Action schreiben: Schlachten, Kampfszenen, Verfolgungsjagden

Action schreiben: Schlachten, Kampfszenen, Verfolgungsjagden

In vie­len Geschicht­en fliegen irgend­wann die Fet­zen: Es kommt zu Schlacht­en, Kampf­szenen oder Ver­fol­gungs­jag­den. Kurzum: Es gibt Action. Und obwohl solche offen aus­ge­tra­ge­nen Kon­flik­te zumin­d­est in der The­o­rie von Natur aus Span­nung erzeu­gen müssten, tun sie das nicht immer. Zum Schreiben von Action­szenen gehört eben auch handw­erk­lich­es Geschick. Deswe­gen besprechen wir in diesem Artikel, wie Action­szenen tat­säch­lich action­re­ich wer­den.

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Rit­ter Fritzchen von Knödel­hausen hat den Frei­her­rn Kläuschen von und zu Sab­ber­stein zum Duell auf Leben und Tod her­aus­ge­fordert. Uns ste­ht ein Kampf bevor, wie ihn die Welt noch nie gese­hen hat!

Aber wie schreiben wir ihn? Wie sor­gen wir dafür, dass der Leser bei dieser und auch allen anderen Arten von Action­szenen wie Schlacht­en und Ver­fol­gungs­jag­den tat­säch­lich mit­fiebert?

Das besprechen wir in diesem Artikel.

Die Rolle der Actionszene in der Geschichte

Rit­ter Fritzchen von Knödel­hausen und Frei­herr Kläuschen von und zu Sab­ber­stein — wer sind die bei­den über­haupt und warum sollte ihr Duell uns irgend­wie juck­en?

Ich denke, das ist die erste Frage, die sich bei der Erwäh­nung der bei­den stellt. Und damit hät­ten wir auch schon den vielle­icht wichtig­sten Punkt beim Schreiben ein­er guten Action­szene:

Denn wie auch jede andere Art von Szene soll­ten Action­szenen vor allem rel­e­vant sein.

Das bedeutet:

  • Wenn die Geschichte von Köni­gin Lieschen­lotte der Bele­se­nen han­delt und Rit­ter Fritzchen von Knödel­hausen und Frei­herr Kläuschen von und zu Sab­ber­stein ein­fach nur zwei unbe­deu­tende Hin­ter­grund­fig­uren sind, ist ihr epis­ches Duell tat­säch­lich nur so inter­es­sant wie der berühmte Sack Reis, der immer mal wieder in Chi­na umfällt. Deswe­gen wäre eine Kampf­szene hier über­flüs­sig. — Es sei denn natür­lich, während des Duells passiert etwas, das für den Arc Ihrer königlichen Majestät rel­e­vant ist. Denn vielle­icht ver­liebt sie sich auf den ersten Blick in Fritzchen von Knödel­hausen und hofft, dass er das Duell über­lebt. Und mit ihr hofft es auch der Leser.
  • Wenn die Geschichte hinge­gen von einem der bei­den Duel­lanten han­delt, ist die Rel­e­vanz des Duells auf keinen Fall abzus­tre­it­en. — Geht es hier doch um nichts Gerin­geres als das Über­leben des Pro­tag­o­nis­ten. Mehr noch, wenn die Geschichte primär von Fritzchens Verehrung für die Köni­gin han­delt und Kläuschen sich doch allen Ern­stes erdreis­tet hat anzuzweifeln, dass Lieschen­lotte wirk­lich alle Büch­er der Welt gele­sen hat, dann ist das Duell schon von zen­traler Bedeu­tung und dementsprechend auch inter­es­san­ter für den Leser.

Wie so oft heißt es also auch hier:

Behalte die Prämisse Dein­er Geschichte im Auge!

Wenn die Action­szene vor dem Hin­ter­grund der Prämisse rel­e­vant ist, dann kann sie gerne aus­führlich sein. Wenn es sich bei der Action let­z­tendlich nur um Hin­ter­grund­plätsch­ern han­delt, dann kannst Du sie auch in einem Halb­satz abfrüh­stück­en.

Speziell bei Action­szenen soll­test Du darüber hin­aus auch klar benen­nen, was über­haupt auf dem Spiel ste­ht: Welche Kon­se­quen­zen dro­hen, sollte der Pro­tag­o­nist scheit­ern? Das ist zum Beispiel der Grund, warum während der Schlacht bei Helms Klamm in Der Herr der Ringe: Die zwei Türme, der vielle­icht besten Schlacht­se­quenz aller Zeit­en, immer mal wieder zu den Frauen, Kindern und Alten in den Glitzern­den Grot­ten geschal­tet wird: Der Zuschauer soll daran erin­nert wer­den, dass unzäh­lige wehrlose Men­schen ihr Leben ver­lieren, wenn die Helden die Orks nicht aufhal­ten.

Wenn es in unserem Beispiel also um Fritzchens Bewun­derung für Köni­gin Lieschen­lotte geht, sollte diese Bewun­derung noch vor dem Duell ein­drück­lich gezeigt wor­den sein. Und wenn Fritzchen das Duell ver­liert, dann ver­liert er wom­öglich nicht nur sein Leben, son­dern die Köni­gin wird auch noch ihr Anse­hen ver­lieren, dadurch vielle­icht sog­ar ihre Macht und let­z­tendlich wird das Reich im Chaos versinken … Auch diese Kon­se­quenz sollte dem Leser im Vor­feld des Duells klar sein.

Wenn wir von Kon­se­quen­zen sprechen, dann geht es also vor allem um die Ereignishaftigkeit bzw. die Frage:

Wie bee­in­flusst die Action­szene den Gesamtver­lauf der Geschichte?

Denn wenn es immer mal wieder jeman­den gibt, der Lieschen­lottes Bele­sen­heit anzweifelt, und Fritzchen diese Leute sys­tem­a­tisch zum Duell her­aus­fordert, dann hat der Leser keinen Grund, das eine Duell mit Kläuschen inter­es­sant zu find­en. Anders sieht es aber aus, wenn Frei­herr Kläuschen von und zu Sab­ber­stein nicht ein­fach irgend­je­mand ist, son­dern selb­st eine Autorität in Sachen Bele­sen­heit. Wenn also aus­gerech­net er Lieschen­lottes Bele­sen­heit anzweifelt, dann ist das ein sehr schw­er­er Angriff, der, wie eben skizziert, das Reich ins Chaos stürzen kann. Kläuschens Zweifel sind also an sich sehr ereignishaft, weil sie die Geschichte in eine völ­lig neue Rich­tung lenken, und entsprechend ereignishaft wird auch der Aus­gang des Duells.

Action plotten

Wenn wir nun auf die Action­szene selb­st zu sprechen kom­men, so braucht sie natür­lich, wie jede andere Art von Szenen auch, eine Struk­tur, ide­al­er­weise mit Ein­leitung, Haupt­teil und Schluss. Im Grunde schreib­st Du hier eine kleine Untergeschichte, einge­bet­tet in die große Gesamt­geschichte. Du kannst sog­ar so weit gehen, dass Du die Hand­lung der Action­szene nach einem richti­gen Mod­ell plottest, beispiel­sweise nach der Drei-Akt-Struk­tur mit all ihren Wen­depunk­ten und Twists.

Achte beim Plot­ten des Ablaufs auch auf den Real­is­mus. Denn wie soll der Leser mit Fritzchen ern­sthaft mit­fiebern, wenn die Kampfhand­lun­gen abso­lut lächer­lich sind? Eine gescheite Recherche zum The­ma Kampftech­niken und Waf­fen, Schlacht­tak­tiken und aller­lei Fahrzeu­gen und zu allem, was son­st noch während Dein­er Action­szene zum Ein­satz kommt, ist daher unent­behrlich. Ver­wech­sle dabei das Schreiben auch nicht mit dem Genre Film: Denn bei einem visuellen Medi­um mag es gewis­ser­maßen dur­chaus berechtigt sein, den Real­is­mus dem Spek­takel unterzuord­nen. Aber wenn Fritzchen in einem real­is­tis­chen Fecht­du­ell noch so spek­takuläre Pirou­et­ten vollführt und seinem Geg­n­er somit den Rück­en zudreht, wäre es absurd, wenn Kläuschen das nicht aus­nutzt, um das Duell zu gewin­nen. Denke an die achte Staffel von Game of Thrones und wie dort — Vor­sicht Spoil­er! — während der Schlacht gegen den Nachtkönig die Armee und das Kriegs­gerät absur­der­weise außer­halb der Mauern von Win­ter­fell aufgestellt und die Dothra­ki völ­lig sinn­los an die Armee der Untoten ver­füt­tert wur­den. Beg­ib Dich bitte nicht auf dieses Niveau.

Zum Plot­ten ein­er Action­szene gehört natür­lich auch das Auf und Ab der Gefüh­le. Das entste­ht zum Teil von alleine, wenn Du Dein­er Action­szene Wen­dun­gen ver­passt, der Leser dabei genau weiß, was auf dem Spiel ste­ht, und Du die Erzählper­spek­tive gescheit hand­hab­st und die Gefüh­le der Reflek­tor­fig­ur gut rüber­bringst.

Ver­stärken kannst Du die Emo­tion­al­ität aber auch durch das Ein­bauen regel­rechter Charak­ter-Arcs - eine Tech­nik, die ganz promi­nent in Shounen-Ani­mes zu beobacht­en ist: Hier sind die Kämpfe oft an psy­chol­o­gis­che und sog­ar philosophis­che Diskus­sio­nen gekop­pelt, und während die konkrete Hand­habung in den Ani­mes häu­fig die Gren­zen der Absur­dität sprengt mit all den end­losen Flash­backs und kom­plex­en gesellschaftlichen Konzepten, die während des Kampfes aus­führlich zer­legt wer­den, ist der Ansatz an sich über­haupt nicht verkehrt. Ein Kampf wird tat­säch­lich span­nen­der, wenn es eben nicht nur um eine äußere Bedro­hung, son­dern um eine Idee geht, um einen Glauben, eine Vision. Um das Durch­set­zen sein­er eige­nen Überzeu­gun­gen — oder aber um das Akzep­tieren ein­er anderen Ansicht. Wenn die Action­szene aber eine der­maßen tiefe Bedeu­tung bekom­men soll, dann achte darauf, dass sie für die Gesamt­geschichte tat­säch­lich die nötige Rel­e­vanz hat. Son­st kann es passieren, dass diese psy­chol­o­gis­che und/oder philosophis­che Dimen­sion den Leser ein­fach nicht inter­essiert.

Wie es sich beim Plot­ten gehört, soll­test Du schließlich auch auf Schwächen acht­en. Auf die per­sön­lichen Schwächen der beteiligten Fig­uren und vor allem des Pro­tag­o­nis­ten — aber auch auf Schwächen in Bezug auf die Action. Denn Schwächen sind nicht nur im Hin­blick auf eine mögliche Entwick­lung der Fig­uren inter­es­sant, son­dern machen die Action ein­fach span­nen­der: Wenn wir einen über­pow­erten Goliath als Reflek­tor­fig­ur haben, der den Win­zling vor ihm in ein­er Sekunde zer­quetschen kann, dann ist der Aus­gang der Kampf­szene von vorn­here­in klar und der Leser lang­weilt sich. Anders sieht es aus, wenn der kleine David die Reflek­tor­fig­ur ist und gegen den Riesen Goliath antreten muss: Hier ist der Aus­gang sog­ar schlim­mer als ungewiss — ein Sieg ist sehr unwahrschein­lich, und das kurbelt die Emo­tio­nen sehr weit nach oben. Das heißt natür­lich nicht, dass man mit über­pow­erten Pro­tag­o­nis­ten nicht auch span­nende Geschicht­en erzählen kann, aber das ist ein The­ma für ein ander­mal. Heute beg­nü­gen wir uns damit, Fritzchen gegenüber Kläuschen eine Schwäche oder einen ander­weit­i­gen Nachteil zu ver­passen:

Zum Beispiel kön­nen wir sagen, dass Kläuschen ein viel erfahrener­er Kämpfer ist und Fritzchen sich außer­dem bei seinem let­zten Duell den Knöchel ver­staucht hat. Seine Fam­i­lie und Fre­unde haben auf ihn ein­gere­det, er solle dieses eine Mal auf das Duell verzicht­en, doch Fritzchens Bewun­derung gegenüber der Köni­gin ist ein­fach zu groß und außer­dem ste­ht ja auch das Schick­sal des Reich­es auf dem Spiel. Fritzchen ist nun mal jemand, der an seine Sache felsen­fest glaubt, und wegen eines Knöchels will er seine Prinzip­i­en nicht aufgeben. Er stellt sich also seinem Geg­n­er und ver­birgt den Schmerz — zunächst erfol­gre­ich, aber mit jedem Auswe­ich­manöver schmerzt der Knöchel immer mehr. Fritzchen beißt die Zähne noch stärk­er zusam­men und kämpft weit­er. Irgend­wann aber kommt der Twist und Kläuschen fällt auf, dass sein Geg­n­er ver­let­zt ist. Er hält es für ehr­los, sich mit einem offen­sichtlich benachteiligten Geg­n­er zu duel­lieren, will den Kampf abbrechen und auf später verta­gen, wenn Fritzchens Knöchel aus­ge­heilt ist. Doch Fritzchen will nicht: Er kann Kläuschens Aus­sagen nicht ein­fach ste­hen­lassen und greift ihn immer weit­er an. Kläuschen hinge­gen kann das Duell nicht mit reinem Gewis­sen fort­führen, set­zt Fritzchen mit ein­er sehr geziel­ten Tech­nik außer Gefecht und geht ein­fach weg. Damit endet das Duell auf Leben und Tod ohne einen wirk­lichen Gewin­ner, aber Fritzchens Selb­st­bild hat einen schw­eren Knacks bekom­men und die Zweifel an Lieschen­lottes Bele­sen­heit sind zum ersten Mal unges­traft geblieben und ihre poli­tis­chen Geg­n­er sprechen sie von nun an immer lauter aus …

Action schreiben: Schlachten, Kampfszenen, Verfolgungsjagden

Action und Erzähltempo

Wir wis­sen nun also, wie die Action­szene ver­laufen soll. — Aber wie schreiben wir sie handw­erk­lich?

Dass gut gemachte Action­szenen inter­es­sant zu lesen sind, liegt nicht zulet­zt daran, dass sie effek­tiv mit dem Erzähltem­po arbeit­en. Und wenn ich von Erzähltem­po rede, dann meine ich natür­lich das Ver­hält­nis von Erzäh­lzeit und erzählter Zeit. Darüber haben wir aber in einem früheren Artikel schon gesprochen, weswe­gen wir heute ohne weit­ere Erk­lärun­gen zur Anwen­dung dieser The­o­rie auf Action­szenen sprin­gen:

  • Wenn die Erzäh­lzeit kürz­er ist als die erzählte Zeit, dann kommt es zur Zeitraf­fung, also ein­er Beschle­u­ni­gung der Erzäh­lung. Bei Action­szenen kommt sie zum Ein­satz, wenn die Action zwar im Gange ist, aber nichts wirk­lich Ereignishaftes, was den Aus­gang der Szene bee­in­flusst, passiert. Also zum Beispiel, wenn Fritzchen zu Beginn des Duells den Schmerz noch erfol­gre­ich unter­drückt und er und Kläuschen ein­fach nur Angriffe und Paraden aus­tauschen. Bei einem visuellen Medi­um wie dem Film mag das eine Weile inter­es­sant anzuschauen sein, aber auch hier wird ein schi­er end­los­er Schlagab­tausch ohne Voran­schre­it­en der Hand­lung irgend­wann lang­weilig. Bei einem nichtvi­suellen Medi­um wie dem Roman funk­tion­ieren solche inhalt­sleeren Sequen­zen erst recht nicht. Deswe­gen ist es sin­nvoller, sie etwas zu raf­fen, also zusam­men­fassend zu erzählen, was passiert. Das kön­nte zum Beispiel so ausse­hen:

“Eine Weile kreis­ten Fritzchen und Kläuschen umeinan­der wie zwei lauernde Raubtiere, hier ein Angriff, dort ein Ablenkungs­man­över, gefol­gt von Auswe­ichen oder ein­er Parade.”

Hier haben wir einen dur­chaus etwas lan­gen, aber einzi­gen Satz, der schnell gele­sen ist, aber trotz­dem eine rel­a­tiv ereignis­lose Hand­lung von eini­gen Minuten abdeckt.

  • Wenn die Erzäh­lzeit der erzählten Zeit unge­fähr gle­icht, dann spricht man von Zeit­deck­ung, also ein­er unmit­tel­baren Darstel­lung der Ereignisse. Bei Action­szenen wird sie unent­behrlich, wenn etwas wirk­lich Rel­e­vantes passiert und der Leser mit­ten im Geschehen sein und die Span­nung so richtig auskosten soll. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Fritzchen durch seinen Knöchel zunehmend beein­trächtigt wird und merkt, wie die Wahrschein­lichkeit auf einen Sieg immer weit­er sinkt. Konkret kön­nte das so ausse­hen:

“Kläuschens Schw­ert sauste vor. Fritzchen riss sein eigenes nach oben und fing den Schlag ab. Doch gle­ichzeit­ig — Schmerz! Der Schmerz in seinem Knöchel schoss sein Bein hoch. Fritzchen biss die Zähne zusam­men, ver­lagerte das Gewicht auf sein gesun­des Bein und wich zurück.”

Hier fol­gt Hand­lung auf Hand­lung, unge­fähr in dem Tem­po, in dem die Hand­lun­gen tat­säch­lich passieren. Wir beobacht­en das Geschehen also so unmit­tel­bar, wie wir es bei einem Text nur kön­nen.

  • Wenn die Erzäh­lzeit länger ist als die erzählte Zeit, dann kommt es zur Zeit­dehnung, also ein­er Ver­langsamung der Erzäh­lung. Bei Action­szenen ver­wen­den wir sie in der Regel, wenn wir einen Zeitlu­pen­ef­fekt erzie­len wollen. Solche Zeitlu­pen­ef­fek­te erfordern allerd­ings sehr viel Fin­ger­spitzenge­fühl, weil Action in Zeitlupe schnell so lang­weilig wird wie ein Sch­neck­en­ren­nen. Set­ze sie also nur sparsam, bei ganz beson­deren Momenten ein. Wenn wir zum Beispiel eine solche Zeitlupe in den Moment ein­bauen, in dem Kläuschen Fritzchen außer Gefecht set­zt und Fritzchen dem Tod ins Auge blickt, kön­nen wir durch das Hin­auszögern des Aus­gangs die Span­nung steigern und die Bedeu­tung dieses Moments beto­nen:

Schmerz! Schmerz! Schmerz! Fritzchens ganzes Bein stand in kalten Flam­men. Kläuschen hat­te seinen ver­let­zten Knöchel gezielt ange­grif­f­en. Die halb ver­heil­ten Ver­let­zun­gen ris­sen wieder auf, der Knöchel war nicht mehr unter sein­er Kon­trolle, knick­te ein. Fritzchen stürzte auf sein Knie, wie gelähmt. Nein … Er durfte nicht … Er kon­nte nicht … Die Köni­gin! Das Reich! Der Schmerz trieb ihm Trä­nen in die Augen, aber er konzen­tri­erte sich auf seinen Knöchel, er sollte gefäl­ligst -

Kläuschens Stiefel lan­dete in sein­er Magen­grube und schlug ihm alle Luft aus dem Kör­p­er. Stöh­nend, erstick­end, kippte Fritzchen auf den Boden, sah den Him­mel über sich, den Him­mel und Kläuschens schwarze Sil­hou­ette und das Schw­ert, das auf ihn nieder­sauste … Es war das Ende. Die Trä­nen ran­nen nun unge­hemmt über Fritzchens Gesicht, er schloss die Augen — Majestät, verzei­ht mir …

Und so lag er da, lag da und wartete — und nichts geschah. Was war passiert? Langsam öffnete er die Augen und sah den Him­mel und Kläuschens Sil­hou­ette. Nur das Schw­ert bewegte sich nicht, son­dern zeigte kalt und entschlossen auf seine Kehle. Aber es geschah weit­er­hin nichts.”

Dieser Moment, als Fritzchen zu Boden stürzt, Kläuschen ihn aber nicht tötet, dauert in Wirk­lichkeit nur einige wenige Sekun­den, doch im Text haben wir ihn auf ganze drei Absätze aus­gedehnt, unter anderem durch viele Details und Fritzchens inneren Monolog.

Weitere Tipps für Actionszenen

Vor allem im Fall der Zeit­dehnung hast Du sicher­lich gemerkt, dass es weit­ere Tech­niken gibt, die Du beim Schreiben span­nen­der, emo­tion­s­ge­laden­er Action­szenen ein­set­zen kannst.

An allererster Stelle wäre da natür­lich ein geschick­ter Ein­satz sprach­lich­er Mit­tel, der Rhetorik. Dabei kannst Du soge­nan­nte rhetorische Stilmit­tel nutzen, zu denen es auf dieser Web­site eine ganze Rei­he gibt. Bringe nach Möglichkeit auch alle fünf Sinne mit ein, sei es durch direk­te Beschrei­bun­gen, durch Laut­malerei oder ander­weit­ig aus­sagekräftige Wort­wahl. Zum Beispiel kannst Du statt “die Schw­ert­er trafen aufeinan­der” sagen, dass die Schw­ert­er klir­rten. Ver­mei­de auch Wortwieder­hol­un­gen, die keinen rhetorischen oder ander­weit­i­gen Zweck erfüllen, vor allem, wenn sie sehr gener­isch sind und keine konkreten Bilder erzeu­gen. Statt “pari­eren” kannst Du zum Beispiel sagen, was konkret die Fig­ur tut: auswe­ichen, block­en, das Schw­ert des Geg­n­ers zur Seite schla­gen … Und auch Fachter­mi­nolo­gie soll­test Du nach Möglichkeit ver­mei­den oder an früher­er Stelle bere­its erk­lärt haben. Denn wenn der Leser nur bed­ingt ver­ste­ht, was Du da beschreib­st, reißt Du ihn unsan­ft aus dem Lese­fluss.

Auch wird Dir aufge­fall­en sein, dass es bei Action­szenen oft eine Ten­denz zu kurzen Sätzen gibt — vor allem, wenn die Ereignishaftigkeit und damit auch die Span­nung steigt. Kurze Sätze erle­ichtern näm­lich nicht nur den Lese­fluss, son­dern brin­gen auch die Geschwindigkeit der Hand­lun­gen sowie die anges­pan­nte Stim­mung, in der ein men­schlich­es Gehirn eben auch nur Fet­zen pro­duziert, bess­er rüber. Dementsprechend fall­en auch Dialoge oft kurz und abge­hackt aus — weil es nur real­is­tisch ist, wenn Fig­uren in Momenten der Anspan­nung und kör­per­lichen Anstren­gung keine durch­dacht­en rhetorischen Meis­ter­leis­tun­gen voll­brin­gen.

Auch die Rolle der Erzählper­spek­tive ist nicht zu unter­schätzen. Wir haben ja bere­its gese­hen, wie die Wahl der Reflek­tor­fig­ur das Span­nungspo­ten­tial ein­er Action­szene bee­in­flussen kann. Wir haben außer­dem indi­rekt angedeutet, dass durch Intro­spek­tion eine emo­tionale Verbindung zur Reflek­tor­fig­ur und ihren Gefühlen aufge­baut wer­den kann. Auch kann eine geschick­te Hand­habung der Erzählper­spek­tive dazu beitra­gen, dass die Action­szene sich authen­tisch anfühlt:

Zum Beispiel soll­test Du Dich dur­chaus fra­gen, was eine Fig­ur in ihrem Adren­a­l­in­rausch über­haupt wahrnehmen kann und wie der Kampf für sie aussieht. Wird jemand, der blind vor Panik ist, jedes kle­in­ste Detail wahrnehmen? Wahrschein­lich nicht. Ander­er­seits kann es dur­chaus Sinn machen, bei einem entspan­nten Kampf­profi mit über­men­schlichen Sin­nen mehr Zeit­dehnung einzubauen, weil das seine Gelassen­heit und seine detail­lierte Wahrnehmung rüber­brin­gen würde. Bloß wäre die Szene dann natür­lich nicht mehr span­nend, weil ja auch die Reflek­tor­fig­ur völ­lig entspan­nt ist. In unserem Beispiel mit Fritzchens Nieder­lage hinge­gen soll die Zeit­dehnung die Span­nung steigern, nicht zulet­zt, weil wir das Geschehen ja durch Fritzchens Inneres wahrnehmen und diese paar Sekun­den ihm tat­säch­lich wie eine Ewigkeit — oder eben drei Absätze — vorkom­men. Den Unter­schied zwis­chen der Zeit­dehnung bei Fritzchen und dem Kampf­profi würde dann die Rhetorik aus­machen, weil die Zeit­dehnung bei Fritzchen sprach­lich ja immer noch gehet­zt und zer­fet­zt ist, beim entspan­nten Kampf­profi mit den über­men­schlichen Sin­nen aber gelassen und vielle­icht sog­ar etwas schwafel­nd aus­fall­en würde.

Nicht zulet­zt möchte ich Dich davor war­nen, dass es auch bei Action­szenen zu ein­er Art Talk­ing Head Syn­drome kom­men kann. Bloß haben wir hier nicht ein­fach nur sprechende Köpfe in einem gefühlt leeren Raum, son­dern Action, die los­gelöst vom Rest der Welt zu sein scheint. Was ich damit sagen will, ist, dass Du den Raum, in dem die Action stat­tfind­et, nicht außer Acht lassen soll­test: Inter­agieren die Fig­uren mit irgendwelchen Gegen­stän­den? Wie ist das Ter­rain? Wie sind die Wet­terbe­din­gun­gen? Und so weit­er …

Zum Beispiel kön­nte Fritzchen im Kampf mit dem erfahreneren und gesund­heitlich über­lege­nen Kläuschen einen Moment aus­nutzen, in dem Kläuschen von der Sonne geblendet ist. Oder vielle­icht sorgt der unebene Boden dafür, dass Fritzchens Knöchel noch mehr schmerzt.

Ver­giss dabei natür­lich auch nicht die indi­vidu­ellen Kampf­stile der Fig­uren, die aus noch viel größeren Kon­tex­ten her­vorge­hen: Wo und wie haben sie das Kämpfen gel­ernt? Wie bee­in­flussen ihre Kul­turen, Tra­di­tio­nen, Per­sön­lichkeit­en, kör­per­lichen Voraus­set­zun­gen und emo­tionalen Befind­lichkeit­en ihr Ver­hal­ten im Kampf?

Ich denke da zum Beispiel an mein heißgeliebtes Assassin’s Creed III, wo man neben dem Pro­tag­o­nis­ten Con­nor bzw. Ratonhnhaké:ton für eine Weile auch in die Schuhe seines Vaters Haytham Ken­way schlüpft. Und obwohl es das­selbe Spiel ist, mit densel­ben Spielmechaniken, fühlen sich die Fig­uren völ­lig ver­schieden an: Während der englis­che Gen­tle­man und eiskalte Killer Haytham sehr saubere und präzise Fecht­tech­niken vollführt, ist sein Sohn von kräftiger­er Statur, hat einen deut­lich emo­tionaleren Charak­ter, benutzt andere Waf­fen wie zum Beispiel den Tom­a­hawk und ist in erster Lin­ie als Jäger aufgewach­sen, der hin und wieder auch mit Raubtieren kämpft. Deswe­gen wirkt sein Kampf­stil viel bru­taler und instink­tiv­er als der von Haytham.

Dementsprechend kannst Du Dir auch für Fritzchen und Kläuschen über­legen, was sie indi­vidu­ell aus­macht. Wenn Kläuschen der erfahrenere Kämpfer ist, wer­den seine Bewe­gun­gen wahrschein­lich eher ruhig, aber präzise aus­fall­en, während der emo­tion­s­ge­ladene Fritzchen mit dem ver­staucht­en Knöchel sich eher unüber­legt auf seinen Geg­n­er stürzt und dabei immer wieder von seinen Schmerzen abge­lenkt wird.

Schlusswort

So viel zum The­ma Action­szenen. Ich hoffe, ich kon­nte Dir einige nüt­zliche Tipps an die Hand geben, obwohl mein Beispiel mit Fritzchen und Kläuschen zugegeben­er­maßen etwas abstrakt ist, weil diese Geschichte ja nicht wirk­lich existiert und viele Details und Aspek­te, die ich hätte ein­bauen kön­nen, eben­falls nicht existieren. Trotz­dem hoffe ich natür­lich, dass es einiger­maßen anschaulich war.

Für mehr Anschaulichkeit soll­ten wir aber eine real existierende Action­szene von vorn bis hin­ten durchge­hen, zum Beispiel das Quid­ditch-Finale in Har­ry Pot­ter und der Gefan­gene von Ask­a­ban. Deswe­gen wird es dem­nächst einen Livestream dazu geben. Leg Dich also ruhig schon mal auf die Lauer!

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