Motive in Geschichten einsetzen

Motive in Geschichten einsetzen

Moti­ve machen eine Erzäh­lung viel­schich­ti­ger. Doch was sind sie über­haupt und wie funk­tio­nie­ren sie? Wie set­zen wir sie in unse­ren eige­nen Geschich­ten ein? Was müs­sen wir beach­ten? – Dar­über spre­chen wir in die­sem Artikel.

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Moti­ve. – Das sind die­se geheim­nis­vol­len, schein­bar ungreif­ba­ren Ele­men­te, die angeb­lich den künst­le­ri­schen Wert einer Geschich­te stei­gern. Doch was sind Moti­ve über­haupt? Wie erkennt man sie und wie baut man sie in eige­ne Wer­ke ein? Und wozu genau exis­tie­ren sie? – Das schau­en wir uns heu­te an!

Definition

Unter einem Motiv ver­steht man ein wie­der­keh­ren­des Ele­ment, das das The­ma einer Geschich­te stützt. Nor­ma­ler­wei­se taucht es im Ver­lauf der gan­zen Geschich­te auf, in der Regel drei­mal oder öfter. Dabei kann es sich auch ver­än­dern und somit die Zustands­ver­än­de­rung in der Geschich­te veranschaulichen.

Was bedeu­tet das also?

Bestimmt ist Dir auf­ge­fal­len, dass es in Geschich­ten immer wie­der etwas gibt, das sich wie­der­holt. Es kann ein Gegen­stand sein, der immer wie­der auf­taucht, ein bestimm­tes Wort oder ein Spruch, den die Figu­ren stän­dig machen, eine bestimm­te Far­be, die sich pene­trant durch das gan­ze Set­ting zieht, ein Geräusch, eine Hand­lung der Figuren …

Weil ein Motiv alles Mög­li­che sein kann, ist es viel­leicht etwas schwie­rig zu defi­nie­ren. Aber wenn man mit offe­nen Augen durch die Welt des Sto­rytel­lings geht, bemerkt man zum Beispiel,

dass in Dos­to­jew­skis Ver­bre­chen und Stra­fe bzw. Schuld und Süh­ne die Far­be Gelb sehr prä­sent ist: Die Tape­ten in den Woh­nun­gen sind gelb, die Möbel sind gelb, die Gesich­ter der Figu­ren sind gelb … In die­sem Roman beschreibt Dos­to­jew­ski sehr detail­liert die Armut im St. Peters­burg des 19. Jahr­hun­derts und das Gelb ist hier von eher kränk­li­cher Natur und reprä­sen­tiert Armut, Ver­fall und Leid. Damit trägt es zur depri­mie­ren­den Gesamt­stim­mung des Romans bei.

Ein opti­mis­ti­sche­res Bei­spiel ist der Sit­tich in der Lie­bes­ge­schich­te Tora­do­ra!, der als Run­ning Gag fun­giert: Inko schafft es ein­fach nicht, ihren Namen aus­zu­spre­chen, dafür aber völ­lig ande­re Wör­ter, die viel kom­pli­zier­ter sind. Erst am Ende, als die bei­den Haupt­fi­gu­ren end­lich ein Paar wer­den, kriegt Inko ihren Namen auf die Rei­he. Somit spie­gelt Inkos Fähig­keit, ihren Namen aus­zu­spre­chen, den Bezie­hungs­sta­tus der bei­den Hauptfiguren.

Wie Du bei bei­den Bei­spie­len sehen kannst, exis­tiert die Wie­der­ho­lung nicht ein­fach so, son­dern ist, wie es sich für ein Motiv eben gehört, an das zen­tra­le The­ma gekop­pelt, näm­lich Armut bzw. Lie­be. Wäh­rend die Far­be Gelb bei Dos­to­jew­ski jedoch vor allem der Atmo­sphä­re und dem World-Buil­ding dient, sprich: der rea­lis­ti­schen Dar­stel­lung der kata­stro­pha­len Lebens­ver­hält­nis­se der Figu­ren, hat die Ent­wick­lung des Motivs in Tora­do­ra! vor allem eine emo­tio­na­le Wir­kung, da sie sub­til die Freu­de für die bei­den Haupt­fi­gu­ren verstärkt.

Mit ande­ren Worten:

Moti­ve machen eine Erzäh­lung vielschichtiger.

Es wird nicht nur stu­pi­de her­un­ter­ge­rat­tert, was pas­siert, son­dern das zen­tra­le The­ma und sei­ne Ent­wick­lung wer­den auch auf ande­ren Ebe­nen sicht- und spürbar.

Kulturelle Motive

Natür­lich exis­tie­ren Moti­ve aber nicht nur inner­halb ihres jewei­li­gen Werks, son­dern ger­ne auch kul­tur­über­grei­fend. Und Du kennst sie: Das sind Ele­men­te, die in ver­schie­de­nen Geschich­ten immer wie­der auf­tau­chen, bei­spiels­wei­se der Dop­pel­gän­ger, das Lie­bes­drei­eck, zwei Brü­der als Riva­len, wobei einer den ande­ren auch noch umbringt …

Und ja, wir bewe­gen uns hier im Bereich der Arche­ty­pen und Kli­schees. Die­se sind nicht zwangs­läu­fig Moti­ve, weil sie nicht immer „auf­ge­la­den“ sind bzw. mit dem zen­tra­len The­ma einer Geschich­te zu tun haben; aber weil Moti­ve ja alles Mög­li­che sein kön­nen, sind auch Arche­ty­pen und Kli­schees kei­ne Ausnahme.

Sagen wir es mal so:

Wenn Dein Prot­ago­nist einer ande­ren Figur begeg­net, die ihm sehr ähn­lich sieht, es aber kei­ne wei­te­re Bedeu­tung hat, dann ist das kein Motiv. Wenn der Dop­pel­gän­ger aller­dings eine zen­tra­le – und meis­tens dunk­le – Eigen­schaft des Prot­ago­nis­ten ver­kör­pert oder das genaue Gegen­teil von ihm dar­stellt, dann soll­te man hell­hö­rig werden.

Oder: Wenn irgend­wo im Hin­ter­grund ein Lie­bes­drei­eck vor sich hin plät­schert, dann ist das wahr­schein­lich kein Motiv. Aber wenn der Prot­ago­nist sich in einem Lie­bes­drei­eck wie­der­fin­det und es auch noch der Dreh- und Angel­punkt der Erzäh­lung ist, dann ist das garan­tiert ein Motiv.

Was die­se kul­tu­rel­len Moti­ve erschaf­fen, ist ein inter­tex­tu­el­ler Kon­text. Denn Moti­ve fun­gie­ren ähn­lich wie Hash­tags in den sozia­len Medi­en: Sie ver­knüp­fen Din­ge, die zusam­men­ge­hö­ren, und erschaf­fen einen grö­ße­ren Zusam­men­hang. – Gel­be Tape­te ist zum Bei­spiel nichts wei­ter als gel­be Tape­te, bis einem auf­fällt, dass die Far­be Gelb sehr oft vor­kommt und mit Armut und Elend zu tun hat. Und ein Lie­bes­drei­eck ist zunächst nur ein Lie­bes­drei­eck, bis man auch noch zwan­zig­tau­send ande­re Geschich­ten mit Lie­bes­drei­ecken gele­sen hat, wobei jede idea­ler­wei­se eine neue Facet­te dar­stellt, ähn­lich wie wenn man unter einem ein­zi­gen Hash­tag vie­le ver­schie­de­ne Mei­nun­gen zu einem The­ma antrifft.

Ob die Autoren es also beab­sich­ti­gen oder nicht, tra­gen sie mit den Moti­ven in ihren Geschich­ten zum kul­tu­rel­len Dis­kurs bei.

Um mal ein Bei­spiel von der Krea­tiv­Crew zu klauen:

Der Bad­boy, der sich von einem bra­ven Mäd­chen „zäh­men“ lässt, ist ein belieb­tes Motiv. Und als sol­ches ist es zunächst neu­tral. Doch wie das Krea­tiv­Crew-Mit­glied, das die­ses Bei­spiel ange­bracht hat, mein­te, kann es auch gefähr­lich wer­den: näm­lich dann, wenn jun­ge Mäd­chen zu vie­le sol­cher Geschich­ten kon­su­mie­ren und sich auf miss­bräuch­li­che Bezie­hun­gen ein­las­sen, weil sie mei­nen, sie könn­ten ihren Bad­boy umerziehen.

Als Autor kann man mit die­sem Motiv jedoch unend­lich krea­tiv wer­den: So wird im Film bzw. Musi­cal Grease der Jun­ge zwar zah­mer, aber auch das bra­ve Mäd­chen ver­än­dert sich und wird sogar zum „Bad­girl“. Nun kann man, je nach­dem, wie man die Geschich­te inter­pre­tiert, kri­ti­sie­ren, dass hier pro­pa­giert wird, man sol­le sich für sei­nen Love-Inte­rest ver­än­dern. – Was kann man also machen? Abge­se­hen davon, dass man sol­che Moti­ve umkeh­ren kann (bra­ver Jun­ge, rebel­li­sches Mäd­chen), sind auch ander­wei­ti­ge Mani­pu­la­tio­nen mög­lich, zum Bei­spiel wenn das bra­ve Mäd­chen ein­sieht, dass der Bad­boy ihr scha­det und ihn ver­lässt. Durch das gemein­sa­me Motiv – Bad­boy und bra­ves Mäd­chen – reiht sich eine sol­che Geschich­te in den Kon­text der ver­herr­li­chen­den Dar­stel­lun­gen ein und kri­ti­siert sie.

Abgrenzungen

Doch nicht nur zu den Arche­ty­pen und Kli­schees ist der Über­gang flie­ßend. Denn der Begriff selbst bringt bereits Ver­wechs­lungs­po­ten­ti­al mit sich: Wäh­rend es im Eng­li­schen die Begrif­fe motif und moti­ve gibt, hat das deut­sche Wort „Motiv“ bei­de Bedeu­tun­gen. Das eng­li­sche moti­ve ist dabei das Motiv im Sin­ne von Beweg­grund bzw. Moti­va­ti­on. Und über die Moti­va­ti­on von Figu­ren haben wir schon an ande­rer Stel­le gespro­chen, daher ver­zich­te ich hier auf eine Erklä­rung. Das Motiv, über das wir in die­sem Arti­kel reden, ist das eng­li­sche motif.

Auch ist der Unter­schied zum The­ma selbst nicht immer klar – vor allem, wenn das Motiv nicht sehr abs­trakt ist. Zum Bei­spiel, wenn es dar­um geht, dass eine Figur Selbst­be­wusst­sein auf­bau­en muss und stän­dig jam­mert: „Ich kann das nicht!“ Hier ist das Selbst­be­wusst­sein das The­ma, also das, wor­um es geht, und das Motiv – der sich stän­dig wie­der­ho­len­de Spruch – dient nur der Unter­stüt­zung, hier indem er das The­ma in eine kon­kre­te Form bringt und das feh­len­de Selbst­be­wusst­sein greif­bar macht.

Beson­ders star­ke Über­schnei­dun­gen gibt es mit dem Sym­bol. Grund­sätz­lich ist ein Sym­bol ein­fach nur etwas, das für etwas ande­res steht, sie­he mei­ne Rei­he zu rhe­to­ri­schen Stil­mit­teln. Nor­ma­ler­wei­se ist ein Sym­bol auch kei­ner Ver­än­de­rung unter­wor­fen: Die Tau­be als Sym­bol für den Frie­den bleibt ein Sym­bol für den Frie­den, egal, wie man es dreht oder wen­det. Gleich­zei­tig – und das ist das Schwie­ri­ge – kann ein Sym­bol durch­aus als Motiv fungieren.

Neh­men wir zum Bei­spiel unse­re fik­ti­ve Hand­lung aus dem Arti­kel über das Ent­wi­ckeln eines Plots mit der Drei-Akt-Struk­tur: Sagen wir mal, das Team, das die Welt ret­ten soll, ist inter­na­tio­nal und bei der Bedro­hung han­delt es sich um eine Ali­en­in­va­si­on. Als das inter­na­tio­na­le Team im ers­ten Akt also schei­tert, weil alle zer­strit­ten sind, dann reprä­sen­tiert das die Zer­strit­ten­heit der Natio­nen unse­rer Welt. Und um das noch sicht­ba­rer aus­zu­drü­cken, könn­te man inmit­ten der Zer­stö­rung am Ende des ers­ten Aktes die Auf­merk­sam­keit auf eine tote Tau­be len­ken: Der Frie­den zwi­schen den Natio­nen unse­rer Welt ist tot und des­we­gen sind wir dem Unter­gang geweiht. Als das Team dann im Ver­lauf des zwei­ten Aktes sei­ne inter­nen Kon­flik­te all­mäh­lich auf­löst, könn­te man hin und wie­der das Fie­pen von Tau­ben­kü­ken drau­ßen vor dem Fens­ter des Haupt­quar­tiers ein­brin­gen. Am Ende, als das inter­na­tio­na­le Team sich als Fami­lie begreift und den Feind besiegt, flie­gen die nun aus­ge­wach­se­nen Küken über den Him­mel: Die Reprä­sen­tan­ten ver­schie­de­ner Natio­nen haben Empa­thie für­ein­an­der ent­wi­ckelt und gemein­sam die Welt geret­tet – es gibt eine Chan­ce für den Weltfrieden.

Schließ­lich wer­fen auch unzeit­li­che Ver­knüp­fun­gen Fra­gen nach der Abgren­zung auf. Eine unzeit­li­che Ver­knüp­fung ist eine Ver­bin­dung von zwei oder mehr Ele­men­ten durch Ähn­lich­keit oder Unter­schied. Wir haben bereits im Arti­kel über die Repe­ti­tio dar­über gespro­chen. Und wäh­rend ich nicht behaup­ten wür­de, dass die unzeit­li­che Ver­knüp­fung und das Motiv das­sel­be sind, hal­te ich es auch nicht für not­wen­dig, eine kla­re Gren­ze zu zie­hen: Denn in vie­len kon­kre­ten Fäl­len sind sie tat­säch­lich das­sel­be. Ein Motiv ver­knüpft ver­schie­de­ne Stel­len einer Erzäh­lung mit­ein­an­der auf unzeit­li­che Wei­se – und ist somit eine unzeit­li­che Ver­knüp­fung. Bloß gilt das nicht umgekehrt:

In der Assassin’s‑Creed-Rei­he zum Bei­spiel haben meh­re­re Figu­ren eine Nar­be auf der Lip­pe. Sie ver­bin­det vor allem die Prot­ago­nis­ten der ers­ten Spie­le mit­ein­an­der. Abge­se­hen von die­ser blo­ßen Ver­bin­dung scheint die Nar­be aller­dings kei­ne tie­fe­re Bedeu­tung zu haben, zumal ihre Ver­wen­dung auch nicht kon­se­quent ist. Sie ist also durch­aus eine unzeit­li­che Ver­knüp­fung, aber kein Motiv.

Motive einsetzen

Um also kurz zusammenzufassen:

Moti­ve machen eine Erzäh­lung viel­schich­ti­ger und ver­stär­ken so ihre emo­tio­na­le Wir­kung.

Mit ande­ren Wor­ten: Moti­ve sind fan­cy! Man kann sie pas­siv genie­ßen – oder man kann sie auch aktiv intel­lek­tu­ell ana­ly­sie­ren und in die eige­ne Inter­pre­ta­ti­on eines Wer­kes ein­be­zie­hen. Des­we­gen wer­den Erzäh­lun­gen, die mit Moti­ven arbei­ten, ger­ne – und oft auch zu Recht – als anspruchs­vol­ler und qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ger wahr­ge­nom­men.

Von die­sem Kuchen wol­len wir natür­lich etwas abha­ben und fra­gen uns daher: Wie kön­nen wir selbst in unse­ren Wer­ken Moti­ve einsetzen?

Sicher­lich kommt mei­ne Sicht der Din­ge von mei­ner Pants­er­na­tur, wird für die Plot­ter also viel­leicht nicht gut pas­sen, aber

ich per­sön­lich hal­te nichts davon, Moti­ve zu erzwingen.

Denn auch wenn Moti­ve grund­sätz­lich eine Erzäh­lung auf­wer­ten kön­nen, braucht nicht jede Geschich­te Moti­ve und kein Motiv ist bes­ser als ein aus den Fin­gern gesaug­tes, das dem Leser auch noch aggres­siv unter die Nase gerie­ben wird.

Die bes­ten – das heißt: effek­tivs­ten – Moti­ve ent­ste­hen mei­nen Beob­ach­tun­gen nach eher von selbst:

So hat J. K. Row­ling, Inter­views nach zu urtei­len, nicht all­zu bewusst die vie­len Vater­fi­gu­ren in den Har­ry-Pot­ter-Büchern erschaf­fen. Und anschlie­ßend ermor­det. Sie selbst erzählt von einem pro­ble­ma­ti­schen Ver­hält­nis zu ihrem eige­nen Vater und auch wenn Siri­us Black, Albus Dum­ble­do­re und Remus Lupin eher idea­li­sier­te Figu­ren sind, ver­schwin­den sie nach und nach aus Har­rys Leben. Doch am Ende, im Epi­log, ist Har­ry selbst Vater und es passt zum zen­tra­len The­ma der Rei­he, näm­lich dem Erwach­sen­wer­den. Auf einer tie­fe­ren Ebe­ne geht es aber anschei­nend auch um das Über­win­den einer trau­ma­ti­schen Vergangenheit.

Das ist einer der Grün­de, war­um das Schrei­ben ger­ne als See­len­strip­tease bezeich­net wird: Ohne dass wir es bewusst wahr­neh­men, sickert unser Innen­le­ben mit­samt all sei­ner Schat­ten­sei­ten in unse­re Wer­ke, durch­tränkt sie und so kommt es zu sich wie­der­ho­len­den Ele­men­ten, die wir Autoren oft erst im Nach­hin­ein bemerken.

Ich wür­de daher emp­feh­len, es ein­fach gesche­hen zu las­sen und erst spä­ter, viel­leicht mit­ten im Schreib­pro­zess, zu schau­en, ob man unbe­wusst etwas ein­ge­baut hat. Und wenn man etwas ent­deckt, kann man damit etwas bewuss­ter wei­ter­ar­bei­ten und anhand der Prä­mis­se über­le­gen, wie das Motiv sich ent­wi­ckeln soll.

Das­sel­be gilt auch, wenn man von vorn­her­ein Ideen hat, wel­che Moti­ve man ein­bau­en möch­te. Denn zwar bin ich dage­gen, sich etwas aus den Fin­gern zu sau­gen, aber manch­mal hat man schon wäh­rend des Plot­tens wun­der­schö­ne Ein­fäl­le. Und wenn sie als Moti­ve funk­tio­nie­ren sol­len, müs­sen sie natür­lich an das zen­tra­le The­ma und damit auch an die Prä­mis­se gekop­pelt sein. – Wie das aber genau aus­se­hen soll, musst Du Dir für Dein indi­vi­du­el­les Werk ganz indi­vi­du­ell überlegen.

Motive gekonnt einsetzen

Nun ist es schön und gut, Moti­ve im Kopf her­aus­zu­ar­bei­ten. – Doch wie sorgt man dafür, dass sie beim Leser auch bewir­ken, was sie sol­len, dabei aber nicht ner­vig oder zu kom­pli­ziert werden?

Mei­ne ers­te Emp­feh­lung wäre: Ent­spann Dich! Wenn Dei­ne Leser die Moti­ve nicht bewusst wahr­neh­men, ist das kein Dra­ma. Nur ein Bruch­teil aller Leser ach­tet tat­säch­lich auf sol­che Din­ge. Des­we­gen, wür­de ich sagen, wir­ken Moti­ve meis­tens eher auf unter­be­wuss­ter Ebe­ne: Mit dem Kopf neh­men wir Har­rys Vater­fi­gu­ren viel­leicht nicht wahr – oder erst, wenn jemand uns expli­zit dar­auf hin­weist; aber auf der rein emo­tio­na­len Ebe­ne trägt die Ent­wick­lung um die Vater­fi­gu­ren dazu bei, dass wir Har­rys Rei­fe­pro­zess inten­si­ver füh­len. Und wenn das funk­tio­niert, dann ist das Motiv gelungen.

Nun kann aber natür­lich auch das Gegen­teil pas­sie­ren, näm­lich dass die Moti­ve so expli­zit ein­ge­bracht wer­den, dass man sie ein­fach nicht über­se­hen kann. Das ist in der Regel sehr ner­vig, denn nie­mand will einen Text lesen, in dem alles schreit: „Hier, schau, ein Motiv! Und hier noch eins! Siehst Du, wie hier alles vol­ler Moti­ve ist? Denk nach, ana­ly­sie­re sie und bewun­de­re mei­ne über­bor­den­de Intel­li­genz! – Ach ja, habe ich schon erwähnt, dass mein Text vol­ler Moti­ve ist?“

Damit ein Motiv ein sol­ches ist, soll­te man es natür­lich min­des­tens drei­mal wie­der­ho­len. Aller­dings soll­test Du Dei­ne Moti­ve trotz­dem spar­sam ein­set­zen – d. h. nur dann, wenn die Moti­ve tat­säch­lich zur jewei­li­gen Text­stel­le etwas bei­tra­gen. Wenn ein Motiv nichts bei­trägt, außer ein Motiv zu sein, dann lass es an der ent­spre­chen­den Stel­le lie­ber weg. Fra­ge not­falls Dei­ne Test­le­ser, ob die Moti­ve nicht zu pene­trant sind.

Ansons­ten kommt es natür­lich auch dar­auf an, wie man die Moti­ve ver­packt. So fällt die Far­be Gelb in Ver­bre­chen und Stra­fe durch­aus auf, steht aber nicht im Vor­der­grund und tritt ger­ne in Kom­bi­na­ti­on mit ande­ren Merk­ma­len auf: Die gel­be Tape­te zum Bei­spiel hat viel­leicht wei­ße Blüm­chen und das Gesicht der jewei­li­gen Figur ist nicht ein­fach nur gelb, son­dern bläss­lich gelb. Oder das Motiv drängt sich durch­aus in den Vor­der­grund, hat dabei aber eine posi­ti­ve Wir­kung auf den Rezi­pi­en­ten, zum Bei­spiel wenn es – wie in Tora­do­ra! - als will­kom­me­ner Run­ning Gag fungiert.

Motive und Missverständnisse

Eine Gefahr, vor der Dich jedoch nichts wirk­lich schüt­zen kann, sind Miss­ver­ständ­nis­se. Denn was ich bereits im Arti­kel über Gewalt ange­spro­chen habe, gilt lei­der auch hier:

Du kannst nicht vor­her­se­hen, was für ver­dreh­te Flau­sen Dei­ne spä­te­ren Leser in ihren Köp­fen haben werden.

Ein inter­es­san­tes Bei­spiel ist der Film Sucker Punch. Die Mei­nun­gen über ihn sind sehr gespal­ten und das ist einer der Wer­ke, bei denen ein­ge­fleisch­te Fans argu­men­tie­ren, dass Kri­ti­ker es ein­fach nicht ver­stan­den haben. Natür­lich glau­ben die Kri­ti­ker selbst, dass sie Sucker Punch ver­ste­hen, aber wenn ich mir zum Bei­spiel die Kri­tik von Doug Wal­ker (Nost­al­gia Cri­tic) anse­he, dann habe ich den Ein­druck, dass er tat­säch­lich nur die obers­te Schicht der Sym­bo­le und Moti­ve ver­stan­den hat, aber nicht die noch viel tie­fe­ren Bedeutungen:

Wenn er zum Bei­spiel Baby Doll als per­sön­lich­keits­los kri­ti­siert, dann wür­de ich ger­ne auf das zen­tra­le Motiv der Träu­me ver­wei­sen und behaup­ten, dass Baby Doll kei­ne kom­ple­xe Per­sön­lich­keit braucht, weil sie ein aus­ge­dach­tes Alter Ego von Sweet Pea ist. Die Ebe­ne, die Doug Wal­ker für die Rea­li­tät hält, ist über­wie­gend auch nur ein Traum bzw. fin­det im Kopf der eigent­li­chen Prot­ago­nis­tin (Sweet Pea) statt. Es geht in dem Film eben nicht um einen buch­stäb­li­chen Aus­bruch aus einer Ner­ven­heil­an­stalt, son­dern um das Erlan­gen von inne­rer Freiheit.

Link-Emp­feh­lun­gen:

Ich wür­de sagen, Sucker Punch ist ein künst­le­risch höchst anspruchs­vol­ler und emo­tio­nal mit­rei­ßen­der Film mit sehr viel Tief­gang. Aber den vie­len nega­ti­ven Kri­ti­ken nach zu urtei­len ist er auch kom­pli­zier­ter, als ihm gut­tut. Denn:

Es ist schwie­rig, Dei­ne Bot­schaft an den Rezi­pi­en­ten zu brin­gen, wenn er Dei­ne Spra­che nicht versteht.

Das Pro­blem mit der Kom­ple­xi­tät ist, dass der Rezi­pi­ent auch nicht alles bis ins kleins­te Detail vor­ge­kaut bekom­men möch­te. Die per­fek­te Balan­ce zwi­schen „zu kom­pli­ziert“ und „zu ein­fach“ zu fin­den ist schwer und hängt auch stark von der jewei­li­gen Ziel­grup­pe, dem Gen­re und dem Mar­ke­ting ab. Des­we­gen kann ich auch kei­ne Regeln auf­zäh­len, mit denen man eine sol­che Balan­ce auf jeden Fall hinbekommt.

Ein paar all­ge­mei­ne Richt­li­ni­en möch­te ich aber den­noch formulieren:

  • Weil ich bezweif­le, dass man eine idea­le Anzahl von Moti­ven nen­nen kann, emp­feh­le ich das Prin­zip: Weni­ger ist mehr.
  • Am bes­ten, Du kon­zen­trierst Dich auf die Moti­ve, die ohne­hin von allei­ne ent­ste­hen, und ver­suchst nicht, krampf­haft noch ande­re Moti­ve und Sym­bo­le an den Haa­ren herbeizuziehen.
  • Ach­te außer­dem bei Dei­nen Test­le­sern dar­auf, ob sie Dei­ne Moti­ve wahr­neh­men und wie sie sie ver­ste­hen. Und wenn es mehr­heit­lich zu gra­vie­ren­den Miss­ver­ständ­nis­sen kommt, dann pas­se Dei­ne Erzäh­lung an bzw. mache sie etwas verständlicher.

Ansons­ten ist es auch kein Pro­blem, wenn Du Dei­ne Erzäh­lung trotz allem so kom­pli­ziert machen möch­test wie Sucker Punch. Auch sol­che Wer­ke haben eine Exis­tenz­be­rech­ti­gung – ich und eine Men­ge ande­rer Zuschau­er auch haben die­sen Film sehr genos­sen und sind froh, dass er exis­tiert. Mache Dich in einem sol­chen Fall aber dar­auf gefasst, dass Du von der Mehr­heit mas­siv miss­ver­stan­den wirst.

Schlusswort

So viel also zu Moti­ven. Ich hof­fe, ich konn­te die­sen Begriff ver­ständ­lich erläu­tern und ein paar wert­vol­le Tipps und Anre­gun­gen geben. Und natür­lich wün­sche ich Dir viel Spaß beim Hoch­schrau­ben des lite­ra­ri­schen Anspruchs Dei­ner Werke!

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