Der Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) als Tool für das Erschaffen von Figuren

Der Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) als Tool für das Erschaffen von Figuren

Per­sön­lich­keits­mo­del­le kön­nen Autoren hel­fen, glaub­wür­di­ge Figu­ren zu erschaf­fen. Der Myers-Briggs-Typen­in­di­ka­tor (MBTI) ist so ein Per­sön­lich­keits­mo­dell. Wie kann man als Autor ihn also anwen­den? Dar­um geht es in die­sem Artikel.

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Wie gut kennst Du Dei­ne Figu­ren? Wel­chen Per­sön­lich­keits­ty­pen ent­spre­chen sie? In der Kom­men­tar­sek­ti­on zu mei­nem Video über das Erschaf­fen von inter­es­san­ten Figu­ren (hier geht’s zum ent­spre­chen­den Arti­kel) hat Mar­tin der Narr mich auf die Idee gebracht, eine Serie über Per­sön­lich­keits­mo­del­le zu star­ten. – Und war­um nicht?

Sol­che Model­le kann man schließ­lich nicht nur nut­zen, um in ein Meer von Indi­vi­du­en zu struk­tu­rie­ren und zu ord­nen, son­dern auch um glaub­wür­di­ge, plas­ti­sche Figu­ren zu erschaf­fen.

Ein sol­ches Modell ist der Myers-Briggs-Typen­in­di­ka­tor. Obwohl er von der Wis­sen­schaft abge­lehnt wird, bie­tet er mit sei­nen 16 recht genau skiz­zier­ten Per­sön­lich­keits­ty­pen eine gute Grund­la­ge zum Erschaf­fen von Figu­ren. Sei­ne Besonderheit:

Er dreht sich um die Art und Wei­se, wie ein Indi­vi­du­um die Welt wahr­nimmt und Ent­schei­dun­gen fällt.

Und sol­che Din­ge soll­te man als Autor über sei­ne Figu­ren wis­sen. – Allei­ne schon, um die Viel­falt sicher­zu­stel­len:

Denn wenn die Figu­ren ver­schie­de­nen Per­sön­lich­keits­ty­pen ent­spre­chen, sind sie schon mal kei­ne Klo­ne von­ein­an­der und nur so wer­den inter­es­san­te Inter­ak­tio­nen und Kon­flik­te über­haupt erst möglich.

Also auf in den Kampf!

MBTI: Hintergrund

Der Myers-Briggs-Typen­in­di­ka­tor – oder kurz: MBTI – wur­de Mit­te des 20. Jahr­hun­derts von Katha­ri­ne Cook Briggs und ihrer Toch­ter Isa­bel Briggs Myers ent­wi­ckelt. Er basiert auf den psy­cho­lo­gi­schen Typen von Carl Gus­tav Jung, ist aber vor allem ein kom­mer­zi­el­les Pro­jekt und alle offi­zi­el­len Fra­ge­bö­gen sind kos­ten­pflich­tig. Für unse­re „schrei­be­ri­schen“ Zwe­cke rei­chen die inof­fi­zi­el­len, kos­ten­lo­sen Tests aber voll­kom­men aus.

Es soll uns auch nicht stö­ren, dass der MBTI, wie gesagt, von der wis­sen­schaft­li­chen Psy­cho­lo­gie auf­grund sei­ner man­gel­haf­ten Ver­läss­lich­keit abge­lehnt wird. Uns geht es schließ­lich um eine Sys­te­ma­ti­sie­rung der ver­schie­de­nen Aspek­te einer Per­sön­lich­keit, um sie greif­ba­rer zu machen. Und das macht der MBTI ganz gut.

MBTI: Grundlagen

Der MBTI setzt sich zusam­men aus vier Dimen­sio­nen mit je einer domi­nie­ren­den Prä­fe­renz. Und das heißt:

Jeder Mensch trägt grund­sätz­lich bei­de Mög­lich­kei­ten einer Dimen­si­on in sich, aber er bevor­zugt eine davon.

Das ist wie mit Rechts- und Links­hän­dern. Mit einer Hand ist man von Natur aus geschick­ter, aber grund­sätz­lich kann man – sofern man nicht kör­per­lich beein­träch­tigt ist – bei­de Hän­de benut­zen. Und die unge­schick­te­re Hand kann man not­falls auch trai­nie­ren. Aber die geschick­te­re Hand ist und bleibt die geschick­te­re, weil man so gebo­ren wurde.

Für jede Dimen­si­on wird also nun die jewei­li­ge indi­vi­du­el­le Prä­fe­renz ange­ge­ben – Et voi­là, fer­tig ist der jewei­li­ge Persönlichkeitstyp!

Doch bespre­chen wir erst ein­mal die ein­zel­nen Dimensionen …

Motivation, Antrieb (Energizing Preference)

Bei der ers­ten Dimen­si­on geht es dar­um, woher das Indi­vi­du­um sei­ne Ener­gie schöpft.

Es ist die Oppo­si­ti­on von Extra­ver­si­on (E) und Intro­ver­si­on (I).
(Ori­gi­nal-Begrif­fe: Extra­ver­si­on – Introversion.)

  • Extra­ver­tier­te Indi­vi­du­en schöp­fen ihre Ener­gie aus dem Umgang mit ande­ren Men­schen. Ihre Auf­merk­sam­keit ist nach außen gerich­tet und sie sind daher oft gesprä­chig, bevor­zu­gen Grup­pen­ak­ti­vi­tä­ten und mögen gesell­schaft­li­che Ereig­nis­se wie Par­tys. Allein­sein emp­fin­den vie­le Extra­ver­tier­te als anstrengend.
  • Intro­ver­tier­te hin­ge­gen schöp­fen ihre Ener­gie aus ihrem Inne­ren und ihre Auf­merk­sam­keit ist daher nach innen gerich­tet. Daher sind sie ger­ne allein und bevor­zu­gen eine ruhi­ge Umge­bung. Mit ande­ren Men­schen kom­mu­ni­zie­ren sie am liebs­ten unter vier Augen oder in klei­nen Grup­pen, denn grö­ße­re Ansamm­lun­gen von Men­schen lau­gen sie aus.

Intro­ver­si­on wird oft als Schüch­tern­heit miss­ver­stan­den, doch das eine hat nichts mit dem ande­ren zu tun. Ein intro­ver­tier­ter Mensch mei­det sie ande­ren nicht des­we­gen, weil er sich nicht traut, auf sie zuzu­ge­hen, son­dern weil er das schlicht und ergrei­fend nicht will und es ihm allein gut geht. Aller­dings bedeu­tet Intro­ver­si­on auch nicht, dass man ande­re Men­schen nicht mag und kei­nen Umgang mit ihnen möch­te. – Auch Intro­ver­tier­te sind sozia­le Wesen, nur brau­chen sie den sozia­len Umgang in gerin­ge­rem Ausmaß.

Gleich­zei­tig ist man nicht auto­ma­tisch intro­ver­tiert, wenn man auch ger­ne mal allein ist. Denn, wie gesagt, alle Men­schen sind extra­ver­tiert und intro­ver­tiert zugleich, bloß ten­diert man zum einen mehr als zum anderen.

Aufmerksamkeit (Attention Preference)

Bei der zwei­ten Dimen­si­on fra­gen wir, wie das Indi­vi­du­um Infor­ma­tio­nen sam­melt.

Es ist die Oppo­si­ti­on von Sen­so­rik (S) und Intui­ti­on (N).
(Ori­gi­nal-Begrif­fe: Sens­ing – Intuition.)

  • Sen­so­ri­sche Typen blei­ben bevor­zugt im Hier und Jetzt und kon­zen­trie­ren sich auf Details, die sie mit ihnen fünf Sin­nen wahr­neh­men. Der Schwer­punkt ihrer Wahr­neh­mung sind also Fak­ten. Sie inter­es­sie­ren sich für das Prak­ti­sche, Beweis­ba­re, Konkrete.
  • Intui­ti­ve Typen dage­gen schau­en gewis­ser­ma­ßen aus der „Vogel­per­spek­ti­ve“ und kon­zen­trie­ren sich in ers­ter Linie auf das Gesamt­bild. Sie ver­su­chen all­ge­mei­ne Mus­ter zu erken­nen, ver­steck­te Zusam­men­hän­ge und Sym­bo­le. Sie ver­knüp­fen Ideen und ent­de­cken Mög­lich­kei­ten für die Zukunft.

Doch sei auch hier noch ein­mal betont: Jeder Mensch nutzt bei­de Mög­lich­kei­ten. Ich zum Bei­spiel ver­gra­be mich ger­ne in Details und gebe mir Mühe, in mei­nen Arti­keln mög­lichst oft mit prak­ti­schen Bei­spie­len zu arbei­ten. Doch auf­merk­sa­men Lesern fällt hin und wie­der auf, dass ich ger­ne ins Theo­re­ti­sche abdrif­te oder wie ich bei­spiels­wei­se das Prin­zip des Ver­lie­bens nach Erich Fromm auf das Erschaf­fen von inter­es­san­ten Figu­ren bezie­he. Hier ist mei­ne eher intui­ti­ve Natur am Werk.

Entscheidung (Deciding Preference)

Bei der drit­ten Dimen­si­on schau­en wir, wie das Indi­vi­du­um Ent­schei­dun­gen trifft.

Es ist die Oppo­si­ti­on von Den­ken (T) und Füh­len (F).
(Ori­gi­nal-Begrif­fe: Thin­king – Feeling.)

  • Wer das Den­ken als Prä­fe­renz hat, will ratio­na­le Ent­schei­dun­gen fäl­len. Er tritt einen Schritt zurück, um ein Pro­blem aus der Distanz zu betrach­ten, geht logisch-ana­ly­tisch vor und nutzt objek­ti­ve Wer­te­sys­te­me, bei­spiels­wei­se das Gesetz. Er äußert auch ger­ne Kri­tik, weil Feh­ler sei­ner Ansicht nach kor­ri­giert gehören.
  • Wer das Füh­len als Prä­fe­renz hat, betrach­tet jede Situa­ti­on indi­vi­du­ell und passt sei­ne Ent­schei­dun­gen auf das kon­kre­te Pro­blem an. Dabei bevor­zugt er per­sön­li­che Wer­te­sys­te­me, Empa­thie und Mit­ge­fühl. Er ist jedoch nicht zwangs­läu­fig emo­ti­ons­ge­lei­tet, son­dern bemüht sich eher um Har­mo­nie und will des­we­gen einen Kon­sens schaf­fen. Daher kann er auch zuguns­ten von per­sön­li­chen Bezie­hun­gen über Feh­ler hinwegsehen.

Ein Bereich, den wohl jeder kennt und wo die­se Oppo­si­ti­on gut sicht­bar wird, sind münd­li­che Noten in der Schu­le. Ein zum Den­ken ver­an­lag­ter Leh­rer wür­de alle Schü­ler anhand der­sel­ben Ska­la beur­tei­len: Wie oft mel­det sich der Schü­ler und wie oft trägt er etwas Wert­vol­les zum Unter­richt bei? Hin und wie­der beob­ach­tet man aber auch zum Füh­len ver­an­lag­te Leh­rer, die einem stil­le­ren Schü­ler eine bes­se­re Note geben, weil sie sehen, dass er sich durch­aus sehr bemüht, auch wenn er sich immer noch nicht so oft mel­det wie ande­re Schü­ler. Sol­che Leh­rer erken­nen an, dass ver­schie­de­ne Schü­ler ver­schie­de­ne Per­sön­lich­kei­ten haben und münd­li­che Mit­ar­beit eini­gen von Natur aus leich­ter fällt als anderen.

Kei­ne die­ser Her­an­ge­hens­wei­sen ist bes­ser als die ande­re und meis­tens ver­su­chen wir, wenn wir klug sind, eine Situa­ti­on aus bei­den Per­spek­ti­ven zu betrach­ten. Den­noch hat jeder von uns eine bestimm­te Vor­lie­be und schaut zuerst aus der bevor­zug­ten Per­spek­ti­ve und erst dann aus der anderen.

Lebensstil (Living Preference)

Die vier­te Dimen­si­on schließ­lich beschreibt gewis­ser­ma­ßen den Lebens­stil.

Es ist die Oppo­si­ti­on von Wahr­neh­mung (P) und Beur­tei­lung (J).
(Ori­gi­nal-Begrif­fe: Per­cei­ving – Judging.)

  • Zur Wahr­neh­mung ver­an­lag­te Indi­vi­du­en sind offen für neue Ein­drü­cke und zie­hen es vor, mög­lichst lan­ge und mög­lichst viel Infor­ma­ti­on auf­zu­neh­men, bevor sie han­deln. Und sie sind bereit, ihre Plä­ne auf Grund­la­ge ihrer neu­en Ein­drü­cke über den Hau­fen zu wer­fen. Sie sind also fle­xi­bel und spon­tan und ver­mi­schen ger­ne Arbeit und Vergnügen.
  • Zur Beur­tei­lung ver­an­lag­te Indi­vi­du­en dage­gen sind ent­schei­dungs­freu­dig, han­deln nach einem fest­ge­leg­ten Plan und lie­ben das Gefühl, eine Auf­ga­be bewäl­tigt zu haben. Das sind die „Kon­troll­freaks“ mit To-do-Lis­ten, voll­ge­krit­zel­ten Kalen­dern und eiser­ner Dis­zi­plin. Selbst Frei­zeit und Fau­len­zen wer­den bewusst geplant.

Doch auch hier gilt: Die wenigs­ten Men­schen haben eine der bei­den Prä­fe­ren­zen bis zum Extrem aus­ge­bil­det. Die meis­ten wahr­neh­men­den Indi­vi­du­en sehen ein, dass Ent­schei­dun­gen und Pla­nung wich­tig sind, und die meis­ten urtei­len­den Indi­vi­du­en wis­sen, dass ein guter Plan fle­xi­bel sein soll­te, da es immer unvor­her­ge­se­he­ne Umstän­de geben kann. Daher geht es auch bei die­ser Dimen­si­on aus­drück­lich nur um Tendenzen.

MBTI: Anwendung

So viel zu den vier Dimen­sio­nen. Doch was nun?

Wie gesagt, zunächst reiht man die vier jewei­li­gen Prä­fe­ren­zen eines Indi­vi­du­ums anein­an­der und kürzt jede von ihnen durch den ent­spre­chen­den Buch­sta­ben ab.

Her­aus kom­men Typ­be­zeich­nun­gen wie zum Bei­spiel INFJ: Das steht für Intro­ver­si­on, Intui­ti­on, Füh­len und Beur­tei­lung. – Und das ist mein Typ. Wel­cher Typ bist Du? Ins­ge­samt 16 Typen ste­hen zur Auswahl.

Oft stößt man übri­gens auch auf Eigen­na­men wie bei­spiels­wei­se „Advo­kat“ oder „Guru“ für INFJ. Die­se vari­ie­ren jedoch sehr stark je nach Quel­le und ich per­sön­lich fin­de sie auch nicht immer pas­send. Daher arbei­te ich lie­ber nur mit den Abkürzungen.

Aber wie arbei­tet man denn mit den 16 Typen? Und was bringt es einem zu wis­sen, wel­chen Typen die eige­nen Figu­ren entsprechen?

Den Typ ermitteln

Zur Ermitt­lung des Typs einer Figur kann man ent­we­der einen Fra­ge­bo­gen aus­fül­len oder die Dimen­sio­nen nach­ein­an­der durch­ge­hen und sich für eine Prä­fe­renz ent­schei­den – und den Typ evtl. spä­ter mit Hil­fe eines Tests nachprüfen.

Wich­tig ist jedoch, dass die Prä­fe­ren­zen der jewei­li­gen Figur nicht nur in Dei­nem Kopf exis­tie­ren, son­dern sich auch im Den­ken und Ver­hal­ten der Figur zei­gen.

Doch selbst wenn Du reflek­tiert an die Sache her­an­gehst, musst Du Dir auch der Gren­zen des Modells bewusst sein. Denn, wie gesagt, der MBTI ist nicht zuver­läs­sig:

  • Obwohl der Per­sön­lich­keits­typ eines Men­schen sich eigent­lich nicht ändern dürf­te, weil es ja um eine „Grund­pro­gram­mie­rung“ des Gehirns geht, schwan­ken die Test­ergeb­nis­se bei ein und dem­sel­ben Indi­vi­du­um oft je nach Situa­ti­on und Tagesform.
  • Auch gehen Indi­vi­du­en sehr unter­schied­lich mit ihrer „Grund­pro­gram­mie­rung“ um: So kann ein intro­ver­tier­tes Indi­vi­du­um nicht extra­ver­tiert wer­den oder umge­kehrt, aber es kann Tech­ni­ken ent­wi­ckeln, um mit Situa­tio­nen, die die jeweils gegen­tei­li­ge „Pro­gram­mie­rung“ erfor­dern, bes­ser klar­zu­kom­men. Des­we­gen gibt es durch­aus intro­ver­tier­te Men­schen, denen man ihre Intro­ver­si­on nicht ansieht, und extra­ver­tier­te, die intro­ver­tiert wirken.
  • Doch auch ande­re Ein­flüs­se kön­nen bewir­ken, dass ein Mensch sich nicht sei­nem eigent­li­chen Typ ent­spre­chend ver­hält, bei­spiels­wei­se Depres­sio­nen oder gesell­schaft­li­che Erwar­tun­gen. So habe ich in mei­nem aktu­el­len Pro­jekt eine Neben­fi­gur, die ich die gan­ze Zeit über für intro­ver­tiert gehal­ten habe. Erst beim Ver­fas­sen die­ses Arti­kels ist mir bewusst gewor­den, dass die­se Figur anschei­nend eher extra­ver­tiert ist und viel­mehr durch ihre über­durch­schnitt­li­che Intel­li­genz unfrei­wil­lig zum Ein­zel­gän­ger­tum neigt und sich mit den Jah­ren ein­fach ange­passt hat.
  • Man soll­te auch beden­ken, wel­che Fra­gen in den Tests gestellt wer­den und wel­che Ant­wort­mög­lich­kei­ten es gibt. Wie so oft bei Per­sön­lich­keits­tests gibt es auch in Fra­ge­bö­gen zum MBTI immer wie­der Fra­gen, wo man ein­fach nicht weiß, was man ankreu­zen soll.
  • Und wenn man Dimen­si­on für Dimen­si­on abklap­pert und sich bei jeder für eine Prä­fe­renz ent­schei­den soll, kann man auch nicht immer beur­tei­len, was denn auf einen selbst oder die jewei­li­ge Figur zutrifft. Denn, wie gesagt, jeder Mensch hat grund­sätz­lich bei­de Aus­prä­gun­gen einer Dimen­si­on und manch­mal schei­nen sie sich doch die Waa­ge zu hal­ten. Oder die jewei­li­ge Prä­fe­renz ändert sich, wie bereits erwähnt, je nach Situa­ti­on und Tagesform.

Bei der Ermitt­lung bzw. Fest­le­gung des Typs einer Figur gibt es also sehr viel zu beden­ken. Ich schla­ge daher vor, nicht nur von den kon­kre­ten geplan­ten oder bereits nie­der­ge­schrie­be­nen Hand­lun­gen der Figur aus­zu­ge­hen, son­dern auch die Grün­de für die­se Hand­lun­gen zu betrach­ten und ggf. ander­wei­ti­ge Ein­flüs­se zu berücksichtigen.

Den Typ nutzen

Wenn Du nun aber weißt, wel­chen Typen Dei­ne Figu­ren ent­spre­chen, wird ihr Ent­wick­lungs- und Kon­flikt­po­ten­ti­al sehr greif­bar:

  • So geht jeder der 16 Typen mit bestimm­ten Stär­ken und Schwä­chen ein­her und sie zei­gen logi­scher­wei­se, was einer Figur leicht fal­len soll­te und wo mög­li­che Stol­per­stei­ne lie­gen könn­ten. Ver­giss aber bit­te nicht, dass es bei die­sen per­sön­li­chen Schwä­chen nicht zwangs­läu­fig um die ent­schei­den­den plot­re­le­van­ten Schwä­chen gehen muss. Wenn der Typ einer Figur sich in Lie­bes­an­ge­le­gen­hei­ten ten­den­zi­ell blöd anstellt, die­se Figur in der Geschich­te aber kei­ne Roman­ze hat, ist die­se Schwä­che für die kon­kre­te Geschich­te, die Du ver­fasst, kom­plett irrelevant.
  • Gleich­zei­tig kannst Du anhand des MBTI aber durch­aus nach­prü­fen, ob eine Figur von ihrer Per­sön­lich­keit her tat­säch­lich zu der für sie vor­ge­se­he­nen Rol­le in der Geschich­te passt. Ist der gute König tat­säch­lich zum Regie­ren geeig­net? Wel­che sei­ner Eigen­schaf­ten hel­fen ihm dabei und wel­che füh­ren zu schlech­ten Ent­schei­dun­gen? Wor­an könn­te er schei­tern und was tut er dagegen?
  • Und damit wären wir beim nächs­ten Punkt: Der MBTI zeigt näm­lich an, wie Figu­ren sich gegen­sei­tig ergän­zen kön­nen. – Viel­leicht balan­ciert der gute König sei­ne Schwä­chen ja aus, indem er sich mit Bera­tern umgibt. Ist der König eher intui­tiv? Viel­leicht hat er einen Bera­ter, der ihn immer wie­der auf den Boden der Tat­sa­chen zurückholt.
  • Doch ver­schie­de­ne Typen kön­nen sich nicht nur ergän­zen, son­dern auch für Kon­flik­te sor­gen. Man den­ke bei­spiel­wei­se an ein Paar, bei dem einer wahr­neh­mend ist und der ande­re beur­tei­lend: Wenn die bei­den in den Urlaub fah­ren, kann es jede Men­ge Zoff geben, ob man alles spon­tan ent­schei­det, sich zwi­schen­durch evtl. in einer Stadt ver­irrt und dafür uner­war­te­te Ent­de­ckun­gen macht oder ob man alles bis auf die Minu­te durch­plant, viel­leicht schö­ne Über­ra­schun­gen ver­passt, aber dafür alles sieht und erlebt, was man sehen und erle­ben wollte.
    Sol­che per­sön­lich­keits­ba­sier­ten Kon­flik­te müs­sen aber nicht den zen­tra­len Kon­flikt einer Geschich­te bil­den. Die bei­den Part­ner kön­nen sich ihrer Unter­schie­de auch durch­aus bewusst sein und sich für einen Kom­pro­miss ent­schei­den. Somit haben sol­che per­sön­lich­keits­ba­sier­ten Kon­flik­te auch nichts mit Oppo­nen­ten bzw. Ant­ago­nis­ten zu tun, denn hier geht es ja meis­tens nicht um inkom­pa­ti­ble Per­sön­lich­kei­ten, son­dern um inkom­pa­ti­ble Ziel­set­zun­gen: Der Held will etwas und der Oppo­nent steht ihm dabei im Weg und umge­kehrt. Dabei kön­nen die bei­den sowohl völ­lig gegen­tei­li­ge Per­sön­lich­kei­ten haben als auch exak­te Spie­gel­bil­der von­ein­an­der sein.

Kurz gesagt: Der MBTI kann einem dabei hel­fen, Figu­ren authen­tisch zu machen und sie glaub­wür­dig mit ande­ren Figu­ren inter­agie­ren zu las­sen. Wich­tig ist dabei, wie bereits ange­deu­tet, dass die Figu­ren sich auch tat­säch­lich ihren Prä­fe­ren­zen ent­spre­chend ver­hal­ten – beson­ders, wenn die­se Prä­fe­ren­zen sehr stark aus­ge­prägt sind. Bei­spiels­wei­se soll­te ein beur­tei­len­der Kon­troll­freak sich nicht ohne Wei­te­res von einem Kurs­wech­sel über­zeu­gen las­sen. – Es sei denn, er ent­wi­ckelt sich im Ver­lauf der Geschich­te so weit, dass er die Wich­tig­keit einer wahr­neh­men­den Her­an­ge­hens­wei­se ein­sieht und viel­leicht sogar selbst gezielt Wahr­neh­mung trainiert.

Was der MBTI aber nicht anzeigt, ist die Bezie­hungs­kom­pa­ti­bi­li­tät der ein­zel­nen Typen. Man­che Quel­len haben zwar regel­rech­te Kom­pa­ti­bi­li­täts­ta­bel­len, wel­che Typen am bes­ten mit­ein­an­der aus­kom­men, doch mei­ne Recher­che zeigt auch, dass es vor allem auf die Kom­mu­ni­ka­ti­on ankommt:

Meh­re­re Indi­vi­du­en kön­nen noch so unter­schied­lich sein – doch wenn sie ihre Unter­schied­lich­keit akzep­tie­ren und ein­an­der mit Respekt begeg­nen, kön­nen auch sehr unter­schied­li­che Typen wun­der­bar mit­ein­an­der auskommen.

Aber ja, doch, es gibt trotz allem vage Ten­den­zen: So sorgt Ähn­lich­keit bekann­ter­ma­ßen ja für zufrie­de­ne­re Paa­re. Es macht also Sinn, zwei Figu­ren, die gut mit­ein­an­der aus­kom­men sol­len, wenigs­tens zwei gemein­sa­me Typ­p­rä­fe­ren­zen zu geben. Oder man könn­te beden­ken, dass ein sen­so­ri­scher und ein intui­ti­ver Typ Gefahr lau­fen, anein­an­der vor­bei­zu­re­den, weil sie zum Bei­spiel völ­lig unter­schied­li­che Din­ge sehen, wenn sie ein und das­sel­be Bild betrach­ten. Oder dass eine extra­ver­tier­te Figur von einem intro­ver­tier­ten Freund ent­täuscht sein könn­te, weil der intro­ver­tier­te Freund nicht mit­kom­men will, wenn sie in einer grö­ße­ren Grup­pe unter­wegs ist.

Schlusswort

So viel also zum Myers-Briggs-Typen­in­di­ka­tor. Ich habe auf die Vor­stel­lung der 16 Ein­zel­ty­pen ver­zich­tet, weil eher das Prin­zip das Wich­tigs­te ist. Außer­dem gibt es vie­le ande­re Quel­len, in denen die Ein­zel­ty­pen beschrie­ben wer­den, ent­we­der als Video oder als Text. Eini­ge Quel­len arbei­ten sogar mit bekann­ten Bei­spie­len aus der Pop­kul­tur. Wenn Du die Ein­zel­ty­pen Dei­ner Figu­ren ermit­telt hast, emp­feh­le ich Dir daher eine ver­tie­fen­de Recherche.

Man kann im Übri­gen auch hin­ter­fra­gen, ob der MBTI wirk­lich die kom­plet­te Per­sön­lich­keit abdeckt. Hier geht es schließ­lich um die inne­re „Grund­pro­gram­mie­rung“ eines Indi­vi­du­ums, weni­ger um die tat­säch­li­che Wir­kung nach außen. Wie bereits ange­deu­tet, gibt es zahl­rei­che ande­re Fak­to­ren zu beden­ken. Astro­lo­gie, das Modell, das wir uns als nächs­tes vor­knöp­fen wer­den, macht bes­se­re Aus­sa­gen zu den ver­schie­de­nen Lebens­be­rei­chen. Und das Argu­ment, es sei eine Pseu­do­wis­sen­schaft, kann man locker kon­tern mit: Der MBTI ist es doch auch. – Was im Übri­gen auch sein Nach­teil gegen­über den Big Five ist: Das ist das heu­ti­ge Stan­dard­mo­dell der Per­sön­lich­keits­for­schung und auch dar­über wer­den wir in Zukunft noch reden.

5 Kommentare

  1. Hey, ich woll­te mich für dei­nen Arti­kel bedan­ken, da er wirk­lich SEHR inter­es­sant ist! 🙂 Ich habe dich auch auf You­Tube abon­niert & schaue dei­ne Vide­os regelmäßig.
    Mach auf jeden Fall wei­ter so!! ☺️☺️

    Krystal
    1. Vie­len herz­li­chen Dank! ❤️

      Zu Dei­nem Per­sön­lich­keits­typ: Die Aus­prä­gun­gen hal­ten sich oft mehr oder weni­ger die Waa­ge. Gera­de beim drit­ten scheint die Ent­schei­dung oft schwie­rig zu sein. Zumin­dest habe ich das Gefühl.

  2. Die­ser Test ist der Schwach­sinn ins Quadrat !
    Horo­sko­pe pas­sen auch immer .… oder ? grins.
    Die­se Tests wer­den ver­trie­ben von selbst­er­nann­ten Bera­tern und Coaches,
    die in einem Wochen­end­se­mi­nar die­sen Unfug ein­ge­trich­tert bekommen
    haben.
    Es sind „Behaup­tungs­sys­te­me“ die völ­lig unwis­sen­schaft­lich sind.
    Da wird mit Refe­ren­zen geprahlt, wer­den Erfolgs­be­haup­tun­gen gemacht und
    dies alles um den Unter­neh­men die Koh­le aus der Tasche zu ziehen !
    Ein Ange­stell­ter muss das Geld erst mal ver­die­nen und dann wird es für
    sol­che Schar­la­ta­ne zum Fens­ter raus­ge­wor­fen. Allein das ist eine
    Belei­di­gung für alle Ange­stell­ten. Eine Prä­mie oder eine Par­ty ist
    team­bil­den­der als solch ein Unfug.

    Lie­be Fir­men, ihr unter­werft eure Ange­stell­ten sol­chem Unfug und das
    ein­zi­ge was Ihr dabei erfah­ren könnt, ist dass es Men­schen gibt die
    die­sen Unfug ver­wei­gern und sol­che die die­sen Unfug klag­los über sich
    erge­hen lassen.
    Also wenn vie­le ver­wei­gern, ist das gut für euch, weil dann Hoffnung
    besteht, das selbst­den­ken­de Men­schen im Unter­neh­men ange­stellt sind.
    Wenn aber vie­le die­sen Unfug mit­ma­chen, dann hät­te ich als Unternehmer
    Sor­ge um den geis­ti­gen Gesund­heits­zu­stand mei­ner Belegschaft !!!

    1350 Euro pro Per­son ist eine Frech­heit. Dazu kommt noch die Zeit wo
    nicht gear­bei­tet wird. Scha­den bei 30 Per­so­nen somit ca. 60.000,- Euro
    !!!

    Der Coach grinst sich eins auf eure Kosten !!!

    tim
    1. Ähm … Hast Du den Arti­kel über­haupt gelesen?

      • 1. Dar­in steht an meh­re­ren Stel­len expli­zit, dass der MBTI von der Wis­sen­schaft nicht aner­kannt wird.
      • 2. Es geht gar nicht um irgend­wel­che Fir­men, son­dern um eine Zweck­ent­frem­dung des Modells, um fik­ti­ve Figu­ren zu erschaf­fen. Nicht um eine Anwen­dung auf rea­le Menschen.

      Aus die­sen Grün­den will sich mir der Sinn Dei­nes Kom­men­tars gera­de nicht erschließen. 🤔

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