Böse Berater und andere „Gift­träufler“

Böse Berater und andere „Gift­träufler“

Nicht immer kommt das „Böse“ von außen. Manchmal kommen die Übel­täter aus den eigenen Reihen. Mit schlechtem Rat und Hin­ter­list „ver­giften“ sie Herr­scher, ganze Reiche oder auch ein­fach nur ein­zelne Figuren. Doch können solche „Gift­träufler“ auch leicht in die Kli­schee­falle tappen. Schauen wir uns also an, wie man diesen Figu­rentyp gut umsetzt!

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Dunkler Lord? – Viel zu simpel! Wie wäre es statt­dessen mit einer Gift­schlange in den Reihen der „Guten“?

In der Krea­tiv­Crew wurde näm­lich der drin­gende Wunsch geäu­ßert, über den „Gift­träufler“ zu reden. Gemeint sind dabei Figuren wie Wurm­schwanz in Harry Potter oder Gríma Schlan­gen­zunge im Herrn der Ringe. Oder auch Long Feng aus Avatar – Der Herr der Ele­mente oder Dschafar aus Aladdin.

Also Figuren, die die Reihen der „Guten“ mit ihrem „Gift“ schwä­chen. – Ob sie nun in eigenem Inter­esse han­deln oder einem anderen Ant­ago­nisten dienen.

Nun gibt es aber viele Arche­typen und Kli­schees, die in diese Rich­tung gehen. Nehmen wir heute also das breite Spek­trum dieser zwie­lich­tigen Typen unter die Lupe!

Böser Berater

Der Archetyp, der den „Gift­träufler“ wohl am meisten ver­kör­pert, ist der Böse Berater:

Er ist der Mann hinter einem an sich eigent­lich guten Herr­scher, den er mani­pu­liert oder ander­weitig negativ beein­flusst.

So machen bei­spiels­weise die Ein­flüs­te­rungen von Gríma Schlan­gen­zunge den eigent­lich edlen und guten König Thé­oden zu einem schwa­chen Greis, der seinem Berater förm­lich aus der Hand frisst.

Oft reicht der Ein­fluss des Bösen Bera­ters sogar so weit, dass er der eigent­liche Macht­haber im Land ist.

Das ist bei­spiels­weise bei Long Feng der Fall, der mit seinen Geheim­agenten ganz Ba Sing Se kon­trol­liert. Wäh­rend­dessen übt der junge König nur rein reprä­sen­ta­tive Funk­tionen aus und ahnt nicht, dass Long Feng einen hun­dert­jäh­rigen Krieg vor ihm ver­heim­licht.

Im Übrigen muss der Böse Berater natür­lich nicht unbe­dingt ein Berater sein. Je nach dem, in wel­cher Welt die Geschichte spielt, kann das auch ein Minister, ein hoch­ran­giger Priester, ein Senator oder ein Hof­ma­gier sein. Solange seine Gift­zunge den Herr­scher erreicht, sind Deiner Fan­tasie keine Grenzen gesetzt.

Ver­wandte des Bösen Bera­ters

Nun fallen aber nicht nur Herr­scher und Staaten „Gift­täuf­lern“ zum Opfer und es gibt ver­wandte Arche­typen, die mit dem Bösen Berater manchmal ein­her­gehen. Hier einige wich­tige Bei­spiele:

Maul­wurf

Da hätten wir als erstes den Maul­wurf,

der sich in die eigenen Reihen gemischt hat, aber in Wirk­lich­keit für die Gegen­seite arbeitet.

Dabei ist der Maul­wurf nicht per se ein „Gift­träufler“, denn er kann zum Bei­spiel auch ein „Guter“ sein, der die Armee der Fins­ternis aus­spio­niert. Doch sobald ein Böser Berater für jemand anderen arbeitet als sich selbst, wird er sehr schnell zu einem bösen Maul­wurf.

Das ist bei­spiel­weise bei dem bereits erwähnten Gríma der Fall, der in Wirk­lich­keit für den Zau­berer Sar­uman arbeitet.

Nun kann ein Maul­wurf aber auch beiden Seiten zugleich als Maul­wurf dienen: Beide Seiten halten ihn für ihren eigenen Agenten, doch seine eigent­liche Loya­lität ist Außen­ste­henden in Wirk­lich­keit unbe­kannt. Das macht ihn zum Dop­pel­agenten – und das ist schon ein eigenes Thema für sich.

Ver­räter

Nicht immer jedoch arbeiten Gift­schlangen von Anfang an für die Gegen­seite:

Manche arbeiten ein­fach für ihren eigenen Vor­teil.

Bei­spiels­weise Petyr Bae­lish im Lied von Eis und Feuer, der Ned Stark im ersten Band mit gutem Rat zur Seite zu stehen scheint. Statt Ned jedoch, wie ver­spro­chen, zu helfen, hin­ter­geht er ihn. Später stellt sich außerdem heraus, dass er hinter zahl­rei­chen wei­teren Intrigen steckt und für einige der größten Kon­flikte zwi­schen den ade­ligen Häu­sern von Wes­teros gesorgt hat.

Auch gibt es Schön­wet­ter­freunde, die ehr­lich auf der Seite der „Guten“ sind – aber nur solange alles gut läuft. Denn sobald das Blatt sich wendet, wech­seln sie auf die Gegen­seite.

Zu beob­achten am Bei­spiel von Wurm­schwanz, der seine lang­jäh­rigen Schul­freunde verrät, als er die Macht von Lord Vol­de­mort sieht.

Es gibt viele Gründe, warum Figuren – und Men­schen gene­rell – zu Ver­rä­tern werden. Doch das genau aus­ein­an­der­zu­nehmen würde den Rahmen dieses Arti­kels sprengen. Des­wegen weiter im Pro­gramm …

Sata­ni­scher Ver­führer

Ein Böser Berater, der statt eines Staates eine Person „ver­giftet“, fällt gerne in die Kate­gorie des sata­ni­schen Ver­füh­rers:

Seine Ein­flüs­te­rungen locken den Prot­ago­nisten auf die dunkle Seite und ver­derben ihn mora­lisch.

Der bekann­teste Ver­treter dürfte da die buch­stäb­liche Schlange im Garten Eden sein, die Eva ver­führte, die ver­bo­tene Frucht zu essen.

Richtig span­nend sind aber vor allem die sub­tilen Satane wie bei­spiels­wese Hein­rich Vogler in Napola – Elite für den Führer. Er ist Deutsch- und Sport­lehrer an einem Internat, an dem die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Elite her­an­ge­züchtet werden soll. Als er auf das Box­ta­lent des Prot­ago­nisten Fried­rich auf­merksam wird, macht er ihm die Nazi-Eli­te­schule schmack­haft.

Poten­tial

So viel zu den Erschei­nungs­formen der „Gift­träuf­lers“. Doch welche Rolle erfüllt so eine Figur inner­halb einer Geschichte?

Schwarz-Weiß ver­wi­schen

Zunächst erstmal kann er das World-Buil­ding etwas kom­plexer, inter­es­santer und viel­schich­tiger aus­sehen lassen. – Zumin­dest ver­gli­chen mit rein schwarz-weißen Welten.

Denn natür­lich ist der Böse Berater in sehr vielen Fällen auch sehr kli­schee­haft. Doch eine ver­dor­bene Kreatur in den Reihen der „Guten“ ver­wischt das Schwarz-Weiß ein wenig.

Bonus­punkte gibt es dabei, wenn die Figur selbst etwas kom­plexer ist:

So arbeitet Gríma zwar für Sar­uman, aber letzt­end­lich ist er es, der ihn tötet. In den Filmen ver­gießt er sogar eine Träne, als das Ork­heer auf Helms Klamm los­mar­schiert. Er ist an sich also kein kom­plett böser Mensch.

Rea­li­täts­bezug

Auch schafft ein „Gift­träufler“ – beson­ders in Form eines Bösen Bera­ters – einen Bezug zur Rea­lität:

  • Wir alle wissen hof­fent­lich, dass die Men­schen an der Macht in der Regel nicht aus reiner Bos­heit han­deln, wenn sie zwei­fel­hafte Ent­schei­dungen fällen. Die einen haben durch bestimmte Lebens­um­stände zu einer destruk­tiven Ideo­logie gefunden, die anderen folgen ein­fach schlechten Rat­schlägen, bei­spiels­weise von Lob­by­isten.
  • Zudem fallen auch wir selbst als Pri­vat­per­sonen fal­schen Freunden und schlechten Ein­flüs­te­rungen zum Opfer.

Mit all dem ver­kör­pern gut umge­setzte „Gift­träufler“ eine durchaus rea­lis­ti­sche Gefahr und spielen mit – teil­weise durchaus begrün­deten – Ängsten des Lesers. Damit hat der „Gift­träufler“ auch Poten­tial für Gesell­schafts­kritik:

In Full­metal Alche­mist (Brot­her­hood) ver­pestet Vater Cor­nello die Gemüter der Stadt Liore und will die Bürger zu einer Armee von reli­giösen Fana­ti­kern machen. Sie sollen die Regie­rung stürzen und ihn an die Macht bringen. Dabei ist er aber auch selbst eine Mario­nette einer viel grö­ßeren Ver­schwö­rung. Damit warnt Full­metal Alche­mist (Brot­her­hood) vor blindem Glauben und for­dert zum selbst­stän­digen Denken auf.

Plot und Twists

Vor allem aber treibt ein guter „Gift­träufler“ den Plot voran:

  • Sein „Gift“ erschafft Kon­flikte,
  • er kor­rum­piert Figuren oder sogar ganze Staaten,
  • schwächt die „Guten“ und
  • schafft damit die Not­wen­dig­keit und auch die Grund­lage für per­sön­li­ches Wachstum ein­zelner Figuren und monu­men­tale poli­ti­sche Umbrüche.

Dabei bietet er auch viel Raum für Plot-Twists:

  • So kann zum Bei­spiel die Ent­hül­lung von ihm als Mas­ter­mind im Hin­ter­grund einen Twist dar­stellen, wenn die Figuren vorher dachten, dass bei­spiels­weise der König die Macht hätte.
  • Aber der Twist kann auch darin bestehen, dass der ver­meint­liche Meis­ter­ma­ni­pu­lator selbst mani­pu­liert wird.
  • Oder beides:

In Avatar – Der Herr der Ele­mente zum Bei­spiel will die Hel­den­truppe ihr Anliegen dem Erd­könig vor­tragen und ist geschockt, als sich her­aus­stellt, dass der Kul­tur­mi­nister Long Feng der eigent­liche Herr­scher ist. Später ver­kal­ku­liert sich Long Feng jedoch und wird von Azula, der Prin­zessin der feind­li­chen Feu­er­na­tion, über­listet, aus­ge­nutzt und ent­machtet.

Stol­per­fallen

Doch so toll gut gemachte „Gift­träufler“ auch sind, so nervig sind schlecht gemachte Exem­plare.

Bei­spiels­weise sind solche Figuren den gän­gigen Kli­schees nach durch ihr Äußeres, ihr Ver­halten oder beides sofort als „böse“ iden­ti­fi­zierbar. Und noch kli­schee­hafter ist es, wenn außer den Helden nie­mand merkt, dass der unna­tür­lich bleiche, schlei­mige oder ander­weitig offen­sicht­lich „böse“ Kerl nichts Gutes im Schilde führt. Zumin­dest erscheint die Men­schen­kenntnis von Herr­schern, die solche Kerle zu ihren Bera­tern machen, mehr als zwei­fel­haft.

Pro­ble­ma­tisch kann auch klares mora­li­sches Schwarz-Weiß sein. Zwar kann der „Gift­träufler“ das Schwarz-Weiß etwas ver­wi­schen – Doch wenn er keinem bösen Over­lord dient, son­dern selbst der eigent­liche Ant­ago­nist ist, das ulti­ma­tive Böse, das es aus­zu­rotten gilt, um alle Pro­bleme der Welt zu lösen – Dann er er nicht kom­plexer als der typi­sche Dunkle Lord.

Und nicht zuletzt ist ein „Gift­träufler“ herz­lich sinnlos, wenn sein „Gift“ nicht irgendwie mit den zen­tralen Themen der Geschichte zusam­men­hängt. Seine Auf­gabe ist es, den Prot­ago­nisten Hürden in den Weg zu stellen und den Plot vor­an­zu­treiben. Und wenn er das nicht tut, dann kann er noch so viel „Gift“ träu­feln wie er will: Er ist irrele­vant und gehört gestri­chen.

Die besten „Gift­träufler“ sind also facet­ten­reiche Figuren mit einer gut her­aus­ge­ar­bei­teten Moti­va­tion und for­dern die Prot­ago­nisten heraus.

Dabei wirken sie umso rea­lis­ti­scher, wenn ihre Motive für den Leser nach­voll­ziehbar sind und/oder sie sogar Fehler machen. – Denn das macht sie mensch­lich.

Vor allem aber sollten sie – sofern die Ziel­gruppe nicht Kinder sind – nicht auf den ersten Blick als Böse­wichte erkennbar sein: Der Leser sollte nach­voll­ziehen können, warum ihre Opfer ihr „Gift“ so bereit­willig auf­nehmen.

Schluss­wort

Mit dem „Gift­träufler“ haben wir also ein Bündel von Arche­typen, die – wie immer – viel­fäl­tiges Poten­tial haben, aber auch mächtig in die Kli­schee­falle tappen können. Tat­säch­lich sind viele bekannte „Gift­träufler“ eigent­lich ziem­lich kli­schee­haft. Man kann dar­über genervt die Augen ver­drehen oder die Kli­schees irgendwie auch witzig finden. Solange die eigenen „Gift­täufler“ den Lesern gefallen, ist alles in Ord­nung.

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