des Erzäh­lens ger­ne mal auch so man­chen Scha­ber­nack. Und um die­sen Scha­ber­nack zu ver­ste­hen, müs­sen wir uns zunächst die deut­schen Zeit­for­men bzw. Tem­po­ra in Erin­ne­rung rufen.

Präsens

Wenn wir von der Gegen­wart spre­chen, dann benut­zen wir das Präsens:

Ich erzäh­le Dir eine Geschichte.

Dar­über hin­aus beschrei­ben wir damit auch regel­mä­ßi­ge und oft auch zukünf­ti­ge Tätig­kei­ten:

Jeden Abend erzäh­le ich Dir eine Geschichte.

Mor­gen erzäh­le ich Dir eine Geschichte.

Auch ver­gan­ge­ne Ereig­nis­se kön­nen unter bestimm­ten Bedin­gun­gen mit dem Prä­sens beschrie­ben wer­den. Und zwar wird im Deut­schen bei geschicht­li­chen Dar­stel­lun­gen und eini­gen ande­ren Arten von Doku­men­ta­tio­nen ger­ne auf das soge­nann­te his­to­ri­sche Prä­sens zurückgegriffen:

Am 2. Dezem­ber 1805 gewinnt Napo­le­on die Schlacht bei Austerlitz.

Außer­dem erzäh­len wir auch in der Umgangs­spra­che ger­ne im Präsens:

Ges­tern sit­zen wir also da und ich erzäh­le eine Geschich­te. Und dann kommt plötz­lich Iks Üpsi­lon daher und sagt

Im Grun­de soll hier die Ver­gan­gen­heit dem Zuhö­rer bild­lich vor Augen geführt wer­den. Es ist also ein Stil­mit­tel und de fac­to der Zwil­ling der gleich­zei­ti­gen Nar­ra­ti­on bei fik­tio­na­len Tex­ten. Doch dazu kom­men wir etwas später.

Perfekt

Wenn wir von der Ver­gan­gen­heit spre­chen, haben wir im Deut­schen drei Mög­lich­kei­ten. Die ers­te davon ist das Per­fekt. Wir benut­zen es bei abge­schlos­se­nen Ereig­nis­sen, die aber eine Aus­wir­kung auf die Gegen­wart haben:

Ich habe Dir eine Geschich­te erzählt.

In der Umgangs­spra­che benut­zen wir über­wie­gend die­se Zeit­form. Trotz­dem gibt es eini­ge Aus­nah­men wie Hilfs­ver­ben, Modal­ver­ben und ein paar ande­re, bei denen wir auch im All­tag das Prä­ter­itum bevorzugen:

Wir sagen zum Bei­spiel meis­tens nicht:

Ich habe Dir ges­tern eine Geschich­te erzäh­len müs­sen.
(Per­fekt)

Son­dern:

Ich muss­te Dir ges­tern eine Geschich­te erzählen.
(Prä­ter­itum)

Das Per­fekt von müs­sen wür­den wir eher dann ver­wen­den, wenn wir die Beson­der­heit des Per­fekts nut­zen, also die Bedeu­tung für die Gegen­wart beto­nen wol­len: Ent­we­der wol­len wir den Fokus dar­auf len­ken, dass das erzwun­ge­ne Geschich­ten­er­zäh­len jetzt defi­ni­tiv vor­bei ist, und/​oder wir wol­len her­vor­he­ben, dass es beson­ders unan­ge­nehm war und womög­lich immer noch spür­ba­re Nach­wir­kun­gen hat:

Ich habe Dir ges­tern eine Geschich­te erzäh­len müs­sen. Noch immer ich bin ich erschöpft davon.

Im Prä­ter­itum klingt der Satz deut­lich sach­li­cher, weni­ger emotional.

Präteritum

Die zwei­te Ver­gan­gen­heits­form im Deut­schen ist das Prä­ter­itum. Wir benut­zen es eher bei geschrie­be­nen Tex­ten, die nicht die gespro­che­ne Spra­che imi­tie­ren (also zum Bei­spiel nicht in WhatsApp-Nachrichten):

Ich erzähl­te Dir eine Geschichte.

Wie aber eben ange­deu­tet, ist das kei­ne Regel, son­dern nur eine Ten­denz. Man­cher­orts – eher in Nord­deutsch­land – ist es durch­aus etwas übli­cher, Per­fekt und Prä­ter­itum in der gespro­che­nen Spra­che zu mischen. In man­chen süd­deut­schen Dia­lek­ten hin­ge­gen hat das Per­fekt das Prä­ter­itum fast voll­stän­dig ver­drängt. Grund­sätz­lich sind die­se bei­den Ver­gan­gen­heits­for­men zumin­dest von ihrer Bedeu­tung her auch tat­säch­lich mehr oder weni­ger aus­tausch­bar – nur wenn die beschrie­be­ne Ver­gan­gen­heit noch nicht lan­ge zurück­liegt und einen Ein­fluss auf die Gegen­wart hat, ist das Per­fekt obli­ga­to­risch:

Du bist von mei­ner Geschich­te gelang­weilt, weil ich sie Dir eben erst erzählt habe.

Ver­glei­che:

Du bist von mei­ner Geschich­te gelang­weilt, weil ich sie Dir eben erst erzähl­te.
(Gib zu, das Prä­ter­itum klingt hier bes­ten­falls archaisch.)

Salopp kön­nen wir also durch­aus sagen, dass das Per­fekt eher die Ver­gan­gen­heits­form für die gespro­che­ne Spra­che ist und das Prä­ter­itum sich eher in Tex­ten fin­det. Außer­dem hat das Per­fekt, wie gesagt, noch eine Zusatz­funk­ti­on des Bezugs zur Gegen­wart. Die­se hat das Prä­ter­itum nicht.

Die­ser Gegen­warts­be­zug muss dabei nicht unbe­dingt kau­sal sein. Ver­glei­chen wir zum Bei­spiel, wie wir bei einer Ver­gan­gen­heit, die mög­li­cher­wei­se noch gül­tig ist, mit den Tem­pus­for­men han­tie­ren. Hier zunächst ein Bei­spiel im Präteritum:

Ich erin­ne­re mich dar­an, dass mei­ne Freun­din Erna nach dem drit­ten Glas Rot­wein immer über ihren Exfreund zu läs­tern anfing. Er hieß Klaus und arbei­te­te als Hundetrainer.

Sofern Klaus zum Zeit­punkt des Erzähl­ak­tes noch am Leben ist, heißt er mit aller­größ­ter Wahr­schein­lich­keit immer noch Klaus und ist mög­li­cher­wei­se immer noch Hun­de­trai­ner, auch wenn für die­se Infor­ma­ti­on eine Ver­gan­gen­heits­form genutzt wird. Wel­che Wir­kung spe­zi­ell das Prä­ter­itum hat, mer­ken wir, wenn wir den zwei­ten Satz ins Per­fekt set­zen und vergleichen:

Ich erin­ne­re mich dar­an, dass mei­ne Freun­din Erna nach dem drit­ten Glas Rot­wein immer über ihren Exfreund zu läs­tern anfing. Er hat als Hun­de­trai­ner gear­bei­tet.

Beim Per­fekt möch­te man sehr viel stär­ker als vor­hin beim Prä­ter­itum ein „damals“ ein­set­zen: „Er hat damals als Hun­de­trai­ner gear­bei­tet.“ Das Per­fekt bringt hier also in einem stär­ke­ren Maß das Heu­te ins Spiel: Klaus war damals zumin­dest Hun­de­trai­ner – heu­te ist er das viel­leicht nicht mehr und/​oder das „Ich“ in der Gegen­wart weiß es ein­fach nicht. Die Prä­ter­itums­va­ri­an­te ist da viel offe­ner und los­ge­lös­ter von der Gegen­wart bzw. vom Erzähl­akt, fokus­siert sich also stär­ker auf die ver­gan­ge­ne Gegen­wart der Läs­te­rei­en beim Rotwein.

Plusquamperfekt

Weil die Deut­schen offen­bar so ger­ne über die Ver­gan­gen­heit phi­lo­so­phie­ren, gibt es noch eine drit­te Ver­gan­gen­heits­form, näm­lich das Plus­quam­per­fekt. In der gespro­che­nen Spra­che kommt es eher sel­ten vor, weil es nur dann benö­tigt wird, wenn man von ver­gan­ge­nen Din­gen redet und dann etwas noch Ver­gan­ge­ne­res zur Spra­che kommt, und die Men­schen es umgangs­sprach­lich ger­ne durch eine der ande­ren Ver­gan­gen­heits­for­men erset­zen:

Du warst von mei­ner Geschich­te gelang­weilt, weil ich sie Dir schon am Abend zuvor erzählt hat­te.
(Plus­quam­per­fekt, for­mal korrekt)

Du warst von mei­ner Geschich­te gelang­weilt, weil ich sie Dir schon am Abend zuvor erzählt habe.
(Per­fekt statt Plus­quam­per­fekt, eigent­lich falsch)

Obwohl das Plus­quam­per­fekt vom Aus­ster­ben bedroht ist, ermög­licht es uns nach wie vor fei­ne Nuan­cen bei der Dar­stel­lung von Ver­gan­ge­nem. Neh­men wir das Rot­wein-Läs­ter­bei­spiel von vor­hin und ergän­zen es noch durch eine drit­te Vari­an­te. Vergleiche:

Zwei­ter Satz im Präteritum:

Ich erin­ne­re mich dar­an, dass mei­ne Freun­din Erna nach dem drit­ten Glas Rot­wein immer über ihren Exfreund zu läs­tern anfing. Er hieß Klaus und arbei­te­te als Hundetrainer.

Zwei­ter Satz im Perfekt:

Ich erin­ne­re mich dar­an, dass mei­ne Freun­din Erna nach dem drit­ten Glas Rot­wein immer über ihren Exfreund zu läs­tern anfing. Er hat als Hun­de­trai­ner gear­bei­tet.

Zwei­ter Satz im Plusquamperfekt:

Ich erin­ne­re mich dar­an, dass mei­ne Freun­din Erna nach dem drit­ten Glas Rot­wein immer über ihren Exfreund zu läs­tern anfing. Er hat­te als Hun­de­trai­ner gear­bei­tet.

Wir haben ins­ge­samt drei Zeit­ebe­nen: den Moment, in dem sich das „Ich“ an das Rot­wein­trin­ken erin­nert, das Rot­wein­trin­ken selbst und das Läs­tern dabei und schließ­lich die ver­gan­ge­ne Bezie­hung zwi­schen Erna und Klaus. Bei den Vari­an­ten im Prä­ter­itum und im Per­fekt ist die Infor­ma­ti­on über Klaus‘ beruf­li­che Tätig­keit auf der­sel­ben Zeit­ebe­ne wie das läs­ter­las­ti­ge Rot­wein­trin­ken. Es ist also mög­lich, dass Klaus zu die­sem Zeit­punkt (des Läs­terns) immer noch Hun­de­trai­ner war. Bei der Vari­an­te im Plus­quam­per­fekt wird die Infor­ma­ti­on über Klaus‘ Beruf ein­deu­tig auf die zeit­li­che Ebe­ne der ver­gan­ge­nen Bezie­hung beschränkt. Sie gilt also nur für die­sen zeit­lich weit zurück­lie­gen­den Zeit­punkt. Mit ande­ren Wor­ten: Klaus ist defi­ni­tiv kein Hun­de­trai­ner mehr. Oder er hat sei­nen Beruf nach der Tren­nung von Erna wie­der auf­ge­nom­men, aber zwi­schen ihm und den läs­tern­den Damen herrscht Funk­stil­le, sodass sie nichts davon wis­sen. Das Plus­quam­per­fekt ver­leiht der Infor­ma­ti­on in die­sem Bei­spiel also etwas schon fast unwie­der­bring­lich End­gül­ti­ges.

Futur I und Futur II

Wenn es um die Zukunft geht, grei­fen wir neben dem umgangs­sprach­li­chen Prä­sens in ers­ter Linie auf das Futur I zurück:

Ich wer­de Dir eine Geschich­te erzäh­len.

Dar­über hin­aus kommt das Futur I auch bei Befeh­len und Dro­hun­gen zum Ein­satz:

Du wirst mir jetzt zuhö­ren oder ich wer­de Dich bis ans Ende Dei­ner Tage ver­fol­gen!

Wenn es spe­zi­ell dar­um geht, dass in der Zukunft eine Hand­lung voll­endet sein wird, benut­zen wir das Futur II:

Bis mor­gen wer­de ich Dir die Geschich­te erzählt haben.

Viele Feinheiten …

So viel zu den stan­dard­sprach­li­chen Tem­po­ra im Deut­schen. Dar­über hin­aus gibt es noch Din­ge wie das dop­pel­te Per­fekt und das dop­pel­te Plus­quam­per­fekt, die eher in der Umgangs­spra­che und in Dia­lek­ten hei­misch sind. Ich spre­che da von Din­gen wie: „Ich habe Dir eine Geschich­te erzählt gehabt.“ Und: „Ich hat­te Dir eine Geschich­te erzählt gehabt.“ Sol­che Fein­hei­ten über­las­se ich an die­ser Stel­le aber lie­ber den Ger­ma­nis­ten und fokus­sie­re mich statt­des­sen auf die moder­ne Stan­dard­spra­che. Ich möch­te die Abwei­chun­gen vom Stan­dard bloß erwähnt haben, weil Du, wenn Du Dich mit der Spra­che gut aus­kennst und sie gut hand­habst, sie durch­aus als Stil­mit­tel ver­wen­den kannst.

Außer­dem wer­de ich an die­ser Stel­le auch nicht erläu­tern, wie die Tem­pus­for­men gram­ma­ti­ka­lisch gebil­det wer­den. Ich gehe näm­lich davon aus, dass Du das Deut­sche beherrschst und not­falls in der Lage bist, die Gram­ma­tik nach­zu­schla­gen – heut­zu­ta­ge gibt es im Inter­net ja für prak­tisch jedes Verb aus­führ­li­che Kon­ju­ga­ti­ons­ta­bel­len. Weil aber auch Mut­ter­sprach­ler hier manch­mal Feh­ler machen, wäre das viel­leicht etwas für mei­ne Rei­he über häu­fi­ge Feh­ler bei Recht­schrei­bung, Gram­ma­tik und Zei­chen­set­zung. Ich mer­ke es mir vor.

Jetzt aber wid­men wir uns end­lich der prak­ti­schen Anwen­dung der Tem­po­ra in fik­tio­na­len Texten …

Verfälschung durch Grammatik: Die Tempora in erzählenden Texten

Wie gesagt: Man kann eigent­lich nur von Ver­gan­ge­nem erzäh­len. Aller­dings hat der Erzäh­ler einer fik­tio­na­len Geschich­te die Mög­lich­keit, das Tem­pus der Erzäh­lung zu ändern, um bestimm­te Effek­te zu erzie­len. Die­ses The­ma fällt in den Bereich der Erzähl­per­spek­ti­ve, und da emp­feh­le ich Genet­tes Kate­go­rie der Zeit. Die Ein­satz­ge­bie­te und Effek­te von Genet­tes vier Zeit­ty­pen haben wir bereits in einem frü­he­ren Arti­kel bespro­chen. Des­we­gen ver­zich­ten wir an die­ser Stel­le auf aus­führ­li­che Erklä­run­gen. Statt­des­sen gehen wir ohne Umschwei­fe zur gram­ma­ti­ka­li­schen Dimen­si­on über.

Und dazu klä­ren wir zunächst ein paar Grund­prin­zi­pi­en: Der Erzähl­akt ist ja der Moment, in dem der Erzäh­ler dem Leser die Geschich­te erzählt, also die Gegen­wart von Erzäh­ler und Leser. Die­se wird, sofern sie über­haupt zur Spra­che kommt, eigent­lich immer im Prä­sens wie­der­ge­ge­ben und hebt sich dadurch von der Erzäh­lung in der Ver­gan­gen­heits­form ab:

„Selbst in den alten Zei­ten emp­fan­den sie in der Regel Scheu vor dem »Gro­ßen Volk«, wie sie uns nen­nen, und heu­te mei­den sie uns voll Schre­cken und sind nur noch schwer zu fin­den.“
J.R.R. Tol­ki­en: Der Herr der Rin­ge, Ein­füh­rung: Über Hobbits.

Es kommt zwar durch­aus vor, dass der Erzäh­ler sich an einen zukünf­ti­gen Leser wen­det – das erkennt man an For­mu­lie­run­gen wie: „Ich weiß nicht, wie du auf die Ent­hül­lun­gen in die­sem Kapi­tel reagie­ren wirst, lie­ber Leser.“ –, aber der Erzäh­ler geht dabei immer noch von sei­ner eige­nen Gegen­wart und sei­nen gegen­wär­ti­gen Vor­stel­lun­gen vom Leser aus. Wir haben also immer noch einen Erzähl­akt im Prä­sens, auch wenn der Rezep­ti­ons­akt zeit­lich ver­setzt ist.

Die Gegen­wart des Gesche­hens bzw. der eigent­li­chen Geschich­te nen­nen wir, wie gesagt, Basis­er­zäh­lung. Und weil der Erzäh­ler ja nur von Ver­gan­ge­nem erzäh­len kann, ist die Basis­er­zäh­lung, die Gegen­wart der Figu­ren, meis­tens in der Ver­gan­gen­heits­form ver­fasst. Inner­halb der Basis­er­zäh­lung kann es aber zu aller­lei Arten von Bin­nen­er­zäh­lun­gen kom­men, also zu Erzähl­ak­ten inner­halb der Erzäh­lung. Und weil es für die Figu­ren ja die Gegen­wart ist, spre­chen sie in ihrer wört­li­chen Rede natür­lich im Prä­sens – es sei denn natür­lich, sie mei­nen ver­gan­ge­ne oder zukünf­ti­ge Ereig­nis­se aus der Per­spek­ti­ve ihrer Gegenwart.

Fritz­chen sag­te zum Dra­chen: „Ich habe den Auf­trag, dich zu töten. Ich habe mich lan­ge vor­be­rei­tet und wer­de den Auf­trag jetzt erfül­len.“
(Prä­ter­itum – Prä­sens – Per­fekt – Futur I)

Wir haben also zwei Erzähl­ebe­nen, auf denen das Prä­sens Stan­dard ist: die Ebe­ne des Erzähl­ak­tes und die Ebe­ne der Bin­nen­er­zäh­lun­gen bzw. der wört­li­chen Rede der Figu­ren. Das Prä­ter­itum der Basis­er­zäh­lung („Fritz­chen sag­te zum Dra­chen“) drückt das zeit­li­che Ver­hält­nis zwi­schen Erzähl­akt und Basis­er­zäh­lung aus: Die Ereig­nis­se der Basis­er­zäh­lung lie­gen in der Ver­gan­gen­heit, der Erzähl­akt in der Gegen­wart. – Und genau hier knüp­fen die zeit­li­chen Spie­le­rei­en des Erzäh­lers an: Manch­mal will der Erzäh­ler das rea­le zeit­li­che Ver­hält­nis näm­lich ver­schlei­ern und ersetzt die eigent­lich kor­rek­ten Ver­gan­gen­heits­for­men durch ein ande­res Tem­pus.

Wie gesagt, in Bezug auf das zeit­li­che Ver­hält­nis zwi­schen Erzähl­akt und den Ereig­nis­sen der Basis­er­zäh­lung bzw. auf die Mög­lich­kei­ten, die­ses Ver­hält­nis zu sti­li­sie­ren, unter­schei­det Genet­te vier Typen. Die­se gehen wir nun nach­ein­an­der durch.

Gleichzeitige Narration

Es kommt oft vor, dass der Erzäh­ler die zeit­li­che Gren­ze zwi­schen dem Leser und den Figu­ren ver­wi­schen will, um ihm das Gefühl zu geben, er wür­de das Gesche­hen „live“ beob­ach­ten. Des­we­gen tut er so, als wür­de der Erzähl­akt zeit­gleich mit den Ereig­nis­sen der Basis­er­zäh­lung statt­fin­den, und setzt die eigent­lich kor­rek­ten Ver­gan­gen­heits­for­men ins Prä­sens. Vergleiche:

Eigent­lich kor­rek­te Vergangenheitsform:
Fritz­chen erschlug den Dra­chen und freu­te sich.

Prä­sens, Sti­li­sie­rung des Erzählers:
Fritz­chen erschlägt den Dra­chen und freut sich.

Weil hier eine Gleich­zei­tig­keit von Erzähl­akt und Gesche­hen simu­liert wird, spricht Genet­te von gleich­zei­ti­ger Nar­ra­ti­on. Dabei fin­det die­se Simu­la­ti­on von Gleich­zei­tig­keit auf allen Ebe­nen statt: Wenn der Erzäh­ler so tut, als wür­de das Gesche­hen in der Gegen­wart statt­fin­den, dann benutzt er auch für die Ver­gan­gen­heit und Zukunft der Figu­ren die­sel­ben gram­ma­ti­ka­li­schen For­men wie für sich selbst:

Fritz­chen erschlägt den Dra­chen. Nach­dem er den Auf­trag bekom­men hat­te, war er lan­ge ner­vös. Aber jetzt atmet er erleich­tert auf und freut sich. Die Welt wird sei­ne Hel­den­tat nie­mals ver­ges­sen.
(Prä­sens – Plus­quam­per­fekt – Prä­ter­itum – Prä­sens – Prä­sens – Futur I)

Also kurz­um: Für die Gegen­wart aus der Sicht der Figur wird das Prä­sens benutzt, für die Ver­gan­gen­heit kom­men Per­fekt, Prä­ter­itum und Plus­quam­per­fekt zum Ein­satz – was genau und wie kon­kret, ist in der Regel eine Stil­ent­schei­dung –, und für die Zukunft benutzt man Futur­for­men, wobei je nach Stil auch das Prä­sens salopp miss­braucht wer­den kann. Vergleiche:

Etwas klas­si­sche­re gleich­zei­ti­ge Narration:

Fritz­chen erschlägt den Dra­chen. Nach­dem er den Auf­trag erhal­ten hat­te, war er lan­ge ner­vös. Aber jetzt atmet er erleich­tert auf und freut sich. Mor­gen wird er dafür einen Orden bekommen.
(Prä­sens – Plus­quam­per­fekt – Prä­ter­itum – Prä­sens – Prä­sens – Futur I)

Etwas umgangs­sprach­li­che­re gleich­zei­ti­ge Narration:

Fritz­chen erschlägt den Dra­chen. Als er den Auf­trag erhal­ten hat, war er lan­ge ner­vös. Aber jetzt atmet er erleich­tert auf und freut sich. Mor­gen bekommt er dafür einen Orden.
(Prä­sens – Per­fekt – Prä­ter­itum – Prä­sens – Prä­sens – Prä­sens miss­braucht als Futur)

Spätere Narration

Wenn der Erzäh­ler den Erzähl­akt zeit­lich nach den Ereig­nis­sen der Basis­er­zäh­lung plat­ziert, dann spricht Genet­te von spä­te­rer Nar­ra­ti­on. Die Gegen­wart der Figu­ren wird also in Ver­gan­gen­heits­for­men wie­der­ge­ge­ben. Es ist, wie gesagt, der abso­lut natür­li­che Stan­dard­fall des Erzäh­lens. – Was aber nicht bedeu­tet, dass nicht auch hier sti­li­siert wer­den kann.

Zum Bei­spiel ist es ein gro­ßer Unter­schied, ob Du pri­mär im Per­fekt oder im Prä­ter­itum erzählst. Ver­glei­che:

Ges­tern war Lies­chen in der Biblio­thek und hat ein span­nen­des Buch gele­sen. Es han­del­te vom Rit­ter Fritz­chen: Er hat den Auf­trag bekom­men, einen Dra­chen zu töten, und nach­dem er ihn getö­tet hat, hat man ihm einen Orden ver­lie­hen.
(Prä­ter­itum – Per­fekt – Prä­ter­itum – Per­fekt – Per­fekt – Perfekt)

Ges­tern war Lies­chen in der Biblio­thek und las ein span­nen­des Buch. Es han­del­te vom Rit­ter Fritz­chen: Er hat­te den Auf­trag bekom­men, einen Dra­chen zu töten, und nach­dem er ihn töte­te, ver­lieh man ihm einen Orden.
(Prä­ter­itum – Prä­ter­itum – Prä­ter­itum – Plus­quam­per­fekt – Prä­ter­itum – Präteritum)

Die per­fekt­las­ti­ge­re Vari­an­te liest sich nicht nur sti­lis­tisch umgangs­sprach­li­cher, son­dern das Per­fekt hat ja auch noch die Zusatz­funk­ti­on, dass es eine Ver­bin­dung zur Gegen­wart her­stellt. Wenn es also heißt: „Ges­tern hat Lies­chen ein Buch gele­sen“, dann schwingt da auto­ma­tisch mit, dass der Erzäh­ler sich im „Heu­te“ befin­det und die Basis­er­zäh­lung somit im „Ges­tern“ vom Erzähl­akt aus statt­ge­fun­den hat.

Die Prä­ter­itums­va­ri­an­te hin­ge­hen ist los­ge­lös­ter vom Erzähl­akt: „Ges­tern“ muss sich nicht auf das „Heu­te“ des Erzähl­ak­tes bezie­hen, son­dern kann auch eine Anal­ep­se bzw. einen Flash­back ein­lei­ten:

Lies­chen blick­te ver­träumt aus dem Fens­ter. Ges­tern war sie in der Biblio­thek und las ein span­nen­des Buch.

Ja, man möch­te hier ein Plus­quam­per­fekt ein­set­zen, und dazu kom­men wir gleich. Vor­erst blei­ben wir aber beim „Ges­tern“, das in die­sem Bei­spiel nichts mit der Gegen­wart des Erzähl­ak­tes zu tun hat, son­dern ein zeit­li­ches Ver­hält­nis zwi­schen zwei Ereig­nis­sen inner­halb der Basis­er­zäh­lung beschreibt. Der Erzähl­akt ist hier also wei­test­ge­hend unsicht­bar. Wenn wir das Prä­ter­itum benut­zen, dann schwingt da natür­lich mit, dass es eine Ver­gan­gen­heit ist; aber weil sie ja vom Erzähl­akt los­ge­löst ist, lässt Letz­te­rer sich viel leich­ter igno­rie­ren als beim Per­fekt. Durch die­ses Unsicht­bar­ma­chen des Erzähl­ak­tes und der Erzähl­in­stanz wird die Bar­rie­re zwi­schen dem Leser und dem Gesche­hen ver­wischt. Das Gesche­hen in der Basis­er­zäh­lung fühlt sich somit unmit­tel­ba­rer an, weil wir leicht ver­drän­gen kön­nen, dass es einen Erzäh­ler gibt: Wir haben das Gefühl, das Gesche­hen direkt zu beobachten.

Die­se Los­ge­löst­heit vom Prä­sens dürf­te einer der Haupt­grün­de sein, war­um fik­tio­na­le Tex­te meis­tens im Prä­ter­itum ver­fasst sind. Hin­zu kom­men natür­lich der schrift­sprach­li­che Cha­rak­ter die­ser Zeit­form und die ganz bana­le Gewohn­heit bzw. Tra­di­tio­nen. Und abge­se­hen davon ist es, wie gesagt, auch die natür­lichs­te Art des Erzäh­lens, weil wir ja nur von Ver­gan­ge­nem erzäh­len kön­nen: Die Gegen­wart des Erzähl­ak­tes ist, soweit sie über­haupt sicht­bar wird, im Prä­sens, die Gegen­wart der Basis­er­zäh­lung ist im Prä­ter­itum. Es sei denn natür­lich, es sol­len bestimm­te sti­lis­ti­sche Effek­te erzielt wer­den. Dann kann man grund­sätz­lich auch das Per­fekt wählen.

Wenn aber nun von der Ver­gan­gen­heit vor der ohne­hin ver­gan­ge­nen Basis­er­zäh­lung die Rede ist, dann benut­zen wir die soge­nann­te Vor­ver­gan­gen­heit, auch bekannt als Plus­quam­per­fekt. Dabei ver­hält sich das Plus­quam­per­fekt zum Prä­ter­itum ähn­lich wie das Per­fekt zum Prä­sens. Ver­glei­che:

Per­fekt – Präsens:
Ges­tern hat Fritz­chen den Dra­chen erschla­gen. Heu­te ver­leiht man ihm einen Orden.

Plus­quam­per­fekt – Präteritum:
Ges­tern hat­te Fritz­chen den Dra­chen erschla­gen. Heu­te ver­lieh man ihm einen Orden.

Wie bereits ange­spro­chen, gibt es in der Umgangs­spra­che die Ten­denz, das Plus­quam­per­fekt durch Per­fekt oder Prä­ter­itum zu erset­zen, was eigent­lich gram­ma­ti­ka­lisch falsch ist. Kor­rekt müss­te unser Bei­spiel­satz mit Lies­chens ver­träum­tem Fens­ter­blick daher so lauten:

Lies­chen blick­te ver­träumt aus dem Fens­ter. Ges­tern war sie in der Biblio­thek gewe­sen und hat­te ein span­nen­des Buch gele­sen.

Wir sehen hier also eine zen­tra­le Schwie­rig­keit des Plus­quam­per­fekts: Er ist sper­rig und sorgt manch­mal für plump klin­gen­de Kon­struk­tio­nen. Eine wohl­klin­gen­de län­ge­re Text­pas­sa­ge im Plus­quam­per­fekt zu schrei­ben ist eine hohe Kunst: Mache Dich vor allem auf viel Para­phra­sie­ren gefasst. Zum Beispiel:

Lies­chen blick­te ver­träumt aus dem Fens­ter. Ges­tern war sie in der Biblio­thek gewe­sen, ver­tieft in ein span­nen­des Buch.

Man braucht schon Fan­ta­sie und Übung dafür, und selbst dann kann es noch sper­rig klin­gen. Ich kann es daher kei­nem Autor ver­übeln, der sol­che Pas­sa­gen mit dem Plus­quam­per­fekt anfängt, sich dann aber ent­ge­gen der gram­ma­ti­ka­li­schen Kor­rekt­heit ins Prä­ter­itum mogelt:

Lies­chen blick­te ver­träumt aus dem Fens­ter. Ges­tern war sie in der Biblio­thek gewe­sen und las ein span­nen­des Buch.

Auch sol­che Moge­lei­en erfor­dern natür­lich schreib­hand­werk­li­ches Geschick, damit sie dem Leser nicht nicht Auge ste­chen. Die­ses Geschick kommt durch Lese- und Schreib­erfah­rung, daher kann ich Dir im Rah­men die­ses Arti­kels nicht mehr wei­ter­hel­fen. Statt­des­sen gehen wir wei­ter im Pro­gramm, näm­lich zum span­nen­den Fall der Zukunft der Ver­gan­gen­heit. Hier haben wir zwei Mög­lich­kei­ten. Vergleiche:

Fritz­chen erschlug den Dra­chen. Die Welt wird sei­ne Hel­den­tat nie­mals ver­ges­sen.

Fritz­chen erschlug den Dra­chen. Die Welt wür­de sei­ne Hel­den­tat nie­mals ver­ges­sen.

Wenn wir beim ers­ten Bei­spiel das Futur I sehen, dann steht es im Kon­trast zum Prä­ter­itum im Satz davor: Wäh­rend das Erschla­gen des Dra­chen vor dem Prä­sens des Erzähl­ak­tes statt­ge­fun­den hat, wird Fritz­chens Hel­den­tat auch in der Zukunft vom Prä­sens des Erzähl­ak­tes aus nicht ver­ges­sen wer­den. Es ent­steht also auto­ma­tisch ein Bezug zur Gegen­wart des Erzäh­lens. Der Erzäh­ler und der Leser befin­den sich somit in der­sel­ben Welt wie Fritz­chen, sei es auch viel­leicht tau­send Jah­re spä­ter, und genie­ßen die Aus­wir­kun­gen sei­ner Heldentaten.

Beim zwei­ten Bei­spiel haben wir einen soge­nann­ten Pro­spek­tiv, die Zukunft in der Ver­gan­gen­heit: Der Fokus bleibt dabei auf der Gegen­wart der Basis­er­zäh­lung und wir kön­nen den Erzähl­akt wei­ter­hin aus­blen­den. Mit der „Wür­de-Form“ haben wir zwar auch hier ein Futur, aber im Kon­junk­tiv II. Das ist ein Signal an uns Leser, dass es sich um Pro­phe­zei­un­gen, Spe­ku­la­tio­nen und Vor­aus­deu­tun­gen aus der Per­spek­ti­ve der Figu­ren der Erzäh­lung handelt.

Eine Alter­na­ti­ve zur „Wür­de-Form“ ist der Kon­junk­tiv des Modal­verbs sol­len. Als Ernst Jün­ger in sei­nen Memoi­ren vom Ers­ten Welt­krieg davon erzählt, wie er mit einer Grup­pe Sol­da­ten die feind­li­chen Schüt­zen­grä­ben infil­trier­te, um Gefan­ge­ne zu neh­men, macht er eine omi­nö­se Vorausdeutung:

„In sol­chen Lagen erfaßt das Gedächt­nis jede Klei­nig­keit. So präg­te sich mir an die­ser Stel­le wie im Traum das Bild eines Koch­ge­schirrs ein, in dem ein Löf­fel stand. Die­se Beob­ach­tung soll­te mir zwan­zig Minu­ten spä­ter das Leben retten.“
Ernst Jün­ger: In Stahl­ge­wit­tern, Reg­nié­ville.

Sol­che Vor­aus­deu­tun­gen sind ein geläu­fi­ger Kniff, um die Span­nung zu stei­gern. Dass Jün­ger das Nach­fol­gen­de über­lebt, ist näm­lich voll­kom­men klar, weil er nach dem Krieg ja quick­le­ben­dig war und die dem Leser vor­lie­gen­den Memoi­ren ver­fasst hat. Durch die Vor­aus­deu­tung spoi­lert Jün­ger also nichts, son­dern, im Gegen­teil, er weckt Neu­gier­de auf die beson­de­re Bedeu­tung des Koch­ge­schirrs. Die­se bestand übri­gens dar­in, dass es im nächs­ten Moment zu Kämp­fen und Ren­ne­rei­en in den feind­li­chen Schüt­zen­grä­ben kam und die deut­schen Sol­da­ten sich in die­sem Laby­rinth ver­irr­ten. Als Jün­ger und eini­ge sei­ner Leu­te an die­ser Stel­le erneut vor­bei­ka­men, erkann­te er das Koch­ge­schirr wie­der und wuss­te, in wel­cher Rich­tung es zurück in die eige­nen Grä­ben ging.

Aber zurück zu Fritz­chen: Die „Wür­de-“ und die „Soll­te-Form“ sind zwar schön und gut, aber wenn Du län­ge­re Pas­sa­gen hast, in denen von der Zukunft in der Ver­gan­gen­heit die Rede ist, könn­ten „Wür­de“ und „Soll­te“ schnell ner­vig wer­den. Sogar ner­vi­ger als das Plus­quam­per­fekt. Um die Pas­sa­ge auf­zu­lo­ckern, kannst Du auf den Pro­spek­tiv ver­zich­ten und den Sach­ver­halt zum Bei­spiel durch ein zukunfts­an­deu­ten­des Verb und ein Sub­stan­tiv aus­drü­cken:

Fritz­chen erschlug den Dra­chen. Ihn erwar­te­te ewi­ger Ruhm.

Auch kannst Du, wenn es sich anbie­tet, die Zukunfts­vor­aus­sa­ge einer Figur in den Mund legen, also in die wört­li­che Rede ver­pa­cken. Da wirst Du das nor­ma­le Futur ver­wen­den können:

Fritz­chen erschlug den Dra­chen. Die Men­schen kamen auf ihn zu und sag­ten: „Die Welt wird dei­ne Hel­den­tat nie­mals vergessen.“

Wenn Du in Dei­nem Text aber sehr oft und sehr lan­ge mit Zukunfts­vor­aus­sa­gen han­tierst und unbe­dingt meinst, sie in der Erzäh­ler­re­de unter­brin­gen zu müs­sen, dann wäre es viel­leicht eine Über­le­gung wert, für die gesam­te Basis­er­zäh­lung die gleich­zei­ti­ge Nar­ra­ti­on zu wäh­len. Schließ­lich sind häu­fi­ge und lan­ge Pas­sa­gen im Futur etwas weni­ger pene­trant als stän­di­ges „Wür­de“ und „Soll­te“. In Maßen müss­ten die „Wür­de-“ und die „Soll­te-Form“ aber kein Pro­blem sein und kön­nen den Text, wie wir gese­hen haben, sogar span­nen­der machen.

Frühere Narration

Dass der Erzähl­akt zeit­lich vor den Ereig­nis­sen der Basis­er­zäh­lung liegt bzw. so sti­li­siert wird, ist ein sel­te­ner Fall, aber er kommt den­noch vor. In der Regel han­delt es sich dabei nicht um eine kom­plet­te Erzäh­lung mit frü­he­rer Nar­ra­ti­on, son­dern nur um bestimm­te Pas­sa­gen, bei­spiels­wei­se Bin­nen­er­zäh­lun­gen, in denen eine Sehe­rin den Figu­ren die Zukunft darlegt.

Wie Du Dir bereits den­ken kannst, wird die Gegen­wart der Basis­er­zäh­lung bei der frü­he­ren Nar­ra­ti­on im Futur und/​oder im als Futur zweck­ent­frem­de­ten Prä­sens wiedergegeben:

Fritz­chen wird den Dra­chen erschla­gen.

Mor­gen erschlägt Fritz­chen den Drachen.

So weit, so ein­fach. Schwie­ri­ger wird es, wenn wir die Ver­gan­gen­heit der zukünf­ti­gen Ereig­nis­se wie­der­ge­ben wol­len. Vor allem, wenn wir beden­ken, dass die­se Ver­gan­gen­heit nach dem Erzähl­akt, gleich­zei­tig mit dem Erzähl­akt oder vor dem Erzähl­akt statt­fin­den kann. Vergleiche:

Fritz­chen wird den Dra­chen erschla­gen. Vor­her wird ihm das auf­ge­tra­gen wor­den sein.

Hier hat Fritz­chen zum Zeit­punkt des Erzähl­ak­tes noch nicht ein­mal den Auf­trag erhal­ten, den Dra­chen zu töten. Wir drü­cken das durch die kon­se­quen­te Nut­zung der Futur­for­men aus: Kon­kret in die­sem Bei­spiel steht der zwei­te Satz im Futur II, weil die beschrie­be­ne Hand­lung zum Zeit­punkt des Sie­ges über den Dra­chen ja abge­schlos­sen sein wird. Grund­sätz­lich ist aber auch das Futur I mög­lich: „Vor­her wird ihm das auf­ge­tra­gen wer­den.“

Fritz­chen wird den Dra­chen erschla­gen. Das wird ihm gera­de auf­ge­tra­gen.

Hier fin­det das ver­gan­ge­ne Ereig­nis zur sel­ben Zeit wie der Erzähl­akt statt und steht daher im Prä­sens. Damit bekommt der Erzähl­akt eine kla­re Ein­ord­nung in die Chro­no­lo­gie der Ereig­nis­se und wird dadurch her­vor­ge­ho­ben. Es ist im Übri­gen auch schwer zu sagen, ob es dann nicht eher eine gleich­zei­ti­ge Nar­ra­ti­on mit Ten­den­zen zur frü­he­ren Nar­ra­ti­on ist. Ich per­sön­lich wür­de die Ent­schei­dung für jede betrof­fe­ne Text­pas­sa­ge indi­vi­du­ell fäl­len anhand des­sen, wel­cher Zeit­typ über­wiegt bzw. wo der Schwer­punkt liegt.

Fritz­chen wird den Dra­chen erschla­gen. Das wur­de ihm auf­ge­tra­gen.

Hier liegt das ver­gan­ge­ne Ereig­nis zeit­lich vor dem Erzähl­akt, und auch das wirkt nicht unbe­dingt wie eine frü­he­re Nar­ra­ti­on in Rein­form: Zwi­schen dem Futur im ers­ten Satz und dem Prä­ter­itum im zwei­ten steht ein sug­ge­rier­tes Prä­sens da wie der meta­pho­ri­sche Ele­fant im Raum.

Wenn wir nun auf die Zukunft der Zukunft zu spre­chen kom­men, so haben wir hier kei­ne ande­re Wahl, als wei­ter­hin an Futur­for­men fest­zu­hal­ten:

Fritz­chen wird den Dra­chen erschla­gen, danach wird man ihn als Hel­den ver­eh­ren.

Unterm Strich haben wir Deutsch­sprach­ler bei der frü­he­ren Nar­ra­ti­on, sofern wir sie in hun­dert­pro­zen­ti­ger Rein­form umset­zen wol­len, also kei­ne ande­re Wahl, als mit dem Futur zu han­tie­ren und auf Ergän­zun­gen wie „davor“, „danach“, „spä­ter“ und so wei­ter zu set­zen, damit es nicht ver­wir­rend wird.

Im Übri­gen ver­deut­licht die Beschäf­ti­gung mit der frü­he­ren Nar­ra­ti­on auch die Vor­zü­ge der vie­len Ver­gan­gen­heits­tem­po­ra im Deut­schen. In einer Zeit, in der das Per­fekt das Prä­ter­itum und das Plus­quam­per­fekt ver­drän­gen möch­te, zei­gen uns die ein­ge­schränk­ten Mög­lich­kei­ten des Futurs, was uns bevor­steht, wenn wir die­se Tem­po­ra tat­säch­lich ver­lie­ren: So haben wir zum Bei­spiel gese­hen, dass sich bei der frü­he­ren Nar­ra­ti­on ratz­fatz direkt oder indi­rekt die Gegen­wart ein­schleicht. Denn eben­so wie beim Per­fekt schwingt da eine gewis­se Ver­bin­dung zum Prä­sens mit. Es gibt im Deut­schen nun mal kein „Futur­prä­ter­itum“, das die Zukunft so schön von der Gegen­wart los­lö­sen kann. Und eben­so hat das Deut­sche auch kein „Plus­quam­fu­tur“ das eine „Nach­zu­kunft“ beschreibt. Wenn wir den Erzähl­akt bei der spä­te­ren Nar­ra­ti­on also unsicht­bar machen wol­len, müs­sen wir uns dar­auf ein­stel­len, aus­schließ­lich mit Futur­for­men zu arbei­ten. Und ein sol­cher Text liest sich wegen der hilfs­verb­las­ti­gen Kon­struk­tio­nen auf Dau­er recht sper­rig – ver­gli­chen mit einer spä­te­ren Nar­ra­ti­on im Präteritum.

Eingeschobene Narration

Zusätz­lich zu den drei nahe­lie­gen­den Zeit­ty­pen defi­niert Genet­te noch einen vier­ten, näm­lich die ein­ge­scho­be­ne Nar­ra­ti­on. Die­ser Typ liegt vor, wenn der Erzähl­akt in der Chro­no­lo­gie der Ereig­nis­se nicht fest ver­an­kert ist, son­dern mit­wan­dert und die Basis­er­zäh­lung immer wie­der ein­holt. Das bedeu­tet: Es pas­siert etwas, der Erzäh­ler berich­tet davon, dann pas­siert noch etwas und der Erzäh­ler aktua­li­siert sei­ne Erzäh­lung und so wei­ter. Es geht also um Brie­fe, Tage­bü­cher und ähn­li­che Din­ge, und häu­fig ist der Erzähl­akt, also das Ver­fas­sen der Tage­buch­ein­trä­ge etc., ein Teil der Basis­er­zäh­lung, also der eigent­li­chen Hand­lung der Geschich­te. Und weil in den ein­zel­nen Erzähl­ak­ten sowohl von Ver­gan­ge­nem als auch von Gegen­wär­ti­gem, zum Bei­spiel den Gedan­ken zu den beschrie­be­nen ver­gan­ge­nen Ereig­nis­sen, erzählt wird, ist die ein­ge­scho­be­ne Nar­ra­ti­on in der Pra­xis eine Art Mischung aus spä­te­rer und gleich­zei­ti­ger Nar­ra­ti­on. Mög­lich sind auch Fet­zen von frü­he­rer Nar­ra­ti­on, wenn im Erzähl­akt von Spe­ku­la­tio­nen, Plä­nen und Ähn­li­chem berich­tet wird.

In Bezug auf die Tem­po­ra bedeu­tet das, dass für den Zeit­punkt des jewei­li­gen Erzähl­ak­tes, von dem es im Ver­lauf der Basis­er­zäh­lung ja vie­le gibt, das Prä­sens ver­wen­det wird. Für die Ver­gan­gen­heit vom jewei­li­gen Erzähl­akt aus benut­zen wir die Ver­gan­gen­heits­for­men und für die Zukunft Futur­for­men.

In der Pra­xis kann ein ein­zel­ner Erzähl­akt so aussehen:

Fritz­chen übt für den Kampf gegen den Dra­chen. Er hat heu­te das Schwert dafür aus­ge­hän­digt bekom­men. Er wird den Dra­chen ohne Zwei­fel besie­gen.
(Prä­sens – Per­fekt – Futur I)

Der nächs­te Ein­zel­er­zähl­akt könn­te dann so lauten:

Fritz­chen hat den Dra­chen besiegt. Es war ein epi­scher Kampf. Die Welt wird die­se Hel­den­tat nie­mals ver­ges­sen.
(Per­fekt – Prä­ter­itum – Futur I)

Schlusswort

So viel zu den deut­schen Tem­po­ra bei den vier Zeit­ty­pen von Genet­te. Wenn Du Genet­tes Erzähl­theo­rie näher ken­nen­ler­nen möch­test, so habe ich dazu neben einem uralten Arti­kel mit einer Erläu­te­rung im Schnell­durch­lauf eine gan­ze Rei­he, in der ich etwas aus­führ­li­cher auf Genet­tes Kate­go­rien eingehe.

Eine außer­halb der aka­de­mi­schen Krei­se etwas bekann­te­re Erzähl­theo­rie ist Stan­zels typo­lo­gi­sches Modell der Erzähl­si­tua­tio­nen, das in per­ver­tier­ter Form an den deut­schen Schu­len gelehrt wird. Hier kom­men die Begrif­fe Ich-Erzäh­ler, aukt­oria­ler Erzäh­ler und per­so­na­ler Erzäh­ler her. Auch der neu­tra­le Erzäh­ler stammt ursprüng­lich von hier, wur­de von Stan­zel selbst aber sehr schnell wie­der gestri­chen, weil er abso­lu­ter Unsinn ist. Dazu fin­dest Du auf die­ser Web­site übri­gens einen eigen­stän­di­gen Arti­kel. Auch zu Stan­zels Modell fin­dest Du bei mir einen Arti­kel und da wirst Du schnell fest­stel­len, dass die Zeit­for­men in Stan­zels Typen­kreis kei­ne Rol­le spie­len. Stan­zel hat eben einen völ­lig ande­ren erzähl­theo­re­ti­schen Ansatz als Genet­te. Wobei Genet­tes Kate­go­rie der Zeit sich aber durch­aus mit dem Typen­kreis kom­bi­nie­ren lässt, weil jede von Stan­zels Erzähl­si­tua­tio­nen jeden Zeit­typ Genet­tes nut­zen kann. Bloß sind man­che Kom­bi­na­tio­nen häu­fi­ger anzu­tref­fen als andere.

Ansons­ten hof­fe ich, dass ich ein biss­chen Lie­be für die deut­sche Gram­ma­tik schü­ren konn­te: Nicht jede Spra­che hat eine sol­che Viel­falt an Ver­gan­gen­heits­tem­po­ra wie das Deut­sche. Also lass uns das Prä­ter­itum und das Plus­quam­per­fekt schät­zen, lie­ben, hegen und pflegen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert