Wie werden ein paar lose Ideen zu einem Plot? Was macht einen guten Plot überhaupt aus? Und wie handhabt man mehrere Handlungsstränge? – Spielen wir das Prozedere doch mal an einem fiktiven Beispiel durch und wenden der Einfachheit halber die Drei-Akt-Struktur an! Was kommt da wohl heraus?
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In einer Geschichte passiert in der Regel etwas: Es gibt eine Handlung. Die Figuren wandern psychisch und vielleicht auch physisch von Punkt A nach Punkt B. Doch wie füllt man den Raum zwischen diesen beiden Punkten?
Eine Geschichte, in der die Figuren ohne Hindernisse an ihr Ziel kommen, ist schließlich langweilig. Und wir wollen nicht langweilig sein.
Deswegen schauen wir uns in diesem Artikel an, wie wir einen anständigen Plot auf die Beine kriegen: vom Anfang bis zum Ende und evtl. sogar mit mehreren Handlungssträngen.
Was macht einen guten Plot aus?
Wie bereits in einem früheren Artikel ausgeführt, gibt es einen großen Unterschied zwischen Story und Plot. Zur Erinnerung:
Story ist alles, was passiert, in chronologischer Reihenfolge.
Der Plot besteht aus ausgewählten Abschnitten, wie sie dem Zuschauer präsentiert werden.
Es geht beim Plotten also nicht so sehr um die Geschehnisse an sich, sondern vielmehr darum, was der Leser zu welchem Zeitpunkt erfährt. Die Spannung kann dabei auch dann steigen, wenn alle Beteiligten einfach nur am Tisch sitzen – wenn zum Beispiel eine Information enthüllt wird, die eine völlig neue Perspektive auf die vergangenen und gegenwärtigen Ereignisse liefert. Es müssen also nicht zwangsläufig die Fetzen fliegen. Wie im Artikel über Ereignishaftigkeit bereits erläutert, reicht es je nach Geschichte vollkommen aus, dass L sich gegenüber Light, dem Protagonisten von Death Note, als sein Gegenspieler outet. Für den Leser (oder Zuschauer) ist die Information an sich nicht einmal neu, aber dass Light sie so direkt und unerwartet enthüllt bekommt, ist eine spannende Wendung.
In einem anderen Artikel haben wir des Weiteren darüber gesprochen, dass ein interessanter Plot ein Auf und Ab der Gefühle aufweisen sollte. Und das geht am besten, wenn man den Hauptplot mit seinem Hauptkonflikt in kleinere Unterplots und Unterkonflikte zerlegt und diese auf Szenen verteilt: Aus manchen Unterkonflikten gehen die Figuren siegreich hervor, aus anderen mit einer Niederlage – und das mehr oder weniger im Wechsel, während die Gesamtsituation sich immer mehr zuspitzt.
Von zentraler Bedeutung ist aber vor allem die Prämisse, denn sie ist es, die das Gebilde, das sich Erzählung oder salopp Buch nennt, zusammenhält. Doch auch darüber haben wir bereits in einem früheren Artikel gesprochen, daher keine langen Ausführungen an dieser Stelle. Worauf ich in diesem Zusammenhang aber durchaus eingehen will, ist das Thema der Plotter und der Pantser, über das wir ebenfalls schon in einem früheren Artikel gesprochen haben, und die spezifischen Herausforderungen, mit denen diese beiden Ansätze einhergehen, und wie man diesen mit der Prämisse begegnen kann:
- Denn Plotter laufen ja Gefahr, dass ihre Figuren mechanisch wirken und ihre Gefühle und Entscheidungen nicht organisch entstehen, sondern vor allem dem Plot dienen.
- Pantser währenddessen können leicht den roten Faden verlieren, sodass die Figuren nicht mehr zueinander und auch nicht mehr zum Plot passen.
Beides lässt sich verhindern, wenn man sich an der Prämisse orientiert: Schließlich sind auch die zentralen Themen, die Figurenkonstellation und deren Motivationen und Arcs daran gekoppelt. Plotter können die Prämisse also nutzen, um die einzelnen Bestandteile ihres Werks aufeinander anzupassen, und Pantsern weist die Prämisse den Weg, wenn sie sich in ihrem Entdeckerschreiben mal verheddern oder ihr Kritzelchaos in eine kohärente Erzählung umarbeiten wollen.
Einen Plot aufbauen
So viel also zu theoretischem Vorgeplänkel. – Nun wollen wir es in die Praxis umsetzen, sprich: Wo sind Anfang und Ende, was packen wir dazwischen und wie machen wir es spannend und relevant?
Dazu greifen wir mal unser Heldenteam aus Teil 6 der Archetypen-und-Klischees-Reihe wieder auf. Wenn Du Dich also nicht an den Held Fritzchen, der trotz seiner Abneigung gegen Autoritäten ein Team anführen muss, an den anarchistischen Sprengstoffexperten Klaus, die traumatisierte, aber geniale Hackerin Lieschen und die ehemalige Auftragskillerin Erna erinnerst, schnuppere gerne noch einmal in dieses Beispiel hinein.
An dieser Stelle aber spinnen wir die Idee von damals weiter und setzen beim zentralen Thema ein: Es geht in der Figurenkonstellation ja um Autorität, und jede Figur geht damit anders um. Der Protagonist Fritzchen findet sich dabei in einem Dilemma wieder, weil er – zumindest scheinbar – zu etwas werden muss, das er nicht mag. Somit besteht sein Arc – und damit auch die Haupthandlung der Geschichte – darin, eine gute Balance zwischen Tyrannei und Anarchie zu finden. Eine dazu passende Prämisse könnte zum Beispiel so lauten:
Um die Welt zu retten, muss ein eigentlich aufsässiger Held aus hochkarätigen Experten, die sich untereinander aber nicht leiden können, ein funktionierendes Team machen und lernt dabei, ein guter Anführer zu sein.
So weit wären wir dann. – Wie geht es weiter?
Plotstrukturen
Bestimmt bist Du schon der ein oder anderen Plotstruktur begegnet: der Drei-Akt-Struktur, dem Sieben-Punkte-System, der Heldenreise … Es ist dabei im Grunde egal, ob und welche dieser Schablonen Du verwendest - zumal wir bei epischen Texten ja ohnehin mehr Freiheiten haben, weil das Storytelling bei Filmen zum Beispiel strikteren Rahmenbedingungen wie Laufzeit unterliegt und dadurch tendenziell formelhafter ist. Wir können über die verschiedenen Plotstrukturen auch gerne in eigenständigen Artikeln reden. Aber eins müssen wir immer bedenken:
Das Befolgen einer noch so ausgefeilten Struktur allein ergibt noch keinen ausgereiften Plot.
Denn sie sind nichts weiter als Werkzeuge: Nutze also, was zu Deiner Geschichte passt, und ignoriere, was nicht passt.
Die einzigen strukturellen Richtlinien, die ich für 95–99 Prozent aller Geschichten in Stein meißeln möchte, wären im Grunde die gleichen wie auch bei einzelnen Szenen:
- Steige möglichst spät in die Handlung ein und lasse den Hauptkonflikt so früh wie möglich beginnen.
- Steige möglichst früh aus der Handlung aus, schwafele also nicht lange herum, nachdem der Hauptkonflikt aufgelöst wurde.
- Spicke die Handlung nicht mit allzu viel irrelevantem Fluff.
Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel – beispielsweise Peter Jacksons Verfilmung des Herrn der Ringe mit ihren unendlich vielen Enden, die aber notwendig sind, um wirklich alle Plotlinien und Themen abzurunden. Und natürlich wirst Du Dich bei leicht zu konsumierender Genreliteratur dann doch eher an strikte Konventionen halten müssen. Es ist eben – wie bei so vielen anderen Dingen auch – immer ein Balanceakt, der für Deine individuelle Geschichte individuell gemeistert werden muss:
Wenn Du Dich beispielsweise an meinen Artikel über das Schreiben von Serien erinnerst, dann kennst Du das vielfältige Spektrum zwischen den Polen der episodischen und progressiven Geschichten. Und genauso wie einzelne Teile bzw. Bände einer Reihe im Verhältnis zueinander mehr oder weniger episodisch oder progressiv sein können, bewegen sich auch eigenständige Werke und einzelne Bände einer Reihe irgendwo auf dem Spektrum: Der Hobbit von Tolkien ist ein in sich abgeschlossenes Einzelbuch, aber der Plot ist insgesamt sehr episodisch mit all seinen Abenteuern, die nur sehr lose zusammenhängen. Harry Potter und der Stein der Weisen hingegen ist eher auf der progressiven Seite, weil in scheinbar harmlosen Episoden wie dem Besuch der Winkelgasse wichtige Figuren wie Draco Malfoy oder der zentrale McGuffin, der Stein der Weisen, erstmals auftauchen.
Die Drei-Akt-Struktur
Wenden wir uns nun aber wieder der Praxis zu und entscheiden uns, der Drei-Akt-Struktur zu folgen, weil sie so einfach ist und sich dadurch hervorragend für Demonstrationszwecke eignet.
Sie funktioniert wie folgt:
- Der erste Akt dient der Exposition: Wir lernen die Figuren und ihre Welt kennen, und am Ende kommt der erste Wendepunkt, ab dem die Figuren keine andere Wahl mehr haben, als sich dem zentralen Konflikt zu stellen.
- Der zweite Akt ist der längste und beschreibt die Konfrontation der Figuren mit dem zentralen Konflikt: Sie treffen auf Hindernisse und erleiden Rückschläge, doch in der Mitte, am zentralen Punkt, finden sie endlich einen Ansatz für eine Lösung und arbeiten diese im weiteren Verlauf heraus. Am zweiten Wendepunkt, der Schwelle zum dritten Akt, haben sie bereits einen Plan für die finale Schlacht und müssen ihn „nur noch“ umsetzen.
- Der dritte Akt beinhaltet die Auflösung des zentralen Konflikts: Nach vielen Rückschlägen haben die Figuren endlich einen Plan, der tatsächlich funktioniert, und sie gehen siegreich hervor.
Wenn wir das Ganze nun auf unser Beispiel übertragen, könnten unsere Überlegungen so aussehen:
- Der zentrale Konflikt besteht ja darin, dass das Team nicht funktioniert und Fritzchen mit seiner Rolle als Anführer nicht zurechtkommt. Während die Figuren eingeführt werden, muss ihr dysfunktionales Miteinander also demonstriert werden und am besten noch fatale Konsequenzen haben, weil es ja um die Rettung der Welt geht. Deswegen starten wir im ersten Akt direkt mit Action: Mehrere Großstädte der Welt sind in Gefahr, und Fritzchen soll sie retten und bekommt ein Team von hochkarätigen Profis an die Seite gestellt. Weil das Team aber nicht funktioniert, gibt es ein grandioses Scheitern, Millionen Tote, und das Team ist noch zerstrittener als zuvor, weil jeder die Schuld auf die anderen schiebt.
- Im zweiten Akt bereiten die Figuren eine neue Mission vor, um weitere Zerstörungen zu verhindern, stehen sich durch ihre Streitigkeiten aber nach wie vor gegenseitig im Weg. Sie erledigen kleinere Aufträge, beschaffen notwendige Gegenstände oder suchen Informationen, aber sie kommen nicht wirklich voran. Allerdings treffen sie auf ihren Untermissionen auf Gegner und Situationen, die ihnen ihre Irrtümer vor Augen führen und ihre Gemeinsamkeiten entdecken lassen. Zum Beispiel könnten Fritzchen und Klaus sich einem Feind stellen, der seine Untergebenen wie ein Tyrann behandelt und somit die Abneigung beider Helden gegen Autoritäten verkörpert. Als Klaus jedoch schwer verletzt wird und es für Fritzchen einfacher wäre, die Mission abzubrechen und sich selbst in Sicherheit zu bringen, riskiert er sein Leben, um Klaus zu retten – weil Klaus‘ Kompetenzen essentiell für die Hauptmission sind und er sich außerdem für ihn verantwortlich fühlt. Dadurch denkt Klaus natürlich viel besser über ihn und während sie gemeinsam ihre Wunden lecken, entdecken sie, dass sie beide Tyrannei verabscheuen, ein guter Anführer aber kein Tyrann zu sein hat. Sie lernen also zwischen Tyrannei und positiver Autorität zu unterscheiden – zwischen selbstherrlichen Despoten und Anführern, die sich vor allem als Diener ihres Teams begreifen. Sobald es Klaus ein wenig besser geht, wagen die beiden sich noch einmal an ihre Untermission und sind tatsächlich siegreich. Es beginnt also ein Umdenken, das Team kommt sich insgesamt allmählich näher und um den zweiten Wendepunkt herum begreifen die einzelnen Teammitglieder sich gegenseitig als Familie.
- Im dritten Akt gehen sie also als intaktes Team in die finale Schlacht. Noch mehr Städte sind in Gefahr, alle sind nervös, weil sie an ihr Scheitern am Anfang der Geschichte denken, aber sie sprechen sich auch gegenseitig Mut zu. Natürlich geht während des Endkampfes dann einiges schief, aber die Teammitglieder helfen sich gegenseitig aus der Patsche, besiegen gemeinsam den Feind und retten die Welt.
Diese Beispielhandlung ist natürlich ein bisschen klischeehaft, aber ich hoffe, dass ich das Prinzip des Plottens durch diese Einfachheit umso anschaulicher demonstrieren konnte. Und natürlich ist der präsentierte Plot noch sehr grob. Doch was im Grunde nur noch zu tun bleibt, sind die Details. Und verschiedene Menschen sind da unterschiedlich. Die Plotter würden die Einzelheiten kleinkariert durchplotten, die Pantser begnügen sich vielleicht mit dieser groben Struktur und schreiben drauflos bzw. setzen sich an die Überarbeitung des Geschriebenen.
Mehrere Handlungsstränge und Nebenplots
Doch was tun wir, wenn der Plot etwas komplexer ist und nicht nur einen, sondern mehrere Stränge hat?
Hier ist natürlich zu klären, was ein Handlungsstrang ist und was einen guten Nebenplot ausmacht …
Nun, wenn wir uns die Haupthandlung als einen roten Faden bzw. als rotes Seil vorstellen, dann ist das ein Strang. Und wenn da noch andere Fäden dazwischengewoben sind, spricht man von Nebenplots. Also zu Deutsch:
Nebenhandlungsstränge bzw. Nebenplots sind Konflikte und Entwicklungen, die mehr oder weniger parallel zum Hauptplot verlaufen und mit diesem irgendwie zusammenhängen. Sobald ein Nebenplot aber komplett unabhängig vom Hauptplot ist, kann er nicht mehr als Nebenplot gelten, sondern stellt eine viel zu eigenständige Handlung dar und damit überflüssigen Fluff.
Eine interessante Sonderform von Nebenplots sieht man in Geschichten, die scheinbar keinen Hauptplot haben, sondern parallel mehrere Geschichten erzählen. Diese existieren aber nie wirklich lose voneinander, sondern hängen immer durch Figuren und vor allem zentrale Themen zusammen:
Vielleicht kennst Du ja den Film Er steht einfach nicht auf dich, in dem es keinen richtigen Protagonisten gibt, sondern eine Handvoll Figuren, die sich nur teilweise untereinander kennen, aber alle gleichermaßen Herausforderungen in Sachen Liebe zu meistern haben. Für jede individuelle Situation in diesem Film gibt es eine individuelle Lösung, aber alle Figuren finden sie, sei es eine neue Beziehung, eine Trennung, die Rettung einer alten Beziehung oder das Weiterleben als Single. – Doch jeder Konflikt und jede Lösung ist nur eine Facette des zentralen Themas Liebe, der Akzeptanz von Tatsachen und der Suche nach dem, was für einen selbst das Richtige ist.
Es gibt also viele Möglichkeiten, wie man Geschichten mit mehreren Handlungssträngen handhaben kann: In Harry Potter zum Beispiel passiert im Hintergrund sehr viel, aber weil wir die Geschichte ja fast ausschließlich aus Harrys Sicht erleben, ist das zwar durchaus relevantes, aber dennoch Hintergrundgeplätschel. Im Herrn der Ringe spalten sich nach Die Gefährten mehrere Nebenplots ab und nur Sam und Frodo tragen den Hauptstrang, aber am Ende kommen alle Stränge wieder zusammen. Im Lied von Eis und Feuer kreisen viele verschiedene Stränge umeinander, jede Figur erlebt ihre höchst eigene Story, und doch sind alle individuellen Geschichten Teil der Gesamthandlung. In Er steht einfach nicht auf dich haben wir eine Art Kreis oder ein Netz von Figuren, die auch ihre höchst individuellen Geschichten erleben, aber eine klare Gesamthandlung bleibt aus. Und vielleicht erinnerst Du Dich an den Krimi Der Tote im Salonwagen, den ich schon mal im Artikel über das Wechseln von Perspektiven angebracht habe, wo die Stränge des Detektivs und des Anführers einer Terroristengruppe parallel verlaufen, während die beiden nach einem geheimnisvollen Dritten suchen, der die Polizei und die Terrorgruppe gegeneinander ausspielt.
Aufgrund dieser Vielfalt will ich Dir in Sachen Handlungsstränge keine Regeln vorsetzen, sondern einfach nur betonen:
Formuliere das zentrale Thema und eine Prämisse und halte Dich daran. – Denn sie sind das Bindeglied, das alle Bestandteile Deiner Erzählung zusammenhält.
Vergiss auch nicht, dass ein Nebenplot immer noch ein Plot ist und ebenso wie der Hauptplot eine Struktur braucht.
Außerdem solltest Du darauf achten, dass die Nebenplots in Deiner Erzählung eine nennenswerte Funktion erfüllen. Denn wenn man einen Nebenplot einfach streichen kann, ohne dass sich am Gesamtwerk etwas ändert, dann ist das unnötiger Fluff und gehört gestrichen.
Handlungsstränge in der Praxis
Was bedeutet das alles aber nun für unsere Beispielhandlung?
Unser zentraler Konflikt ist neben Fritzchens Dilemma ja das funktionsunfähige Team – und somit bieten sich die Widersprüche zwischen den einzelnen Figuren wunderbar für Nebenplots an. Während die Gruppe im ersten und dritten Akt ja als Einheit auftritt, geht es im zweiten Akt um die Bewältigung ihrer einzelnen Unterkonflikte. Das Abenteuer von Fritzchen und Klaus ist so ein Unterkonflikt. Und während die beiden auf Mission sind, könnten Lieschen und Erna ebenfalls auf Mission gehen und in ihrem parallelen Nebenhandlungsstrang ihren höchst eigenen Konflikt lösen:
Lieschen ist ja in einem autoritären Haushalt aufgewachsen und daher sehr schreckhaft. Erna hingegen ist durch jahrelanges Töten abgestumpft und wirkt wie eine Maschine, die unhinterfragt absolut jeden Befehl ausführt. Sie hält Lieschen für eine Loserin, während Lieschen Angst vor Ernas Kritik und Vorwürfen hat. Als sie nun zusammen auf Mission sind, treffen sie auf ein wirklich unerwartetes Hindernis: auf eine jüngere Auftragskillerin, die genauso brutal ausgebildet wird wie Erna einst, aber noch nicht komplett abgestumpft ist. Der knallharten Maschine wird also ein Spiegel vorgehalten, sie kann ihre traumatische Vergangenheit nicht mehr länger wegsperren und ihre Fassade bröckelt, die Mission scheitert. Erna ist fassungslos und hasst sich selbst, weil sie – wie sie glaubt – genauso „schwach“ ist wie Lieschen. Diese wiederum beginnt ihre Angst vor Erna zu verlieren, weil sie sich selbst in ihr erkennt, und zu Ernas Überraschung begegnet Lieschen ihr mit Verständnis und Empathie – das ist das erste Mal, dass Erna so etwas erlebt. Um den zentralen Wendepunkt herum, als auch Fritzchen und Klaus zu ihrem Konsens finden, liegen die beiden sich heulend in den Armen. Als also endlich ein respektvolles Miteinander möglich ist, erfüllen sie ihre Mission beim zweiten Anlauf und treffen sich wieder mit Fritzchen und Klaus. Die letzten Konflikte sind zwar noch da – aber die positive Entwicklung ist bereits angestoßen, die Figuren bemerken nach und nach, wie die jeweils anderen sich verändert haben, und am Ende des zweiten Aktes sind sie, wie gesagt, im Grunde eine liebende Familie.
Schlusswort
So viel also zum Entwickeln eines Plots. Es ist dabei grundsätzlich egal, wo Du anfängst – ob Du nun einfach bestimmte Figuren oder Szenen vor Deinem geistigen Auge hast oder bereits einige Ideen für die grundlegende Handlung in Deinem Kopf herumspuken. Wichtig ist, dass Du aus diesem Sammelsurium von Ideen das zentrale Thema und eine Prämisse herausfiltern kannst. Den Rest kannst Du dann darum herum aufbauen.
Dabei müssen das zentrale Thema und die Prämisse auch nicht in Stein gemeißelt sein. Es ist das Natürlichste der Welt, dass sich solche Dinge im Verlauf des Schreibprozesses verändern. Solange am Ende, vor dem finalen Überarbeitungsdurchlauf, alles zusammenpasst, bist Du auf einem guten Weg.