Über Lie­be und Bezie­hun­gen schrei­ben

Über Lie­be und Bezie­hun­gen schrei­ben

Lie­be und Bezie­hun­gen sind in fast allen fik­tio­na­len Geschich­ten zu fin­den. Kaum ein Buch oder Film kommt ohne Roman­ze aus und meis­tens ist es die ach so gro­ße, wah­re Lie­be. – Nur, dass es meis­tens über­haupt kei­ne Lie­be ist, son­dern nur ein seich­ter Hor­mon­cock­tail. Auch rein freund­schaft­li­che, fami­liä­re und ander­wei­ti­ge Bezie­hun­gen wer­den ger­ne idea­li­siert. Und ins­ge­samt stö­ren die­se ver­zerr­ten media­len Dar­stel­lun­gen die Ent­wick­lung unse­rer eige­nen Fähig­keit zu lie­ben. Wie machen wir das also bes­ser?

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So ziem­lich alle Geschich­ten han­deln von Lie­be. Meis­tens in Form von zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen. Und das meis­tens in Form von roman­ti­schen Lie­bes­be­zie­hun­gen.

Doch was ist, wenn ich sage, dass es in fik­tio­na­len Geschich­ten nur sehr wenig rich­ti­ge Lie­be gibt? Zumin­dest, wenn es um roman­ti­sche Lie­bes­be­zie­hun­gen geht. Und die­se fal­schen roman­ti­schen Lie­bes­be­zie­hun­gen wie­der­um drän­gen alle ande­ren For­men von Lie­be oft in den Hin­ter­grund.

Tat­säch­lich machen sich aber nicht nur fik­tio­na­le Geschich­ten schul­dig. Die Musik­in­dus­trie glo­ri­fi­ziert emo­tio­na­le Abhän­gig­keit als Aus­druck wah­rer Lie­be und vira­le Vide­os von spek­ta­ku­lä­ren öffent­li­chen Hei­rats­an­trä­gen wer­den viel zu sel­ten als die mani­pu­la­ti­ve Selbst­in­sze­nie­rung klas­si­fi­ziert, die sie sind.

Und das Ergeb­nis?

Unse­re Kul­tur nor­ma­li­siert sys­te­ma­tisch toxi­sche Bezie­hungs­ver­hält­nis­se, mani­pu­liert unse­re Erwar­tun­gen und stört die Ent­wick­lung unse­rer Fähig­keit zu lie­ben.

Des­we­gen reden wir in die­sem Arti­kel dar­über, wie wir es bes­ser machen kön­nen. Wie wir die tief­grün­di­gen Geschich­ten über ech­te Lie­be schrei­ben, die die Welt braucht. Und wir gehen auch auf die nicht-roman­ti­schen For­men von Lie­be ein, weil auch sie Stoff für wert­vol­le Geschich­ten lie­fern.

Pro­ble­ma­ti­sche Lie­bes­be­zie­hun­gen in den Medi­en

Zäh­len wir zunächst auf, was in fik­tio­na­len Lie­bes­be­zie­hun­gen meis­tens falsch läuft:

  • Es wird die eine gro­ße, magi­sche, wah­re Lie­be pro­pa­giert, die uner­war­tet auf einen her­ab­fällt, ohne dass man dafür etwas tun muss, und alle, alle Pro­ble­me löst.
  • Natür­lich pas­siert die­se gro­ße, magi­sche, wah­re Lie­be auf den ers­ten Blick, wie ein ein­schla­gen­der Blitz, der das Leben bei­der Indi­vi­du­en von einem Moment auf den ande­ren kom­plett umkrem­pelt. Dass man sich in den weni­gen Tagen, in denen die Geschich­te meis­tens spielt, gar nicht wirk­lich ken­nen­ler­nen kann, ist völ­lig irrele­vant.
  • Her­ab­fal­len tut die gro­ße, magi­sche, wah­re Lie­be in Form der einen rich­ti­gen Per­son, eines See­len­ver­wand­ten, der einen liebt, ein­fach so, auch wenn man in jeder Hin­sicht völ­lig inkom­pa­ti­bel ist und sich nur strei­tet.
  • Soll­te eine gelieb­te Per­son dabei zunächst nicht per­fekt oder sogar ein mani­pu­la­ti­ves und/oder gewalt­tä­ti­ges Arsch­loch sein, muss man sich nur zusam­men­rei­ßen und die Per­son stark genug lie­ben – dann wird sie sich näm­lich ändern und zu einem Engel auf Erden mutie­ren.
  • Inter­es­san­te, ori­gi­nel­le, aben­teu­er­lus­ti­ge oder auch ein­fach nur außer­or­dent­lich gut­aus­se­hen­de und/oder super­rei­che Men­schen ver­lie­ben sich Hals über Kopf in 08/15-Otto-Nor­mal­ver­brau­cher, mit denen sie rein gar nichts gemein­sam haben. Die 08/15-Otto-Nor­mal­ver­brau­cher sind dabei kom­plett pas­siv und wer­den auf extra­va­gan­te Wei­se erobert. Das ist für den 08/15-Otto-Nor­mal­ver­brau­cher die ein­zi­ge Quel­le von Selbst­wert­ge­fühl.
  • Roman­ti­sche Erobe­rung pas­siert in der Regel durch gro­ße Ges­ten, die häu­fig mit Stal­king, Erpres­sung und emo­tio­na­ler Mani­pu­la­ti­on ein­her­ge­hen. Eine Ableh­nung als sol­che zu akzep­tie­ren ist dabei undenk­bar. Aber das alles ist in Ord­nung und über­haupt kei­ne Beläs­ti­gung, kein Betrug, kein Miss­brauch oder ander­wei­ti­ge Straf­tat, wenn der Täter ver­dammt gut­aus­se­hend und/oder mär­chen­haft reich ist.
  • Wenn mehr als zwei Per­so­nen invol­viert sind, gibt es ein Lie­bes­drei­eck. Und das bedeu­tet: Alle ande­ren Kon­flik­te der Geschich­te wer­den bedeu­tungs­los. Wer mit wem zusam­men­kommt, wird zur zen­tra­len exis­ten­zi­el­len Fra­ge des Wer­kes.
  • Kom­men die Lie­ben­den end­lich zusam­men, müs­sen sie jede Men­ge künst­li­cher Hür­den lösen, die über­wie­gend auf Miss­ver­ständ­nis­sen beru­hen und die man mit einem kur­zen Gespräch hät­te ver­mei­den kön­nen.
  • Sind alle dum­men Miss­ver­ständ­nis­se über­wun­den, drückt sich die Har­mo­nie zwi­schen den Lie­ben­den aus­schließ­lich durch Schleck-Schleck-Knutsch-Knutsch und/oder Sex aus.
  • Grund­sätz­lich muss man auch sagen, dass nur hete­ro­se­xu­el­le Bezie­hun­gen roman­tisch sind. Und sobald ein Mann und eine Frau zusam­men etwas durch­ma­chen, ist es nur natür­lich, dass sie sich ver­lie­ben. Dass sie ledig­lich nur eine pla­to­ni­sche Bezie­hung ent­wi­ckeln oder wenigs­tens einer von ihnen homo- oder bise­xu­ell sein könn­te, ist völ­lig undenk­bar. Und dass es sich um nicht-binä­re oder Trans­per­so­nen han­deln könn­te, ist kom­plett absurd. Davon, dass wenigs­tens einer von ihnen schlicht und ergrei­fend aro­man­tisch und/oder ase­xu­ell sein könn­te, ganz zu schwei­gen.
  • Die gro­ße, magi­sche, wah­re Lie­be ist übri­gens auch viel wich­ti­ger als ande­re For­men von Lie­be wie Fami­lie und Freund­schaft und es ist nur gut und rich­tig, sein kom­plet­tes sozia­les Umfeld für sie zu opfern.
  • Und nicht zuletzt: Lie­be ist nur für schö­ne, jun­ge Men­schen. Alte, kör­per­be­hin­der­te, durch­schnitt­lich und unter­durch­schnitt­lich schö­ne Men­schen sind die kom­plett aro­man­ti­schen und ase­xu­el­len Wesen, die es unter schö­nen, jun­gen Men­schen ja grund­sätz­lich nicht gibt.

So. Das wären die Punk­te, die mir mehr oder weni­ger spon­tan ein­fal­len, und es gibt zwei­fel­los noch mehr, was man an der media­len Dar­stel­lung von Lie­bes­be­zie­hun­gen kri­ti­sie­ren kann. Doch zusam­men­fas­sen lässt sich das Pro­blem fol­gen­der­ma­ßen:

Es wird sich meis­tens gar nicht erst bemüht, rea­lis­ti­sche Lie­bes­be­zie­hun­gen dar­zu­stel­len. Viel­mehr möch­te man den Rezi­pi­en­ten emo­tio­nal auf­wüh­len durch mög­lichst vie­le künst­li­che Hin­der­nis­se und das Bedie­nen der ego­is­ti­schen Fan­ta­sie des Aus­er­wählt­s­eins. Denn ohne Dra­ma und Iden­ti­fi­ka­ti­ons­po­ten­ti­al kann eine Geschich­te schnell lang­wei­lig wer­den.

Das emo­tio­na­le Auf­wüh­len ist auch der Grund, war­um es in der Regel um Ver­liebt­heit statt um Lie­be geht: Denn ech­te Lie­be ist meis­tens recht unspek­ta­ku­lär, wäh­rend Ver­liebt­heit hor­mon­be­dingt mit star­ken Gefüh­len ein­her­geht.

Toxi­sche Wir­kung

Aber ande­rer­seits: Das alles sind doch nur Geschich­ten, oder? Wir alle wis­sen, dass sie nicht wahr sind, ein­fach nur eska­pis­ti­sche Fan­ta­sien …

Äh, nein. Es wäre zwei­fel­los schön, wenn wir alle das wirk­lich wüss­ten. Doch wir wis­sen es nur mit dem Kopf.

  • Denn die Dar­stel­lung von Lie­be in den Medi­en beein­flusst unse­re rea­len Vor­stel­lun­gen spä­tes­tens dann, wenn Paa­re sich toxi­sche Kli­schee­bom­ben à la Wie ein ein­zi­ger Tag anschau­en und ein Part­ner dem ande­ren dar­auf­hin vor­wirft, kei­ne gro­ßen, ver­meint­lich roman­ti­schen Ges­ten zu machen wie der Prot­ago­nist Noah.
  • Sie beein­flusst uns, wenn Men­schen an toxi­schen Bezie­hun­gen fest­hal­ten in der Hoff­nung, dass der Part­ner sich ändert.
  • Und sie beein­flusst uns, wenn wir uns wie Ver­sa­ger vor­kom­men, wenn star­ke Gefüh­le allein ein Pro­blem nicht lösen kön­nen und die Bezie­hung in die Brü­che geht.

Auf CNN.com zitiert Sara Ste­wart zahl­rei­che Zuschrif­ten von Lesern, die ihre Film­kri­ti­ken gele­sen haben und nun ihre per­sön­li­chen, oft unschö­nen Erfah­run­gen tei­len. Ein Leser gibt sogar zu, wegen Miss­brauch inhaf­tiert wor­den zu sein und dass media­le Dar­stel­lun­gen sei­ne ver­dreh­ten Ansich­ten über Bezie­hun­gen durch­aus beein­flusst haben.

Und auch wenn man selbst nicht von den medi­al pro­pa­gier­ten toxi­schen Vor­stel­lun­gen beein­flusst wird: Die ande­ren Men­schen um einen her­um wer­den es durch­aus und klat­schen die­se Vor­stel­lun­gen ger­ne über die Rea­li­tät.

Bei­spiels­wei­se bei spek­ta­ku­lä­ren Hei­rats­an­trä­gen in der Öffent­lich­keit: Ein Part­ner macht den Antrag, ist der Held, und das unge­schrie­be­ne Skript erfor­dert, dass der ande­re Part­ner „Ja“ sagt, wäh­rend die zahl­rei­chen Zeu­gen das Gan­ze beob­ach­ten und urtei­len. Und wenn der Betrof­fe­ne „Nein“ sagt, steht er schnell als herz­lo­ser Böse­wicht da, der die gro­ße, benei­dens­wer­te Ges­te nicht zu schät­zen weiß. Dabei weiß kei­ner der Umste­hen­den, wie es in der Bezie­hung wirk­lich aus­sieht. Und über­haupt: Was geht mich die pri­va­te Lebens­pla­nung zwei­er wild­frem­der Men­schen an? War­um muss man aus sei­nem Pri­vat­le­ben eine Show machen? Das ist, wenn man mich fragt, eine noch­mal ganz eige­ne Dia­gno­se.

Dass bei der kli­schee­haf­ten Dar­stel­lung von Lie­bes­be­zie­hun­gen sehr viel reprä­sen­ta­ti­ves Poten­ti­al ver­lo­ren geht, muss ich, glau­be ich, nicht mehr erwäh­nen: Denn wir alle wis­sen, dass media­le Dar­stel­lun­gen mas­siv dazu bei­tra­gen kön­nen, bestimm­te Din­ge ins all­ge­mei­ne Bewusst­sein zu brin­gen und zu nor­ma­li­sie­ren. Ich sage dabei nicht, dass man fik­tio­na­le Geschich­ten auf Teu­fel komm raus mit homo­se­xu­el­len Paa­ren flu­ten muss. Die Mehr­heit der rea­len Men­schen ist immer noch hete­ro­se­xu­ell. Aber wenn es kaum ernst­zu­neh­men­de Reprä­sen­ta­tio­nen von homo­se­xu­el­len Paa­ren gibt, dann ist das eine ein­deu­ti­ge Unter­re­prä­sen­ta­ti­on.

Bei der Flut an roman­ti­schen Lie­bes­be­zie­hun­gen in den Medi­en sind auch ernst­haf­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit fami­liä­ren, freund­schaft­li­chen und ander­wei­ti­gen Lie­bes­be­zie­hun­gen etwas unter­re­prä­sen­tiert und wer­den ten­den­zi­ell idea­li­siert dar­ge­stellt: Fami­lie und Freun­de sind immer bedin­gungs­los für den Prot­ago­nis­ten da, zu Hau­se herrscht eine benei­dens­wer­te Idyl­le, es gab nie fata­le Erzie­hungs­feh­ler, Freun­de haben selbst kei­ne Pro­ble­me und sind nie nei­disch oder ander­wei­tig unzu­frie­den mit dem Prot­ago­nis­ten, Haus­tie­re sind immer lieb, anhäng­lich und treu, die ange­be­te­te Gott­heit ist stets unter­stüt­zend, die eige­ne Nati­on spie­gelt die eige­nen Wer­te makel­los wie­der … Und wenn es in einem die­ser Berei­che den­noch Kon­flik­te gibt, dann kön­nen sie rela­tiv ein­fach und unkom­pli­ziert gelöst wer­den.

Natür­lich gibt es auch vie­le rea­lis­ti­sche Dar­stel­lun­gen von nicht-roman­ti­scher Lie­be. Mei­ner Beob­ach­tung nach ist das meis­tens jedoch eher dann der Fall, wenn die nicht-roman­ti­sche Lie­bes­be­zie­hung mit dem zen­tra­len Kon­flikt zusam­men­hängt. Ist die­ser Zusam­men­hang nicht gege­ben, hat­te der Prot­ago­nist eine in jeder Hin­sicht idyl­li­sche Kind­heit etc. pp. – Was wie­der­um unse­re Vor­stel­lun­gen davon prägt, was nor­mal ist und was nicht und inwie­fern wir an unse­ren nicht-roman­ti­schen Lie­bes­be­zie­hun­gen aktiv arbei­ten müs­sen.

Nicht alles ist toxisch

Fai­rer­wei­se soll­te aber auch gesagt wer­den, dass nicht alles, was nach einer pro­ble­ma­ti­schen Dar­stel­lung aus­sieht, eine ist:

  • Allem vor­an sind da bei­spiels­wei­se Par­odien und Sati­ren wie der Film Ver­wünscht, in dem Dis­ney sei­ne eige­nen Kli­schees durch den Kakao zieht, oder Die Braut­prin­zes­sin die Ver­fil­mung Die Braut des Prin­zen.
  • An James Came­rons Tita­nic wür­de ich nur aus­set­zen, dass die Bezie­hung zwi­schen Rose und Jack als gro­ße Lie­be hin­ge­stellt wird. Viel­leicht hät­te sich dar­aus eine ernst­haf­te Lie­bes­be­zie­hung ent­wi­ckelt, wenn Jack über­lebt hät­te, aber so ist die im Film dar­ge­stell­te Bezie­hung vor­erst nur ein Hor­mon­cock­tail, der in Kom­bi­na­ti­on mit dem trau­ma­ti­sie­ren­den Unter­gang des Schiffs Rose aus ihrer Depres­si­on reißt. Mit „ewi­ger Lie­be“ hat das aller­dings wenig zu tun, weil die bei­den Lie­ben­den zu wenig Zeit mit­ein­an­der ver­bracht haben, um zu wis­sen, ob sie es wirk­lich ewig mit­ein­an­der aus­ge­hal­ten hät­ten. Die „ewi­ge Lie­be“ gilt somit der Erin­ne­rung, nicht der Per­son.
  • Ein wei­te­res Bei­spiel für eine kur­ze, ver­zwei­fel­te Lie­bes­be­zie­hung fin­det sich in Remar­ques Zeit zu Leben und Zeit zu ster­ben. Hier steht das Paar unter Zeit­druck, weil die Geschich­te wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges spielt und der Prot­ago­nist, ein Wehr­machts­sol­dat, nur ein paar Wochen Urlaub hat. In die­se paar Wochen wird ein Ken­nen­ler­nen, Hei­ra­ten und mög­lichst viel Lie­ben und Leben gequetscht. Auch hier ist es weni­ger die gro­ße Lie­be, son­dern eher die Ein­sam­keit zwei­er ver­zwei­fel­ter Men­schen, die kom­plett des­il­lu­sio­niert sind, nicht mehr an das NS-Regime glau­ben und von einem „siche­ren, guten, ein­för­mi­gen, bür­ger­li­chen Kuh­glück“ träu­men. Sol­che ver­zwei­fel­ten Kriegse­hen sind aller­dings durch­aus ein rea­les Phä­no­men. Und eben­so rea­lis­tisch ist auch das Ende, als die Lie­bes­be­zie­hung den Prot­ago­nis­ten, als er wie­der an der Front ist, nicht mehr „tra­gen“, emo­tio­nal stüt­zen, kann.
  • Auch Dis­neys Ani­ma­ti­ons­film Die Schö­ne und das Biest sehe ich als unpro­ble­ma­tisch. Hier gibt es oft den Vor­wurf, der Film pro­pa­gie­re das Fest­hal­ten an toxi­schen Bezie­hun­gen und das Umer­zie­hen des Part­ners. Dabei wird jedoch oft über­se­hen, dass Bel­le sich erst in das Biest ver­liebt, als es sein Ver­hal­ten ändert. Das Biest wird nicht von Bel­le umer­zo­gen, son­dern es erzieht sich selbst um, als es lernt, dass ande­re es toll fin­den, wenn man nett zu ihnen ist.
  • Und nicht zuletzt möch­te ich Dar­cys „gro­ße Ges­ten“ in Jane Aus­tens Stolz und Vor­ur­teil in Schutz neh­men. Denn zu mei­ner Über­ra­schung muss­te ich fest­stel­len, dass es da tat­säch­lich Vor­wür­fe gibt. Wir müs­sen aller­dings beden­ken, dass Dar­cy vor­her gro­ßen Mist gebaut und meh­re­re Men­schen unglück­lich gemacht hat. Sei­ne Feh­ler wie­der aus­zu­bü­geln ist wohl was Min­des­te, was man ver­lan­gen kann von jeman­dem, der sich geirrt hat und dem es leid­tut. Auch wenn er dabei vor allem an Eliza­beth dach­te. Er macht ja kei­ne Show dar­aus und will eigent­lich, dass nie­mand erfährt, dass er dahin­ter­steckt.

Außer­dem möch­te ich auch bezüg­lich LGBTQ+-Beziehungen eins ein­räu­men: In mei­nem Arti­kel über star­ke Frau­en habe ich spe­ku­liert, dass eine Har­riet Pot­ter sich viel­leicht in Ced­ric Dig­go­ry statt in Cho Chang ver­liebt hät­te. Doch war­um hät­te eine Har­riet Pot­ter nicht les­bisch oder bise­xu­ell sein und sich in Cho ver­lie­ben und spä­ter mit Gin­ny zusam­men­kom­men kön­nen? Die­se Fra­ge habe ich mir durch­aus gestellt und fand, dass das ein stär­ke­rer Ein­griff in die Geschich­te wäre als die Ände­rung eines hete­ro­se­xu­el­len Har­ry Pot­ter in eine eben­so hete­ro­se­xu­el­le Har­riet Pot­ter.

Die Sache ist, dass die Geschich­te in den 90ern spielt und Hete­ro­se­xua­li­tät damals noch mehr als heu­te als Norm galt. Sich als les­bisch oder bise­xu­ell zu outen wäre somit eine gro­ße Sache gewe­sen, ins­be­son­de­re für einen Teen­ager. Die­ses Coming-out hät­te dem eigent­li­chen Kon­flik­ten der Rei­he und der ein­zel­nen Bücher defi­ni­tiv die „Show“ gestoh­len, ohne irgend­et­was zu den zen­tra­len The­men bei­zu­tra­gen. – Es sei denn, der Ant­ago­nist Lord Vol­de­mort hät­te expli­zit Hete­ro­nor­ma­ti­vi­tät gepre­digt, damit die rein­blü­ti­gen Hexen und Zau­be­rer sich schön fort­pflan­zen. Dann hät­te Har­riets Homo- oder Bise­xua­li­tät durch­aus ein rele­van­tes Gegen­stück zu Vol­de­mor­ts Ideo­lo­gie gebil­det.

Ich fürch­te daher, dass es bei LGBTQ+-Beziehungen tat­säch­lich auf das Set­ting ankommt. Wählt man ein Set­ting, in dem eine sol­che Bezie­hung mit Hin­der­nis­sen ein­her­ge­hen wür­de, müss­te die sexu­el­le Ori­en­tie­rung bzw. Iden­ti­tät ein zen­tra­les The­ma wer­den. Und Set­tings, in denen eine sol­che Bezie­hung nicht auf Hin­der­nis­se stößt und als völ­lig nor­mal ange­se­hen wird, sind sel­ten.

Was ist Lie­be?

Wenn wir aber nun die media­le Dar­stel­lung von Lie­be kri­ti­sie­ren und über­le­gen, wie wir das bes­ser machen kön­nen, müs­sen wir uns fra­gen: Was ist Lie­be über­haupt?

Wer mei­nen Arti­kel über das Erschaf­fen von inter­es­san­ten Figu­ren kennt, weiß, dass ich ein Fan von Erich Fromms Die Kunst des Lie­bens bin:

Lässt man die gesell­schafts­kri­ti­schen Aspek­te des Buches weg, sagt Fromm im Gro­ßen und Gan­zen, dass es den meis­ten Men­schen dar­um geht, geliebt zu wer­den statt selbst aktiv zu lie­ben. Man stre­be das schö­ne Gefühl der Ver­liebt­heit an, dem man sich ein­fach hin­gibt, und wenn das schö­ne Gefühl aus­ge­schöpft ist, suche man sich ein­fach das nächs­te Lie­bes­ob­jekt, das man kon­su­mie­ren kann. Die­ses Ver­ständ­nis von Lie­be habe etwas Markt­wirt­schaft­li­ches.

Die Ant­wort auf die exis­ten­zi­el­len Fra­gen des Men­scheins sei dage­gen rich­ti­ge, rei­fe Lie­be. Dabei kom­me es nicht auf das Objekt der Lie­be an, son­dern auf die eige­ne Fähig­keit zu lie­ben: Und die­se setzt vor­aus, dass man vor allem sich selbst lie­ben kann. – Nicht im Sin­ne von Nar­ziss­mus – denn das ist laut Fromm nur ein Sym­ptom feh­len­der Selbst­lie­be -, son­dern im Sin­ne von: „Ich bin mir selbst genug, ich bin glück­lich mit mir selbst und ich tei­le mein Glück ger­ne mit ande­ren, küm­me­re mich um sie, erken­ne und respek­tie­re sie und über­neh­me Ver­ant­wor­tung.“

Wie Du also siehst, pre­digt Fromm genau das Gegen­teil von dem, was in den Medi­en nor­ma­ler­wei­se als Lie­be ver­kauft wird. Nach die­ser Defi­ni­ti­on sind die meis­ten Lie­ben­den in fik­tio­na­len Geschich­ten in Wirk­lich­keit kom­plett unfä­hig zu lie­ben:

  • Denn wer sich nur dem schö­nen Gefühl hin­gibt, ist unfä­hig zu lie­ben.
  • Wem es vor allem dar­um geht, geliebt zu wer­den, ist unfä­hig zu lie­ben.
  • Wer eine gelieb­te Per­son nicht los­las­sen kann, weil er emo­tio­nal anhän­gig ist, kann nicht lie­ben.
  • Wer ohne die gelieb­te Per­son nicht leben kann, ist nicht fähig zu lie­ben.
  • Wer sich selbst nicht liebt, ist nicht fähig zu lie­ben.
  • Und wer nur einen ein­zi­gen Men­schen auf der Welt liebt, liebt in Wirk­lich­keit nie­man­den.

Fik­ti­ve Figu­ren, die die­se Nicht-Lie­be prak­ti­zie­ren, sind in die­ser Hin­sicht eigent­lich ziem­lich infan­til: Denn kom­plet­te Hin­ga­be, ein Aus­ge­lie­fert­sein, das pas­si­ve Kon­su­mie­ren, das Sich-Fest­klam­mern, die Abhän­gig­keit und die Fixie­rung auf einen ein­zi­gen oder nur weni­ge Men­schen sind eigent­lich cha­rak­te­ris­tisch für die Bezie­hung eines Kin­des zu sei­nen Eltern, nicht eines Erwach­se­nen zu einem Erwach­se­nen.

Natür­lich ist das aber auch etwas ver­ein­fa­chend, denn wenn ein rea­ler oder fik­ti­ver Mensch streng­ge­nom­men unfä­hig ist zu lie­ben, heißt das nicht, dass er nicht trotz­dem Anzei­chen ech­ter Lie­be zei­gen kann. Plum­pes Bei­spiel:

Ich gebe offen zu, dass mei­ne Kat­ze im Prin­zip mein ganz per­sön­li­ches, pel­zi­ges Anti­de­pres­si­vum ist. Gleich­zei­tig berei­tet es mir aber auch Freu­de, ihr Freu­de zu berei­ten. Nicht, damit sie mich liebt, denn das tut sie bereits, son­dern weil ich sie als füh­len­des Wesen respek­tie­re – und das in einem Maß, in dem man von man­chen Leu­ten schie­fe Bli­cke bekommt, weil ich bei wich­ti­gen Ent­schei­dun­gen unter ande­rem ihre Inter­es­sen beden­ke. Ich wie­der­um fin­de es abar­tig, wie vie­le Men­schen mei­nen, ihre Haus­tie­re zu lie­ben, ihre emo­tio­na­len und psy­chi­schen Bedürf­nis­se aber regel­mä­ßig hin­ten­an­stel­len, wenn es um Arbeit, Urlaub, die Woh­nungs­ein­rich­tung oder ande­re per­sön­li­che Bedürf­nis­se geht. Tie­ren wer­den oft Din­ge ange­tan, die man sei­nen Kin­dern nicht antun wür­de. Als wären Tie­re weni­ger wert oder als hät­ten sie weni­ger Gefüh­le.

Ich will nicht sagen, ich wäre Meis­te­rin in Sachen Lie­be – wie gesagt, mei­ne Art zu lie­ben ist immer noch sehr ego­is­tisch -, aber ich maße mir an zu erken­nen, wenn ande­re Men­schen noch lie­bes­un­fä­hi­ger sind als ich. Somit maße ich mir auch an fest­stel­len zu kön­nen, dass die Lie­bes­fä­hig­keit durch­aus Abstu­fun­gen hat. Denn wie auch Fromm sagt: Lie­be ist eine Fähig­keit, die man ler­nen und üben kann und soll. Somit kann man die­se Fähig­keit auch in stär­ke­rem oder schwä­che­rem Maße beherr­schen und ich per­sön­lich fin­de es völ­lig in Ord­nung, wenn eine fik­ti­ve Lie­bes­be­zie­hung nicht per­fekt ist, solan­ge sie nicht als die ein­zig wah­re gro­ße Lie­be hin­ge­stellt wird.

Und wenn man die Lie­be erst mal beherrscht, ist es im Grun­de egal, wen oder was man liebt. Denn rich­ti­ge, rei­fe Lie­be geht ohne­hin mit einer Fähig­keit zur Nächs­ten­lie­be ein­her, sodass man die gan­ze Welt liebt. Aller­dings soll­te die rein mensch­li­che Kom­pa­ti­bi­li­tät mei­ner Mei­nung nach trotz­dem nicht unter den Tisch fal­len:

Denn jeman­den zu lie­ben ist eine Sache, mit ihm sein Leben zu ver­brin­gen eine ande­re.

Du wirst jeman­den, des­sen Inter­es­sen das kom­plet­te Gegen­teil von dei­nen Inter­es­sen sind, viel­leicht tat­säch­lich lie­ben kön­nen, aber eine Bezie­hung wird auf Dau­er schwie­rig, weil ihr kei­nen gemein­sa­men Bereich habt, in dem ihr euch begeg­nen könnt.

An die­ser Stel­le passt auch eine Fra­ge aus der Krea­tiv­Crew, in der es um die Kom­pa­ti­bi­li­tät von ech­ter Lie­be und „här­te­ren For­men von BDSM“ geht. Und pas­sen tut die­se Fra­ge, weil es im Grun­de ganz egal ist, was zwei Men­schen, die sich lie­ben, mit­ein­an­der trei­ben, solan­ge es bei­de glück­lich macht und nie­mand zu Scha­den kommt. Zumal es bei BDSM mei­nes Wis­sens tat­säch­lich auch sehr viel um Ver­trau­en und Ver­ant­wor­tung geht. Pro­ble­ma­tisch kann es aller­dings wer­den, wenn ein Part­ner unbe­dingt BDSM möch­te und der ande­re gar nicht. In die­sem Fall wäre es wohl ein Aus­druck von ech­ter Lie­be, wenn die bei­den ihre Inkom­pa­ti­bi­li­tät akzep­tie­ren und getrenn­te Wege gehen. Oder sich auf eine offe­ne Bezie­hung eini­gen, damit der BDSM-Fan sei­ne sexu­el­len Bedürf­nis­se mit jemand ande­rem aus­le­ben kann. – Vor­aus­ge­setzt, der Nicht-BDSM-Fan ist damit wirk­lich ein­ver­stan­den.

Wir hal­ten also fest:

Ech­te Lie­be ist vor allem eine Fähig­keit, kein Gefühl. Man gibt sich ihr nicht pas­siv hin, son­dern prak­ti­ziert sie aktiv. Und eine Grund­vor­aus­set­zung, um ande­re lie­ben zu kön­nen, ist die Lie­be zu sich selbst.

Wel­che Rol­le spielt das aber für die Dar­stel­lung von Lie­be in Geschich­ten?

Geschich­ten über Lie­be und Bezie­hun­gen schrei­ben

Schau­en wir uns die rein tech­ni­sche Sei­te an und zie­hen John Tru­by zu Rate. In The Ana­to­my of Sto­ry geht er unter ande­rem auf „Love Sto­ries“ und „Bud­dy Sto­ries“ ein:

  • Bei „Love Sto­ries“, also Lie­bes­ge­schich­ten, soll­ten die bei­den Lie­ben­den vor allem durch die Bezie­hung zuein­an­der wach­sen. Das setzt vor­aus, dass bei­de Figu­ren sorg­fäl­tig ent­wi­ckelt wur­den. Wich­tig ist aber auch, dass die bei­den nicht etwa zwei Hel­den sind, son­dern der eine soll­te der eigent­li­che Prot­ago­nist sein und der ande­re sein Haupt­op­po­nent. Wie in dem Arti­kel über die Figu­ren-Kon­stel­la­ti­on bereits erläu­tert, bedeu­tet „Oppo­nent“ nicht, dass die bei­den Fein­de sind. Der Held bzw. Prot­ago­nist und sein Haupt­op­po­nent kön­nen einem oder meh­re­ren gemein­sa­men Ant­ago­nis­ten ent­ge­gen­tre­ten. Aber wenn es pri­mär um die Bezie­hung geht, ein gegen­sei­ti­ges Her­aus­for­dern, dann ist der Love Inte­rest des Prot­ago­nis­ten eben sein Oppo­nent, der ihn her­aus­for­dert wie kein ande­rer und durch den er wächst.
  • Auch bei „Bud­dy Sto­ries“ geht es laut Tru­by um eine Oppo­si­ti­on zwi­schen den bei­den Figu­ren. Gleich­zei­tig sind sie aber auch zwei Tei­le eines Gan­zen, die sich durch ihre Anschau­un­gen und Fähig­kei­ten gegen­sei­tig ergän­zen. Weil aber eine Oppo­si­ti­on vor­liegt, soll­te ein „Bud­dy“ die zen­tra­le­re Rol­le haben, d. h. der Prot­ago­nist sein. Trotz der Oppo­si­ti­on und ihres inter­nen Kon­flikts stel­len sich die bei­den „Bud­dies“ aber gemein­sam ande­ren Oppo­nen­ten, die die ver­schie­de­nen Aspek­te einer Gesell­schaft spie­geln, die den bei­den gegen­über feind­lich ein­ge­stellt ist und/oder sie tren­nen will.

Ich per­sön­lich fin­de nicht, dass man einen all­zu kla­ren Unter­schied zwi­schen „Love Sto­ry“ und „Bud­dy Sto­ry“ machen kann. Mehr noch: Ich wür­de sogar sagen, dass eine rich­tig gute Geschich­te über Lie­be – egal, ob roman­tisch oder nicht – mehr oder weni­ger bei­de Typen in sich ver­ei­nigt. Soll hei­ßen:

Tech­nisch gese­hen dreht sich eine gute Geschich­te über roman­ti­sche, freund­schaft­li­che, fami­liä­re oder ander­wei­ti­ge Lie­be mei­ner Mei­nung nach vor allem um die Oppo­si­ti­on zwi­schen zwei fein her­aus­ge­ar­bei­te­ten Figu­ren, die sich gegen­sei­tig her­aus­for­dern und dadurch wach­sen und evtl. gemein­sam eine oder meh­re­re äuße­re Her­aus­for­de­run­gen bestehen.

So viel zum Ske­lett. Aber wie soll­te das „Fleisch“ aus­se­hen, vor allem vor dem Hin­ter­grund unse­rer Defi­ni­ti­on von Lie­be?

Die Begeg­nung

Damit Lie­be ent­ste­hen kann, müs­sen die Figu­ren sich als Ers­tes begeg­nen. Das kann noch vor dem Beginn der Geschich­te pas­sie­ren und im Fall von Fami­li­en­be­zie­hun­gen beginnt die Bekannt­schaft meis­tens sogar schon mit der Geburt. – Es sei denn, die bei­den Fami­li­en­mit­glie­der sind sich tat­säch­lich noch nie begeg­net, weil die Fami­lie aus­ein­an­der­ge­ris­sen wur­de oder sowas.

Wenn die Figu­ren, um die es geht, sich aber nicht bereits ken­nen, müs­sen sie sich irgend­wie über den Weg lau­fen. Im Fall von roman­ti­scher Lie­be bezeich­net man das im Eng­li­schen als „Meet Cute“. Aller­dings kann eine ers­te Begeg­nung, wie gesagt, auch in Geschich­ten über bei­spiels­wei­se Freund­schaft als beson­de­rer Moment gezeigt wer­den.

Wäh­rend sol­che ers­te Begeg­nun­gen im rea­len Leben meis­tens recht lang­wei­lig sind, erfor­dern sie in fik­tio­na­len Wer­ken oft etwas Ein­präg­sa­mes, damit sie das Inter­es­se des Rezi­pi­en­ten wecken und ihm den Gedan­ken ein­pflan­zen, dass die bei­den Figu­ren sich ver­lie­ben oder Freun­de wer­den könn­ten. Des­we­gen hat der You­Tube-Kanal Stu­dio­Bin­der spe­zi­ell für roman­ti­sche Meet Cutes eine Über­sicht von vier Typen zusam­men­ge­stellt:

  • Bei Pull/Pull ist von vorn­her­ein eine gegen­sei­ti­ge Anzie­hung vor­han­den.
  • Bei Push/Push hin­ge­gen sind die bei­den sich zunächst feind­lich gesinnt, fin­den spä­ter jedoch zuein­an­der.
  • Bei Push/Pull fühlt sich einer ange­zo­gen und der ande­re flieht bzw. wider­steht den Avan­cen und muss erobert wer­den.
  • Und bei Neutral/Nervous schließ­lich hät­ten die bei­den sich ver­mut­lich nicht ein­mal bemerkt, wenn einer von ihnen, der „Ner­vö­se“, nicht gestol­pert wäre oder sich ander­wei­tig unge­schickt ange­stellt oder unkon­ven­tio­nell ver­hal­ten hät­te.

Im Zusam­men­hang mit der ers­ten Begeg­nung sieht man in fik­tio­na­len Wer­ken oft auch Lie­be auf den ers­ten Blick. Ich will nicht abstrei­ten, dass man sich rein hor­mo­nell auf den ers­ten Blick ver­lie­ben oder im Sin­ne von Nächs­ten­lie­be von Lie­be spre­chen kann. Doch für eine rei­fe Lie­bes­be­zie­hung, die ja Bekannt­schaft mit dem ande­ren und Kom­pa­ti­bi­li­tät erfor­dert, ist es defi­ni­tiv zu früh.

Wobei man hier auch sagen soll, dass man manch­mal recht schnell mer­ken kann, dass das Gegen­über gutes Bezie­hungs- bzw. Freund­schafts­ma­te­ri­al ist. Men­schen geben nun mal durch ihr blo­ßes Auf­tre­ten, ihr Out­fit, ihre Ges­tik, ihre Stimm­füh­rung etc. sehr viel über sich preis. Gleich­zei­tig läuft man aber auch Gefahr, auf den ande­ren Men­schen irgend­et­was zu pro­ji­zie­ren, das auf ihn aber über­haupt nicht zutrifft.

Des­we­gen wür­de ich sagen, dass Lie­be oder auch Freund­schaft auf den ers­ten Blick eigent­lich nur funk­tio­niert, wenn man sein Gegen­über im ers­ten Moment kor­rekt ein­ge­schätzt hat. Doch auch in die­sem Fall erfor­dert die Bezie­hung eine Ken­nen­lern­pha­se, damit etwas Ernst­haf­tes dar­aus ent­steht.

Die Bezie­hung: War­um über­haupt?

Nun sind die bei­den sich aber begeg­net. – Wie geht es wei­ter? War­um lie­ben bzw. ver­lie­ben die bei­den sich aus­ge­rech­net in die jeweils ande­re Per­son? Oder war­um schlie­ßen sie Freund­schaft mit die­sem bestimm­ten Men­schen?

  • Wie bereits erwähnt, bestehen gera­de fik­ti­ve Roman­zen über­wie­gend aus sub­stanz­lo­sem Schleck-Schleck-Knutsch-Knutsch-Schlab­ber-Schlab­ber.
  • Und auch bei pla­to­ni­schen Bezie­hun­gen fragt man sich häu­fig, was um Him­mels Wil­len die­se Figu­ren ver­bin­det.

Sehr pro­mi­nent ist da bei­spiels­wei­se Sex and the City, mit den vier Freun­din­nen, die im Ver­lauf von sechs Staf­feln und zwei Kino­fil­men abge­se­hen von Män­nern kaum gemein­sa­me The­men zu haben schei­nen. – Ein Umstand, der von einer von ihnen ein­mal sogar expli­zit ange­spro­chen wird. Die vier hal­ten zusam­men, ein­fach so, weil sie Freun­din­nen sind. Und sie sind Freun­din­nen, weil … Keks.

Im rea­len Leben hat unse­re per­sön­li­che Hin­ter­grund­ge­schich­te meis­tens einen gra­vie­ren­den Ein­fluss dar­auf, mit wel­chen Men­schen wir uns umge­ben. Das bedeu­tet natür­lich nicht, dass es immer nur eine Mög­lich­keit gibt, wie eine bestimm­te Ver­gan­gen­heit sich auf gegen­wär­ti­ge Bezie­hun­gen aus­wirkt:

So kann die jun­ge Erna bei­spiels­wei­se eine Lie­bes­be­zie­hung mit einem wesent­lich älte­ren Mann ein­ge­hen, weil sie einen Vater­kom­plex hat, aber es kann auch sein, dass die bei­den aus einem völ­lig ande­ren Grund auf einer Wel­len­län­ge sind und der Alters­un­ter­schied nur ein Zufall ist.

Eine Erklä­rung soll­te es idea­ler­wei­se aber trotz­dem geben, sei sie auch noch so impli­zit:

In Ava­tar – Der Herr der Ele­men­te zum Bei­spiel wird nie expli­zit erklärt, war­um Mai und Ty Lee mit Azu­la befreun­det sind. Und man mag sich die­se Fra­ge durch­aus stel­len, wenn man bedenkt, wie grau­sam, psy­cho­pa­thisch und nar­ziss­tisch Azu­la ist. Dafür erfah­ren wir aber, dass Mai ein chro­nisch gelang­weil­tes ade­li­ges Töch­ter­chen ist, das sich immer zu beneh­men und brav zu schwei­gen hat­te. Die Freund­schaft mit der kämp­fe­ri­schen Prin­zes­sin Azu­la bringt da offen­bar eine sehr will­kom­me­ne Abwechs­lung in ihr Leben. Ty Lee hin­ge­gen ist eine von sie­ben iden­ti­schen Schwes­tern und strebt nach Indi­vi­dua­li­tät. Und indi­vi­du­el­ler als eine Freund­schaft mit der schö­nen, intel­li­gen­ten, star­ken und in jeder ande­ren Hin­sicht über­durch­schnitt­lich begab­ten Prin­zes­sin Azu­la geht kaum. Azu­la wie­der­um hat ein Bedürf­nis nach Hand­lan­gern, die sie in ihrem Nar­ziss­mus bestä­ti­gen. Wie stark die­ses Bedürf­nis ist, wird sicht­bar, als Mai und Ty Lee sich gegen sie wen­den und Azu­la dar­auf­hin ver­einsamt und den Ver­stand ver­liert.

Die Bezie­hung: Cha­rak­ter

Weil die Grün­de, war­um zwei Men­schen die Gesell­schaft des jeweils ande­ren suchen, so indi­vi­du­ell sind wie die Men­schen selbst, hat jede rea­le Bezie­hung ihren eige­nen Cha­rak­ter. Und gute fik­ti­ve Bezie­hun­gen tun das eben­falls:

Eine der rea­lis­tischs­ten und ergrei­fends­ten fik­tio­na­len Dar­stel­lun­gen von Lie­be und Freund­schaft ist der Man­ga und Ani­me Nana. Es geht um zwei jun­ge Frau­en namens Nana, die sich im Zug nach Tokio ken­nen­ler­nen und eine WG grün­den. Die ers­te Nana ist etwas unselbst­stän­dig, ver­liebt sich stän­dig auf den ers­ten Blick, ist leb­haft und auf­ge­weckt und träumt von einer Zukunft als gute Ehe­frau. Die zwei­te Nana ist eine Punk-Rock-Sän­ge­rin und lei­det auf­grund ihrer insta­bi­len Kind­heit unter Ver­lust­ängs­ten. Auf den ers­ten Blick sind sie sehr unter­schied­lich, aber sie ergän­zen und unter­stüt­zen sich gegen­sei­tig, wäh­rend jede ihre Träu­me zu ver­wirk­li­chen sucht. Und wäh­rend die eine mit der Zeit selbst­stän­di­ger und ernst­haf­ter wird, bekommt die ande­re durch die­se Freund­schaft die emo­tio­na­le Sta­bi­li­tät, die sie braucht.

Neben der zen­tra­len Bezie­hung, näm­lich der zwi­schen den bei­den Nanas, kom­men noch zahl­rei­che ande­re Bezie­hun­gen vor. Die Nanas selbst wan­dern von einer Bezie­hung in die nächs­te und auch die Neben­fi­gu­ren bau­en Bezie­hun­gen auf. Und obwohl es sehr stark um Show­busi­ness geht, ver­zich­tet die Serie auf den übli­chen kit­schi­gen Zucker­guss und behan­delt auch The­men wie Fremd­ge­hen und unge­woll­te Schwan­ger­schaft. Davon, dass die meis­ten Bezie­hun­gen auf­grund der cha­rak­ter­li­chen Schwä­chen der Figu­ren unge­sun­der Natur sind, ganz zu schwei­gen. Und weil die Figu­ren ihre höchst eige­nen Schwä­chen haben, ergibt die Kom­bi­na­ti­on die­ser Schwä­chen jedes Mal eine hoch­gra­dig indi­vi­du­el­le Bezie­hung. Selbst die wohl gesün­des­te Bezie­hung, die Freund­schaft zwi­schen den bei­den Nanas, beinhal­tet eine gewis­se emo­tio­na­le Abhän­gig­keit.

Wie Du also siehst, ist die sorg­fäl­ti­ge Her­aus­ar­bei­tung der Figu­ren für eine Bezie­hung mit indi­vi­du­el­lem Cha­rak­ter essen­ti­ell:

Wenn die bei­den Figu­ren Oppo­nen­ten sind, dann müs­sen sie trotz ihrer Lie­be zuein­an­der ihre gegen­sei­ti­gen Schwä­chen angrei­fen. Wobei der „Angriff“ auch indi­rekt sein kann, bei­spiels­wei­se in Form einer Kom­fort­zo­ne:

So ergibt sich die emo­tio­na­le Abhän­gig­keit zwi­schen den bei­den Nanas u. a. dadurch, dass die Punk-Rock-Nana durch die ande­re Nana die ersehn­te emo­tio­na­le Sta­bi­li­tät bekommt, statt zu ler­nen, sie selbst auf­zu­bau­en. Des­we­gen hat die Freund­schaft der Punk-Rock-Nana eine besitz­ergrei­fen­de Note.

Und ja, natür­lich kannst Du auch über zwei Men­schen schrei­ben, zwi­schen denen Idyl­le herrscht, aber in der Regel ist das kein all­zu span­nen­der Stoff für eine Geschich­te. Doch Aus­nah­men bestä­ti­gen natür­lich die Regel und es kann durch­aus eine Bezie­hung mit einem fla­chen Arc geben:

In einer ande­ren Man­ga- bzw. Ani­me-Serie mit dem Titel My Love Sto­ry!! – Ore Mono­ga­ta­ri geht es um eine wei­test­ge­hend intak­te Bezie­hung, die sich jedoch gegen äuße­re Ein­flüs­se und Vor­ur­tei­le behaup­ten muss.

Die Bezie­hung: Lie­bes­be­wei­se

Doch was macht eine intak­te Bezie­hung über­haupt aus?

Zie­hen wir wie­der Erich Fromm zura­te, so geht es bei der Fähig­keit zu lie­ben nicht um eine Check­lis­te, die man abklap­pern muss, son­dern um eine all­ge­mei­ne Lebens­hal­tung. Vor­aus­set­zun­gen sind dabei Dis­zi­plin, Kon­zen­tra­ti­on, Geduld und das Wich­tig­neh­men von Lie­be in allen Lebens­be­rei­chen. Und außer­dem ein Gespür für sich selbst, d. h. das Wahr­neh­men sei­ner inne­ren Stim­me, sowie Demut, Ver­nunft, Glau­be und Mut.

Wer eine aus­führ­li­che Erläu­te­rung des Gan­zen haben möch­te, dem emp­feh­le ich das Buch selbst. An die­ser Stel­le gehe ich aber zum nächs­ten Schritt über und ver­su­che her­zu­lei­ten, wie sich Lie­be als Lebens­hal­tung kon­kret in einer Bezie­hung äußert:

Man lebt im Hier und Jetzt, glaubt an sich und an den Part­ner und dadurch ist die Bezie­hung vor allem von Ver­trau­en geprägt. Man kennt und respek­tiert sei­ne eige­nen Bedürf­nis­se, ist dabei aber kei­nes­falls nar­ziss­tisch, son­dern schenkt dem Part­ner sys­te­ma­tisch Auf­merk­sam­keit, nimmt sich Zeit für ihn, hört ihm kon­zen­triert zu, nimmt ihn ernst und fühlt mit ihm. Dass man das wirk­lich tut, merkt bei­spiels­wei­se dar­an, dass man Klei­nig­kei­ten und Details an sei­nem Part­ner wahr­nimmt, statt ihn als Selbst­ver­ständ­lich­keit zu betrach­ten, an der es nichts Neu­es zu ent­de­cken gibt.

Wie Dir sicher­lich auf­ge­fal­len ist, sind das alles Din­ge, die für die Ver­liebt­heits­pha­se cha­rak­te­ris­tisch sind. Der Unter­schied ist jedoch, dass die­se Ver­hal­tens­wei­sen bei unrei­fer Lie­be nach der Ver­liebt­heits­pha­se ver­flie­gen, weil die Indi­vi­du­en eben nicht fähig sind, sich dau­er­haft auf­ein­an­der zu kon­zen­trie­ren und sich dis­zi­pli­niert Zeit für­ein­an­der zu neh­men, und ihnen der Wil­le fehlt, die Welt auch mal aus der Sicht des Part­ners zu betrach­ten und ihm wirk­lich zuzu­hö­ren. Man nimmt sich gegen­sei­tig als selbst­ver­ständ­lich wahr und lebt sich aus­ein­an­der. Und wenn es nicht mehr geht, sucht man sich einen neu­en Part­ner.

Sicher­lich ist Dir außer­dem auf­ge­fal­len, was fehlt: gro­ße, dra­ma­ti­sche Ges­ten. Das liegt zum einen dar­an, dass Lie­be nichts mit Ver­eh­rung zu tun hat. Zumal die meis­ten Men­schen ohne­hin nicht ange­be­tet, son­dern wahr­ge­nom­men und ver­stan­den wer­den wol­len. Und vor den­je­ni­gen, die Anbe­tung wol­len, müss­te man ohne­hin schrei­end weg­lau­fen. Denn das ist ein ein­deu­ti­ges Warn­si­gnal, dass die Per­son mas­si­ve Pro­ble­me hat und Dich emo­tio­nal aus­beu­ten wird.

Zum ande­ren wer­den die ech­ten gro­ßen Ges­ten in der Regel nicht als sol­che erkannt. Nor­ma­ler­wei­se ver­ste­hen wir dar­un­ter dra­ma­ti­sche Auf­trit­te in der Öffent­lich­keit, teu­re Geschen­ke oder ander­wei­tig unge­wöhn­li­che, gro­ße Aktio­nen. Doch die wah­ren gro­ßen Ges­ten sind deut­lich weni­ger thea­tra­lisch und gla­mou­rös, dafür aber äußerst per­sön­lich:

Als Car­rie Brad­shaw, die Prot­ago­nis­tin der Serie Sex and the City, sich in Aidan ver­liebt und er ihre Gefüh­le erwi­dert, aber nicht mit einer Rau­che­rin zusam­men sein kann, gibt sie, eine chro­ni­sche Niko­tin­süch­ti­ge, die selbst an Orten und in Situa­tio­nen, in denen Rau­chen nicht ange­bracht oder expli­zit uner­wünscht ist, rück­sichts­los an ihrer Ziga­ret­te nuckelt, für ihn ihre Sucht auf. Zumin­dest für die Dau­er ihrer Bezie­hung mit Aidan. Mit ande­ren Wor­ten: Sie springt aus Rück­sicht gegen­über einem gelieb­ten Men­schen über ihren Schat­ten.

Ech­te gro­ße Ges­ten sind oft auch schwie­ri­ger umzu­set­zen als die thea­tra­li­schen, die man in fik­tio­na­len Geschich­ten oft sieht. Denn was ist die grö­ße­re Her­aus­for­de­rung und wert­vol­le­re Ges­te: wenn der Mil­li­ar­där Chris­ti­an Grey sei­nem Love Inte­rest ein Auto kauft und den finan­zi­el­len Ver­lust nicht ein­mal spürt (Fif­ty Shades of Grey) oder wenn die Anwäl­tin Miran­da Hob­bes die Mut­ter ihres Ehe­man­nes pflegt (Sex and the City)?

Die Bezie­hung: Kon­flikt

Schließ­lich wen­den wir uns dem The­ma Kon­flikt zu. Denn eine gute Geschich­te erfor­dert einen Kon­flikt: einen äuße­ren oder bezie­hungs­in­ter­nen Kon­flikt. Oder bei­des.

  • Äuße­re Kon­flik­te kön­nen dabei sehr viel­fäl­tig sein. Klas­si­ker sind da Krank­heit, Krieg, die Fami­lie min­des­tens einer der bei­den Figu­ren, gesell­schaft­li­che Nor­men, Vor­ur­tei­le …
  • Bezie­hungs­in­ter­ne Kon­flik­te hin­ge­gen ent­ste­hen aus der kon­kre­ten Bezie­hung selbst her­aus, aus den Schwä­chen der bei­den Figu­ren. Und auch hier sind die Mög­lich­kei­ten unbe­grenzt: Viel­leicht ist ein Part­ner viel zu anhäng­lich, kon­troll­süch­tig oder schein­bar emo­ti­ons­los? Viel­leicht haben die bei­den sich ein­fach aus­ein­an­der­ge­lebt? Oder viel­leicht ist Erna eine Trans­frau und Klaus hat trotz sei­ner Gefüh­le für sie Pro­ble­me, damit klar­zu­kom­men?

An den Kon­flikt sind auch die Cha­rak­ter-Arcs gekop­pelt:

  • Fin­det der Kon­flikt nur äußer­lich statt, haben wir, wie an frü­he­rer Stel­le bereits ange­deu­tet, einen fla­chen Arc, weil die Figu­ren sich nicht ver­än­dern müs­sen. Viel­mehr ver­än­dern sie ihr Umfeld.
  • Wenn der Kon­flikt eine bezie­hungs­in­ter­ne Dimen­si­on hat, dann kom­men die Figu­ren nicht umhin, sich selbst zu ver­än­dern oder die Bezie­hung auf­zu­ge­ben. Wenn am Ende eine gesun­de Bezie­hung her­aus­kom­men soll, wird es in den wohl meis­ten Fäl­len dar­um gehen müs­sen, dass die Figu­ren an ihrer Selbst­lie­be bzw. an ihrem Selbst­wert­ge­fühl und ihrer Empa­thie gegen­über dem Part­ner arbei­ten. Wenn eine gesun­de Bezie­hung nicht mög­lich ist, weil sie viel­leicht von Grund auf toxisch ist, dann kann es trotz­dem ein Hap­py End geben, wenn zumin­dest eine Figur sich ent­wi­ckelt, ihren Selbst­wert fin­det und die Bezie­hung ver­lässt.

Eine ganz beson­de­re Note haben Kon­flik­te in der Fami­lie. Denn wäh­rend man sich sei­ne Freun­de und Lie­bes­part­ner selbst aus­sucht, wird man in eine Fami­lie ein­fach unge­fragt hin­ein­ge­bo­ren und ist oft mit Men­schen ver­wandt, mit denen man sich „in der frei­en Wild­bahn“ nie ange­freun­det hät­te. Mehr als bei jeder ande­ren Art von Bezie­hung muss man hier Akzep­tanz gegen­über dem ande­ren ler­nen. Zwar kann man auch hier grund­sätz­lich den Kon­takt abbre­chen, aber das ist deut­lich schwie­ri­ger als bei freund­schaft­li­chen und roman­ti­schen Bezie­hun­gen. Blut ist nicht umsonst dicker als Was­ser.

Doch egal, wel­che Art von Bezie­hung Du hast: Es gibt immer die Gefahr, dass der Kon­flikt dumm wird. Und dumm sind Kon­flik­te vor allem dann, wenn sie erzwun­gen sind, nicht orga­nisch aus der Geschich­te her­aus ent­ste­hen und nicht zu den Figu­ren pas­sen. Ein klas­si­sches Bei­spiel sind die bereits erwähn­ten dum­men Miss­ver­ständ­nis­se, die man mit einem kur­zen Gespräch hät­te ver­mei­den kön­nen. Daher mer­ke:

Ein guter Kon­flikt in einer Geschich­te über eine Lie­bes­be­zie­hung hängt mit dem zen­tra­len The­ma zusam­men und ist tief in der Per­sön­lich­keit der Figu­ren ver­wur­zelt.

Und ja, die Figu­ren dür­fen auch dum­me Ent­schei­dun­gen tref­fen, solan­ge der Kon­flikt selbst nicht dumm ist. In Nana zum Bei­spiel gibt es so eini­ge dum­me Ent­schei­dun­gen, die auch wirk­lich weh­tun, aber sie sind den­noch nach­voll­zieh­bar, weil sie orga­nisch aus den Schwä­chen der Figu­ren erwach­sen.

Ein Kon­flikt, der über­durch­schnitt­lich oft dumm ist und ger­ne noch düm­mer auf­ge­löst wird, ent­steht aus Lie­bes­drei­ecken. Denn, wie bereits gesagt, usur­piert die Fra­ge, mit wem der Eck­punkt des Drei­ecks zusam­men­kommt, oft die gesam­te Geschich­te. Dabei zei­gen bei­de Ver­eh­rer häu­fig äußerst toxi­sche Ver­hal­tens­wei­sen wie Beläs­ti­gung, Stal­king und Mani­pu­la­ti­on, sodass eine inner­lich rei­fe Per­son eigent­lich vor bei­den schrei­end weg­lau­fen soll­te.

Das macht Lie­bes­drei­ecke an sich nicht schlecht, zumal es auch recht unty­pi­sche, krea­ti­ve Kon­stel­la­tio­nen gibt:

  • So geht Lebe und den­ke nicht an mor­gen bei­spiels­wei­se weg von der Riva­li­tät zwi­schen den Ver­eh­rern und sieht fol­gen­der­ma­ßen aus: Rohit liebt Nai­na, Nai­na liebt Aman, Aman liebt Nai­na, aber weil er herz­krank ist und bald ster­ben wird, lügt er ihr vor, er wäre ver­hei­ra­tet und ver­sucht, sie mit Rohit zu ver­kup­peln.
  • Span­nend ist auch das Drei­eck in Die Legen­de von Kor­ra, wo Mako erst mit Asa­mi zusam­men kommt, dann mit Kor­ra und schließ­lich Kor­ra mit Asa­mi.
  • Und eins mei­ner liebs­ten Drei­ecke schließ­lich gab es in einer rus­si­schen Come­dy-Sen­dung. Der Sketch wur­de ange­kün­digt mit: „Er, sie und ihr Kater“. Und wie Du es schon ahnst, geht es um einen Kater, der sein Revier und vor allem sein Frau­chen nicht mit ihrem Freund tei­len will.

Schluss­wort

So viel also zu Lie­be und Bezie­hun­gen. Ergän­zend lässt sich sagen, dass das Gan­ze natür­lich auch auf poly­amo­re Bezie­hun­gen, gan­ze Fami­li­en und Cli­quen von Freun­den bezo­gen wer­den kann.

Denn in jeder Grup­pe steht jedes Mit­glied mit jedem ande­ren in einer bestimm­ten Bezie­hung. Man kann somit sagen, dass eine Grup­pe im Prin­zip aus meh­re­ren Zwei­er­be­zie­hun­gen besteht.

Wenn die Geschich­te von meh­re­ren Bezie­hun­gen inner­halb der Grup­pe han­deln soll, hast Du aber natür­lich auto­ma­tisch mehr Auf­wand: Denn hast Du in einer Zwei­er­be­zie­hung eine Zwei­er­be­zie­hung, erwar­ten Dich in einer Drei­er­be­zie­hung schon drei Zwei­er­be­zie­hun­gen. Es ent­steht also ein kom­ple­xes Netz, das eine indi­vi­du­el­le Lösung braucht, damit der Stoff in eine ein­zi­ge Geschich­te passt.

Im Grun­de aber wirst Du bei den meis­ten Geschich­ten ohne­hin ein kom­ple­xes Netz hand­ha­ben müs­sen: Denn hast Du eine Geschich­te über ver­bo­te­ne Lie­be, dann mag die Bezie­hung zwi­schen den bei­den Lie­ben­den im Vor­der­grund ste­hen, im Hin­ter­grund jedoch haben die bei­den auch Bezie­hun­gen zu ihren Fami­li­en und Freun­den – und die­se wie­der­um haben Bezie­hun­gen unter­ein­an­der.

In die­sem Sin­ne: Viel Spaß zum Spin­nen des Bezie­hungs­net­zes!

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