Heldengruppen

Heldengruppen

Man­che Her­aus­for­de­run­gen sind zu groß für einen Ein­zel­kämp­fer. Und des­we­gen stellt sich ihnen nicht nur ein Held, son­dern ein gan­zes Team von Hel­den, die zusam­men­ar­bei­ten und sich gegen­sei­tig ergän­zen. Wie macht man eine sol­che Hel­den­grup­pe also inter­es­sant? Wie ent­ste­hen span­nen­de team­in­ter­ne Kon­flik­te? Und wie hängt das mit dem zen­tra­len The­ma der Geschich­te zusammen?

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Der Held einer Geschich­te ist nicht immer auf sich allein gestellt. Oft steht ihm eine Grup­pe von Ver­bün­de­ten zur Sei­te, die ihn durch ihre indi­vi­du­el­len Eigen­schaf­ten ergän­zen und für eine inter­es­san­te Grup­pen­dy­na­mik sor­gen. Und manch­mal gibt es auch kei­nen ein­zi­gen zen­tra­len Hel­den, son­dern die Geschich­te gehört meh­re­ren Hel­den gleichermaßen.

Über ein gutes Zusam­men­spiel von Figu­ren haben wir bereits in einem frü­he­ren Arti­kel gespro­chen. Doch da ging es eher um Prot­ago­nis­ten, Ver­bün­de­te, Oppo­nen­ten und Sub­plot-Figu­ren. Heu­te befas­sen wir uns spe­zi­el­ler mit dem Prot­ago­nis­ten und sei­nen engs­ten Ver­bün­de­ten bzw., wie gesagt, mit einer Grup­pe von meh­re­ren Protagonisten.

Wie erschafft man also ein viel­sei­ti­ges Team? Wie kre­iert man inter­es­san­te team­in­ter­ne Kon­flik­te? Und wozu über­haupt eine Heldengruppe?

Dar­über spre­chen in die­sem Artikel.

Der Zweck von Heldengruppen

Inner­halb der Geschich­te selbst bil­det sich ein Team aus den­sel­ben Grün­den, aus denen Men­schen auch im rea­len Leben zusammenarbeiten:

Sie ver­fol­gen ein gemein­sa­mes Ziel, das zu groß ist, um es allein anzu­ge­hen: Jeder bringt sei­ne indi­vi­du­el­len Fähig­kei­ten mit, sie ergän­zen sich gegen­sei­tig und sind zusam­men stär­ker, intel­li­gen­ter und hand­lungs­fä­hi­ger als ein Mensch allein es je sein könnte.

So oder so ähn­lich. Denn Teams sind extrem unter­schied­lich. Von einer Grup­pe von Frem­den, die zufäl­lig gemein­sam in einer miss­li­chen Situa­ti­on ste­cken und zusam­men­ar­bei­ten müs­sen, um die miss­li­che Situa­ti­on zu über­le­ben, bis hin zu sorg­fäl­tig zusam­men­ge­stell­ten Hel­den­teams, die die Welt ret­ten sol­len, ist alles möglich.

Wenn man aber als Autor eine Geschich­te ent­wi­ckelt, ist die Zusam­men­stel­lung des Teams nie­mals zufäl­lig. Zumin­dest, wenn man ein guter Autor ist. Denn um den Arti­kel über die Figu­ren-Kon­stel­la­ti­on kurz zu zitieren:

Eine gute Figu­ren-Kon­stel­la­ti­on ist in ers­ter Linie ein Netz von Figu­ren, die sich durch ihre Zie­le, Wer­te, Schwä­chen, Bedürf­nis­se und ihre Rol­le inner­halb der Geschich­te und inner­halb der fik­ti­ven Welt gegen­sei­tig ergän­zen und her­aus­for­dern.

Wich­tig ist dabei vor allem das zen­tra­le The­ma der Geschich­te, denn idea­ler­wei­se ver­kör­pern Neben­fi­gu­ren gene­rell und Mit­glie­der eines Hel­den­teams ganz beson­ders ver­schie­de­ne Aspek­te des zen­tra­len The­mas:

Wenn die Geschich­te sich zum Bei­spiel dar­um dreht, dass der Held Fritz­chen ein Pro­blem mit Auto­ri­tä­ten hat, wür­den sei­ne Mit­strei­ter etwas deplat­ziert wir­ken, wenn ihre jewei­li­gen Sub­plots nichts damit zu tun hät­ten. Um also ein orga­ni­sches, zusam­men­hän­gen­des Gan­zes zu erschaf­fen, könn­te man der Mit­strei­te­rin Lies­chen ein Trau­ma durch ihre auto­ri­tä­ren Eltern ver­pas­sen, den Mit­strei­ter Klaus zu einem über­zeug­ten Anar­chis­ten machen und Erna eine Ver­gan­gen­heit geben, in der sie als Auf­trags­kil­le­rin ihre Auf­trä­ge exakt so aus­ge­führt hat, wie befohlen.

Konfliktpotential

Wie Du sicher ahnst, hat prak­tisch jedes The­ma vie­le Aspek­te, die oft auch im Wider­spruch zuein­an­der ste­hen und dadurch Kon­flikt­po­ten­ti­al lie­fern. Mische noch ein paar ver­schie­de­ne Tem­pe­ra­men­te hin­zu – und Du hast eine explo­si­ve Mix­tur, bei der jede Figur über sich selbst hin­aus­wach­sen muss, damit das Team opti­mal funk­tio­nie­ren und das gemein­sa­me Ziel errei­chen kann:

  • Als Held der Geschich­te ist Fritz­chen der Anfüh­rer der Grup­pe, also eine Auto­ri­tät, obwohl er Auto­ri­tä­ten hasst, und als sol­che trig­gert er Lies­chens Kind­heits­trau­ma, hat stän­dig Zoff mit Klaus und kann sich nur auf Erna zu hun­dert Pro­zent ver­las­sen, obwohl sie ihm ziem­lich gro­ße Angst macht. Um ein guter Anfüh­rer zu wer­den, muss er sich also mit sei­ner Rol­le arran­gie­ren und sei­ne Auto­ri­tät geschickt ein­set­zen, um für ein fried­li­ches Mit­ein­an­der zu sor­gen und somit eine pro­duk­ti­ve Zusam­men­ar­beit zu ermöglichen.
  • Lies­chen ist eine genia­le Hacke­rin und als sol­che unheim­lich wert­voll fürs Team. Aber wenn ihr Trau­ma getrig­gert wird, kann sie sich nicht mehr kon­zen­trie­ren und macht fata­le Feh­ler. Aus Furcht vor Fritz­chens Zorn und Ernas Vor­wür­fen, nicht pro­fes­sio­nell genug zu sein, ver­steckt sie sich hin­ter Klaus, der Fritz­chen sei­nen Mit­tel­fin­ger ins Gesicht drückt. Sie muss also ler­nen, die Ver­gan­gen­heit ver­gan­gen sein zu las­sen, und ein­se­hen, dass sie kein macht­lo­ses klei­nes Mäd­chen mehr ist.
  • Klaus ist durch sei­ne Ver­gan­gen­heit als Ter­ro­rist ein Exper­te für Spreng­stoff und wür­de Fritz­chen, den er hasst, und Erna, die er ver­ach­tet, am liebs­ten in die Luft jagen. Allein das gemein­sa­me Ziel hält ihn davon ab. Und er merkt auch nicht, dass er Lies­chen kei­nen Gefal­len tut, wenn er sie beschützt, denn er bie­tet ihr eine Mög­lich­keit, sich vor ihren Pro­ble­men zu drü­cken. Damit das Team also gut funk­tio­nie­ren kann, muss Klaus begrei­fen, dass Auto­ri­tät nicht zwangs­läu­fig Tyran­nei bedeu­tet und Fritz­chen sein Bes­tes tut und dass Befeh­le aus­zu­füh­ren manch­mal durch­aus sinn­voll ist, zumin­dest in Situa­tio­nen, in denen kei­ne Zeit für Dis­kus­sio­nen ist.
  • Erna ist in den Jah­ren als Auf­trags­kil­le­rin zu einer kal­ten Maschi­ne ver­kom­men und beur­teilt Men­schen nach ihrer Leis­tungs­fä­hig­keit. Obwohl sie Fritz­chen wider­spruchs­los gehorcht, hält sie ihn für einen schwa­chen Anfüh­rer. Lies­chen ist in ihren Augen eine Lose­rin und Klaus ein wahn­haf­ter Träu­mer, der ein­fach nicht erwach­sen wird. Damit sie mit ihren Mit­strei­tern als Team funk­tio­nie­ren kann, muss sie das Mensch­li­che in ihnen und in sich selbst akzep­tie­ren, ihren eige­nen frei­en Wil­len ent­de­cken und ihn auch äußern und außer­dem ler­nen, sich auf emo­tio­na­le, fehl­ba­re Mit­men­schen zu ver­las­sen, so unvor­her­seh­bar sie auch sein mögen. Sie muss also ler­nen frei zu sein und die Frei­heit ande­rer Men­schen zu respektieren.

Dialoge

Eine wich­ti­ge Rol­le spie­len bei den Kon­flik­ten vor allem Dia­lo­ge. Denn hier gera­ten die unter­schied­li­chen Aspek­te des zen­tra­len The­mas anein­an­der und kön­nen genau­er unter die Lupe genom­men wer­den:

  • Wäh­rend eines Streits begrei­fen Fritz­chen und Klaus, dass ihre Mei­nun­gen eigent­lich ziem­lich dicht bei­ein­an­der lie­gen. Denn Fritz­chen mag Auto­ri­tä­ten ja auch nicht, aber er muss sei­ne Auto­ri­tät durch­set­zen, damit das Team hand­lungs­fä­hig ist. Aus dem Rebell Klaus wird plötz­lich ein Ver­bün­de­ter, aus dem Tyran­nen Fritz­chen ein über­for­der­ter, aber im Grun­de guter Kerl, der die Indi­vi­dua­li­tät eines jeden Team­mit­glieds in sei­ne Ent­schei­dun­gen ein­be­zie­hen möchte.
  • Durch ihre Inter­ak­tio­nen mit Lies­chen begreift Erna, dass sie ihre eige­nen Trau­ma­ta nicht über­wun­den, son­dern nur hin­ter ihrer abso­lu­ten Auto­ri­täts­hö­rig­keit ver­steckt hat. Aus den bei­den so gegen­sätz­li­chen Damen wer­den bes­te Freun­din­nen, die sich über ihre Trau­ma­ta aus­tau­schen und mer­ken, dass Lies­chens Schreck­haf­tig­keit und Ernas Käl­te ein­fach nur Sym­pto­me ein und des­sel­ben Pro­blems sind.

Dia­lo­ge machen das Gan­ze auch inso­fern inter­es­san­ter, als dass sie in der Regel zeit­de­ckend sind, d. h. in „Echt­zeit“ statt­fin­den, und daher inter­es­san­ter zu lesen sind als end­lo­ses Gedan­ken­krei­sen einer Figur:

Einen Streit zwi­schen den vier Hel­den zu lesen, in dem jeder sei­ne eige­nen, indi­vi­du­el­len Argu­men­te ein­bringt und zugleich mit sei­nen Dämo­nen kämpft, ist ein­fach viel span­nen­der als ein ana­ly­ti­scher Gedan­ken­mo­no­log Fritz­chens, in dem er die Vor- und Nach­tei­le einer bestimm­ten Stra­te­gie abwägt.

Repräsentation

Abge­se­hen von den ver­kör­per­ten Aspek­ten des zen­tra­len The­mas, den indi­vi­du­el­len Fähig­kei­ten und dem Kon­flikt­po­ten­ti­al haben vie­le Geschich­ten auch noch einen wei­te­ren Unter­schied­lich­keits­fak­tor, der im World-Buil­ding ver­an­kert ist:

  • Geht es in Har­ry Pot­ter zum Bei­spiel stark um die „Rein­blü­tig­keit“ und „Mug­gel­stäm­mig­keit“ von Zau­be­rern, dann besteht das gol­de­ne Trio aus einem Halb­blut (Har­ry), einem Rein­blut (Ron) und einer Mug­gel­stäm­mi­gen (Her­mi­ne).
  • Geht es im Herrn der Rin­ge um den Krieg der Frei­en Völ­ker gegen Sau­ron, dann reprä­sen­tiert die Zusam­men­stel­lung der Gefähr­ten jedes der Frei­en Völ­ker: Men­schen, Elben, Zwer­ge und Hob­bits. Plus Zauberer.
  • Geht es in Ava­tar – Der Herr der Ele­men­te um vier Typen von Ele­ment­ma­gie, dann besteht das Hel­den­team aus einem Luft­bän­di­ger, einer Was­ser­bän­di­ge­rin, einer Erd­bän­di­ge­rin, einem Feu­er­bän­di­ger und einem Nichtbändiger.

Funktionen der Gruppenmitglieder

Damit ein Team aber wirk­lich eine Daseins­be­rech­ti­gung hat, müs­sen sich die Mit­glie­der, wie gesagt, durch ihre Fähig­kei­ten gegen­sei­tig ergän­zen. Natür­lich kann es vie­le unter­schied­li­che Arten von Teams geben und von einer gan­zen Kampf­ein­heit von Sol­da­ten oder einer Schul­klas­se bis hin zu einem klei­nen Team mit stark aus­ge­präg­ten indi­vi­du­el­len Eigen­schaf­ten ist alles mög­lich. Auch kann ein Team sowohl aus Außen­sei­tern als auch aus Eli­te­kämp­fern bestehen. Es kommt immer auf die Geschich­te an.

Wich­tig ist aber, dass jedes (wich­ti­ge­re) Grup­pen­mit­glied etwas Ein­zig­ar­ti­ges bei­steu­ert.

Denn Figu­ren, die wie Klo­ne von­ein­an­der wir­ken, sind unin­ter­es­sant, lang­wei­lig und daher auch über­flüs­sig. Sie kön­nen (und soll­ten) in der Regel pro­blem­los gestri­chen werden.

Orientierungspunkt: Five-Man Band

Ein guter Ori­en­tie­rungs­punkt für die Funk­tio­nen inner­halb einer Grup­pe ist der Topos der Five-Man Band. Die­se besteht – wie der Name bereits andeu­tet – aus fünf Mitgliedern:

  • Der Held /​ Anfüh­rer: Er ist meis­tens der Prot­ago­nist der Geschich­te, das Epi­zen­trum des Haupt­kon­flikts und sei­ne Ent­schei­dun­gen trei­ben den Plot vor­an. Wenn es einen Aus­er­wähl­ten gibt, dass ist er der Auserwählte.
  • Die Kon­trast­fi­gur: Sie ist das Gegen­teil des Prot­ago­nis­ten und erfüllt oft die Funk­ti­on eines Riva­len. Ist der Prot­ago­nist ein strah­len­der Held, ist die Kon­trast­fi­gur häu­fig ein Anti­held. Ist der Prot­ago­nist ein Anti­held, ist die Kon­trast­fi­gur die Per­so­ni­fi­ka­ti­on aller Moral. Jeden­falls hat sie oft einen alter­na­ti­ven Stand­punkt und wider­spricht dem Hel­den. Wenn es eine roman­ti­sche Neben­hand­lung gibt, dann kon­kur­rie­ren der Held und die Kon­trast­fi­gur typi­scher­wei­se um das Herz des Love-Inte­rests. Den­noch sind die bei­den die engs­ten Freun­de der gesam­ten Grup­pe. Alter­na­tiv kann die Kon­trast­fi­gur aber auch der alte, wei­se Men­tor eines jun­gen, nai­ven Hel­den sein. Oder die Vater­fi­gur des Hel­den. Oder, oder, oder …
  • Die Kampf­ma­schi­ne: Rohe Gewalt ist ihre Spe­zia­li­tät. Häu­fig gebaut wie ein Schrank, erle­digt sie, wenn es blu­tig wird, meis­tens den Groß­teil der „Drecks­ar­beit“. Alter­na­tiv kann sie auch ein nor­mal gebau­ter Waf­fen­spe­zia­list oder ein Nin­ja sein. Wenn es im Team jeman­den gibt, der nicht sehr hel­le ist, dass ist das meis­tens die Kampfmaschine.
  • Die Intel­li­genz­bes­tie: Sie ist ein wan­deln­des Lexi­kon, ein gran­dio­ser Stra­te­ge und/​oder ein genia­ler Wis­sen­schaft­ler. Sie unter­stützt das Team durch Infor­ma­ti­on und Ana­ly­se und vor­sich­ti­ges, durch­dach­tes Vor­ge­hen. Sie ist ger­ne auch für einen guten Teil der Expo­si­ti­on zuständig.
  • Das Sen­si­bel­chen: Es ist häu­fig das schwächs­te Mit­glied des Teams. Zart und emo­tio­nal, ist es weni­ger für offen­si­ve Aktio­nen geeig­net und küm­mert sich eher um den Zusam­men­halt der Grup­pe. Es leis­tet den ande­ren mora­li­schen Bei­stand und hat manch­mal auch Heil­fä­hig­kei­ten. Tra­di­tio­nell ist das Sen­si­bel­chen die ein­zi­ge Frau in der Grup­pe und wenn es ein Lie­bes­drei­eck gibt, ist sie der Love-Inte­rest des Anfüh­rers und der Kontrastfigur.

So viel zu den archai­schen Arche­ty­pen. Die­se müs­sen aber natür­lich nicht wört­lich umge­setzt wer­den und die­nen – wie gesagt – eher der Ori­en­tie­rung. So gibt es auch Five-Man Bands, die kom­plett weib­lich besetzt sind, und es gibt vie­le Teams, in denen die Figu­ren zwar im Grun­de den Arche­ty­pen ent­spre­chen, aber den­noch inter­es­san­te und viel­schich­ti­ge Per­sön­lich­kei­ten haben.

Beim Topos der Five-Man Band kommt es viel­mehr dar­auf an, wel­che Funk­tio­nen in einem Team auf die eine oder ande­re Wei­se abge­deckt sein soll­ten:

Ein Team braucht einen Anfüh­rer, jeman­den, der mit dem Anfüh­rer dis­ku­tiert, einen Kampf­spe­zia­lis­ten, einen Den­ker und einen Psy­cho­the­ra­peu­ten bzw. einen Arzt oder Heiler.

Abweichende Teams

Die­se Funk­tio­nen müs­sen auch nicht unbe­dingt auf fünf ver­schie­de­ne Figu­ren ver­teilt sein, son­dern eine Figur kann meh­re­re Funk­tio­nen erfül­len oder meh­re­re Figu­ren kön­nen Teil­funk­tio­nen über­neh­men:

  • Sowohl die ehe­ma­li­ge Auf­trags­kil­le­rin Erna als auch der Spreng­stoff­ex­per­te Klaus erfül­len die Kämpf­er­funk­ti­on. Ihre Spe­zia­li­sie­run­gen sind jedoch kom­plett unter­schied­lich: Klaus ist für Mas­sen­zer­stö­rung zustän­dig und Erna wird eher ein­ge­setzt, wenn die Geg­ner still außer Gefecht gesetzt wer­den müssen.
  • Die Hacke­rin Lies­chen wie­der­um ver­eint in sich den Arche­typ der Intel­li­genz­bes­tie und des Sen­si­bel­chens. Nur, dass sie zumin­dest zu Beginn der Geschich­te kei­ne gute Psy­cho­the­ra­peu­tin ist. Viel­mehr ist es Fritz­chen, der in die­se Rol­le hin­ein­wach­sen muss, um sei­ne Team­mit­glie­der zu ver­ste­hen und ein guter Anfüh­rer zu sein.

Je nach Geschich­te kön­nen ein­zel­ne Funk­tio­nen natür­lich auch kom­plett weg­fal­len oder sich in ande­rer, nicht kämp­fe­ri­scher Wei­se äußern. Wenn es bei­spiels­wei­se um eine Rock­band geht, dann wird die zuschla­gen­de Kampf­ma­schi­ne eben zum Schlag­zeu­ger. Dei­ner Krea­ti­vi­tät sol­len kei­ne Gren­zen gesetzt sein. Solan­ge jedes Team­mit­glied etwas Ein­zig­ar­ti­ges bei­trägt, ist alles in Ordnung.

Gleichberechtigte Protagonisten

Was ist aber, wenn es meh­re­re Prot­ago­nis­ten gibt? Sie kön­nen ja nicht alle Anfüh­rer sein. Und das müs­sen sie auch nicht: Wenn die Figu­ren inter­es­sant und gut her­aus­ge­ar­bei­tet sind, dann fal­len ihre arche­ty­pi­schen Funk­tio­nen inner­halb des Teams weni­ger auf.

Beach­te dabei aller­dings, dass meh­re­re gleich­be­rech­tig­te Prot­ago­nis­ten den Schwie­rig­keits­grad beim Schrei­ben dras­tisch erhö­hen: Denn bei einem Prot­ago­nis­ten reicht es in der Regel aus, wenn er allein eine inter­es­san­te Ent­wick­lung – bei­spiels­wei­se eine Hel­den­rei­se – durch­macht. Wenn Du aber meh­re­re gleich­be­rech­tig­te Prot­ago­nis­ten hast, dann musst Du dem­entspre­chend auch meh­re­re Cha­rak­ter­ent­wick­lun­gen jon­glie­ren und inter­es­sant halten.

  • Was dabei hilft, ist ein epi­so­discher Plot, bei dem vie­le klei­ne­re Geschich­ten erzählt wer­den und der Schwer­punkt von einer Figur zur ande­ren wan­dert. Oder eine Struk­tur, bei der jede Figur ihr eige­nes Kapi­tel bekommt. Es geht ein­fach dar­um, sich als Autor nicht auf das Innen­le­ben aller Figu­ren gleich­zei­tig kon­zen­trie­ren zu müs­sen. Es ist jedoch nur eine Hil­fe­stel­lung und die Erzäh­lung muss nicht unbe­dingt so gehand­habt werden.
  • Eine ande­re inter­es­san­te Her­an­ge­hens­wei­se ist, die Figu­ren bewusst in Arche­ty­pen zu pres­sen, damit sie spä­ter dar­aus aus­bre­chen kön­nen. So bekommt der Leser sehr schnell einen ers­ten Über­blick, wer wer ist, und lernt die Figu­ren im Ver­lauf der Geschich­te bes­ser und vor allem als viel­schich­ti­ge Indi­vi­du­en kennen.

Doch wel­chen Weg Du auch wählst:

Ach­te bei gleich­be­rech­tig­ten Prot­ago­nis­ten beson­ders stark dar­auf, dass sie unter­schied­lich sind. Dass ihre Per­spek­ti­ven sich unter­schied­lich lesen. Über­haupt musst Du in einem sol­chen Fall mit der Erzähl­per­spek­ti­ve beson­ders sorg­fäl­tig arbei­ten. Doch dazu mehr in einem ande­ren Arti­kel.

Sonderfall: Zweiergespann

Ein beson­de­rer Fall liegt vor, wenn das Team nur aus zwei Leu­ten besteht: Das kann ein Lie­bes­paar sein, zwei Freun­de oder sogar Fami­li­en­mit­glie­der. Haupt­sa­che zwei Leu­te. Denn sie bil­den die pri­mä­re Oppo­si­ti­on, den zen­tra­len Kon­flikt, und alle ande­ren Kon­flik­te sind sekundär.

Beim Zwei­er­team geht es mehr als bei allen ande­ren Grup­pen­ty­pen um die Bezie­hung. Denn vergleiche:

  • Teams wie in Ava­tar – Der Herr der Ele­men­te, wie die Gefähr­ten im Herrn der Rin­ge oder wie die Mus­ke­tie­re von Dumas kämp­fen in der Regel gegen äuße­re Oppo­nen­ten. Sie haben ihre inne­ren Oppo­si­tio­nen, doch der pri­mä­re Kon­flikt liegt meis­tens außer­halb des Teams.
  • In Goofy – Der Film geht es um die Bezie­hung zwi­schen Goofy und sei­nem Sohn Max. In den Fil­men mit Bud Spen­cer und Terence Hill geht es jedes Mal um ein ande­res Aben­teu­er, doch der „Star“ eines jeden die­ser Fil­me ist die Dyna­mik zwi­schen den bei­den Haupt­fi­gu­ren und die äuße­ren Kon­flik­te sind nur ein Vor­wand, um die bei­den zusam­men in Akti­on zu sehen. Und Fif­ty Shades of Grey wäre nicht ansatz­wei­se so erfolg­reich gewor­den, wenn es nicht pri­mär um die Oppo­si­ti­on zwi­schen Ana und Chris­ti­an gin­ge bzw. um ihre ver­schie­de­nen Vor­stel­lun­gen von einer Liebesbeziehung.

Das ist aber natür­lich kei­ne Regel, son­dern nur eine Beob­ach­tung mei­ner­seits. Natür­lich gibt es auch Geschich­ten, in denen es pri­mär um die Bezie­hung zwi­schen drei Figu­ren geht, und sol­che, in denen zwei Prot­ago­nis­ten ohne inter­ne Kon­flik­te einen äuße­ren Feind besie­gen. Ich bil­de mir nur ein, eine Ten­denz zu beob­ach­ten, die oft tat­säch­lich zu einem bes­se­ren – oder zumin­dest erfolg­rei­che­ren – Ergeb­nis führt.

Stüt­zen kann ich mich im Übri­gen auch auf John Tru­by, der in The Ana­to­my of Sto­ry emp­fiehlt, das Duo als Hälf­ten eines Prot­ago­nis­ten zu gestal­ten und den bei­den Haupt­fi­gu­ren grund­ver­schie­de­ne Vor­stel­lun­gen vom Leben und unter­schied­li­che Fähig­kei­ten zu geben.

Idea­ler­wei­se sind sie also Ver­bün­de­te und Oppo­nen­ten zugleich, im Kon­flikt mit­ein­an­der und zie­hen doch am sel­ben Strang. Sie ergän­zen sich gegen­sei­tig und sind als Gan­zes stär­ker und inter­es­san­ter als jeder für sich allein.

Teams und Persönlichkeiten

Wenn es aber um Bezie­hun­gen geht, stellt sich auch schnell die Fra­ge nach Per­sön­lich­keits­ty­pen und ihrer Kom­pa­ti­bi­li­tät. Aller­dings muss ich Lieb­ha­ber von Per­sön­lich­keits­mo­del­len ziem­lich enttäuschen,

denn der Per­sön­lich­keits­typ, das Stern­zei­chen oder was auch immer bestimmt nicht, wie zwei Men­schen mit­ein­an­der aus­kom­men. Viel­mehr kommt es dar­auf an, wie die bei­den Indi­vi­du­en mit ihren spe­zi­el­len Unter­schie­den umge­hen.

Und das kann sehr unter­schied­lich aus­fal­len: Ein Mensch kann alle, die nicht so ticken wie er selbst, mit Vor­ur­tei­len zukle­is­tern oder aber die Stär­ken ande­rer Men­schen schät­zen. Das hängt stets vom Indi­vi­du­um selbst und sei­ner Vor­ge­schich­te ab.

Du kannst natür­lich die Per­sön­lich­keits­ty­pen Dei­ner Figu­ren ermit­teln und recher­chie­ren, wie sie typi­scher­wei­se mit­ein­an­der aus­kom­men müssten.

Doch die­se Beschrei­bun­gen von Bezie­hun­gen zwi­schen den ver­schie­de­nen Per­sön­lich­keits­ty­pen sind in der Regel sehr all­ge­mein und kön­nen und soll­ten nicht unhin­ter­fragt auf rea­le Men­schen oder kom­ple­xe fik­ti­ve Figu­ren ange­wen­det wer­den. Sie bie­ten höchs­tens Anre­gun­gen, wie die Dyna­mik zwi­schen zwei Figu­ren aus­se­hen könn­te. Was Du davon umsetzt und wie, bleibt allein Dir überlassen.

Ähn­li­ches lässt sich auch über die Kom­bi­na­ti­on von Per­sön­lich­keits­ty­pen und bestimm­ten Funk­tio­nen inner­halb der Grup­pe sagen. Wie Du bereits gemerkt hast, sind die Arche­ty­pen inner­halb der Five-Man Band oft mit bestimm­ten Kli­schees belas­tet. Sicher­lich sind auch die meis­ten Intel­li­genz­bes­ti­en, die Du kennst, intro­ver­tier­te Bril­len­trä­ger und die meis­ten Kampf­ma­schi­nen etwas dümm­li­che Rie­sen. Das muss aber nicht so sein: Das Sen­si­bel­chen der Grup­pe kann auch ein bad­as­si­ger Kämp­fer sein und die Intel­li­genz­bes­tie ein extra­ver­tier­ter Witzbold.

Set­ze Dir selbst also bit­te kei­ne Schranken!

Beob­ach­te lie­ber, wel­che Grund­zü­ge sich beim Kon­zi­pie­ren der Geschich­te abzeich­nen, und nut­ze die Per­sön­lich­keits­ty­po­lo­gien für die Detail­ar­beit:

Wenn ich zum Bei­spiel bestimmt habe, dass Lies­chen Angst vor Auto­ri­tä­ten haben soll, dann kann ich mir als Ursa­che ein ent­spre­chen­des Trau­ma aus­den­ken. Und dann kann ich mir über­le­gen, wel­che Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten sie mit­brin­gen muss, damit das Gan­ze funk­tio­niert: So hat sie sich von ihren Eltern unter­drü­cken las­sen, wäh­rend man­che ande­ren Kin­der eher rebel­lie­ren. Daher wird sie von ihrer Grund­kon­fi­gu­ra­ti­on her wahr­schein­lich nach­gie­big und kom­pro­miss­be­reit sein. Ab hier kann ich mir die ver­schie­de­nen Per­sön­lich­keits­ty­pen, Stern­zei­chen etc. anschau­en und mich zu klei­ne­ren Cha­rak­ter­de­tails inspi­rie­ren las­sen. Zum Bei­spiel könn­te ich mir über­le­gen, ob sie vom Stern­zei­chen her nicht Jung­frau sein könn­te, bieg­sam und anpas­sungs­fä­hig, eher ruhig und sehr gewis­sen­haft und genau. Letz­te­res könn­te ein wich­ti­ger Fak­tor sein, war­um sie eine so gute Hacke­rin ist: Ihr ent­geht ein­fach kein Detail, kein Schlupf­loch, kein Hin­ter­tür­chen. Die ande­ren Team­mit­glie­der mögen ihr mit Vor­ur­tei­len begeg­nen und ihr auf­grund von ihrer stil­len, schüch­ter­nen Art die Kom­pe­tenz abspre­chen, aber ihr auf­merk­sa­mes Auge ent­deckt in Fritz­chens Plan einen ent­schei­den­den Feh­ler, der das Team das Leben kos­ten wür­de. Die­ser Moment könn­te der Punkt sein, an dem die ande­ren an ihren Vor­ur­tei­len zu zwei­feln begin­nen. Lies­chen selbst könn­te dadurch ihren Wert fürs Team ent­de­cken und ein wenig Selbst­be­wusst­sein gewinnen.

Die indi­vi­du­el­len Details einer Per­sön­lich­keit sind im Übri­gen auch das bes­te Mit­tel gegen Kli­schees. Benut­ze ruhig Arche­ty­pen, um die all­ge­mei­ne Rich­tung der Per­sön­lich­keit einer Figur zu bestim­men. Nut­ze sie für das „Ske­lett“. Doch mache das „Fleisch“ individuell:

Gib der Figur eine inter­es­san­te Hin­ter­grund­ge­schich­te, stat­te sie mit einer indi­vi­du­el­len Moti­va­ti­on, höchst eige­nen Schwä­chen, einem tie­fen inne­ren Bedürf­nis und einer span­nen­den Ent­wick­lung aus. Soll hei­ßen: Gib ihr Schich­ten, Facet­ten, eine glaub­wür­di­ge Persönlichkeit.

Fazit

Wir hal­ten also fest:

Hel­den­grup­pen sind ein gutes Tool, um ein The­ma viel­sei­tig zu betrach­ten und span­nen­de Kon­flik­te und Ent­wick­lun­gen ein­zu­bau­en. Außer­dem kann eine Grup­pe von unter­schied­lich aus­ge­stat­te­ten und begab­ten Hel­den grö­ße­re Her­aus­for­de­run­gen meis­tern als ein Ein­zel­kämp­fer.

Um nun als Autor ein inter­es­san­tes Team zu kre­ieren, sind fol­gen­de Schrit­te denkbar:

  • 1. Arbei­te ein zen­tra­les The­ma heraus.
  • 2. Wäh­le Aspek­te des The­mas, die Du näher beleuch­ten möch­test, und mache für jeden Aspekt einen gro­ben Ent­wurf für eine Figur.
  • 3. Gib jeder Figur eine inter­es­san­te Per­sön­lich­keit, eine Hin­ter­grund­ge­schich­te, eine nach­voll­zieh­ba­re Moti­va­ti­on etc.
  • 4. Arbei­te die Wider­sprü­che zwi­schen den Figu­ren und den Teil­aspek­ten des Haupt­the­mas, die sie reprä­sen­tie­ren, her­aus und ver­ar­bei­te sie zu Kon­flik­ten.
  • 5. Löse die Kon­flik­te im Ver­lauf der Hand­lung auf. Weil die Figu­ren ja Aspek­te des zen­tra­len The­mas reprä­sen­tie­ren, wer­den ihre Kon­flik­te und deren Auf­lö­sung auto­ma­tisch zu einer Dis­kus­si­on des zen­tra­len The­mas.

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