Heldengruppen

Heldengruppen

Manche Her­aus­forderun­gen sind zu groß für einen Einzelkämpfer. Und deswe­gen stellt sich ihnen nicht nur ein Held, son­dern ein ganzes Team von Helden, die zusam­me­nar­beit­en und sich gegen­seit­ig ergänzen. Wie macht man eine solche Helden­gruppe also inter­es­sant? Wie entste­hen span­nende team­interne Kon­flik­te? Und wie hängt das mit dem zen­tralen The­ma der Geschichte zusam­men?

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Der Held ein­er Geschichte ist nicht immer auf sich allein gestellt. Oft ste­ht ihm eine Gruppe von Ver­bün­de­ten zur Seite, die ihn durch ihre indi­vidu­ellen Eigen­schaften ergänzen und für eine inter­es­sante Grup­pen­dy­namik sor­gen. Und manch­mal gibt es auch keinen einzi­gen zen­tralen Helden, son­dern die Geschichte gehört mehreren Helden gle­icher­maßen.

Über ein gutes Zusam­men­spiel von Fig­uren haben wir bere­its in einem früheren Artikel gesprochen. Doch da ging es eher um Pro­tag­o­nis­ten, Ver­bün­dete, Oppo­nen­ten und Sub­plot-Fig­uren. Heute befassen wir uns spezieller mit dem Pro­tag­o­nis­ten und seinen eng­sten Ver­bün­de­ten bzw., wie gesagt, mit ein­er Gruppe von mehreren Pro­tag­o­nis­ten.

Wie erschafft man also ein viel­seit­iges Team? Wie kreiert man inter­es­sante team­interne Kon­flik­te? Und wozu über­haupt eine Helden­gruppe?

Darüber sprechen in diesem Artikel.

Der Zweck von Heldengruppen

Inner­halb der Geschichte selb­st bildet sich ein Team aus densel­ben Grün­den, aus denen Men­schen auch im realen Leben zusam­me­nar­beit­en:

Sie ver­fol­gen ein gemein­sames Ziel, das zu groß ist, um es allein anzuge­hen: Jed­er bringt seine indi­vidu­ellen Fähigkeit­en mit, sie ergänzen sich gegen­seit­ig und sind zusam­men stärk­er, intel­li­gen­ter und hand­lungs­fähiger als ein Men­sch allein es je sein kön­nte.

So oder so ähn­lich. Denn Teams sind extrem unter­schiedlich. Von ein­er Gruppe von Frem­den, die zufäl­lig gemein­sam in ein­er misslichen Sit­u­a­tion steck­en und zusam­me­nar­beit­en müssen, um die missliche Sit­u­a­tion zu über­leben, bis hin zu sorgfältig zusam­mengestell­ten Helden­teams, die die Welt ret­ten sollen, ist alles möglich.

Wenn man aber als Autor eine Geschichte entwick­elt, ist die Zusam­men­stel­lung des Teams niemals zufäl­lig. Zumin­d­est, wenn man ein guter Autor ist. Denn um den Artikel über die Fig­uren-Kon­stel­la­tion kurz zu zitieren:

Eine gute Fig­uren-Kon­stel­la­tion ist in erster Lin­ie ein Netz von Fig­uren, die sich durch ihre Ziele, Werte, Schwächen, Bedürfnisse und ihre Rolle inner­halb der Geschichte und inner­halb der fik­tiv­en Welt gegen­seit­ig ergänzen und her­aus­fordern.

Wichtig ist dabei vor allem das zen­trale The­ma der Geschichte, denn ide­al­er­weise verkör­pern Neben­fig­uren generell und Mit­glieder eines Helden­teams ganz beson­ders ver­schiedene Aspek­te des zen­tralen The­mas:

Wenn die Geschichte sich zum Beispiel darum dreht, dass der Held Fritzchen ein Prob­lem mit Autoritäten hat, wür­den seine Mit­stre­it­er etwas deplatziert wirken, wenn ihre jew­eili­gen Sub­plots nichts damit zu tun hät­ten. Um also ein organ­is­ches, zusam­men­hän­gen­des Ganzes zu erschaf­fen, kön­nte man der Mit­stre­i­t­erin Lieschen ein Trau­ma durch ihre autoritären Eltern ver­passen, den Mit­stre­it­er Klaus zu einem überzeugten Anar­chis­ten machen und Erna eine Ver­gan­gen­heit geben, in der sie als Auf­tragskil­lerin ihre Aufträge exakt so aus­ge­führt hat, wie befohlen.

Konfliktpotential

Wie Du sich­er ahnst, hat prak­tisch jedes The­ma viele Aspek­te, die oft auch im Wider­spruch zueinan­der ste­hen und dadurch Kon­flik­t­po­ten­tial liefern. Mis­che noch ein paar ver­schiedene Tem­pera­mente hinzu — und Du hast eine explo­sive Mix­tur, bei der jede Fig­ur über sich selb­st hin­auswach­sen muss, damit das Team opti­mal funk­tion­ieren und das gemein­same Ziel erre­ichen kann:

  • Als Held der Geschichte ist Fritzchen der Anführer der Gruppe, also eine Autorität, obwohl er Autoritäten has­st, und als solche trig­gert er Lieschens Kind­heit­strau­ma, hat ständig Zoff mit Klaus und kann sich nur auf Erna zu hun­dert Prozent ver­lassen, obwohl sie ihm ziem­lich große Angst macht. Um ein guter Anführer zu wer­den, muss er sich also mit sein­er Rolle arrang­ieren und seine Autorität geschickt ein­set­zen, um für ein friedlich­es Miteinan­der zu sor­gen und somit eine pro­duk­tive Zusam­me­nar­beit zu ermöglichen.
  • Lieschen ist eine geniale Hack­erin und als solche unheim­lich wertvoll fürs Team. Aber wenn ihr Trau­ma getrig­gert wird, kann sie sich nicht mehr konzen­tri­eren und macht fatale Fehler. Aus Furcht vor Fritzchens Zorn und Ernas Vor­wür­fen, nicht pro­fes­sionell genug zu sein, ver­steckt sie sich hin­ter Klaus, der Fritzchen seinen Mit­telfin­ger ins Gesicht drückt. Sie muss also ler­nen, die Ver­gan­gen­heit ver­gan­gen sein zu lassen, und ein­se­hen, dass sie kein macht­los­es kleines Mäd­chen mehr ist.
  • Klaus ist durch seine Ver­gan­gen­heit als Ter­ror­ist ein Experte für Sprengstoff und würde Fritzchen, den er has­st, und Erna, die er ver­achtet, am lieb­sten in die Luft jagen. Allein das gemein­same Ziel hält ihn davon ab. Und er merkt auch nicht, dass er Lieschen keinen Gefall­en tut, wenn er sie beschützt, denn er bietet ihr eine Möglichkeit, sich vor ihren Prob­le­men zu drück­en. Damit das Team also gut funk­tion­ieren kann, muss Klaus begreifen, dass Autorität nicht zwangsläu­fig Tyran­nei bedeutet und Fritzchen sein Bestes tut und dass Befehle auszuführen manch­mal dur­chaus sin­nvoll ist, zumin­d­est in Sit­u­a­tio­nen, in denen keine Zeit für Diskus­sio­nen ist.
  • Erna ist in den Jahren als Auf­tragskil­lerin zu ein­er kalten Mas­chine verkom­men und beurteilt Men­schen nach ihrer Leis­tungs­fähigkeit. Obwohl sie Fritzchen wider­spruch­s­los gehorcht, hält sie ihn für einen schwachen Anführer. Lieschen ist in ihren Augen eine Loserin und Klaus ein wahn­hafter Träumer, der ein­fach nicht erwach­sen wird. Damit sie mit ihren Mit­stre­it­ern als Team funk­tion­ieren kann, muss sie das Men­schliche in ihnen und in sich selb­st akzep­tieren, ihren eige­nen freien Willen ent­deck­en und ihn auch äußern und außer­dem ler­nen, sich auf emo­tionale, fehlbare Mit­men­schen zu ver­lassen, so unvorherse­hbar sie auch sein mögen. Sie muss also ler­nen frei zu sein und die Frei­heit ander­er Men­schen zu respek­tieren.

Dialoge

Eine wichtige Rolle spie­len bei den Kon­flik­ten vor allem Dialoge. Denn hier ger­at­en die unter­schiedlichen Aspek­te des zen­tralen The­mas aneinan­der und kön­nen genauer unter die Lupe genom­men wer­den:

  • Während eines Stre­its begreifen Fritzchen und Klaus, dass ihre Mei­n­un­gen eigentlich ziem­lich dicht beieinan­der liegen. Denn Fritzchen mag Autoritäten ja auch nicht, aber er muss seine Autorität durch­set­zen, damit das Team hand­lungs­fähig ist. Aus dem Rebell Klaus wird plöt­zlich ein Ver­bün­de­ter, aus dem Tyran­nen Fritzchen ein über­fordert­er, aber im Grunde guter Kerl, der die Indi­vid­u­al­ität eines jeden Team­mit­glieds in seine Entschei­dun­gen ein­beziehen möchte.
  • Durch ihre Inter­ak­tio­nen mit Lieschen begreift Erna, dass sie ihre eige­nen Trau­ma­ta nicht über­wun­den, son­dern nur hin­ter ihrer absoluten Autorität­shörigkeit ver­steckt hat. Aus den bei­den so gegen­sät­zlichen Damen wer­den beste Fre­undin­nen, die sich über ihre Trau­ma­ta aus­tauschen und merken, dass Lieschens Schreck­haftigkeit und Ernas Kälte ein­fach nur Symp­tome ein und des­sel­ben Prob­lems sind.

Dialoge machen das Ganze auch insofern inter­es­san­ter, als dass sie in der Regel zeit­deck­end sind, d. h. in “Echtzeit” stat­tfind­en, und daher inter­es­san­ter zu lesen sind als end­los­es Gedankenkreisen ein­er Fig­ur:

Einen Stre­it zwis­chen den vier Helden zu lesen, in dem jed­er seine eige­nen, indi­vidu­ellen Argu­mente ein­bringt und zugle­ich mit seinen Dämo­nen kämpft, ist ein­fach viel span­nen­der als ein ana­lytis­ch­er Gedanken­monolog Fritzchens, in dem er die Vor- und Nachteile ein­er bes­timmten Strate­gie abwägt.

Repräsentation

Abge­se­hen von den verkör­perten Aspek­ten des zen­tralen The­mas, den indi­vidu­ellen Fähigkeit­en und dem Kon­flik­t­po­ten­tial haben viele Geschicht­en auch noch einen weit­eren Unter­schiedlichkeits­fak­tor, der im World-Build­ing ver­ankert ist:

  • Geht es in Har­ry Pot­ter zum Beispiel stark um die “Rein­blütigkeit” und “Muggel­stäm­migkeit” von Zauber­ern, dann beste­ht das gold­ene Trio aus einem Halb­blut (Har­ry), einem Rein­blut (Ron) und ein­er Muggel­stäm­mi­gen (Her­mine).
  • Geht es im Her­rn der Ringe um den Krieg der Freien Völk­er gegen Sauron, dann repräsen­tiert die Zusam­men­stel­lung der Gefährten jedes der Freien Völk­er: Men­schen, Elben, Zwerge und Hob­bits. Plus Zauber­er.
  • Geht es in Avatar — Der Herr der Ele­mente um vier Typen von Ele­ment­magie, dann beste­ht das Helden­team aus einem Luft­bändi­ger, ein­er Wasser­bändi­gerin, ein­er Erd­bändi­gerin, einem Feuer­bändi­ger und einem Nicht­bändi­ger.

Funktionen der Gruppenmitglieder

Damit ein Team aber wirk­lich eine Daseins­berech­ti­gung hat, müssen sich die Mit­glieder, wie gesagt, durch ihre Fähigkeit­en gegen­seit­ig ergänzen. Natür­lich kann es viele unter­schiedliche Arten von Teams geben und von ein­er ganzen Kampfein­heit von Sol­dat­en oder ein­er Schulk­lasse bis hin zu einem kleinen Team mit stark aus­geprägten indi­vidu­ellen Eigen­schaften ist alles möglich. Auch kann ein Team sowohl aus Außen­seit­ern als auch aus Elitekämpfern beste­hen. Es kommt immer auf die Geschichte an.

Wichtig ist aber, dass jedes (wichtigere) Grup­pen­mit­glied etwas Einzi­gar­tiges beis­teuert.

Denn Fig­uren, die wie Klone voneinan­der wirken, sind unin­ter­es­sant, lang­weilig und daher auch über­flüs­sig. Sie kön­nen (und soll­ten) in der Regel prob­lem­los gestrichen wer­den.

Orientierungspunkt: Five-Man Band

Ein guter Ori­en­tierungspunkt für die Funk­tio­nen inner­halb ein­er Gruppe ist der Topos der Five-Man Band. Diese beste­ht — wie der Name bere­its andeutet — aus fünf Mit­gliedern:

  • Der Held / Anführer: Er ist meis­tens der Pro­tag­o­nist der Geschichte, das Epizen­trum des Haup­tkon­flik­ts und seine Entschei­dun­gen treiben den Plot voran. Wenn es einen Auser­wählten gibt, dass ist er der Auser­wählte.
  • Die Kon­trast­fig­ur: Sie ist das Gegen­teil des Pro­tag­o­nis­ten und erfüllt oft die Funk­tion eines Rivalen. Ist der Pro­tag­o­nist ein strahlen­der Held, ist die Kon­trast­fig­ur häu­fig ein Anti­held. Ist der Pro­tag­o­nist ein Anti­held, ist die Kon­trast­fig­ur die Per­son­ifika­tion aller Moral. Jeden­falls hat sie oft einen alter­na­tiv­en Stand­punkt und wider­spricht dem Helden. Wenn es eine roman­tis­che Neben­hand­lung gibt, dann konkur­ri­eren der Held und die Kon­trast­fig­ur typ­is­cher­weise um das Herz des Love-Inter­ests. Den­noch sind die bei­den die eng­sten Fre­unde der gesamten Gruppe. Alter­na­tiv kann die Kon­trast­fig­ur aber auch der alte, weise Men­tor eines jun­gen, naiv­en Helden sein. Oder die Vater­fig­ur des Helden. Oder, oder, oder …
  • Die Kampf­mas­chine: Rohe Gewalt ist ihre Spezial­ität. Häu­fig gebaut wie ein Schrank, erledigt sie, wenn es blutig wird, meis­tens den Großteil der “Dreck­sar­beit”. Alter­na­tiv kann sie auch ein nor­mal gebauter Waf­fen­spezial­ist oder ein Nin­ja sein. Wenn es im Team jeman­den gibt, der nicht sehr helle ist, dass ist das meis­tens die Kampf­mas­chine.
  • Die Intel­li­genzbestie: Sie ist ein wan­del­ndes Lexikon, ein grandios­er Stratege und/oder ein genialer Wis­senschaftler. Sie unter­stützt das Team durch Infor­ma­tion und Analyse und vor­sichtiges, durch­dacht­es Vorge­hen. Sie ist gerne auch für einen guten Teil der Expo­si­tion zuständig.
  • Das Sen­si­belchen: Es ist häu­fig das schwäch­ste Mit­glied des Teams. Zart und emo­tion­al, ist es weniger für offen­sive Aktio­nen geeignet und küm­mert sich eher um den Zusam­men­halt der Gruppe. Es leis­tet den anderen moralis­chen Bei­s­tand und hat manch­mal auch Heil­fähigkeit­en. Tra­di­tionell ist das Sen­si­belchen die einzige Frau in der Gruppe und wenn es ein Liebes­dreieck gibt, ist sie der Love-Inter­est des Anführers und der Kon­trast­fig­ur.

So viel zu den archais­chen Arche­typen. Diese müssen aber natür­lich nicht wörtlich umge­set­zt wer­den und dienen — wie gesagt — eher der Ori­en­tierung. So gibt es auch Five-Man Bands, die kom­plett weib­lich beset­zt sind, und es gibt viele Teams, in denen die Fig­uren zwar im Grunde den Arche­typen entsprechen, aber den­noch inter­es­sante und vielschichtige Per­sön­lichkeit­en haben.

Beim Topos der Five-Man Band kommt es vielmehr darauf an, welche Funk­tio­nen in einem Team auf die eine oder andere Weise abgedeckt sein soll­ten:

Ein Team braucht einen Anführer, jeman­den, der mit dem Anführer disku­tiert, einen Kampf­spezial­is­ten, einen Denker und einen Psy­chother­a­peuten bzw. einen Arzt oder Heil­er.

Abweichende Teams

Diese Funk­tio­nen müssen auch nicht unbe­d­ingt auf fünf ver­schiedene Fig­uren verteilt sein, son­dern eine Fig­ur kann mehrere Funk­tio­nen erfüllen oder mehrere Fig­uren kön­nen Teil­funk­tio­nen übernehmen:

  • Sowohl die ehe­ma­lige Auf­tragskil­lerin Erna als auch der Sprengstof­f­ex­perte Klaus erfüllen die Kämpfer­funk­tion. Ihre Spezial­isierun­gen sind jedoch kom­plett unter­schiedlich: Klaus ist für Massen­z­er­störung zuständig und Erna wird eher einge­set­zt, wenn die Geg­n­er still außer Gefecht geset­zt wer­den müssen.
  • Die Hack­erin Lieschen wiederum vere­int in sich den Arche­typ der Intel­li­genzbestie und des Sen­si­belchens. Nur, dass sie zumin­d­est zu Beginn der Geschichte keine gute Psy­chother­a­peutin ist. Vielmehr ist es Fritzchen, der in diese Rolle hineinwach­sen muss, um seine Team­mit­glieder zu ver­ste­hen und ein guter Anführer zu sein.

Je nach Geschichte kön­nen einzelne Funk­tio­nen natür­lich auch kom­plett weg­fall­en oder sich in ander­er, nicht kämpferisch­er Weise äußern. Wenn es beispiel­sweise um eine Rock­band geht, dann wird die zuschla­gende Kampf­mas­chine eben zum Schlagzeuger. Dein­er Kreativ­ität sollen keine Gren­zen geset­zt sein. Solange jedes Team­mit­glied etwas Einzi­gar­tiges beiträgt, ist alles in Ord­nung.

Gleichberechtigte Protagonisten

Was ist aber, wenn es mehrere Pro­tag­o­nis­ten gibt? Sie kön­nen ja nicht alle Anführer sein. Und das müssen sie auch nicht: Wenn die Fig­uren inter­es­sant und gut her­aus­gear­beit­et sind, dann fall­en ihre arche­typ­is­chen Funk­tio­nen inner­halb des Teams weniger auf.

Beachte dabei allerd­ings, dass mehrere gle­ich­berechtigte Pro­tag­o­nis­ten den Schwierigkeits­grad beim Schreiben drastisch erhöhen: Denn bei einem Pro­tag­o­nis­ten reicht es in der Regel aus, wenn er allein eine inter­es­sante Entwick­lung — beispiel­sweise eine Helden­reise — durch­macht. Wenn Du aber mehrere gle­ich­berechtigte Pro­tag­o­nis­ten hast, dann musst Du dementsprechend auch mehrere Charak­ter­en­twick­lun­gen jonglieren und inter­es­sant hal­ten.

  • Was dabei hil­ft, ist ein episodis­ch­er Plot, bei dem viele kleinere Geschicht­en erzählt wer­den und der Schw­er­punkt von ein­er Fig­ur zur anderen wan­dert. Oder eine Struk­tur, bei der jede Fig­ur ihr eigenes Kapi­tel bekommt. Es geht ein­fach darum, sich als Autor nicht auf das Innen­leben aller Fig­uren gle­ichzeit­ig konzen­tri­eren zu müssen. Es ist jedoch nur eine Hil­festel­lung und die Erzäh­lung muss nicht unbe­d­ingt so gehand­habt wer­den.
  • Eine andere inter­es­sante Herange­hensweise ist, die Fig­uren bewusst in Arche­typen zu pressen, damit sie später daraus aus­brechen kön­nen. So bekommt der Leser sehr schnell einen ersten Überblick, wer wer ist, und lernt die Fig­uren im Ver­lauf der Geschichte bess­er und vor allem als vielschichtige Indi­viduen ken­nen.

Doch welchen Weg Du auch wählst:

Achte bei gle­ich­berechtigten Pro­tag­o­nis­ten beson­ders stark darauf, dass sie unter­schiedlich sind. Dass ihre Per­spek­tiv­en sich unter­schiedlich lesen. Über­haupt musst Du in einem solchen Fall mit der Erzählper­spek­tive beson­ders sorgfältig arbeit­en. Doch dazu mehr in einem anderen Artikel.

Sonderfall: Zweiergespann

Ein beson­der­er Fall liegt vor, wenn das Team nur aus zwei Leuten beste­ht: Das kann ein Liebe­spaar sein, zwei Fre­unde oder sog­ar Fam­i­lien­mit­glieder. Haupt­sache zwei Leute. Denn sie bilden die primäre Oppo­si­tion, den zen­tralen Kon­flikt, und alle anderen Kon­flik­te sind sekundär.

Beim Zweierteam geht es mehr als bei allen anderen Grup­pen­typen um die Beziehung. Denn ver­gle­iche:

  • Teams wie in Avatar — Der Herr der Ele­mente, wie die Gefährten im Her­rn der Ringe oder wie die Mus­ketiere von Dumas kämpfen in der Regel gegen äußere Oppo­nen­ten. Sie haben ihre inneren Oppo­si­tio­nen, doch der primäre Kon­flikt liegt meis­tens außer­halb des Teams.
  • In Goofy — Der Film geht es um die Beziehung zwis­chen Goofy und seinem Sohn Max. In den Fil­men mit Bud Spencer und Ter­ence Hill geht es jedes Mal um ein anderes Aben­teuer, doch der “Star” eines jeden dieser Filme ist die Dynamik zwis­chen den bei­den Haupt­fig­uren und die äußeren Kon­flik­te sind nur ein Vor­wand, um die bei­den zusam­men in Aktion zu sehen. Und Fifty Shades of Grey wäre nicht ansatzweise so erfol­gre­ich gewor­den, wenn es nicht primär um die Oppo­si­tion zwis­chen Ana und Chris­t­ian gin­ge bzw. um ihre ver­schiede­nen Vorstel­lun­gen von ein­er Liebes­beziehung.

Das ist aber natür­lich keine Regel, son­dern nur eine Beobach­tung mein­er­seits. Natür­lich gibt es auch Geschicht­en, in denen es primär um die Beziehung zwis­chen drei Fig­uren geht, und solche, in denen zwei Pro­tag­o­nis­ten ohne interne Kon­flik­te einen äußeren Feind besiegen. Ich bilde mir nur ein, eine Ten­denz zu beobacht­en, die oft tat­säch­lich zu einem besseren — oder zumin­d­est erfol­gre­icheren — Ergeb­nis führt.

Stützen kann ich mich im Übri­gen auch auf John Tru­by, der in The Anato­my of Sto­ry emp­fiehlt, das Duo als Hälften eines Pro­tag­o­nis­ten zu gestal­ten und den bei­den Haupt­fig­uren grund­ver­schiedene Vorstel­lun­gen vom Leben und unter­schiedliche Fähigkeit­en zu geben.

Ide­al­er­weise sind sie also Ver­bün­dete und Oppo­nen­ten zugle­ich, im Kon­flikt miteinan­der und ziehen doch am sel­ben Strang. Sie ergänzen sich gegen­seit­ig und sind als Ganzes stärk­er und inter­es­san­ter als jed­er für sich allein.

Teams und Persönlichkeiten

Wenn es aber um Beziehun­gen geht, stellt sich auch schnell die Frage nach Per­sön­lichkeit­stypen und ihrer Kom­pat­i­bil­ität. Allerd­ings muss ich Lieb­haber von Per­sön­lichkeitsmod­ellen ziem­lich ent­täuschen,

denn der Per­sön­lichkeit­styp, das Sternze­ichen oder was auch immer bes­timmt nicht, wie zwei Men­schen miteinan­der auskom­men. Vielmehr kommt es darauf an, wie die bei­den Indi­viduen mit ihren speziellen Unter­schieden umge­hen.

Und das kann sehr unter­schiedlich aus­fall­en: Ein Men­sch kann alle, die nicht so tick­en wie er selb­st, mit Vorurteilen zuk­leis­tern oder aber die Stärken ander­er Men­schen schätzen. Das hängt stets vom Indi­vidu­um selb­st und sein­er Vorgeschichte ab.

Du kannst natür­lich die Per­sön­lichkeit­stypen Dein­er Fig­uren ermit­teln und recher­chieren, wie sie typ­is­cher­weise miteinan­der auskom­men müssten.

Doch diese Beschrei­bun­gen von Beziehun­gen zwis­chen den ver­schiede­nen Per­sön­lichkeit­stypen sind in der Regel sehr all­ge­mein und kön­nen und soll­ten nicht unhin­ter­fragt auf reale Men­schen oder kom­plexe fik­tive Fig­uren angewen­det wer­den. Sie bieten höch­stens Anre­gun­gen, wie die Dynamik zwis­chen zwei Fig­uren ausse­hen kön­nte. Was Du davon umset­zt und wie, bleibt allein Dir über­lassen.

Ähn­lich­es lässt sich auch über die Kom­bi­na­tion von Per­sön­lichkeit­stypen und bes­timmten Funk­tio­nen inner­halb der Gruppe sagen. Wie Du bere­its gemerkt hast, sind die Arche­typen inner­halb der Five-Man Band oft mit bes­timmten Klis­chees belastet. Sicher­lich sind auch die meis­ten Intel­li­genzbestien, die Du kennst, intro­vertierte Bril­len­träger und die meis­ten Kampf­maschi­nen etwas dümm­liche Riesen. Das muss aber nicht so sein: Das Sen­si­belchen der Gruppe kann auch ein badas­siger Kämpfer sein und die Intel­li­genzbestie ein extravertiert­er Witzbold.

Set­ze Dir selb­st also bitte keine Schranken!

Beobachte lieber, welche Grundzüge sich beim Konzip­ieren der Geschichte abze­ich­nen, und nutze die Per­sön­lichkeit­sty­polo­gien für die Detailar­beit:

Wenn ich zum Beispiel bes­timmt habe, dass Lieschen Angst vor Autoritäten haben soll, dann kann ich mir als Ursache ein entsprechen­des Trau­ma aus­denken. Und dann kann ich mir über­legen, welche Charak­tereigen­schaften sie mit­brin­gen muss, damit das Ganze funk­tion­iert: So hat sie sich von ihren Eltern unter­drück­en lassen, während manche anderen Kinder eher rebel­lieren. Daher wird sie von ihrer Grund­kon­fig­u­ra­tion her wahrschein­lich nachgiebig und kom­pro­miss­bere­it sein. Ab hier kann ich mir die ver­schiede­nen Per­sön­lichkeit­stypen, Sternze­ichen etc. anschauen und mich zu kleineren Charak­ter­de­tails inspiri­eren lassen. Zum Beispiel kön­nte ich mir über­legen, ob sie vom Sternze­ichen her nicht Jungfrau sein kön­nte, biegsam und anpas­sungs­fähig, eher ruhig und sehr gewis­senhaft und genau. Let­zteres kön­nte ein wichtiger Fak­tor sein, warum sie eine so gute Hack­erin ist: Ihr ent­ge­ht ein­fach kein Detail, kein Schlupfloch, kein Hin­tertürchen. Die anderen Team­mit­glieder mögen ihr mit Vorurteilen begeg­nen und ihr auf­grund von ihrer stillen, schüchter­nen Art die Kom­pe­tenz absprechen, aber ihr aufmerk­sames Auge ent­deckt in Fritzchens Plan einen entschei­den­den Fehler, der das Team das Leben kosten würde. Dieser Moment kön­nte der Punkt sein, an dem die anderen an ihren Vorurteilen zu zweifeln begin­nen. Lieschen selb­st kön­nte dadurch ihren Wert fürs Team ent­deck­en und ein wenig Selb­st­be­wusst­sein gewin­nen.

Die indi­vidu­ellen Details ein­er Per­sön­lichkeit sind im Übri­gen auch das beste Mit­tel gegen Klis­chees. Benutze ruhig Arche­typen, um die all­ge­meine Rich­tung der Per­sön­lichkeit ein­er Fig­ur zu bes­tim­men. Nutze sie für das “Skelett”. Doch mache das “Fleisch” indi­vidu­ell:

Gib der Fig­ur eine inter­es­sante Hin­ter­grundgeschichte, stat­te sie mit ein­er indi­vidu­ellen Moti­va­tion, höchst eige­nen Schwächen, einem tiefen inneren Bedürf­nis und ein­er span­nen­den Entwick­lung aus. Soll heißen: Gib ihr Schicht­en, Facetten, eine glaub­würdi­ge Per­sön­lichkeit.

Fazit

Wir hal­ten also fest:

Helden­grup­pen sind ein gutes Tool, um ein The­ma viel­seit­ig zu betra­cht­en und span­nende Kon­flik­te und Entwick­lun­gen einzubauen. Außer­dem kann eine Gruppe von unter­schiedlich aus­ges­tat­teten und begabten Helden größere Her­aus­forderun­gen meis­tern als ein Einzelkämpfer.

Um nun als Autor ein inter­es­santes Team zu kreieren, sind fol­gende Schritte denkbar:

  • 1. Arbeite ein zen­trales The­ma her­aus.
  • 2. Wäh­le Aspek­te des The­mas, die Du näher beleucht­en möcht­est, und mache für jeden Aspekt einen groben Entwurf für eine Fig­ur.
  • 3. Gib jed­er Fig­ur eine inter­es­sante Per­sön­lichkeit, eine Hin­ter­grundgeschichte, eine nachvol­lziehbare Moti­va­tion etc.
  • 4. Arbeite die Wider­sprüche zwis­chen den Fig­uren und den Teilaspek­ten des Haupt­the­mas, die sie repräsen­tieren, her­aus und ver­ar­beite sie zu Kon­flik­ten.
  • 5. Löse die Kon­flik­te im Ver­lauf der Hand­lung auf. Weil die Fig­uren ja Aspek­te des zen­tralen The­mas repräsen­tieren, wer­den ihre Kon­flik­te und deren Auflö­sung automa­tisch zu ein­er Diskus­sion des zen­tralen The­mas.

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