Action schreiben: Schlachten, Kampfszenen, Verfolgungsjagden

Action schreiben: Schlachten, Kampfszenen, Verfolgungsjagden

In vie­len Geschich­ten flie­gen irgend­wann die Fet­zen: Es kommt zu Schlach­ten, Kampf­sze­nen oder Ver­fol­gungs­jag­den. Kurz­um: Es gibt Action. Und obwohl sol­che offen aus­ge­tra­ge­nen Kon­flik­te zumin­dest in der Theo­rie von Natur aus Span­nung erzeu­gen müss­ten, tun sie das nicht immer. Zum Schrei­ben von Action­sze­nen gehört eben auch hand­werk­li­ches Geschick. Des­we­gen bespre­chen wir in die­sem Arti­kel, wie Action­sze­nen tat­säch­lich action­reich werden.

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Rit­ter Fritz­chen von Knö­del­hau­sen hat den Frei­herrn Kläu­schen von und zu Sab­ber­stein zum Duell auf Leben und Tod her­aus­ge­for­dert. Uns steht ein Kampf bevor, wie ihn die Welt noch nie gese­hen hat!

Aber wie schrei­ben wir ihn? Wie sor­gen wir dafür, dass der Leser bei die­ser und auch allen ande­ren Arten von Action­sze­nen wie Schlach­ten und Ver­fol­gungs­jag­den tat­säch­lich mitfiebert?

Das bespre­chen wir in die­sem Artikel.

Die Rolle der Actionszene in der Geschichte

Rit­ter Fritz­chen von Knö­del­hau­sen und Frei­herr Kläu­schen von und zu Sab­ber­stein – wer sind die bei­den über­haupt und war­um soll­te ihr Duell uns irgend­wie jucken?

Ich den­ke, das ist die ers­te Fra­ge, die sich bei der Erwäh­nung der bei­den stellt. Und damit hät­ten wir auch schon den viel­leicht wich­tigs­ten Punkt beim Schrei­ben einer guten Actionszene:

Denn wie auch jede ande­re Art von Sze­ne soll­ten Action­sze­nen vor allem rele­vant sein.

Das bedeu­tet:

  • Wenn die Geschich­te von Köni­gin Lies­chen­lot­te der Bele­se­nen han­delt und Rit­ter Fritz­chen von Knö­del­hau­sen und Frei­herr Kläu­schen von und zu Sab­ber­stein ein­fach nur zwei unbe­deu­ten­de Hin­ter­grund­fi­gu­ren sind, ist ihr epi­sches Duell tat­säch­lich nur so inter­es­sant wie der berühm­te Sack Reis, der immer mal wie­der in Chi­na umfällt. Des­we­gen wäre eine Kampf­sze­ne hier über­flüs­sig. – Es sei denn natür­lich, wäh­rend des Duells pas­siert etwas, das für den Arc Ihrer könig­li­chen Majes­tät rele­vant ist. Denn viel­leicht ver­liebt sie sich auf den ers­ten Blick in Fritz­chen von Knö­del­hau­sen und hofft, dass er das Duell über­lebt. Und mit ihr hofft es auch der Leser.
  • Wenn die Geschich­te hin­ge­gen von einem der bei­den Duel­lan­ten han­delt, ist die Rele­vanz des Duells auf kei­nen Fall abzu­strei­ten. – Geht es hier doch um nichts Gerin­ge­res als das Über­le­ben des Prot­ago­nis­ten. Mehr noch, wenn die Geschich­te pri­mär von Fritz­chens Ver­eh­rung für die Köni­gin han­delt und Kläu­schen sich doch allen Erns­tes erdreis­tet hat anzu­zwei­feln, dass Lies­chen­lot­te wirk­lich alle Bücher der Welt gele­sen hat, dann ist das Duell schon von zen­tra­ler Bedeu­tung und dem­entspre­chend auch inter­es­san­ter für den Leser.

Wie so oft heißt es also auch hier:

Behal­te die Prä­mis­se Dei­ner Geschich­te im Auge!

Wenn die Action­sze­ne vor dem Hin­ter­grund der Prä­mis­se rele­vant ist, dann kann sie ger­ne aus­führ­lich sein. Wenn es sich bei der Action letzt­end­lich nur um Hin­ter­grund­plät­schern han­delt, dann kannst Du sie auch in einem Halb­satz abfrüh­stü­cken.

Spe­zi­ell bei Action­sze­nen soll­test Du dar­über hin­aus auch klar benen­nen, was über­haupt auf dem Spiel steht: Wel­che Kon­se­quen­zen dro­hen, soll­te der Prot­ago­nist schei­tern? Das ist zum Bei­spiel der Grund, war­um wäh­rend der Schlacht bei Helms Klamm in Der Herr der Rin­ge: Die zwei Tür­me, der viel­leicht bes­ten Schlacht­se­quenz aller Zei­ten, immer mal wie­der zu den Frau­en, Kin­dern und Alten in den Glit­zern­den Grot­ten geschal­tet wird: Der Zuschau­er soll dar­an erin­nert wer­den, dass unzäh­li­ge wehr­lo­se Men­schen ihr Leben ver­lie­ren, wenn die Hel­den die Orks nicht aufhalten.

Wenn es in unse­rem Bei­spiel also um Fritz­chens Bewun­de­rung für Köni­gin Lies­chen­lot­te geht, soll­te die­se Bewun­de­rung noch vor dem Duell ein­drück­lich gezeigt wor­den sein. Und wenn Fritz­chen das Duell ver­liert, dann ver­liert er womög­lich nicht nur sein Leben, son­dern die Köni­gin wird auch noch ihr Anse­hen ver­lie­ren, dadurch viel­leicht sogar ihre Macht und letzt­end­lich wird das Reich im Cha­os ver­sin­ken … Auch die­se Kon­se­quenz soll­te dem Leser im Vor­feld des Duells klar sein.

Wenn wir von Kon­se­quen­zen spre­chen, dann geht es also vor allem um die Ereig­nis­haf­tig­keit bzw. die Frage:

Wie beein­flusst die Action­sze­ne den Gesamt­ver­lauf der Geschichte?

Denn wenn es immer mal wie­der jeman­den gibt, der Lies­chen­lot­tes Bele­sen­heit anzwei­felt, und Fritz­chen die­se Leu­te sys­te­ma­tisch zum Duell her­aus­for­dert, dann hat der Leser kei­nen Grund, das eine Duell mit Kläu­schen inter­es­sant zu fin­den. Anders sieht es aber aus, wenn Frei­herr Kläu­schen von und zu Sab­ber­stein nicht ein­fach irgend­je­mand ist, son­dern selbst eine Auto­ri­tät in Sachen Bele­sen­heit. Wenn also aus­ge­rech­net er Lies­chen­lot­tes Bele­sen­heit anzwei­felt, dann ist das ein sehr schwe­rer Angriff, der, wie eben skiz­ziert, das Reich ins Cha­os stür­zen kann. Kläu­schens Zwei­fel sind also an sich sehr ereig­nis­haft, weil sie die Geschich­te in eine völ­lig neue Rich­tung len­ken, und ent­spre­chend ereig­nis­haft wird auch der Aus­gang des Duells.

Action plotten

Wenn wir nun auf die Action­sze­ne selbst zu spre­chen kom­men, so braucht sie natür­lich, wie jede ande­re Art von Sze­nen auch, eine Struk­tur, idea­ler­wei­se mit Ein­lei­tung, Haupt­teil und Schluss. Im Grun­de schreibst Du hier eine klei­ne Unter­ge­schich­te, ein­ge­bet­tet in die gro­ße Gesamt­ge­schich­te. Du kannst sogar so weit gehen, dass Du die Hand­lung der Action­sze­ne nach einem rich­ti­gen Modell plot­test, bei­spiels­wei­se nach der Drei-Akt-Struk­tur mit all ihren Wen­de­punk­ten und Twists.

Ach­te beim Plot­ten des Ablaufs auch auf den Rea­lis­mus. Denn wie soll der Leser mit Fritz­chen ernst­haft mit­fie­bern, wenn die Kampf­hand­lun­gen abso­lut lächer­lich sind? Eine geschei­te Recher­che zum The­ma Kampf­tech­ni­ken und Waf­fen, Schlacht­tak­ti­ken und aller­lei Fahr­zeu­gen und zu allem, was sonst noch wäh­rend Dei­ner Action­sze­ne zum Ein­satz kommt, ist daher unent­behr­lich. Ver­wechs­le dabei das Schrei­ben auch nicht mit dem Gen­re Film: Denn bei einem visu­el­len Medi­um mag es gewis­ser­ma­ßen durch­aus berech­tigt sein, den Rea­lis­mus dem Spek­ta­kel unter­zu­ord­nen. Aber wenn Fritz­chen in einem rea­lis­ti­schen Fecht­du­ell noch so spek­ta­ku­lä­re Pirou­et­ten voll­führt und sei­nem Geg­ner somit den Rücken zudreht, wäre es absurd, wenn Kläu­schen das nicht aus­nutzt, um das Duell zu gewin­nen. Den­ke an die ach­te Staf­fel von Game of Thro­nes und wie dort – Vor­sicht Spoi­ler! – wäh­rend der Schlacht gegen den Nacht­kö­nig die Armee und das Kriegs­ge­rät absur­der­wei­se außer­halb der Mau­ern von Win­ter­fell auf­ge­stellt und die Dothra­ki völ­lig sinn­los an die Armee der Unto­ten ver­füt­tert wur­den. Begib Dich bit­te nicht auf die­ses Niveau.

Zum Plot­ten einer Action­sze­ne gehört natür­lich auch das Auf und Ab der Gefüh­le. Das ent­steht zum Teil von allei­ne, wenn Du Dei­ner Action­sze­ne Wen­dun­gen ver­passt, der Leser dabei genau weiß, was auf dem Spiel steht, und Du die Erzähl­per­spek­ti­ve gescheit hand­habst und die Gefüh­le der Reflek­tor­fi­gur gut rüberbringst.

Ver­stär­ken kannst Du die Emo­tio­na­li­tät aber auch durch das Ein­bau­en regel­rech­ter Cha­rak­ter-Arcs - eine Tech­nik, die ganz pro­mi­nent in Shounen-Ani­mes zu beob­ach­ten ist: Hier sind die Kämp­fe oft an psy­cho­lo­gi­sche und sogar phi­lo­so­phi­sche Dis­kus­sio­nen gekop­pelt, und wäh­rend die kon­kre­te Hand­ha­bung in den Ani­mes häu­fig die Gren­zen der Absur­di­tät sprengt mit all den end­lo­sen Flash­backs und kom­ple­xen gesell­schaft­li­chen Kon­zep­ten, die wäh­rend des Kamp­fes aus­führ­lich zer­legt wer­den, ist der Ansatz an sich über­haupt nicht ver­kehrt. Ein Kampf wird tat­säch­lich span­nen­der, wenn es eben nicht nur um eine äuße­re Bedro­hung, son­dern um eine Idee geht, um einen Glau­ben, eine Visi­on. Um das Durch­set­zen sei­ner eige­nen Über­zeu­gun­gen – oder aber um das Akzep­tie­ren einer ande­ren Ansicht. Wenn die Action­sze­ne aber eine der­ma­ßen tie­fe Bedeu­tung bekom­men soll, dann ach­te dar­auf, dass sie für die Gesamt­ge­schich­te tat­säch­lich die nöti­ge Rele­vanz hat. Sonst kann es pas­sie­ren, dass die­se psy­cho­lo­gi­sche und/​oder phi­lo­so­phi­sche Dimen­si­on den Leser ein­fach nicht interessiert.

Wie es sich beim Plot­ten gehört, soll­test Du schließ­lich auch auf Schwä­chen ach­ten. Auf die per­sön­li­chen Schwä­chen der betei­lig­ten Figu­ren und vor allem des Prot­ago­nis­ten – aber auch auf Schwä­chen in Bezug auf die Action. Denn Schwä­chen sind nicht nur im Hin­blick auf eine mög­li­che Ent­wick­lung der Figu­ren inter­es­sant, son­dern machen die Action ein­fach span­nen­der: Wenn wir einen über­power­ten Goli­ath als Reflek­tor­fi­gur haben, der den Winz­ling vor ihm in einer Sekun­de zer­quet­schen kann, dann ist der Aus­gang der Kampf­sze­ne von vorn­her­ein klar und der Leser lang­weilt sich. Anders sieht es aus, wenn der klei­ne David die Reflek­tor­fi­gur ist und gegen den Rie­sen Goli­ath antre­ten muss: Hier ist der Aus­gang sogar schlim­mer als unge­wiss – ein Sieg ist sehr unwahr­schein­lich, und das kur­belt die Emo­tio­nen sehr weit nach oben. Das heißt natür­lich nicht, dass man mit über­power­ten Prot­ago­nis­ten nicht auch span­nen­de Geschich­ten erzäh­len kann, aber das ist ein The­ma für ein ander­mal. Heu­te begnü­gen wir uns damit, Fritz­chen gegen­über Kläu­schen eine Schwä­che oder einen ander­wei­ti­gen Nach­teil zu verpassen:

Zum Bei­spiel kön­nen wir sagen, dass Kläu­schen ein viel erfah­re­ne­rer Kämp­fer ist und Fritz­chen sich außer­dem bei sei­nem letz­ten Duell den Knö­chel ver­staucht hat. Sei­ne Fami­lie und Freun­de haben auf ihn ein­ge­re­det, er sol­le die­ses eine Mal auf das Duell ver­zich­ten, doch Fritz­chens Bewun­de­rung gegen­über der Köni­gin ist ein­fach zu groß und außer­dem steht ja auch das Schick­sal des Rei­ches auf dem Spiel. Fritz­chen ist nun mal jemand, der an sei­ne Sache fel­sen­fest glaubt, und wegen eines Knö­chels will er sei­ne Prin­zi­pi­en nicht auf­ge­ben. Er stellt sich also sei­nem Geg­ner und ver­birgt den Schmerz – zunächst erfolg­reich, aber mit jedem Aus­weich­ma­nö­ver schmerzt der Knö­chel immer mehr. Fritz­chen beißt die Zäh­ne noch stär­ker zusam­men und kämpft wei­ter. Irgend­wann aber kommt der Twist und Kläu­schen fällt auf, dass sein Geg­ner ver­letzt ist. Er hält es für ehr­los, sich mit einem offen­sicht­lich benach­tei­lig­ten Geg­ner zu duel­lie­ren, will den Kampf abbre­chen und auf spä­ter ver­ta­gen, wenn Fritz­chens Knö­chel aus­ge­heilt ist. Doch Fritz­chen will nicht: Er kann Kläu­schens Aus­sa­gen nicht ein­fach ste­hen­las­sen und greift ihn immer wei­ter an. Kläu­schen hin­ge­gen kann das Duell nicht mit rei­nem Gewis­sen fort­füh­ren, setzt Fritz­chen mit einer sehr geziel­ten Tech­nik außer Gefecht und geht ein­fach weg. Damit endet das Duell auf Leben und Tod ohne einen wirk­li­chen Gewin­ner, aber Fritz­chens Selbst­bild hat einen schwe­ren Knacks bekom­men und die Zwei­fel an Lies­chen­lot­tes Bele­sen­heit sind zum ers­ten Mal unge­straft geblie­ben und ihre poli­ti­schen Geg­ner spre­chen sie von nun an immer lau­ter aus …

Action schreiben: Schlachten, Kampfszenen, Verfolgungsjagden

Action und Erzähltempo

Wir wis­sen nun also, wie die Action­sze­ne ver­lau­fen soll. – Aber wie schrei­ben wir sie handwerklich?

Dass gut gemach­te Action­sze­nen inter­es­sant zu lesen sind, liegt nicht zuletzt dar­an, dass sie effek­tiv mit dem Erzähl­tem­po arbei­ten. Und wenn ich von Erzähl­tem­po rede, dann mei­ne ich natür­lich das Ver­hält­nis von Erzähl­zeit und erzähl­ter Zeit. Dar­über haben wir aber in einem frü­he­ren Arti­kel schon gespro­chen, wes­we­gen wir heu­te ohne wei­te­re Erklä­run­gen zur Anwen­dung die­ser Theo­rie auf Action­sze­nen springen:

  • Wenn die Erzähl­zeit kür­zer ist als die erzähl­te Zeit, dann kommt es zur Zeit­raf­fung, also einer Beschleu­ni­gung der Erzäh­lung. Bei Action­sze­nen kommt sie zum Ein­satz, wenn die Action zwar im Gan­ge ist, aber nichts wirk­lich Ereig­nis­haf­tes, was den Aus­gang der Sze­ne beein­flusst, pas­siert. Also zum Bei­spiel, wenn Fritz­chen zu Beginn des Duells den Schmerz noch erfolg­reich unter­drückt und er und Kläu­schen ein­fach nur Angrif­fe und Para­den aus­tau­schen. Bei einem visu­el­len Medi­um wie dem Film mag das eine Wei­le inter­es­sant anzu­schau­en sein, aber auch hier wird ein schier end­lo­ser Schlag­ab­tausch ohne Vor­an­schrei­ten der Hand­lung irgend­wann lang­wei­lig. Bei einem nicht­vi­su­el­len Medi­um wie dem Roman funk­tio­nie­ren sol­che inhalts­lee­ren Sequen­zen erst recht nicht. Des­we­gen ist es sinn­vol­ler, sie etwas zu raf­fen, also zusam­men­fas­send zu erzäh­len, was pas­siert. Das könn­te zum Bei­spiel so aussehen:

„Eine Wei­le kreis­ten Fritz­chen und Kläu­schen umein­an­der wie zwei lau­ern­de Raub­tie­re, hier ein Angriff, dort ein Ablen­kungs­ma­nö­ver, gefolgt von Aus­wei­chen oder einer Parade.“

Hier haben wir einen durch­aus etwas lan­gen, aber ein­zi­gen Satz, der schnell gele­sen ist, aber trotz­dem eine rela­tiv ereig­nis­lo­se Hand­lung von eini­gen Minu­ten abdeckt.

  • Wenn die Erzähl­zeit der erzähl­ten Zeit unge­fähr gleicht, dann spricht man von Zeit­de­ckung, also einer unmit­tel­ba­ren Dar­stel­lung der Ereig­nis­se. Bei Action­sze­nen wird sie unent­behr­lich, wenn etwas wirk­lich Rele­van­tes pas­siert und der Leser mit­ten im Gesche­hen sein und die Span­nung so rich­tig aus­kos­ten soll. Das wäre zum Bei­spiel der Fall, wenn Fritz­chen durch sei­nen Knö­chel zuneh­mend beein­träch­tigt wird und merkt, wie die Wahr­schein­lich­keit auf einen Sieg immer wei­ter sinkt. Kon­kret könn­te das so aussehen:

„Kläu­schens Schwert saus­te vor. Fritz­chen riss sein eige­nes nach oben und fing den Schlag ab. Doch gleich­zei­tig – Schmerz! Der Schmerz in sei­nem Knö­chel schoss sein Bein hoch. Fritz­chen biss die Zäh­ne zusam­men, ver­la­ger­te das Gewicht auf sein gesun­des Bein und wich zurück.“

Hier folgt Hand­lung auf Hand­lung, unge­fähr in dem Tem­po, in dem die Hand­lun­gen tat­säch­lich pas­sie­ren. Wir beob­ach­ten das Gesche­hen also so unmit­tel­bar, wie wir es bei einem Text nur können.

  • Wenn die Erzähl­zeit län­ger ist als die erzähl­te Zeit, dann kommt es zur Zeit­deh­nung, also einer Ver­lang­sa­mung der Erzäh­lung. Bei Action­sze­nen ver­wen­den wir sie in der Regel, wenn wir einen Zeit­lu­pen­ef­fekt erzie­len wol­len. Sol­che Zeit­lu­pen­ef­fek­te erfor­dern aller­dings sehr viel Fin­ger­spit­zen­ge­fühl, weil Action in Zeit­lu­pe schnell so lang­wei­lig wird wie ein Schne­cken­ren­nen. Set­ze sie also nur spar­sam, bei ganz beson­de­ren Momen­ten ein. Wenn wir zum Bei­spiel eine sol­che Zeit­lu­pe in den Moment ein­bau­en, in dem Kläu­schen Fritz­chen außer Gefecht setzt und Fritz­chen dem Tod ins Auge blickt, kön­nen wir durch das Hin­aus­zö­gern des Aus­gangs die Span­nung stei­gern und die Bedeu­tung die­ses Moments betonen:

Schmerz! Schmerz! Schmerz! Fritz­chens gan­zes Bein stand in kal­ten Flam­men. Kläu­schen hat­te sei­nen ver­letz­ten Knö­chel gezielt ange­grif­fen. Die halb ver­heil­ten Ver­let­zun­gen ris­sen wie­der auf, der Knö­chel war nicht mehr unter sei­ner Kon­trol­le, knick­te ein. Fritz­chen stürz­te auf sein Knie, wie gelähmt. Nein … Er durf­te nicht … Er konn­te nicht … Die Köni­gin! Das Reich! Der Schmerz trieb ihm Trä­nen in die Augen, aber er kon­zen­trier­te sich auf sei­nen Knö­chel, er soll­te gefälligst -

Kläu­schens Stie­fel lan­de­te in sei­ner Magen­gru­be und schlug ihm alle Luft aus dem Kör­per. Stöh­nend, ersti­ckend, kipp­te Fritz­chen auf den Boden, sah den Him­mel über sich, den Him­mel und Kläu­schens schwar­ze Sil­hou­et­te und das Schwert, das auf ihn nie­der­saus­te … Es war das Ende. Die Trä­nen ran­nen nun unge­hemmt über Fritz­chens Gesicht, er schloss die Augen – Majes­tät, ver­zeiht mir …

Und so lag er da, lag da und war­te­te – und nichts geschah. Was war pas­siert? Lang­sam öff­ne­te er die Augen und sah den Him­mel und Kläu­schens Sil­hou­et­te. Nur das Schwert beweg­te sich nicht, son­dern zeig­te kalt und ent­schlos­sen auf sei­ne Keh­le. Aber es geschah wei­ter­hin nichts.“

Die­ser Moment, als Fritz­chen zu Boden stürzt, Kläu­schen ihn aber nicht tötet, dau­ert in Wirk­lich­keit nur eini­ge weni­ge Sekun­den, doch im Text haben wir ihn auf gan­ze drei Absät­ze aus­ge­dehnt, unter ande­rem durch vie­le Details und Fritz­chens inne­ren Monolog.

Weitere Tipps für Actionszenen

Vor allem im Fall der Zeit­deh­nung hast Du sicher­lich gemerkt, dass es wei­te­re Tech­ni­ken gibt, die Du beim Schrei­ben span­nen­der, emo­ti­ons­ge­la­de­ner Action­sze­nen ein­set­zen kannst.

An aller­ers­ter Stel­le wäre da natür­lich ein geschick­ter Ein­satz sprach­li­cher Mit­tel, der Rhe­to­rik. Dabei kannst Du soge­nann­te rhe­to­ri­sche Stil­mit­tel nut­zen, zu denen es auf die­ser Web­site eine gan­ze Rei­he gibt. Brin­ge nach Mög­lich­keit auch alle fünf Sin­ne mit ein, sei es durch direk­te Beschrei­bun­gen, durch Laut­ma­le­rei oder ander­wei­tig aus­sa­ge­kräf­ti­ge Wort­wahl. Zum Bei­spiel kannst Du statt „die Schwer­ter tra­fen auf­ein­an­der“ sagen, dass die Schwer­ter klirr­ten. Ver­mei­de auch Wort­wie­der­ho­lun­gen, die kei­nen rhe­to­ri­schen oder ander­wei­ti­gen Zweck erfül­len, vor allem, wenn sie sehr gene­risch sind und kei­ne kon­kre­ten Bil­der erzeu­gen. Statt „parie­ren“ kannst Du zum Bei­spiel sagen, was kon­kret die Figur tut: aus­wei­chen, blo­cken, das Schwert des Geg­ners zur Sei­te schla­gen … Und auch Fach­ter­mi­no­lo­gie soll­test Du nach Mög­lich­keit ver­mei­den oder an frü­he­rer Stel­le bereits erklärt haben. Denn wenn der Leser nur bedingt ver­steht, was Du da beschreibst, reißt Du ihn unsanft aus dem Lesefluss.

Auch wird Dir auf­ge­fal­len sein, dass es bei Action­sze­nen oft eine Ten­denz zu kur­zen Sät­zen gibt – vor allem, wenn die Ereig­nis­haf­tig­keit und damit auch die Span­nung steigt. Kur­ze Sät­ze erleich­tern näm­lich nicht nur den Lese­fluss, son­dern brin­gen auch die Geschwin­dig­keit der Hand­lun­gen sowie die ange­spann­te Stim­mung, in der ein mensch­li­ches Gehirn eben auch nur Fet­zen pro­du­ziert, bes­ser rüber. Dem­entspre­chend fal­len auch Dia­lo­ge oft kurz und abge­hackt aus – weil es nur rea­lis­tisch ist, wenn Figu­ren in Momen­ten der Anspan­nung und kör­per­li­chen Anstren­gung kei­ne durch­dach­ten rhe­to­ri­schen Meis­ter­leis­tun­gen vollbringen.

Auch die Rol­le der Erzähl­per­spek­ti­ve ist nicht zu unter­schät­zen. Wir haben ja bereits gese­hen, wie die Wahl der Reflek­tor­fi­gur das Span­nungs­po­ten­ti­al einer Action­sze­ne beein­flus­sen kann. Wir haben außer­dem indi­rekt ange­deu­tet, dass durch Intro­spek­ti­on eine emo­tio­na­le Ver­bin­dung zur Reflek­tor­fi­gur und ihren Gefüh­len auf­ge­baut wer­den kann. Auch kann eine geschick­te Hand­ha­bung der Erzähl­per­spek­ti­ve dazu bei­tra­gen, dass die Action­sze­ne sich authen­tisch anfühlt:

Zum Bei­spiel soll­test Du Dich durch­aus fra­gen, was eine Figur in ihrem Adre­na­lin­rausch über­haupt wahr­neh­men kann und wie der Kampf für sie aus­sieht. Wird jemand, der blind vor Panik ist, jedes kleins­te Detail wahr­neh­men? Wahr­schein­lich nicht. Ande­rer­seits kann es durch­aus Sinn machen, bei einem ent­spann­ten Kampf­pro­fi mit über­mensch­li­chen Sin­nen mehr Zeit­deh­nung ein­zu­bau­en, weil das sei­ne Gelas­sen­heit und sei­ne detail­lier­te Wahr­neh­mung rüber­brin­gen wür­de. Bloß wäre die Sze­ne dann natür­lich nicht mehr span­nend, weil ja auch die Reflek­tor­fi­gur völ­lig ent­spannt ist. In unse­rem Bei­spiel mit Fritz­chens Nie­der­la­ge hin­ge­gen soll die Zeit­deh­nung die Span­nung stei­gern, nicht zuletzt, weil wir das Gesche­hen ja durch Fritz­chens Inne­res wahr­neh­men und die­se paar Sekun­den ihm tat­säch­lich wie eine Ewig­keit – oder eben drei Absät­ze – vor­kom­men. Den Unter­schied zwi­schen der Zeit­deh­nung bei Fritz­chen und dem Kampf­pro­fi wür­de dann die Rhe­to­rik aus­ma­chen, weil die Zeit­deh­nung bei Fritz­chen sprach­lich ja immer noch gehetzt und zer­fetzt ist, beim ent­spann­ten Kampf­pro­fi mit den über­mensch­li­chen Sin­nen aber gelas­sen und viel­leicht sogar etwas schwa­felnd aus­fal­len würde.

Nicht zuletzt möch­te ich Dich davor war­nen, dass es auch bei Action­sze­nen zu einer Art Tal­king Head Syn­dro­me kom­men kann. Bloß haben wir hier nicht ein­fach nur spre­chen­de Köp­fe in einem gefühlt lee­ren Raum, son­dern Action, die los­ge­löst vom Rest der Welt zu sein scheint. Was ich damit sagen will, ist, dass Du den Raum, in dem die Action statt­fin­det, nicht außer Acht las­sen soll­test: Inter­agie­ren die Figu­ren mit irgend­wel­chen Gegen­stän­den? Wie ist das Ter­rain? Wie sind die Wet­ter­be­din­gun­gen? Und so weiter …

Zum Bei­spiel könn­te Fritz­chen im Kampf mit dem erfah­re­ne­ren und gesund­heit­lich über­le­ge­nen Kläu­schen einen Moment aus­nut­zen, in dem Kläu­schen von der Son­ne geblen­det ist. Oder viel­leicht sorgt der unebe­ne Boden dafür, dass Fritz­chens Knö­chel noch mehr schmerzt.

Ver­giss dabei natür­lich auch nicht die indi­vi­du­el­len Kampf­sti­le der Figu­ren, die aus noch viel grö­ße­ren Kon­tex­ten her­vor­ge­hen: Wo und wie haben sie das Kämp­fen gelernt? Wie beein­flus­sen ihre Kul­tu­ren, Tra­di­tio­nen, Per­sön­lich­kei­ten, kör­per­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und emo­tio­na­len Befind­lich­kei­ten ihr Ver­hal­ten im Kampf?

Ich den­ke da zum Bei­spiel an mein heiß­ge­lieb­tes Assassin’s Creed III, wo man neben dem Prot­ago­nis­ten Con­nor bzw. Ratonhnhaké:ton für eine Wei­le auch in die Schu­he sei­nes Vaters Hay­tham Ken­way schlüpft. Und obwohl es das­sel­be Spiel ist, mit den­sel­ben Spiel­me­cha­ni­ken, füh­len sich die Figu­ren völ­lig ver­schie­den an: Wäh­rend der eng­li­sche Gen­tle­man und eis­kal­te Kil­ler Hay­tham sehr sau­be­re und prä­zi­se Fecht­tech­ni­ken voll­führt, ist sein Sohn von kräf­ti­ge­rer Sta­tur, hat einen deut­lich emo­tio­na­le­ren Cha­rak­ter, benutzt ande­re Waf­fen wie zum Bei­spiel den Toma­hawk und ist in ers­ter Linie als Jäger auf­ge­wach­sen, der hin und wie­der auch mit Raub­tie­ren kämpft. Des­we­gen wirkt sein Kampf­stil viel bru­ta­ler und instink­ti­ver als der von Haytham.

Dem­entspre­chend kannst Du Dir auch für Fritz­chen und Kläu­schen über­le­gen, was sie indi­vi­du­ell aus­macht. Wenn Kläu­schen der erfah­re­ne­re Kämp­fer ist, wer­den sei­ne Bewe­gun­gen wahr­schein­lich eher ruhig, aber prä­zi­se aus­fal­len, wäh­rend der emo­ti­ons­ge­la­de­ne Fritz­chen mit dem ver­stauch­ten Knö­chel sich eher unüber­legt auf sei­nen Geg­ner stürzt und dabei immer wie­der von sei­nen Schmer­zen abge­lenkt wird.

Schlusswort

So viel zum The­ma Action­sze­nen. Ich hof­fe, ich konn­te Dir eini­ge nütz­li­che Tipps an die Hand geben, obwohl mein Bei­spiel mit Fritz­chen und Kläu­schen zuge­ge­be­ner­ma­ßen etwas abs­trakt ist, weil die­se Geschich­te ja nicht wirk­lich exis­tiert und vie­le Details und Aspek­te, die ich hät­te ein­bau­en kön­nen, eben­falls nicht exis­tie­ren. Trotz­dem hof­fe ich natür­lich, dass es eini­ger­ma­ßen anschau­lich war.

Für mehr Anschau­lich­keit soll­ten wir aber eine real exis­tie­ren­de Action­sze­ne von vorn bis hin­ten durch­ge­hen, zum Bei­spiel das Quid­ditch-Fina­le in Har­ry Pot­ter und der Gefan­ge­ne von Aska­ban. Des­we­gen wird es dem­nächst einen Live­stream dazu geben. Leg Dich also ruhig schon mal auf die Lauer!

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