Szenen schreiben: Aufbau, Übergänge, Montage

Szenen schreiben: Aufbau, Übergänge, Montage

Sze­nen machen meis­tens den Groß­teil eines Romans aus: Wir beglei­ten die Figu­ren in kon­kre­ten Situa­tio­nen, die zeit­de­ckend erzählt wer­den. Betrach­ten wir die­ses wich­ti­ge Ele­ment von Geschich­ten also aus erzähl­theo­re­ti­scher und prak­ti­scher Sicht, gehen dabei auf Sze­nen­über­gän­ge ein und schau­en uns auch ein paar Anre­gun­gen aus dem Film­gen­re an.

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Sze­nen. – Wir ken­nen sie aus Thea­ter und Film, über­tra­gen sie ger­ne aber auch auf geschrie­be­ne Wer­ke. Was mei­nen wir Autoren also, wenn wir von Sze­nen spre­chen? Wie machen wir unse­re eige­nen Sze­nen mög­lichst inter­es­sant? Und wie schaf­fen wir Über­gän­ge zwi­schen ihnen? – Schau­en wir’s uns an!

Szene: Definition und Aufbau

Bevor wir über Sze­nen reden, müs­sen wir sie natür­lich defi­nie­ren – im erzähl­theo­re­ti­schen Sin­ne, ver­steht sich.

Laut Gérard Genet­te gibt es vier Mög­lich­kei­ten, wie die Dau­er sich in Text­ab­schnit­ten ver­hal­ten kann: Pau­se, Sze­ne, Sum­ma­ry und Ellip­se. Alle vier erklä­re ich in einem eigen­stän­di­gen Arti­kel; an die­ser Stel­le daher nur eine kur­ze Auf­fri­schung der Sze­ne:

Die Zeit der Geschich­te und die Text­län­ge hal­ten sich hier die Waa­ge. Das heißt: Eine Sze­ne ist mehr oder weni­ger zeit­de­ckend geschrie­ben. Es ist der häu­figs­te Typ der Dau­er, meis­tens domi­niert vom Dia­log. Dabei gibt es dra­ma­ti­sche Sze­nen und typische/​exemplarische Sze­nen, d. h. eine Sze­ne treibt ent­we­der die Hand­lung vor­an oder illus­triert irgend­wel­che Bezie­hun­gen oder Sachverhalte.

Das ist aber immer noch etwas sehr lose. Gehen wir also weg von der knall­har­ten Wis­sen­schaft und schau­en in einen pra­xis­ori­en­tier­ten Rat­ge­ber. Mein herz­al­ler­liebs­ter John Tru­by schreibt dazu:

„A sce­ne is gene­ral­ly one action in one time and place.“
John Tru­by: The Ana­to­my of Sto­ry, Chap­ter 9: Sce­ne Weave.

In Schreib­krei­sen ver­steht man unter „Sze­ne“ also vor allem ein grund­le­gen­des Hand­lungs­ele­ment, einen Ein­zel­schritt des Plots, und idea­ler­wei­se lässt sie sich in einem ein­zi­gen Satz beschrei­ben. Außer­dem fin­det eine Sze­ne in der Regel an genau einem Ort zu einer bestimm­ten Zeit statt, d. h. inner­halb der Sze­ne gibt es kei­nen Zeit- oder Orts­wech­sel, sehr wohl aber zwi­schen Sze­nen.

Zum Bei­spiel:

  • Gesamt­hand­lung: Lies­chen sieht Fritz­chen regel­mä­ßig in einer Vor­le­sung, fin­det ihn inter­es­sant und spricht ihn an. 
    • Sze­ne 1: Lies­chen betritt mit ihren Freun­din­nen den Hör­saal und wird auf Fritz­chen aufmerksam.
    • Sze­ne 2: Lies­chen hat Fritz­chen im Ver­lauf von meh­re­ren Sit­zun­gen beob­ach­tet und beschließt, ihn anzusprechen.
    • Sze­ne 3: Lies­chen bringt den Mut auf, sich neben Fritz­chen zu set­zen, und ver­wi­ckelt ihn in ein Gespräch.

Bestandteile und Funktionen einer Szene

Wie Du also merkst, sind Sze­nen klei­ne Unter­sto­rys der Gesamt­sto­ry und trotz ihrer Kür­ze ent­hal­ten sie – in guter Sto­ry­ma­nier – meis­tens ein Ziel, einen Kon­flikt und eine Auf­lö­sung. Wich­tig ist aber vor allem, dass – sofern es eine dra­ma­ti­sche Sze­ne wer­den soll – die Hand­lung vor­an­geht, d. h. ein Ereig­nis passiert:

  • In Sze­ne 1 besteht Lies­chens Ziel dar­in, an der Vor­le­sung teil­zu­neh­men. Sie ver­guckt sich aller­dings in Fritz­chen, ihr Ziel ändert sich und es ent­steht ein Kon­flikt, weil sie sich nicht traut, ihn anzusprechen.
  • In Sze­ne 2 geht es wei­ter mit dem Kon­flikt und die Sze­ne mutet sehr exem­pla­risch an, als Lies­chen sich mal wie­der nicht traut, auf Fritz­chen zuzu­ge­hen. Aller­dings gibt es am Ende der Sze­ne einen Wen­de­punkt, an dem Lies­chen end­lich beschließt, sich nächs­tes Mal neben Fritz­chen zu setzen.
  • In Sze­ne 3 hat Lies­chen also die­ses kla­re Ziel, sie über­win­det ihre Schüch­tern­heit und setzt es um, und dar­aus ent­wi­ckelt sich ein neu­es Ziel, näm­lich Fritz­chen näher kennenzulernen.

Ansons­ten kann eine Sze­ne natür­lich auch wei­te­re Funk­tio­nen erfüllen:

Als Lies­chen in der ers­ten Sze­ne den Vor­le­sungs­saal betritt, ist es zum Bei­spiel eine gute Gele­gen­heit, die­sen – den Schau­platz der wei­te­ren Hand­lung – zu beschrei­ben. Als Lies­chen Fritz­chen beob­ach­tet, kann anhand die­ser Beob­ach­tun­gen sein Cha­rak­ter ange­deu­tet wer­den. Und so weiter …

Über­haupt kannst Du grund­sätz­lich alles tun und las­sen, was Du willst bzw. was Dei­ne Geschich­te erfor­dert: Meh­re­re Kon­flik­te in einer Sze­ne? – War­um nicht? – Durch eine exem­pla­ri­sche Sze­ne Atmo­sphä­re auf­bau­en? – Ja, klar, solan­ge sie nicht lang­wei­lig ist. – Eine Sze­ne kom­plett ohne Kon­flikt oder Zustands­ver­än­de­rung? – Wenn sie für Dei­ne Geschich­te trotz­dem einen tie­fe­ren Sinn hat, gerne.

Merkmale einer guten Szene

Was hier aber immer wie­der anklingt, ist das wohl zen­trals­te Qua­li­täts­kri­te­ri­um:

Eine Sze­ne soll­te vor allem rele­vant sein.

Egal, ob sie die Hand­lung vor­an­treibt oder nicht – sie soll­te unbe­dingt etwas Wesent­li­ches zur Geschich­te bei­steu­ern. Das heißt:

Du brauchst nicht für jeden Zwi­schen­schritt der Hand­lung eine eige­ne Sze­ne, son­dern nur für die wirk­lich ereig­nis­haf­ten Momente.

Zur Ereig­nis­haf­tig­keit habe ich jedoch bereits einen eigen­stän­di­gen Arti­kel und wer­de die­ses Unter­the­ma daher an die­ser Stel­le nicht wei­ter vertiefen.

Was den Auf­bau einer guten Sze­ne angeht, so bie­tet es sich natür­lich an, mit der klas­si­schen Struk­tur von Ein­lei­tung, Haupt­teil und Schluss zu ope­rie­ren. Und wenn wir noch John Tru­bys Tipps hin­zu­neh­men, dann soll­te die Sze­ne gewis­ser­ma­ßen die Form eines umge­dreh­ten Drei­ecks bzw. eines Trich­ters haben:

Am Anfang ist noch alles offen, es gibt vie­le Mög­lich­kei­ten, wie die Sze­ne aus­ge­hen könn­te, doch im Ver­lauf des Haupt­teils spritzt sich die Sze­ne zu und endet an einem ganz kon­kre­ten Punkt, dem nar­ra­ti­ven Ziel die­ser Sze­ne, der ent­schei­den­den Wendung.

In der Pra­xis bedeu­tet das, dass am Anfang natür­lich die Aus­gangs­la­ge klar sein soll­te: der aktu­el­le Stand der Din­ge inklu­si­ve der Posi­ti­on der Reflek­tor­fi­gur in ihrem Arc, Zeit und Ort der Sze­ne, das Ziel der Reflek­tor­fi­gur und die Hin­der­nis­se auf dem Weg dort­hin. Im Haupt­teil stellt sich die Reflek­tor­fi­gur dem Kon­flikt die­ser einen kon­kre­ten Sze­ne und am Ende schließ­lich gibt es einen neu­en Sta­tus quo, der eine Hand­lungs­schritt des Gesamt­plots ist abge­schlos­sen und idea­ler­wei­se ent­steht dar­aus ein neu­er Unter­kon­flikt, der die nächs­te Sze­ne domi­nie­ren wird. Vor allem Letz­te­res sorgt dafür, dass die Leser am Ball blei­ben wol­len, weil ja ein neu­es Pro­blem ent­stan­den ist und Fra­gen über den wei­te­ren Ver­lauf der Geschich­te aufwirft.

Damit geht ein­her, dass Du nicht nur die rele­van­ten Sze­nen her­aus­pi­cken soll­test, son­dern dass auch inner­halb die­ser Sze­nen nicht zu viel Fluff hin­ein­ge­hört. Soll heißen:

  • Stei­ge mög­lichst spät in die Sze­ne ein, eie­re also nicht lan­ge her­um, bevor der Kon­flikt los­geht. Das Ziel der Reflek­tor­fi­gur kann dabei von Anfang an vor­han­den sein oder erst im Ver­lauf der Sze­ne aufkommen.
  • Und auch beim Ende der Sze­ne soll­test Du nicht lan­ge rum­ei­ern, son­dern mög­lichst früh aus­stei­gen, d. h. mehr oder weni­ger direkt sobald der neue Sta­tus quo erreicht ist.
  • Was den Haupt­teil angeht, so kann eine Sze­ne so lang sein, wie Du willst bzw. wie Dei­ne Geschich­te es erfor­dert, aber hüte Dich auch hier davor, all­zu viel irrele­van­tes Füll­me­ta­ri­al einzubauen.

Das Kapi­tel Der Rat von Elrond im Herrn der Rin­ge ist nicht umsonst für sei­ne Län­ge berüch­tigt: Mono­log reiht sich an Mono­log, Bin­nen­er­zäh­lung an Bin­nen­er­zäh­lung und das meis­te davon hat kei­ne Bedeu­tung für den Haupt­plot. In Peter Jack­sons Ver­fil­mung wur­de die­se End­los­sze­ne sehr sinn­voll auf die Dis­kus­si­on um das wei­te­re Vor­ge­hen mit dem Einen Ring redu­ziert, sodass die Span­nung nicht flö­ten geht.

Und apro­pos Kapi­tel: Im Arti­kel über die Wie­der­ga­be von Hand­lung haben wir bereits über das Ver­hält­nis zwi­schen Sze­nen und Kapi­teln gespro­chen, daher belas­se ich es hier bei einem Hinweis.

Szenenübergänge

Im sel­ben Arti­kel geht es auch um Sze­nen­über­gän­ge, über The­ma und Rhe­ma und über Ellip­sen und Sum­ma­rys als unter­schied­li­che Arten von Über­gän­gen zwi­schen Sze­nen. Ich emp­feh­le also einen Blick hin­ein und gehe an die­ser Stel­le nur in einem Aspekt etwas mehr ins Detail, begin­nend mit einer klei­nen Erinnerung:

Sze­nen wer­den für gewöhn­lich durch Ellip­sen, Sum­ma­rys und zahl­rei­che Zwi­schen­stu­fen verknüpft:

  • Der Über­gang kann also abrupt erfol­gen, das Gesche­hen zwi­schen den bei­den Sze­nen wird also kom­plett weggelassen,
  • das Gesche­hen zwi­schen den Sze­nen kann zusam­men­ge­fasst werden,
  • oder es wird nur ein Teil zusam­men­ge­fasst und der Rest wird weggelassen.

Was die Pra­xis angeht, so kann eine Ellip­se zum Bei­spiel so aussehen:

Unse­re Bei­spiel­sze­ne 1 endet ja damit, dass Lies­chen auf Fritz­chen auf­merk­sam wird. Viel­leicht mit die­sen Worten:

Lies­chen starr­te und starr­te. Dass es auf der Welt einen so schö­nen Mann gab! Unglaublich …

Der Text geht dann wei­ter mit Sze­ne 2. Sie könn­te zum Bei­spiel so beginnen:

„Willst du Fritz­chen nicht so lang­sam mal anspre­chen?“, frag­te Lies­chens Freun­din, als sie mal wie­der den Vor­le­sungs­saal betra­ten. „Du starrst ihn schon seit zwei Mona­ten an. Das wird lang­sam creepy!“

Wäh­rend die Ellip­se also sehr fil­misch anmu­tet, da wir ja von einer Sze­ne direkt zur nächs­ten sprin­gen, sind Sum­ma­rys ein sehr tra­di­tio­nel­ler Ansatz:

So könn­te Bei­spiel­sze­ne 2 mit die­sen Wor­ten beginnen:

Lies­chen war so fas­zi­niert, dass sie Fritz­chen zwei Mona­te lang anstarr­te. Sie ver­such­te, es ver­stoh­len zu tun, aus dem Augen­win­kel, gab sich Mühe, dabei ruhig zu atmen und mög­lichst nicht rot zu wer­den, aber es half alles nichts. Ihre Freun­din­nen neck­ten sie des­we­gen unun­ter­bro­chen. Und der Vor­le­sung konn­te sie natür­lich auch nicht folgen.

Obwohl Sum­ma­rys häu­fig am Anfang einer Sze­ne ste­hen, kön­nen sie natür­lich auch erst spä­ter ein­ge­floch­ten wer­den. Sel­bi­ges gilt natür­lich auch für Sum­ma­rys, die nur einen Teil der zwi­schen den Sze­nen lie­gen­den Ereig­nis­se zusam­men­fas­sen:

Zum Bei­spiel könn­te ein ent­spre­chen­der Anfang von Sze­ne 2 so aussehen:

„Willst du Fritz­chen nicht so lang­sam mal anspre­chen?“, frag­te Lies­chens Freun­din, als sie zwei Mona­te spä­ter wie­der ein­mal den Vor­le­sungs­saal betra­ten. Und sie hat­te ja recht, Lies­chen wuss­te das. Woche für Woche hat­te sie Fritz­chen aus dem Augen­win­kel beob­ach­tet, statt sich auf die Vor­le­sung zu konzentrieren.

Aber das waren jetzt wirk­lich nur Bei­spie­le. Ich kann und will Dir nicht vor­schrei­ben, wie Ellip­sen und Sum­ma­rys zu hand­ha­ben sind, zumal Du ja unend­lich krea­tiv wer­den kannst, wenn Du sie mischst. Wich­tig ist nur zu wissen,

  • dass es auf der einen Sei­te den sze­ni­schen Stil gibt mit vie­len Ellip­sen und eher weni­gen kur­zen Sum­ma­rys sowie abrup­ten Sze­nen­an­fän­gen und ‑enden,
  • auf der ande­ren Sei­te den unun­ter­bro­che­nen Erzähl­strom mit eher weni­gen Ellip­sen, dafür aber vie­len Sum­ma­rys, in denen Sze­n­e­n­en­den und ‑anfän­ge flie­ßend inein­an­der über­ge­hen,
  • sowie ein brei­tes Spek­trum an Zwi­schen­for­men, deren kon­kre­te Aus­prä­gung auf die Geschich­te und Dei­nen indi­vi­du­el­len Stil ankommt.

Unend­lich krea­tiv wer­den kannst Du auch bei der Art und Wei­se, wie Du die Grund­da­ten zum Sta­tus quo an den Leser bringst, beson­ders bei Zeit und Ort:

So habe ich in den Bei­spie­len zwar auf das klas­si­sche „zwei Mona­te spä­ter“ zurück­ge­grif­fen, was genau­so „ori­gi­nell“ ist wie „am nächs­ten Tag“ und Kon­sor­ten. Alter­na­tiv kannst Du aber natür­lich auch mit kon­kre­ten Daten arbei­ten, sodass Sze­ne 2 zum Bei­spiel genau am 8. Novem­ber statt­fin­det. Oder Du kannst die Infor­ma­ti­on über den Zeit­sprung etwas ver­ste­cken: Im ers­ten Bei­spiel habe ich sie im Dia­log unter­ge­bracht, mög­lich sind auch Gedan­ken, oder Lies­chen mar­kiert das aktu­el­le Datum in ihrem Kalen­der oder oder oder …

Und beim Orts­wech­sel gilt natür­lich das­sel­be: Du kannst den Ort kon­kret benen­nen, im Dia­log unter­brin­gen, den Ort beschrei­ben oder durch „Show“ zei­gen und so weiter …

Szenenübergänge bei verschiedenen Strängen

Was aber, wenn nicht nur Zeit und Ort wech­seln, son­dern auch die Figu­ren? Was, wenn ein Kon­flikt nicht direkt in den nächs­ten über­geht, son­dern die Erzäh­lung zu einem völ­lig ande­ren Strang mit völ­lig ande­ren Kon­flik­ten springt?

Die Risi­ken sind hier offen­sicht­lich: Die Leser sind beim alten Strang noch mit­ten im Gesche­hen und wol­len wis­sen, wie es wei­ter­geht. Außer­dem könn­te der Sprung selbst unna­tür­lich wir­ken.

Wie kann man das also handhaben?

Zunächst soll­ten wir erst mal sagen, dass in einer gut durch­dach­ten Geschich­te die ein­zel­nen Strän­ge nicht los­ge­löst von­ein­an­der exis­tie­ren, son­dern durch ihre The­men, Bezie­hun­gen der Figu­ren und alles ande­re zusam­men­hän­gen und sich gegen­sei­tig beein­flus­sen. Den­ke an Das Lied von Eis und Feu­er:

Die Ereig­nis­se in einem Strang an einem Ende der Welt haben direk­te Aus­wir­kun­gen auf ande­re Strän­ge in ande­ren Tei­len der Welt, zum Bei­spiel als der Klei­ne Rat in Königs­mund über eine Ermor­dung von Dae­nerys Tar­ga­ry­en dis­ku­tiert, die jen­seits der Meer­enge schwan­ger und dadurch zu einer poten­ti­el­len Gefahr gewor­den ist, oder als Jon Schnee von den Schwie­rig­kei­ten sei­ner Fami­lie hört und damit sei­ne Loya­li­tät gegen­über der Nacht­wa­che auf die Pro­be gestellt wird.

Was pas­siert, wenn die ein­zel­nen Strän­ge nicht gut zusam­men­hän­gen, demons­triert die Net­flix-Serie Shadow and Bone:

Der Neben­plot um Nina und Mathi­as mag an sich noch so put­zig sein mit ihrer Enemies-to-lovers-Geschich­te, aber er exis­tiert sehr los­ge­löst von den ande­ren Hand­lungs­strän­gen. Nina wird von den ande­ren Figu­ren zwar ein paar Mal erwähnt, aber son­der­lich beein­flus­sen tun sich die Plots nicht. Nur die­je­ni­gen, die die Bücher gele­sen haben, kön­nen wis­sen, dass Nina und Mathi­as spä­ter Teil des Krä­hen­teams wer­den. Ohne die­ses Hin­ter­grund­wis­sen aber sitzt man da und fragt sich, war­um die­ser Neben­plot über­haupt existiert.

Also lan­ge Rede, kur­zer Sinn:

Ach­te bei meh­re­ren Hand­lungs­strän­gen dar­auf, dass die Ereig­nis­se in den Sze­nen des einen Strangs auch die ande­ren Strän­ge beeinflussen.

Dabei ist es egal, ob Du eher sze­nisch schreibst oder mit einem unun­ter­bro­che­nen Erzähl­strom arbei­test. Zwar ist es beim sze­ni­schen Stil ein­fa­cher, natür­lich zwi­schen Strän­gen zu sprin­gen – man fängt ein­fach eine neue Sze­ne an -; doch auch beim Erzähl­strom las­sen sich Strang­wech­sel in den Sum­ma­rys unter­brin­gen oder – sofern die unter­schied­li­chen Figu­ren mit­ein­an­der in Kon­takt kom­men – in einem Per­spek­tiv­wech­sel.

Erin­nern wir uns zum Bei­spiel an das Ende von unse­rer Sze­ne 1:

Lies­chen starr­te und starr­te. Dass es auf der Welt einen so schö­nen Mann gab! Unglaublich …

Die Sum­ma­ry-Über­lei­tung zu einem ande­ren Strang könn­te so aussehen:

Ähn­lich schmach­te­te auch Erna im angren­zen­den Hör­saal. Das Objekt ihrer Begier­de war Klaus. Sie kann­te ihn aller­dings schon seit dem letz­ten Semes­ter und besuch­te die Vor­le­sung vor allem wegen ihm.

Was Per­spek­tiv­wech­sel angeht, so haben wir bereits in einem frü­he­ren Arti­kel dar­über gespro­chen, sodass ich es auch an die­ser Stel­le bei einem Hin­weis belasse.

Inspirationsquelle Film: Montage

Nun ist es aber auf Dau­er lang­wei­lig, wenn sich Sze­nen stumpf anein­an­der­rei­hen und die Hand­lung abfrüh­stü­cken. Es ist daher nie ver­kehrt, bei der Sze­nen­ab­fol­ge und bei der Art von Über­gän­gen krea­tiv zu wer­den. Und Anre­gun­gen dazu kön­nen wir uns aus dem Bereich des Film­schnitts bzw. der Mon­ta­ge holen.

Hier eini­ge Mon­ta­ge­tech­ni­ken, die für uns Autoren inter­es­sant sein kön­nen:

  • Beim Match Cut pas­sen das Ende einer Sze­ne und der Anfang der nächs­ten zusam­men, häu­fig durch Ähn­lich­keit oder Kon­trast. Am Anfang von James Came­rons Tita­nic sehen wir zum Bei­spiel den Über­gang von der längst ver­sun­ke­nen, über­wu­cher­ten Tita­nic zur nigel­na­gel­neu­en Tita­nic kurz vor ihrer Jung­fern­fahrt. Ein ande­res Bei­spiel ist der Sze­nen­über­gang, als Gan­dalf in Peter Jack­sons Der Herr der Rin­ge König Thé­o­den heilt und ihn dabei zurück auf sei­nen Thron schleu­dert und in der nächs­ten Sze­ne Sar­uman von sei­nem Palan­tír weg­ge­schleu­dert wird. Dadurch wird ein Zusam­men­hang zwi­schen den Sze­nen her­ge­stellt und es ent­steht ein neu­er, tie­fe­rer Sinn.

Auf das Schrei­ben über­tra­gen kön­nen wir es zum Bei­spiel so:

Ende von Sze­ne 1:
Lies­chen starr­te und starr­te. Dass es auf der Welt einen so schö­nen Mann gab! Unglaublich …

Anfang von Sze­ne 2:
„Dass es auf der Welt einen so schö­nen Mann gibt! Unglaub­lich …“, dach­te Erna und schiel­te zu Klaus.

Wer mei­ne Rei­he zu den rhe­to­ri­schen Stil­mit­teln kennt, hat hier sicher­lich eine Ana­di­p­lo­se iden­ti­fi­ziert. Und ja, ich wür­de sagen, die­ses Stil­mit­tel ist mit dem Match Cut verwandt.

  • Bei der Par­al­lel­mon­ta­ge wird zwi­schen meh­re­ren Sze­nen umher­ges­witcht, was meis­tens eine Gleich­zei­tig­keit des Gesche­hens aus­drückt. Das sehen wir häu­fig in span­nungs­ge­la­de­nen Sequen­zen, zum Bei­spiel wenn zwi­schen jeman­dem, der geret­tet wer­den muss, und dem her­bei­ei­len­den Ret­ter hin- und her­ge­sprun­gen wird. Eine Par­al­lel­mon­ta­ge kann aber auch einen Kon­trast beto­nen, bei­spiels­wei­se als Micha­el Cor­leo­ne in Der Pate von Fran­cis Ford Cop­po­la wäh­rend der Tau­fe sei­nes Nef­fen Satan abschwört, par­al­lel dazu aber sei­ne Geg­ner durch Auf­trags­mör­der mas­sa­krie­ren lässt.

Wenn wir es auf das Schrei­ben über­tra­gen, könn­ten wir zum Bei­spiel zwi­schen Lies­chen und Erna swit­chen und dabei zwei völ­lig unter­schied­li­che Her­an­ge­hens­wei­sen ans Anspre­chen von Män­nern im Kon­trast zuein­an­der dar­stel­len. Oder wir könn­ten zwi­schen Lies­chen im Hör­saal und Lies­chen in der Ver­gan­gen­heit swit­chen und so Stück für Stück zei­gen, war­um sie so schüch­tern ist.

  • Die Attrak­ti­ons­mon­ta­ge ist das Ein­bin­den von Sze­nen, die ober­fläch­lich betrach­tet nichts mit der Hand­lung zu tun haben, in Wirk­lich­keit aber eine meta­pho­ri­sche Bedeu­tung tra­gen. Para­de­bei­spie­le lie­fert der Ent­wick­ler die­ses Kon­zepts selbst, Ser­gej Eisen­stein, u. a. in sei­nem Film Streik, wo in eine Sze­ne mit einem Mas­sa­ker an Men­schen Bil­der aus einem Schlacht­hof zwi­schen­ge­schnit­ten sind.

Ein lite­ra­ri­sches Bei­spiel fin­det sich in Fan­girl von Rain­bow Rowell, wo zwi­schen den ein­zel­nen Kapi­teln Aus­schnit­te aus Fan­fic­tions der Prot­ago­nis­tin auf­tau­chen. Sie haben kei­nen direk­ten Bezug zur Hand­lung – außer dass die Prot­ago­nis­tin eben Fan­fic­tions schreibt –, aber auf einer meta­pho­ri­schen Ebe­ne spie­geln die Sze­nen in den Fan­fic­tions den aktu­el­len Stand der Hand­lung wieder.

Das waren jetzt aber nur drei Tech­ni­ken von vie­len. Tau­che also ger­ne selbst­stän­dig in ande­re Erzähl­gat­tun­gen ein und wenn Dir eine Tech­nik gefällt, dann über­le­ge, wie Du sie in einem Text umset­zen kannst. Ideen und Anre­gun­gen lau­ern überall!

Schlusswort

So viel also zu Sze­nen und Sze­nen­über­gän­gen. Ich hof­fe, Dir brauch­ba­res Werk­zeug an die Hand gege­ben zu haben, will aber auch dar­auf hin­wei­sen, dass es sich bei allem, was ich hier anspre­che, um Richt­li­ni­en handelt:

Beim Schrei­ben geht es schließ­lich vor allem um Krea­ti­vi­tät und nicht um das Befol­gen von Anlei­tun­gen.

Krea­ti­vi­tät erfor­dert aber natür­lich, dass man sei­nen Hori­zont stän­dig erwei­tert. Das kann man zum Bei­spiel durch Ana­ly­sen tun. Des­we­gen ana­ly­sie­ren wir am 21.11.2021 ein paar Sze­nen im Rah­men eines Ste­ady-Live­streams und legen dabei beson­de­ren Wert auf die Dar­stel­lung von Gefüh­len, weil das letz­tes Mal ja unser The­ma war und so gut passt.

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