Böse Berater und andere „Giftträufler“

Böse Berater und andere „Giftträufler“

Nicht immer kommt das „Böse“ von außen. Manch­mal kom­men die Übel­tä­ter aus den eige­nen Rei­hen. Mit schlech­tem Rat und Hin­ter­list „ver­gif­ten“ sie Herr­scher, gan­ze Rei­che oder auch ein­fach nur ein­zel­ne Figu­ren. Doch kön­nen sol­che „Gift­träuf­ler“ auch leicht in die Kli­schee­fal­le tap­pen. Schau­en wir uns also an, wie man die­sen Figu­ren­typ gut umsetzt!

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Dunk­ler Lord? – Viel zu sim­pel! Wie wäre es statt­des­sen mit einer Gift­schlan­ge in den Rei­hen der „Guten“?

In der Krea­tiv­Crew wur­de näm­lich der drin­gen­de Wunsch geäu­ßert, über den „Gift­träuf­ler“ zu reden. Gemeint sind dabei Figu­ren wie Wurm­schwanz in Har­ry Pot­ter oder Grí­ma Schlan­gen­zun­ge im Herrn der Rin­ge. Oder auch Long Feng aus Ava­tar – Der Herr der Ele­men­te oder Dscha­far aus Alad­din.

Also Figu­ren, die die Rei­hen der „Guten“ mit ihrem „Gift“ schwä­chen. – Ob sie nun in eige­nem Inter­es­se han­deln oder einem ande­ren Ant­ago­nis­ten dienen.

Nun gibt es aber vie­le Arche­ty­pen und Kli­schees, die in die­se Rich­tung gehen. Neh­men wir heu­te also das brei­te Spek­trum die­ser zwie­lich­ti­gen Typen unter die Lupe!

Böser Berater

Der Arche­typ, der den „Gift­träuf­ler“ wohl am meis­ten ver­kör­pert, ist der Böse Berater:

Er ist der Mann hin­ter einem an sich eigent­lich guten Herr­scher, den er mani­pu­liert oder ander­wei­tig nega­tiv beein­flusst.

So machen bei­spiels­wei­se die Ein­flüs­te­run­gen von Grí­ma Schlan­gen­zun­ge den eigent­lich edlen und guten König Thé­o­den zu einem schwa­chen Greis, der sei­nem Bera­ter förm­lich aus der Hand frisst.

Oft reicht der Ein­fluss des Bösen Bera­ters sogar so weit, dass er der eigent­li­che Macht­ha­ber im Land ist.

Das ist bei­spiels­wei­se bei Long Feng der Fall, der mit sei­nen Geheim­agen­ten ganz Ba Sing Se kon­trol­liert. Wäh­rend­des­sen übt der jun­ge König nur rein reprä­sen­ta­ti­ve Funk­tio­nen aus und ahnt nicht, dass Long Feng einen hun­dert­jäh­ri­gen Krieg vor ihm verheimlicht.

Im Übri­gen muss der Böse Bera­ter natür­lich nicht unbe­dingt ein Bera­ter sein. Je nach dem, in wel­cher Welt die Geschich­te spielt, kann das auch ein Minis­ter, ein hoch­ran­gi­ger Pries­ter, ein Sena­tor oder ein Hof­ma­gi­er sein. Solan­ge sei­ne Gift­zun­ge den Herr­scher erreicht, sind Dei­ner Fan­ta­sie kei­ne Gren­zen gesetzt.

Verwandte des Bösen Beraters

Nun fal­len aber nicht nur Herr­scher und Staa­ten „Gift­täuf­lern“ zum Opfer und es gibt ver­wand­te Arche­ty­pen, die mit dem Bösen Bera­ter manch­mal ein­her­ge­hen. Hier eini­ge wich­ti­ge Beispiele:

Maulwurf

Da hät­ten wir als ers­tes den Maulwurf,

der sich in die eige­nen Rei­hen gemischt hat, aber in Wirk­lich­keit für die Gegen­sei­te arbei­tet.

Dabei ist der Maul­wurf nicht per se ein „Gift­träuf­ler“, denn er kann zum Bei­spiel auch ein „Guter“ sein, der die Armee der Fins­ter­nis aus­spio­niert. Doch sobald ein Böser Bera­ter für jemand ande­ren arbei­tet als sich selbst, wird er sehr schnell zu einem bösen Maulwurf.

Das ist bei­spiel­wei­se bei dem bereits erwähn­ten Grí­ma der Fall, der in Wirk­lich­keit für den Zau­be­rer Sar­uman arbeitet.

Nun kann ein Maul­wurf aber auch bei­den Sei­ten zugleich als Maul­wurf die­nen: Bei­de Sei­ten hal­ten ihn für ihren eige­nen Agen­ten, doch sei­ne eigent­li­che Loya­li­tät ist Außen­ste­hen­den in Wirk­lich­keit unbe­kannt. Das macht ihn zum Dop­pel­agen­ten – und das ist schon ein eige­nes The­ma für sich.

Verräter

Nicht immer jedoch arbei­ten Gift­schlan­gen von Anfang an für die Gegenseite:

Man­che arbei­ten ein­fach für ihren eige­nen Vor­teil.

Bei­spiels­wei­se Petyr Bae­lish im Lied von Eis und Feu­er, der Ned Stark im ers­ten Band mit gutem Rat zur Sei­te zu ste­hen scheint. Statt Ned jedoch, wie ver­spro­chen, zu hel­fen, hin­ter­geht er ihn. Spä­ter stellt sich außer­dem her­aus, dass er hin­ter zahl­rei­chen wei­te­ren Intri­gen steckt und für eini­ge der größ­ten Kon­flik­te zwi­schen den ade­li­gen Häu­sern von Wes­teros gesorgt hat.

Auch gibt es Schön­wet­ter­freun­de, die ehr­lich auf der Sei­te der „Guten“ sind – aber nur solan­ge alles gut läuft. Denn sobald das Blatt sich wen­det, wech­seln sie auf die Gegenseite.

Zu beob­ach­ten am Bei­spiel von Wurm­schwanz, der sei­ne lang­jäh­ri­gen Schul­freun­de ver­rät, als er die Macht von Lord Vol­de­mort sieht.

Es gibt vie­le Grün­de, war­um Figu­ren – und Men­schen gene­rell – zu Ver­rä­tern wer­den. Doch das genau aus­ein­an­der­zu­neh­men wür­de den Rah­men die­ses Arti­kels spren­gen. Des­we­gen wei­ter im Programm …

Satanischer Verführer

Ein Böser Bera­ter, der statt eines Staa­tes eine Per­son „ver­gif­tet“, fällt ger­ne in die Kate­go­rie des sata­ni­schen Verführers:

Sei­ne Ein­flüs­te­run­gen locken den Prot­ago­nis­ten auf die dunk­le Sei­te und ver­der­ben ihn mora­lisch.

Der bekann­tes­te Ver­tre­ter dürf­te da die buch­stäb­li­che Schlan­ge im Gar­ten Eden sein, die Eva ver­führ­te, die ver­bo­te­ne Frucht zu essen.

Rich­tig span­nend sind aber vor allem die sub­ti­len Sata­ne wie bei­spiels­we­se Hein­rich Vog­ler in Napo­la – Eli­te für den Füh­rer. Er ist Deutsch- und Sport­leh­rer an einem Inter­nat, an dem die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Eli­te her­an­ge­züch­tet wer­den soll. Als er auf das Box­ta­lent des Prot­ago­nis­ten Fried­rich auf­merk­sam wird, macht er ihm die Nazi-Eli­te­schu­le schmackhaft.

Potential

So viel zu den Erschei­nungs­for­men der „Gift­träuf­lers“. Doch wel­che Rol­le erfüllt so eine Figur inner­halb einer Geschichte?

Schwarz-Weiß verwischen

Zunächst erst­mal kann er das World-Buil­ding etwas kom­ple­xer, inter­es­san­ter und viel­schich­ti­ger aus­se­hen las­sen. – Zumin­dest ver­gli­chen mit rein schwarz-wei­ßen Welten.

Denn natür­lich ist der Böse Bera­ter in sehr vie­len Fäl­len auch sehr kli­schee­haft. Doch eine ver­dor­be­ne Krea­tur in den Rei­hen der „Guten“ ver­wischt das Schwarz-Weiß ein wenig.

Bonus­punk­te gibt es dabei, wenn die Figur selbst etwas kom­ple­xer ist:

So arbei­tet Grí­ma zwar für Sar­uman, aber letzt­end­lich ist er es, der ihn tötet. In den Fil­men ver­gießt er sogar eine Trä­ne, als das Ork­heer auf Helms Klamm los­mar­schiert. Er ist an sich also kein kom­plett böser Mensch.

Realitätsbezug

Auch schafft ein „Gift­träuf­ler“ – beson­ders in Form eines Bösen Bera­ters – einen Bezug zur Realität:

  • Wir alle wis­sen hof­fent­lich, dass die Men­schen an der Macht in der Regel nicht aus rei­ner Bos­heit han­deln, wenn sie zwei­fel­haf­te Ent­schei­dun­gen fäl­len. Die einen haben durch bestimm­te Lebens­um­stän­de zu einer destruk­ti­ven Ideo­lo­gie gefun­den, die ande­ren fol­gen ein­fach schlech­ten Rat­schlä­gen, bei­spiels­wei­se von Lobbyisten.
  • Zudem fal­len auch wir selbst als Pri­vat­per­so­nen fal­schen Freun­den und schlech­ten Ein­flüs­te­run­gen zum Opfer.

Mit all dem ver­kör­pern gut umge­setz­te „Gift­träuf­ler“ eine durch­aus rea­lis­ti­sche Gefahr und spie­len mit – teil­wei­se durch­aus begrün­de­ten – Ängs­ten des Lesers. Damit hat der „Gift­träuf­ler“ auch Poten­ti­al für Gesell­schafts­kri­tik:

In Full­me­tal Alche­mist (Brot­her­hood) ver­pes­tet Vater Cor­nel­lo die Gemü­ter der Stadt Lio­re und will die Bür­ger zu einer Armee von reli­giö­sen Fana­ti­kern machen. Sie sol­len die Regie­rung stür­zen und ihn an die Macht brin­gen. Dabei ist er aber auch selbst eine Mario­net­te einer viel grö­ße­ren Ver­schwö­rung. Damit warnt Full­me­tal Alche­mist (Brot­her­hood) vor blin­dem Glau­ben und for­dert zum selbst­stän­di­gen Den­ken auf.

Plot und Twists

Vor allem aber treibt ein guter „Gift­träuf­ler“ den Plot vor­an:

  • Sein „Gift“ erschafft Kon­flik­te,
  • er kor­rum­piert Figu­ren oder sogar gan­ze Staa­ten,
  • schwächt die „Guten“ und
  • schafft damit die Not­wen­dig­keit und auch die Grund­la­ge für per­sön­li­ches Wachs­tum ein­zel­ner Figu­ren und monu­men­ta­le poli­ti­sche Umbrü­che.

Dabei bie­tet er auch viel Raum für Plot-Twists:

  • So kann zum Bei­spiel die Ent­hül­lung von ihm als Mas­ter­mind im Hin­ter­grund einen Twist dar­stel­len, wenn die Figu­ren vor­her dach­ten, dass bei­spiels­wei­se der König die Macht hätte.
  • Aber der Twist kann auch dar­in bestehen, dass der ver­meint­li­che Meis­ter­ma­ni­pu­la­tor selbst mani­pu­liert wird.
  • Oder bei­des:

In Ava­tar – Der Herr der Ele­men­te zum Bei­spiel will die Hel­den­trup­pe ihr Anlie­gen dem Erd­kö­nig vor­tra­gen und ist geschockt, als sich her­aus­stellt, dass der Kul­tur­mi­nis­ter Long Feng der eigent­li­che Herr­scher ist. Spä­ter ver­kal­ku­liert sich Long Feng jedoch und wird von Azu­la, der Prin­zes­sin der feind­li­chen Feu­er­na­ti­on, über­lis­tet, aus­ge­nutzt und entmachtet.

Stolperfallen

Doch so toll gut gemach­te „Gift­träuf­ler“ auch sind, so ner­vig sind schlecht gemach­te Exemplare.

Bei­spiels­wei­se sind sol­che Figu­ren den gän­gi­gen Kli­schees nach durch ihr Äuße­res, ihr Ver­hal­ten oder bei­des sofort als „böse“ iden­ti­fi­zier­bar. Und noch kli­schee­haf­ter ist es, wenn außer den Hel­den nie­mand merkt, dass der unna­tür­lich blei­che, schlei­mi­ge oder ander­wei­tig offen­sicht­lich „böse“ Kerl nichts Gutes im Schil­de führt. Zumin­dest erscheint die Men­schen­kennt­nis von Herr­schern, die sol­che Ker­le zu ihren Bera­tern machen, mehr als zweifelhaft.

Pro­ble­ma­tisch kann auch kla­res mora­li­sches Schwarz-Weiß sein. Zwar kann der „Gift­träuf­ler“ das Schwarz-Weiß etwas ver­wi­schen – Doch wenn er kei­nem bösen Over­lord dient, son­dern selbst der eigent­li­che Ant­ago­nist ist, das ulti­ma­ti­ve Böse, das es aus­zu­rot­ten gilt, um alle Pro­ble­me der Welt zu lösen – Dann er er nicht kom­ple­xer als der typi­sche Dunk­le Lord.

Und nicht zuletzt ist ein „Gift­träuf­ler“ herz­lich sinn­los, wenn sein „Gift“ nicht irgend­wie mit den zen­tra­len The­men der Geschich­te zusam­men­hängt. Sei­ne Auf­ga­be ist es, den Prot­ago­nis­ten Hür­den in den Weg zu stel­len und den Plot vor­an­zu­trei­ben. Und wenn er das nicht tut, dann kann er noch so viel „Gift“ träu­feln wie er will: Er ist irrele­vant und gehört gestrichen.

Die bes­ten „Gift­träuf­ler“ sind also facet­ten­rei­che Figu­ren mit einer gut her­aus­ge­ar­bei­te­ten Moti­va­ti­on und for­dern die Prot­ago­nis­ten heraus.

Dabei wir­ken sie umso rea­lis­ti­scher, wenn ihre Moti­ve für den Leser nach­voll­zieh­bar sind und/​oder sie sogar Feh­ler machen. – Denn das macht sie menschlich.

Vor allem aber soll­ten sie – sofern die Ziel­grup­pe nicht Kin­der sind – nicht auf den ers­ten Blick als Böse­wich­te erkenn­bar sein: Der Leser soll­te nach­voll­zie­hen kön­nen, war­um ihre Opfer ihr „Gift“ so bereit­wil­lig aufnehmen.

Schlusswort

Mit dem „Gift­träuf­ler“ haben wir also ein Bün­del von Arche­ty­pen, die – wie immer – viel­fäl­ti­ges Poten­ti­al haben, aber auch mäch­tig in die Kli­schee­fal­le tap­pen kön­nen. Tat­säch­lich sind vie­le bekann­te „Gift­träuf­ler“ eigent­lich ziem­lich kli­schee­haft. Man kann dar­über genervt die Augen ver­dre­hen oder die Kli­schees irgend­wie auch wit­zig fin­den. Solan­ge die eige­nen „Gift­täuf­ler“ den Lesern gefal­len, ist alles in Ordnung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert