In vielen Geschichten fliegen irgendwann die Fetzen: Es kommt zu Schlachten, Kampfszenen oder Verfolgungsjagden. Kurzum: Es gibt Action. Und obwohl solche offen ausgetragenen Konflikte zumindest in der Theorie von Natur aus Spannung erzeugen müssten, tun sie das nicht immer. Zum Schreiben von Actionszenen gehört eben auch handwerkliches Geschick. Deswegen besprechen wir in diesem Artikel, wie Actionszenen tatsächlich actionreich werden.
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Ritter Fritzchen von Knödelhausen hat den Freiherrn Kläuschen von und zu Sabberstein zum Duell auf Leben und Tod herausgefordert. Uns steht ein Kampf bevor, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat!
Aber wie schreiben wir ihn? Wie sorgen wir dafür, dass der Leser bei dieser und auch allen anderen Arten von Actionszenen wie Schlachten und Verfolgungsjagden tatsächlich mitfiebert?
Das besprechen wir in diesem Artikel.
Die Rolle der Actionszene in der Geschichte
Ritter Fritzchen von Knödelhausen und Freiherr Kläuschen von und zu Sabberstein – wer sind die beiden überhaupt und warum sollte ihr Duell uns irgendwie jucken?
Ich denke, das ist die erste Frage, die sich bei der Erwähnung der beiden stellt. Und damit hätten wir auch schon den vielleicht wichtigsten Punkt beim Schreiben einer guten Actionszene:
Denn wie auch jede andere Art von Szene sollten Actionszenen vor allem relevant sein.
Das bedeutet:
- Wenn die Geschichte von Königin Lieschenlotte der Belesenen handelt und Ritter Fritzchen von Knödelhausen und Freiherr Kläuschen von und zu Sabberstein einfach nur zwei unbedeutende Hintergrundfiguren sind, ist ihr episches Duell tatsächlich nur so interessant wie der berühmte Sack Reis, der immer mal wieder in China umfällt. Deswegen wäre eine Kampfszene hier überflüssig. – Es sei denn natürlich, während des Duells passiert etwas, das für den Arc Ihrer königlichen Majestät relevant ist. Denn vielleicht verliebt sie sich auf den ersten Blick in Fritzchen von Knödelhausen und hofft, dass er das Duell überlebt. Und mit ihr hofft es auch der Leser.
- Wenn die Geschichte hingegen von einem der beiden Duellanten handelt, ist die Relevanz des Duells auf keinen Fall abzustreiten. – Geht es hier doch um nichts Geringeres als das Überleben des Protagonisten. Mehr noch, wenn die Geschichte primär von Fritzchens Verehrung für die Königin handelt und Kläuschen sich doch allen Ernstes erdreistet hat anzuzweifeln, dass Lieschenlotte wirklich alle Bücher der Welt gelesen hat, dann ist das Duell schon von zentraler Bedeutung und dementsprechend auch interessanter für den Leser.
Wie so oft heißt es also auch hier:
Behalte die Prämisse Deiner Geschichte im Auge!
Wenn die Actionszene vor dem Hintergrund der Prämisse relevant ist, dann kann sie gerne ausführlich sein. Wenn es sich bei der Action letztendlich nur um Hintergrundplätschern handelt, dann kannst Du sie auch in einem Halbsatz abfrühstücken.
Speziell bei Actionszenen solltest Du darüber hinaus auch klar benennen, was überhaupt auf dem Spiel steht: Welche Konsequenzen drohen, sollte der Protagonist scheitern? Das ist zum Beispiel der Grund, warum während der Schlacht bei Helms Klamm in Der Herr der Ringe: Die zwei Türme, der vielleicht besten Schlachtsequenz aller Zeiten, immer mal wieder zu den Frauen, Kindern und Alten in den Glitzernden Grotten geschaltet wird: Der Zuschauer soll daran erinnert werden, dass unzählige wehrlose Menschen ihr Leben verlieren, wenn die Helden die Orks nicht aufhalten.
Wenn es in unserem Beispiel also um Fritzchens Bewunderung für Königin Lieschenlotte geht, sollte diese Bewunderung noch vor dem Duell eindrücklich gezeigt worden sein. Und wenn Fritzchen das Duell verliert, dann verliert er womöglich nicht nur sein Leben, sondern die Königin wird auch noch ihr Ansehen verlieren, dadurch vielleicht sogar ihre Macht und letztendlich wird das Reich im Chaos versinken … Auch diese Konsequenz sollte dem Leser im Vorfeld des Duells klar sein.
Wenn wir von Konsequenzen sprechen, dann geht es also vor allem um die Ereignishaftigkeit bzw. die Frage:
Wie beeinflusst die Actionszene den Gesamtverlauf der Geschichte?
Denn wenn es immer mal wieder jemanden gibt, der Lieschenlottes Belesenheit anzweifelt, und Fritzchen diese Leute systematisch zum Duell herausfordert, dann hat der Leser keinen Grund, das eine Duell mit Kläuschen interessant zu finden. Anders sieht es aber aus, wenn Freiherr Kläuschen von und zu Sabberstein nicht einfach irgendjemand ist, sondern selbst eine Autorität in Sachen Belesenheit. Wenn also ausgerechnet er Lieschenlottes Belesenheit anzweifelt, dann ist das ein sehr schwerer Angriff, der, wie eben skizziert, das Reich ins Chaos stürzen kann. Kläuschens Zweifel sind also an sich sehr ereignishaft, weil sie die Geschichte in eine völlig neue Richtung lenken, und entsprechend ereignishaft wird auch der Ausgang des Duells.
Action plotten
Wenn wir nun auf die Actionszene selbst zu sprechen kommen, so braucht sie natürlich, wie jede andere Art von Szenen auch, eine Struktur, idealerweise mit Einleitung, Hauptteil und Schluss. Im Grunde schreibst Du hier eine kleine Untergeschichte, eingebettet in die große Gesamtgeschichte. Du kannst sogar so weit gehen, dass Du die Handlung der Actionszene nach einem richtigen Modell plottest, beispielsweise nach der Drei-Akt-Struktur mit all ihren Wendepunkten und Twists.
Achte beim Plotten des Ablaufs auch auf den Realismus. Denn wie soll der Leser mit Fritzchen ernsthaft mitfiebern, wenn die Kampfhandlungen absolut lächerlich sind? Eine gescheite Recherche zum Thema Kampftechniken und Waffen, Schlachttaktiken und allerlei Fahrzeugen und zu allem, was sonst noch während Deiner Actionszene zum Einsatz kommt, ist daher unentbehrlich. Verwechsle dabei das Schreiben auch nicht mit dem Genre Film: Denn bei einem visuellen Medium mag es gewissermaßen durchaus berechtigt sein, den Realismus dem Spektakel unterzuordnen. Aber wenn Fritzchen in einem realistischen Fechtduell noch so spektakuläre Pirouetten vollführt und seinem Gegner somit den Rücken zudreht, wäre es absurd, wenn Kläuschen das nicht ausnutzt, um das Duell zu gewinnen. Denke an die achte Staffel von Game of Thrones und wie dort – Vorsicht Spoiler! – während der Schlacht gegen den Nachtkönig die Armee und das Kriegsgerät absurderweise außerhalb der Mauern von Winterfell aufgestellt und die Dothraki völlig sinnlos an die Armee der Untoten verfüttert wurden. Begib Dich bitte nicht auf dieses Niveau.
Zum Plotten einer Actionszene gehört natürlich auch das Auf und Ab der Gefühle. Das entsteht zum Teil von alleine, wenn Du Deiner Actionszene Wendungen verpasst, der Leser dabei genau weiß, was auf dem Spiel steht, und Du die Erzählperspektive gescheit handhabst und die Gefühle der Reflektorfigur gut rüberbringst.
Verstärken kannst Du die Emotionalität aber auch durch das Einbauen regelrechter Charakter-Arcs - eine Technik, die ganz prominent in Shounen-Animes zu beobachten ist: Hier sind die Kämpfe oft an psychologische und sogar philosophische Diskussionen gekoppelt, und während die konkrete Handhabung in den Animes häufig die Grenzen der Absurdität sprengt mit all den endlosen Flashbacks und komplexen gesellschaftlichen Konzepten, die während des Kampfes ausführlich zerlegt werden, ist der Ansatz an sich überhaupt nicht verkehrt. Ein Kampf wird tatsächlich spannender, wenn es eben nicht nur um eine äußere Bedrohung, sondern um eine Idee geht, um einen Glauben, eine Vision. Um das Durchsetzen seiner eigenen Überzeugungen – oder aber um das Akzeptieren einer anderen Ansicht. Wenn die Actionszene aber eine dermaßen tiefe Bedeutung bekommen soll, dann achte darauf, dass sie für die Gesamtgeschichte tatsächlich die nötige Relevanz hat. Sonst kann es passieren, dass diese psychologische und/oder philosophische Dimension den Leser einfach nicht interessiert.
Wie es sich beim Plotten gehört, solltest Du schließlich auch auf Schwächen achten. Auf die persönlichen Schwächen der beteiligten Figuren und vor allem des Protagonisten – aber auch auf Schwächen in Bezug auf die Action. Denn Schwächen sind nicht nur im Hinblick auf eine mögliche Entwicklung der Figuren interessant, sondern machen die Action einfach spannender: Wenn wir einen überpowerten Goliath als Reflektorfigur haben, der den Winzling vor ihm in einer Sekunde zerquetschen kann, dann ist der Ausgang der Kampfszene von vornherein klar und der Leser langweilt sich. Anders sieht es aus, wenn der kleine David die Reflektorfigur ist und gegen den Riesen Goliath antreten muss: Hier ist der Ausgang sogar schlimmer als ungewiss – ein Sieg ist sehr unwahrscheinlich, und das kurbelt die Emotionen sehr weit nach oben. Das heißt natürlich nicht, dass man mit überpowerten Protagonisten nicht auch spannende Geschichten erzählen kann, aber das ist ein Thema für ein andermal. Heute begnügen wir uns damit, Fritzchen gegenüber Kläuschen eine Schwäche oder einen anderweitigen Nachteil zu verpassen:
Zum Beispiel können wir sagen, dass Kläuschen ein viel erfahrenerer Kämpfer ist und Fritzchen sich außerdem bei seinem letzten Duell den Knöchel verstaucht hat. Seine Familie und Freunde haben auf ihn eingeredet, er solle dieses eine Mal auf das Duell verzichten, doch Fritzchens Bewunderung gegenüber der Königin ist einfach zu groß und außerdem steht ja auch das Schicksal des Reiches auf dem Spiel. Fritzchen ist nun mal jemand, der an seine Sache felsenfest glaubt, und wegen eines Knöchels will er seine Prinzipien nicht aufgeben. Er stellt sich also seinem Gegner und verbirgt den Schmerz – zunächst erfolgreich, aber mit jedem Ausweichmanöver schmerzt der Knöchel immer mehr. Fritzchen beißt die Zähne noch stärker zusammen und kämpft weiter. Irgendwann aber kommt der Twist und Kläuschen fällt auf, dass sein Gegner verletzt ist. Er hält es für ehrlos, sich mit einem offensichtlich benachteiligten Gegner zu duellieren, will den Kampf abbrechen und auf später vertagen, wenn Fritzchens Knöchel ausgeheilt ist. Doch Fritzchen will nicht: Er kann Kläuschens Aussagen nicht einfach stehenlassen und greift ihn immer weiter an. Kläuschen hingegen kann das Duell nicht mit reinem Gewissen fortführen, setzt Fritzchen mit einer sehr gezielten Technik außer Gefecht und geht einfach weg. Damit endet das Duell auf Leben und Tod ohne einen wirklichen Gewinner, aber Fritzchens Selbstbild hat einen schweren Knacks bekommen und die Zweifel an Lieschenlottes Belesenheit sind zum ersten Mal ungestraft geblieben und ihre politischen Gegner sprechen sie von nun an immer lauter aus …
Action und Erzähltempo
Wir wissen nun also, wie die Actionszene verlaufen soll. – Aber wie schreiben wir sie handwerklich?
Dass gut gemachte Actionszenen interessant zu lesen sind, liegt nicht zuletzt daran, dass sie effektiv mit dem Erzähltempo arbeiten. Und wenn ich von Erzähltempo rede, dann meine ich natürlich das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit. Darüber haben wir aber in einem früheren Artikel schon gesprochen, weswegen wir heute ohne weitere Erklärungen zur Anwendung dieser Theorie auf Actionszenen springen:
- Wenn die Erzählzeit kürzer ist als die erzählte Zeit, dann kommt es zur Zeitraffung, also einer Beschleunigung der Erzählung. Bei Actionszenen kommt sie zum Einsatz, wenn die Action zwar im Gange ist, aber nichts wirklich Ereignishaftes, was den Ausgang der Szene beeinflusst, passiert. Also zum Beispiel, wenn Fritzchen zu Beginn des Duells den Schmerz noch erfolgreich unterdrückt und er und Kläuschen einfach nur Angriffe und Paraden austauschen. Bei einem visuellen Medium wie dem Film mag das eine Weile interessant anzuschauen sein, aber auch hier wird ein schier endloser Schlagabtausch ohne Voranschreiten der Handlung irgendwann langweilig. Bei einem nichtvisuellen Medium wie dem Roman funktionieren solche inhaltsleeren Sequenzen erst recht nicht. Deswegen ist es sinnvoller, sie etwas zu raffen, also zusammenfassend zu erzählen, was passiert. Das könnte zum Beispiel so aussehen:
„Eine Weile kreisten Fritzchen und Kläuschen umeinander wie zwei lauernde Raubtiere, hier ein Angriff, dort ein Ablenkungsmanöver, gefolgt von Ausweichen oder einer Parade.“
Hier haben wir einen durchaus etwas langen, aber einzigen Satz, der schnell gelesen ist, aber trotzdem eine relativ ereignislose Handlung von einigen Minuten abdeckt.
- Wenn die Erzählzeit der erzählten Zeit ungefähr gleicht, dann spricht man von Zeitdeckung, also einer unmittelbaren Darstellung der Ereignisse. Bei Actionszenen wird sie unentbehrlich, wenn etwas wirklich Relevantes passiert und der Leser mitten im Geschehen sein und die Spannung so richtig auskosten soll. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Fritzchen durch seinen Knöchel zunehmend beeinträchtigt wird und merkt, wie die Wahrscheinlichkeit auf einen Sieg immer weiter sinkt. Konkret könnte das so aussehen:
„Kläuschens Schwert sauste vor. Fritzchen riss sein eigenes nach oben und fing den Schlag ab. Doch gleichzeitig – Schmerz! Der Schmerz in seinem Knöchel schoss sein Bein hoch. Fritzchen biss die Zähne zusammen, verlagerte das Gewicht auf sein gesundes Bein und wich zurück.“
Hier folgt Handlung auf Handlung, ungefähr in dem Tempo, in dem die Handlungen tatsächlich passieren. Wir beobachten das Geschehen also so unmittelbar, wie wir es bei einem Text nur können.
- Wenn die Erzählzeit länger ist als die erzählte Zeit, dann kommt es zur Zeitdehnung, also einer Verlangsamung der Erzählung. Bei Actionszenen verwenden wir sie in der Regel, wenn wir einen Zeitlupeneffekt erzielen wollen. Solche Zeitlupeneffekte erfordern allerdings sehr viel Fingerspitzengefühl, weil Action in Zeitlupe schnell so langweilig wird wie ein Schneckenrennen. Setze sie also nur sparsam, bei ganz besonderen Momenten ein. Wenn wir zum Beispiel eine solche Zeitlupe in den Moment einbauen, in dem Kläuschen Fritzchen außer Gefecht setzt und Fritzchen dem Tod ins Auge blickt, können wir durch das Hinauszögern des Ausgangs die Spannung steigern und die Bedeutung dieses Moments betonen:
„Schmerz! Schmerz! Schmerz! Fritzchens ganzes Bein stand in kalten Flammen. Kläuschen hatte seinen verletzten Knöchel gezielt angegriffen. Die halb verheilten Verletzungen rissen wieder auf, der Knöchel war nicht mehr unter seiner Kontrolle, knickte ein. Fritzchen stürzte auf sein Knie, wie gelähmt. Nein … Er durfte nicht … Er konnte nicht … Die Königin! Das Reich! Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen, aber er konzentrierte sich auf seinen Knöchel, er sollte gefälligst -
Kläuschens Stiefel landete in seiner Magengrube und schlug ihm alle Luft aus dem Körper. Stöhnend, erstickend, kippte Fritzchen auf den Boden, sah den Himmel über sich, den Himmel und Kläuschens schwarze Silhouette und das Schwert, das auf ihn niedersauste … Es war das Ende. Die Tränen rannen nun ungehemmt über Fritzchens Gesicht, er schloss die Augen – Majestät, verzeiht mir …
Und so lag er da, lag da und wartete – und nichts geschah. Was war passiert? Langsam öffnete er die Augen und sah den Himmel und Kläuschens Silhouette. Nur das Schwert bewegte sich nicht, sondern zeigte kalt und entschlossen auf seine Kehle. Aber es geschah weiterhin nichts.“
Dieser Moment, als Fritzchen zu Boden stürzt, Kläuschen ihn aber nicht tötet, dauert in Wirklichkeit nur einige wenige Sekunden, doch im Text haben wir ihn auf ganze drei Absätze ausgedehnt, unter anderem durch viele Details und Fritzchens inneren Monolog.
Weitere Tipps für Actionszenen
Vor allem im Fall der Zeitdehnung hast Du sicherlich gemerkt, dass es weitere Techniken gibt, die Du beim Schreiben spannender, emotionsgeladener Actionszenen einsetzen kannst.
An allererster Stelle wäre da natürlich ein geschickter Einsatz sprachlicher Mittel, der Rhetorik. Dabei kannst Du sogenannte rhetorische Stilmittel nutzen, zu denen es auf dieser Website eine ganze Reihe gibt. Bringe nach Möglichkeit auch alle fünf Sinne mit ein, sei es durch direkte Beschreibungen, durch Lautmalerei oder anderweitig aussagekräftige Wortwahl. Zum Beispiel kannst Du statt „die Schwerter trafen aufeinander“ sagen, dass die Schwerter klirrten. Vermeide auch Wortwiederholungen, die keinen rhetorischen oder anderweitigen Zweck erfüllen, vor allem, wenn sie sehr generisch sind und keine konkreten Bilder erzeugen. Statt „parieren“ kannst Du zum Beispiel sagen, was konkret die Figur tut: ausweichen, blocken, das Schwert des Gegners zur Seite schlagen … Und auch Fachterminologie solltest Du nach Möglichkeit vermeiden oder an früherer Stelle bereits erklärt haben. Denn wenn der Leser nur bedingt versteht, was Du da beschreibst, reißt Du ihn unsanft aus dem Lesefluss.
Auch wird Dir aufgefallen sein, dass es bei Actionszenen oft eine Tendenz zu kurzen Sätzen gibt – vor allem, wenn die Ereignishaftigkeit und damit auch die Spannung steigt. Kurze Sätze erleichtern nämlich nicht nur den Lesefluss, sondern bringen auch die Geschwindigkeit der Handlungen sowie die angespannte Stimmung, in der ein menschliches Gehirn eben auch nur Fetzen produziert, besser rüber. Dementsprechend fallen auch Dialoge oft kurz und abgehackt aus – weil es nur realistisch ist, wenn Figuren in Momenten der Anspannung und körperlichen Anstrengung keine durchdachten rhetorischen Meisterleistungen vollbringen.
Auch die Rolle der Erzählperspektive ist nicht zu unterschätzen. Wir haben ja bereits gesehen, wie die Wahl der Reflektorfigur das Spannungspotential einer Actionszene beeinflussen kann. Wir haben außerdem indirekt angedeutet, dass durch Introspektion eine emotionale Verbindung zur Reflektorfigur und ihren Gefühlen aufgebaut werden kann. Auch kann eine geschickte Handhabung der Erzählperspektive dazu beitragen, dass die Actionszene sich authentisch anfühlt:
Zum Beispiel solltest Du Dich durchaus fragen, was eine Figur in ihrem Adrenalinrausch überhaupt wahrnehmen kann und wie der Kampf für sie aussieht. Wird jemand, der blind vor Panik ist, jedes kleinste Detail wahrnehmen? Wahrscheinlich nicht. Andererseits kann es durchaus Sinn machen, bei einem entspannten Kampfprofi mit übermenschlichen Sinnen mehr Zeitdehnung einzubauen, weil das seine Gelassenheit und seine detaillierte Wahrnehmung rüberbringen würde. Bloß wäre die Szene dann natürlich nicht mehr spannend, weil ja auch die Reflektorfigur völlig entspannt ist. In unserem Beispiel mit Fritzchens Niederlage hingegen soll die Zeitdehnung die Spannung steigern, nicht zuletzt, weil wir das Geschehen ja durch Fritzchens Inneres wahrnehmen und diese paar Sekunden ihm tatsächlich wie eine Ewigkeit – oder eben drei Absätze – vorkommen. Den Unterschied zwischen der Zeitdehnung bei Fritzchen und dem Kampfprofi würde dann die Rhetorik ausmachen, weil die Zeitdehnung bei Fritzchen sprachlich ja immer noch gehetzt und zerfetzt ist, beim entspannten Kampfprofi mit den übermenschlichen Sinnen aber gelassen und vielleicht sogar etwas schwafelnd ausfallen würde.
Nicht zuletzt möchte ich Dich davor warnen, dass es auch bei Actionszenen zu einer Art Talking Head Syndrome kommen kann. Bloß haben wir hier nicht einfach nur sprechende Köpfe in einem gefühlt leeren Raum, sondern Action, die losgelöst vom Rest der Welt zu sein scheint. Was ich damit sagen will, ist, dass Du den Raum, in dem die Action stattfindet, nicht außer Acht lassen solltest: Interagieren die Figuren mit irgendwelchen Gegenständen? Wie ist das Terrain? Wie sind die Wetterbedingungen? Und so weiter …
Zum Beispiel könnte Fritzchen im Kampf mit dem erfahreneren und gesundheitlich überlegenen Kläuschen einen Moment ausnutzen, in dem Kläuschen von der Sonne geblendet ist. Oder vielleicht sorgt der unebene Boden dafür, dass Fritzchens Knöchel noch mehr schmerzt.
Vergiss dabei natürlich auch nicht die individuellen Kampfstile der Figuren, die aus noch viel größeren Kontexten hervorgehen: Wo und wie haben sie das Kämpfen gelernt? Wie beeinflussen ihre Kulturen, Traditionen, Persönlichkeiten, körperlichen Voraussetzungen und emotionalen Befindlichkeiten ihr Verhalten im Kampf?
Ich denke da zum Beispiel an mein heißgeliebtes Assassin’s Creed III, wo man neben dem Protagonisten Connor bzw. Ratonhnhaké:ton für eine Weile auch in die Schuhe seines Vaters Haytham Kenway schlüpft. Und obwohl es dasselbe Spiel ist, mit denselben Spielmechaniken, fühlen sich die Figuren völlig verschieden an: Während der englische Gentleman und eiskalte Killer Haytham sehr saubere und präzise Fechttechniken vollführt, ist sein Sohn von kräftigerer Statur, hat einen deutlich emotionaleren Charakter, benutzt andere Waffen wie zum Beispiel den Tomahawk und ist in erster Linie als Jäger aufgewachsen, der hin und wieder auch mit Raubtieren kämpft. Deswegen wirkt sein Kampfstil viel brutaler und instinktiver als der von Haytham.
Dementsprechend kannst Du Dir auch für Fritzchen und Kläuschen überlegen, was sie individuell ausmacht. Wenn Kläuschen der erfahrenere Kämpfer ist, werden seine Bewegungen wahrscheinlich eher ruhig, aber präzise ausfallen, während der emotionsgeladene Fritzchen mit dem verstauchten Knöchel sich eher unüberlegt auf seinen Gegner stürzt und dabei immer wieder von seinen Schmerzen abgelenkt wird.
Schlusswort
So viel zum Thema Actionszenen. Ich hoffe, ich konnte Dir einige nützliche Tipps an die Hand geben, obwohl mein Beispiel mit Fritzchen und Kläuschen zugegebenermaßen etwas abstrakt ist, weil diese Geschichte ja nicht wirklich existiert und viele Details und Aspekte, die ich hätte einbauen können, ebenfalls nicht existieren. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass es einigermaßen anschaulich war.
Für mehr Anschaulichkeit sollten wir aber eine real existierende Actionszene von vorn bis hinten durchgehen, zum Beispiel das Quidditch-Finale in Harry Potter und der Gefangene von Askaban. Deswegen wird es demnächst einen Livestream dazu geben. Leg Dich also ruhig schon mal auf die Lauer!