Rede in Geschichten: Erzählerrede und Figurenrede

Rede in Geschichten: Erzählerrede und Figurenrede

Jede Geschich­te besteht aus Erzäh­ler­re­de und in der Regel auch Figu­ren­re­de. Und wäh­rend die Erzäh­ler­re­de – bzw. der Erzäh­ler­be­richt – ein­fach die Rede des Erzäh­lers ist (Hand­lungs­wie­der­ga­be, Beschrei­bun­gen, Kom­men­ta­re etc.), kommt die Figu­ren­re­de in vie­len ver­schie­de­nen For­men vor: direk­te Rede, indi­rek­te Rede, erleb­te Rede, inne­rer Mono­log, Bewusst­seins­strom. Natür­lich stel­len die meis­ten davon eine Figu­ra­li­sie­rung der Erzäh­ler­re­de dar – und genau hier­in liegt ihre Bedeu­tung: Der Grad der Figu­ra­li­sie­rung beein­flusst maß­geb­lich die Nähe des Lesers zu den Figuren …

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In jeder Geschich­te gibt es Figu­ren. Und meis­tens reden sie: mit­ein­an­der oder mit sich selbst.

Doch auch das Erzäh­len an sich ist eigent­lich Rede: die Rede des Erzählers.

Somit besteht ein Erzähl­text aus Erzäh­ler­re­de und Figu­ren­re­de. Und wäh­rend Ers­te­re ein­fach die Rede des Erzäh­lers dar­stellt, fin­det man Letz­te­re in ver­schie­de­nen Formen:

  • in der direk­ten Rede,
  • in der indi­rek­ten Rede,
  • in der erleb­ten Rede,
  • im inne­ren Mono­log und
  • im Bewusst­seins­strom.

In die­sem Arti­kel schau­en wir uns also die Rede­wie­der­ga­be in Geschich­ten an und wie die ein­zel­nen For­men sich von­ein­an­der unterscheiden.

Erzählerrede und Figurenrede

Auf den ers­ten Blick sind Erzäh­ler­re­de und Figu­ren­re­de leicht von­ein­an­der zu unterscheiden:

„Inzwi­schen war Port­hos her­an­ge­kom­men und begrüß­te Athos. Als er sich d’Ar­ta­g­nan zuwand­te, mach­te er ein ganz ver­dutz­tes Gesicht. Er hat­te, neben­bei bemerk­te, [sic!] sein Wehr­ge­hän­ge gewech­selt und den Man­tel zu Hau­se gelassen.

»Ja, was heißt denn das?« rief er.

»Das ist der Herr, mit dem ich mich schla­ge«, erklär­te Athos und wies auf d’Artagnan.

»Ich schla­ge mich auch mit ihm«, sag­te Porthos.

»Aber erst in einer Stun­de«, bemerk­te d’Artagnan.

»Und ich«, rief Ara­mis, der in die­sem Augen­blick her­an­kam, »schla­ge mich eben­falls mit ihm.«

»Aber erst um zwei«, sag­te d’Ar­ta­g­nan gelassen.“

Alex­and­re Dumas: Die drei Mus­ke­tie­re, V. Kapi­tel: Die Mus­ke­tie­re des Königs und die Leib­gar­de des Kardinals.

In der Erzäh­ler­re­de wird berich­tet, was in der Geschich­te pas­siert und wer was tut; der Erzäh­ler beschreibt und erklärt, reflek­tiert, wer­tet und kom­men­tiert und wen­det sich in man­chen Geschich­ten sogar direkt an den Leser.

Jedoch wird die Erzäh­ler­re­de – oder der Erzäh­ler­be­richt (wie sie oft auch genannt wird) – oft von der Figu­ren­re­de unter­bro­chen. Dabei ist die­se im obi­gen Bei­spiel klar gekennzeichnet:

  • Es wird wört­lich zitiert, was die Figu­ren „tat­säch­lich“ gesagt haben.
  • Die­se Zita­te sind durch ent­spre­chen­de Satz­zei­chen gekenn­zeich­net.
  • Die Erzäh­ler­re­de wird unter­bro­chen und
  • die 3. Per­son (er) wech­selt in die 1. Per­son (ich).
  • In den Begleit­sät­zen steht klar und deut­lich, dass hier eine Figur spricht.

Und weil die­se Figu­ren­re­de eben so wört­lich und direkt ist, nennt man sie wört­li­che oder direk­te Rede.

Direkte Rede: Zeichensetzung

An die­ser Stel­le ein klei­ner Exkurs zur Zei­chen­set­zung bei der direk­ten Rede, weil das oft falsch gemacht wird:

  • Wört­li­che Rede wird immer zwi­schen Anfüh­rungs­stri­che gesetzt: Stan­dard­mä­ßig ste­hen die Anfüh­rungs­stri­che am Anfang unten und am Ende oben.

Fritz­chen sag­te: „Mir ist kalt.“

  • Die wört­li­che Rede wird vom Begleit­satz durch ein Kom­ma abge­trennt. Die­ses steht außer­halb der Anfüh­rungs­stri­che.

„Mir ist kalt“, sag­te Fritzchen.

  • Wenn auf den Satz der wört­li­chen Rede der Begleit­satz folgt, wird bei Aus­sa­ge­sät­zen kein Punkt gesetzt. Fra­ge- und Aus­ru­fe­zei­chen aber schon. Das Kom­ma, das den Begleit­satz von der wört­li­chen Rede abtrennt, bleibt!

„Ist dir kalt?“, frag­te Lieschen.

„Ja, mir ist kalt!“, rief Fritzchen.

Ja, manch­mal sieht man das auch in ver­öf­fent­lich­ten Büchern anders gehand­habt – auch im obi­gen Bei­spiel. Das bedeu­tet aber nicht, dass man ohne guten Grund gegen die Regeln der deut­schen Zei­chen­set­zung ver­sto­ßen sollte.

Wenn Erzählerrede und Figurenrede verschmelzen

So säu­ber­lich getrennt die Erzäh­ler- und Figu­ren­re­de im obi­gen Bei­spiel auch waren: So ein­deu­tig ist es nicht immer!

Denn ers­tens ist anzu­mer­ken, dass die Erzäh­lung ja immer durch einen Erzäh­ler wie­der­ge­ge­ben wird und wir kei­ne Garan­tie haben, dass die wört­li­che Rede tat­säch­lich so gesagt wur­de. Wir gehen in der Regel davon aus, dass sie authen­tisch ist – und meis­tens ist sie auch so gedacht -, aber rein theo­re­tisch obliegt es immer noch allein dem Erzäh­ler, das Gesag­te wört­lich wie­der­zu­ge­ben oder sti­lis­tisch oder sogar inhalt­lich abzu­wan­deln. Stich­punkt unzu­ver­läs­si­ges Erzäh­len.

Zwei­tens – und dar­über spre­chen wir heu­te aus­führ­li­cher – sieht man die Erzäh­ler­re­de oft nicht in ihrer Rein­form, son­dern mit Merk­ma­len der Figu­ren­re­de. Und der ers­te Schritt zur Figu­ra­li­sie­rung der Erzäh­ler­re­de ist die indi­rek­te Rede …

Indirekte Rede

Die indi­rek­te Rede kommt ohne Anfüh­rungs­stri­che aus, ist aber immer noch klar identifizierbar:

Fritz­chen sag­te, ihm sei kalt.

Fritz­chen sag­te, dass ihm kalt sei.

Signa­le, anhand derer wir erken­nen, dass hier eine Figur spricht, sind Folgende:

  • Es steht klipp und klar, dass hier Fritz­chen spricht.
  • Das Gesag­te ist durch ein Kom­ma – und im zwei­ten Bei­spiel auch durch ein „dass“ – abge­trennt und
  • steht im Kon­junk­tiv.

Die indi­rek­te Rede wirkt weni­ger authen­tisch als die direk­te, weil sie kein Zitat ist. Es ist ein­deu­tig der Erzäh­ler, der das Gesag­te wie­der­gibt, nicht die Figur selbst.

Und oft fasst der Erzäh­ler das Gesag­te auch noch zusam­men. Bei unse­rem Bei­spiel könn­te Fritz­chen zum Bei­spiel ursprüng­lich gesagt haben: „Brrr, ist das kalt hier! Mei­ne Hän­de sind Eis­zap­fen!“ Damit hät­te der Erzäh­ler sich bei der indi­rek­ten Rede nur auf das Wesent­li­che fokussiert.

Der Ein­fluss der Erzäh­lers auf die Wie­der­ga­be des Gesag­ten ist hier also klar erkenn­bar. Doch wäh­rend das Gesag­te in der indi­rek­ten Rede weni­ger authen­tisch wirkt, ist die indi­rek­te Rede gera­de für das Erzäh­len authen­ti­scher als die wört­li­che Rede.

Nie­mand erzählt sei­nen Freunden:

Mei­ne Eltern haben gesagt: „Du darfst erst zur Par­ty, wenn du dei­ne Haus­auf­ga­ben gemacht hast!“

Nor­ma­ler­wei­se sagt man eher sowas:

Mei­ne Eltern haben gesagt, ich kann erst zur Par­ty, wenn ich mei­ne Haus­auf­ga­ben gemacht habe.

Erlebte Rede

Etwas stär­ker ist die Ver­mi­schung bei der erleb­ten Rede. Hier spricht der Erzäh­ler sozu­sa­gen durch das Pris­ma der Figur, ohne es aus­drück­lich zu kenn­zeich­nen. Man könn­te sagen: Die Figu­ren­re­de tarnt sich hier als Erzählerrede.

Fritz­chen schau­der­te. Ihm war so schreck­lich kalt! Sei­ne Hän­de waren Eis­zap­fen. Hof­fent­lich erfror er nicht.

For­mal spricht hier zwar der Erzäh­ler, aber der Text ist durch Fritz­chens Innen­sicht geprägt: Wir haben Ein­blick in sei­ne Gefüh­le und Gedan­ken, sei­ne Emp­fin­dun­gen und Hoff­nun­gen. Dadurch ist der Leser emo­tio­nal näher an der Figur und kann mitfühlen.

Ändert man die 3. Per­son in die 1. um und das Prä­ter­itum ins Prä­sens, wird es schon ein inne­rer Monolog …

Innerer Monolog

Beim inne­ren Mono­log nimmt die Figur gegen­über dem Erzäh­ler noch mehr Raum ein. Mehr noch, der Erzäh­ler gibt die „Büh­ne“ fast kom­plett frei für das Innen­le­ben der Figur:

Mir ist so schreck­lich kalt! Mei­ne Hän­de sind Eis­zap­fen. Hof­fent­lich erfrie­re ich nicht.

Mal ange­se­hen davon, dass wir hier unna­tür­li­cher­wei­se die Gedan­ken eines ande­ren Men­schen lesen und Gedan­ken und Gefüh­le gene­rell nur sel­ten in voll­stän­di­gen, gram­ma­ti­ka­lisch kor­rek­ten Sät­zen aus­for­mu­liert sind, fühlt sich die Wie­der­ga­be der Gefüh­le einer Figur durch den innen Mono­log ziem­lich authen­tisch an. Es wirkt ein biss­chen wie die wört­li­che Rede: buch­stäb­lich und unver­fälscht. Der Erzäh­ler bleibt schön im Hin­ter­grund, wo er nicht vom Inne­ren der Figur ablen­ken kann.

Bewusstseinsstrom

Maxi­ma­le Authen­ti­zi­tät erreicht man eigent­lich nur, wenn man einen (ver­meint­lich) unver­fälsch­ten Bewusst­seins­strom wie­der­gibt: Gedan­ken, Gefüh­le, Wort- und Satz­fet­zen, Erin­ne­run­gen … Alles Mög­li­che, was der Figur durch den Kopf geht – so chao­tisch, wie es eben im Kopf der Figur auftaucht.

Kalt. Ver­dammt … Hän­de – Schei­ße, wie Eis­zap­fen! Schon Vier­tel nach drei. Wo steckt sie?! Durch­hal­ten … Durchhalten!

Kein Sonderfall: Ich-Erzähler

Nun sind wir bei den vor­an­ge­gan­ge­nen Bei­spie­len davon aus­ge­gan­gen, dass der Erzäh­ler in der 3. Per­son (er/​sie) erzählt. Die Figu­ren selbst spre­chen natür­lich in der 1. Person.

Was ist aber, wenn wir einen Ich-Erzäh­ler haben?

Nun, ich erin­ne­re an die Unter­schei­dung zwi­schen dem erzäh­len­den und dem erzähl­ten Ich. Die Erzäh­ler­re­de ist die Rede des erzäh­len­den Ich. Die Rede des erzähl­ten Ich ist die Figu­ren­re­de. Bei den Merk­ma­len von Erzäh­ler­re­de und Figu­ren­re­de bleibt also alles gleich – abge­se­hen davon, dass in der Erzäh­ler­re­de eben nicht die 3., son­dern die 1. Per­son gebraucht wird.

Ich sag­te: „Mir ist kalt.“

Ich sag­te, mir sei kalt.

Und so weiter …

Der Sinn von Erzählerrede und Figurenrede

Aber wozu nun das Gan­ze? Denn zumin­dest bei der Erzäh­ler­re­de ist der Sinn klar:

Der Erzäh­ler erzählt, er spricht, also hat er eine Rede.

Doch sobald die Figu­ren­re­de ins Spiel kommt, wird es komplizierter …

Denn die­se hat eine dop­pel­te Funk­ti­on:

  • Sie unter­stützt die Erzäh­ler­re­de bei der Wie­der­ga­be der Handlung.
    Die Figu­ren bespre­chen Ereig­nis­se, tref­fen Ent­schei­dun­gen, stel­len kau­sa­le Ver­bin­dun­gen her, tau­schen Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen aus … und so weiter.
  • Sie cha­rak­te­ri­siert die Figu­ren und ggf. auch ihre Bezie­hun­gen zueinander.
    Ihre Wort­wahl und Syn­tax, wor­auf sie ach­ten, wie sich ihr Ton gegen­über unter­schied­li­chen Gesprächs­part­nern ver­än­dert … All das gibt uns Auf­schluss dar­über, wer sie sind, was für einen Hin­ter­grund sie haben und wie sie unter­ein­an­der ver­netzt sind.

Durch eine Figu­ra­li­sie­rung der Erzäh­ler­re­de wird der Erzäh­ler außer­dem (schein­bar) in den Hin­ter­grund gerückt und das Innen­le­ben der Figur in den Vor­der­grund. Dadurch kann der Leser direkt an den Gedan­ken und Gefüh­len der Figur teil­ha­ben, sich emo­tio­nal anste­cken las­sen, mit­füh­len und mit­fie­bern. Außer­dem geht die Figu­ra­li­sie­rung oft mit der ein­ge­schränk­ten, sub­jek­ti­ven Per­spek­ti­ve der Figur ein­her und damit auch mit einem ein­ge­schränk­ten Wissenshorizont:

  • Was die Figur nicht weiß, weiß auch der Leser nicht.
  • Ist die Figur über­rascht, ist es auch der Leser.
  • Irrt sich eine Figur, hin­ter­fra­gen es die meis­ten Leser nicht.
  • Und so weiter …

Wie viel Erzäh­ler­re­de und wie viel Figu­ren­re­de man in sei­ne Geschich­te ein­bin­det, hängt sehr stark mit der Wahl der Erzähl­per­spek­ti­ve zusam­men. An die­ser Stel­le ver­wei­se ich auf mei­ne bei­den Arti­kel, in denen ich die erzähl­theo­re­ti­schen Model­le von Stan­zel und Genet­te „ver­un­stal­tet“ habe, um aus ihnen ein Werk­zeug für die Wahl einer pas­sen­den Erzähl­per­spek­ti­ve zu machen. Klickt doch mal vor­bei uns sagt mir, ob mei­ne „Ver­un­stal­tun­gen“ etwas taugen!

17 Kommentare

  1. Eine Lösung mei­ner Fra­ge habe ich hier nicht gefun­den. Es geht um Folgendes:
    Er nahm sein Tage­buch zur Hand und schrieb:
    Ich traf sie unten am Fluss.
    „Hal­lo“, begrüß­te sie mich (( anstel­le von „Hal­lo, begrüß­te sie ihn“ )).
    * Oder setzt man in der Ich­form kei­ne Anführungsstriche:
    Hal­lo, begrüß­te sie mich.
    Oder schreibt man es mit Apo­stroph: ‚Hal­lo‘, begrüß­te sie mich.
    Also was ist rich­tig: mit Anfüh­rungs­zei­chen oder mit Apo­stroph oder ohne Zeichen?

    Gerhard
    1. Das ist ein Fall von wört­li­cher Rede inner­halb von wört­li­cher Rede.

      Grund­sätz­lich wird wört­li­che Rede in Anfüh­rungs­zei­chen gesetzt, die Erzähl­per­spek­ti­ve (ob Ich-Erzäh­ler oder nicht) ist dabei egal:

      Ich traf sie unten am Fluss.
      „Hal­lo“, begrüß­te sie mich.

      Bei wört­li­cher Rede inner­halb von wört­li­cher Rede setzt man jedoch ein­fa­che Anführungszeichen:

      Er nahm sein Tage­buch zur Hand und schrieb:
      „Ich traf sie unten am Fluss.
      ‚Hal­lo‘, begrüß­te sie mich.“

      Ich hof­fe, ich konn­te helfen. 🙂

  2. Guten Mor­gen,
    auch ich habe hier flei­ßig gele­sen und bin immer noch unsi­cher. Über Hil­fe freue ich mich.

    Die wört­li­che Rede im Erzähl­text immer mit neu­er Zei­le, so wie bei Dei­ner Ant­wort im obe­ren Beispiel?

    „Wer bist du?“, fra­ge ich sie, „und, wo bin ich?“
    Mei­ne Zun­ge schmerzt, als ich spre­che und mit dem Schmerz drin­gen immer mehr Erin­ne­run­gen in mein Bewusstsein.
    „Sage doch etwas!“
    Erwar­tungs­voll schaue ich zu ihr.

    oder;

    „Wer bist du?“, fra­ge ich sie, „und, wo bin ich?“ Mei­ne Zun­ge schmerzt, als ich spre­che und mit dem Schmerz drin­gen immer mehr Erin­ne­run­gen in mein Bewusst­sein. „Sage doch etwas!“ Erwar­tungs­voll schaue ich zu ihr.

    oder;

    „Wer bist du?“, fra­ge ich sie, „und, wo bin ich?“
    Mei­ne Zun­ge schmerzt, als ich spre­che und mit dem Schmerz drin­gen immer mehr Erin­ne­run­gen in mein Bewusst­sein. „Sage doch etwas!“ Erwar­tungs­voll schaue ich zu ihr.

    Mein Manu­skript ist grö­ßer und ich habe bereits drei­mal geän­dert. Bin unsicher.
    Mir fehlt hier die rich­ti­ge Grund­la­ge. Vie­le Grü­ße Gabriele

    Gabriele
    1. Moin Gabrie­le!

      Grund­sätz­lich sind die Absät­ze Dir selbst über­las­sen. Was ich aller­dings drin­gend emp­feh­le, ist das Begin­nen eines neu­en Absat­zes beim Spre­cher­wech­sel. Also nicht grund­sätz­lich bei wört­li­cher Rede, son­dern wenn eine ande­re Figur zu reden anfängt. Aber natür­lich kannst Du auch beim sel­ben Spre­cher neue Absät­ze begin­nen, wenn Du es für sinn­voll erachtest.

      Was Dei­ne Vari­an­ten angeht, so sind sie alle vali­de, bloß fällt die Schwer­punkt­ver­tei­lung etwas unter­schied­lich aus. Immer­hin, wenn Du eine bestimm­te Infor­ma­ti­on in einen geson­der­ten Absatz packst, dann hebst Du sie her­vor. Gene­rell signa­li­sierst Du durch die Absatz­ver­tei­lung eine bestimm­te Struk­tur, die sich auf die unter­be­wuss­te Wahr­neh­mung des Texts durch den Leser auswirkt.

      In die­sem Zusam­men­hang könn­ten Dich mein Arti­kel über die Wie­der­ga­be von Hand­lung, inklu­si­ve Auf­bau von Absät­zen (https://​die​-schreib​tech​ni​ke​rin​.de/​l​i​t​e​r​a​t​u​r​w​i​s​s​e​n​s​c​h​a​f​t​-​d​e​f​i​n​i​t​i​o​n​e​n​-​m​o​d​e​l​l​e​/​e​r​z​a​e​h​l​t​h​e​o​r​i​e​/​w​i​e​d​e​r​g​a​b​e​-​v​o​n​-​h​a​n​d​l​u​ng/) sowie über Dia­lo­ge (https://​die​-schreib​tech​ni​ke​rin​.de/​t​i​p​p​s​/​s​c​h​r​e​i​b​t​i​p​p​s​/​t​i​p​p​s​-​f​u​e​r​-​b​e​s​s​e​r​e​-​d​i​a​l​o​ge/) inter­es­sie­ren.

      So viel dazu. Als klei­nen Hin­weis neben­bei möch­te ich nur noch auf einen Feh­ler hinweisen:

      „Wer bist du?“, fra­ge ich sie, „und, wo bin ich?“

      „Wer bist du?“ ist ein abge­schlos­se­ner Satz inner­halb der wört­li­chen Rede, „fra­ge ich sie“ ist der dazu­ge­hö­ri­ge Begleit­satz. Zusam­men erge­ben sie einen voll­stän­di­gen Satz, wes­we­gen nach „sie“ ein Punkt ste­hen soll­te. „[U]nd, wo bin ich?“ ist somit sowohl gene­rell als auch inner­halb der wört­li­chen Rede ein neu­er Satz und soll­te mit einem Groß­buch­sta­ben begin­nen. Wenn Du aber alles in einem ein­zi­gen Satz haben möch­test, kannst Du das ers­te Fra­ge­zei­chen auch weg­las­sen. Dann wür­de ich aber auch auf das Kom­ma hin­ter dem „und“ ver­zich­ten, weil das „und“ dann ja als Kon­junk­ti­on zwi­schen zwei Haupt­sät­zen fun­giert. Also entweder:

      „Wer bist du?“, fra­ge ich sie. „Und, wo bin ich?“
      (Wört­li­che Rede = zwei Sät­ze: „Wer bist du? Und, wo bin ich?“)

      oder:

      „Wer bist du“, fra­ge ich sie, „und wo bin ich?“
      (Wört­li­che Rede = ein Satz: „Wer bist du und wo bin ich?“)

      Auch hier setzt Du mit jeder Vari­an­te bestimm­te Akzen­te, musst also selbst ent­schei­den, was bes­ser passt.

      Lie­be Grüße
      Feael

      1. Als Ers­tes wün­sche ich Dir ein Fro­hes Neu­es Jahr 2023.
        Möge es vie­le gute Chan­cen für Dich bereithalten.

        Vie­len herz­li­chen Dank für Dei­ne aus­führ­li­che Ant­wort. Das hilft mir sehr.
        Beson­ders auch der Hin­weis auf die Prü­fung der Begleit­sät­ze. Das ist sicher auch ein Neben­pro­dukt der Umgangs­spra­che bei mir, die dann in Tex­te einfließt. 

        Daaa­an­ke­schön, auch für Dei­ne Mühe hier zu antworten.
        Hast Du auch einen Tipp für eine erfolg­rei­che Verlagssuche?

        Herz­li­che Grü­ße Gabriele

        Gabriele
  3. Vie­len Dank für die tol­le Erklä­rung! Ich hät­te dazu eine Frage.
    Ist der inne­re Mono­log immer in der 1. Per­son geschrie­ben? Dann ist der Unter­schied der erleb­ten Rede zum inne­ren Mono­log nur die Per­son und der Tem­pus, oder?
    Wäre dann fol­gen­der Satz eine erleb­te Rede, auch wenn die Figur (nicht ein­deu­tig erkennt­lich) zu einer ande­ren Figur spricht:

    Fritz­chen saß an Lischens Bett und ver­such­te, sie zum Leben zu über­re­den. Sie möge doch end­lich auf­wa­chen, sie sol­le ihn doch nicht allei­ne las­sen, in die­ser schwe­ren Zeit. 

    Oder wäre das schon als indi­rek­te Rede ein­zu­ord­nen? Ich hof­fe die Fra­ge war verständlich.

    Lena
    1. Es freut mich, wenn mei­ne Erklä­rung hilf­reich ist. 🙂

      Ja, der inne­re Mono­log ist der wört­li­che Gedan­ken­strom einer Figur, des­we­gen ist er (in der Regel) auch in der 1. Per­son Sin­gu­lar geschrie­ben (außer die Figur spricht von sich in der 3. Per­son oder hat ähn­li­che Beson­der­hei­ten). Die erleb­te Rede ist da sehr ähn­lich, ja. Aller­dings ist das Tem­pus kein Kri­te­ri­um, weil erleb­te Rede ja auch in eine Erzäh­lung im Prä­sens ein­ge­bet­tet wer­den kann. Also: Der inne­re Mono­log ist eigent­lich immer im Prä­sens, bei der erleb­ten Rede rich­tet sich das Tem­pus nach der gene­rel­len Zeit­form der Erzählung.

      Bei Dei­nem Bei­spiel­satz han­delt es sich um indi­rek­te Rede: Fritz­chen spricht zu Lies­chen, das wird ein­deu­tig gesagt, doch statt einer wört­li­chen Wie­der­ga­be des Gespro­che­nen fasst der Erzäh­ler es zusammen.

  4. Hal­lo, vie­len Dank für den Arti­kel, ich ler­ne gera­de fürs Abitur und das war sehr hilf­reich! Nur eine Fra­ge blieb offen. Wie heißt es, wenn jemand in einer wört­lich erzähl­ten Geschich­te die Figu­ren in direk­ter Rede spre­chen lässt? Also:
    Herr K. sprach über die Unart, erlit­ten­ens Leid still­schwei­gend in sich hin­ein­zu­fres­sen, und erzähl­te fol­gen­de Geschich­te: „Einen vor sich hin wei­nen­den Jun­gen frag­te ein Pas­sant nach dem Grund des Kum­mers. Ich hat­te 2 Gri­schen für das Kino­bei­sam­men, da kam ein Kun­ge und klau­te sie mir. Hast du nicht um Hil­fe geru­fen?… und dann geht es so wei­ter. Gibt es dar­auf auch eine Antwort?

    vie­len vie­len Dank und lie­be Grüße!

    Anonymous
    1. Ich freue mich, wenn ich hel­fen konnte. 🙂

      Wört­li­che Rede in wört­li­cher Rede ist wört­li­che Rede in wört­li­cher Rede. Für sie gel­ten die­sel­ben Regeln wie für die „nor­ma­le“ wört­li­che Rede, bloß benutzt man statt dop­pel­ten Anfüh­rungs­zei­chen ein­fa­che. Unge­fähr so:

      Herr K. sprach über die Unart, erlit­ten­ens Leid still­schwei­gend in sich hin­ein­zu­fres­sen, und erzähl­te fol­gen­de Geschichte:
      „Einen vor sich hin wei­nen­den Jun­gen frag­te ein Pas­sant nach dem Grund des Kummers.
      ‚Ich hat­te 2 Gri­schen für das Kino­bei­sam­men, da kam ein Kun­ge und klau­te sie mir‘, sag­te der Junge.
      ‚Hast du nicht um Hil­fe geru­fen?‘, frag­te der Pas­sant weiter.
      …“

      Bei die­sem Bei­spiel habe ich noch ein paar Begleit­sät­ze hin­zu­ge­fügt, um zu demons­trie­ren, dass die Regeln wirk­lich haar­ge­nau die­sel­ben sind.

      Ich hof­fe, ich konn­te es eini­ger­ma­ßen ver­ständ­lich erklären.

  5. Lie­be Gabriele,
    Vie­len Dank für dei­ne aus­führ­li­chen Erklä­run­gen und Hin­wei­se auf dei­ner Web­sei­te hier. Ich schrei­be selbst und gera­te bei einer bestimm­ten Sache immer wie­der in Dis­kus­sio­nen mit ande­ren Schrei­bern, ohne dass wir eine rich­ti­ge Lösung fin­den, da wir alle eher von einem Sprach­ge­fühl aus­ge­hen, als es wirk­lich zu wissen.
    Fol­gen­des: Ich schrei­be übli­cher­wei­se in Prä­sens. Dabei bedie­ne ich mich sehr oft der erleb­ten Rede, um die Innen­welt mei­ner Figu­ren zu beschrei­ben. Eben bei der erleb­ten Rede fal­le ich stets zurück ins Prä­ter­itum. So fühlt es sich für mich ein­fach rich­tig an (auch weil es noch ein­mal die Gedan­ken von dem eigent­li­chen Gesche­hen trennt).

    Bei­spiel: Marie blickt auf ihre Uhr und erstarrt. Oh Gott! Sie war viel zu spät dran! Sie kam zu spät zu ihrem Ter­min! Hals über Kopf beginnt sie zu rennen.

    Für mich klingt es so rich­tig, ande­re mei­nen rein Prä­sens wäre richtiger.
    Was sagst du dazu?
    Bes­te Grüße
    Ulrike

    Ulrike
    1. Huch, mein Name ist nicht Gabrie­le. Das ist ein schö­ner Name, aber ich hei­ße Katha. Oder Fea­el Sil­ma­ri­en. Meis­tens höre ich auch auf „du da“. 😉

      Zu Dei­nem Anlie­gen: Der Wech­sel zwi­schen Prä­sens und Prä­ter­itum ist falsch. Bei der erleb­ten Rede über­nimmt der Erzäh­ler zwar die Innen­welt einer Figur, aber es ist immer noch der Erzäh­ler, der spricht. Wenn der Erzäh­ler also im Prä­sens erzählt, dann muss die erleb­te Rede auch im Prä­sens ste­hen. Es ist eben auch der Sinn und Zweck von erleb­ter Rede, dass die Gedan­ken und die Hand­lun­gen ver­schmel­zen und auf den ers­ten Blick nicht zu unter­schei­den sind. Wenn Du Gedan­ken klar her­vor­he­ben möch­test, soll­test Du die direk­te Rede wählen.

      Dass der Wech­sel zwi­schen Prä­sens und Prä­ter­itum sich für Dich rich­tig anfühlt, könn­te dar­an lie­gen, dass Du bei­des aus der Lite­ra­tur kennst: Erzäh­len im Prä­sens und erleb­te Rede im Prä­ter­itum. Du wirst aber wohl kaum bei­des gleich­zei­tig im sel­ben Buch ange­trof­fen haben.

      1. Hal­lo Katha,
        Erst­mal bit­te ich viel­mals um Ent­schul­di­gung 🙈. Da habe ich mich wohl oben von den Fra­gen ver­wir­ren lassen. 

        Dan­ke für dein Feed­back. Ich den­ke auch, dass ich es so oft und viel gele­sen habe. Es gibt halt eher weni­ge Bücher, die in Prä­sens geschrie­ben sind.
        Viel­leicht pro­bie­re ich es ein­fach mal eine Sto­ry in der Ver­gan­gen­heit zu schrei­ben. Mal sehen, wie sich das anfühlt. 😅
        LG
        Ulrike

        Ulrike

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