Wie alles und jeder einen Namen hat, braucht auch jede Geschichte einen Namen bzw. Titel. Dieser ist gleichzeitig der erste Zugang, den der Leser zu Deiner Geschichte hat, und beeinflusst seine darauffolgenden Handlungen: zum Beispiel, Deine Geschichte zu lesen. Wie findest Du also einen passenden Titel? Was gibt es im Hinblick auf das Marketing zu bedenken? Und was tut man bei Serien? Das besprechen wir in diesem Artikel …
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Der Titel einer Geschichte mag vielleicht nur ein i‑Tüpfelchen sein: Er macht Deine Geschichte nicht besser oder schlechter, aber irgendwie musst Du Deine Geschichte ja benennen.
Außerdem spielt der Titel auch beim Marketing eine Rolle. Im Community-Tab meines YouTube-Kanals habe ich eine kleine Umfrage gemacht und wollte wissen, was uns am meisten dazu bringt, ein neues Buch zu kaufen: Klappentext, Titel, Cover, das Herumschnuppern im Text selbst oder alles zusammen. Zwar hat der Titel hier die wenigsten Stimmen bekommen, aber gleichzeitig ist die Mehrheit der Meinung, dass es auf das Zusammenspiel aller Faktoren ankommt.
Und ja, ich bezweifle, dass ein Titel allein zu einem Buchkauf führt. Dazu liefert er einfach zu wenig Informationen. Aber ein guter Titel weckt Neugierde, sodass der zukünftige Leser das Buch zumindest in die Hand nimmt und sich den Klappentext anschaut, der dann wiederum hoffentlich zum Buchkauf animiert.
Vergiss auch nicht, dass der Buchtitel im Grunde die Marke prägt: Wenn wir Titel wie Der Herr der Ringe oder Harry Potter, Breaking Bad oder Der König der Löwen hören, dann ist es egal, ob die Titel an sich gut sind. Es kommt primär auf die Eigenschaften, die Qualität und die Emotionen an, die wir mit diesen Wortzusammensetzungen verbinden. Es geht hier also auch um die langfristige Planung des Marketings.
Die Wichtigkeit des Titels ist also nicht zu unterschätzen. Deswegen ist höchste Zeit, dass wir dieses Thema anpacken …
Was macht einen guten Titel aus?
Über die Rolle des Titels im Marketing haben wir schon in einem sehr alten Artikel gesprochen. Dort geht es vor allem um die AIDA-Formel, das Zusammenspiel von:
- A → Attention → Aufmerksamkeit erregen,
- I → Interest → Interesse wecken,
- D → Desire → Begehren auslösen,
- A → Action → zum Handeln auffordern.
Bezieht man die AIDA-Formel auf die gesamte Customer Journey eines Lesers, also den Weg vom ersten Erblicken des Buches bis zur Lektüre, dann ist der Titel bei „A“, also „Aufmerksamkeit erregen“, anzusiedeln. Wenn der Titel besonders originell ist, dann vielleicht auch bei „I“, „Interesse wecken“.
Allerdings lässt sich die AIDA-Formel auch auf den Titel selbst anwenden:
Ein guter Titel erregt Aufmerksamkeit, weckt Interesse, löst das Begehren aus, die Geschichte zu lesen oder zumindest mehr darüber zu erfahren, und führt schließlich zur Handlung bzw. zum Kauf bzw. zur Lektüre.
Wie man dieses Ideal erreicht, ist gewissermaßen allgemein bekannt:
- Aufmerksamkeit erregt ein Titel, der irgendwie auffällt, ungewöhnlich, originell etc. ist.
- Interesse weckt ein Titel, der eine interessante Geschichte andeutet und somit neugierig macht.
- Begehren löst ein Titel aus, der Fragen aufwirft und/oder irgendwie herausfordert oder gar provoziert.
- Nur das Auffordern zur Handlung ist bei Titeln eher schwierig. Wir können aber sagen, dass Aufmerksamkeit, Interesse und Begehren im Zusammenspiel miteinander idealerweise zur Handlung führen sollten.
Das ist aber nur nackte Theorie. Wir behalten sie vorerst im Hinterkopf und schauen uns nun an, wie sich Titel überhaupt kategorisieren lassen.
Typen von Titeln
In ihrem Buch Der Bestseller-Code haben Jodie Archer und Matthew L. Jockers zusammengetragen, welche Faktoren ein Buch zum Bestseller machen – zumindest laut ihrer Software, die Tausende von Bestsellern und Nicht-Bestsellern gelesen und miteinander verglichen hat. Unter anderem beobachteten Archer und Jockers vier Typen von Bestseller-Titeln. Die Kategorisierung erfolgt dabei nach dem, was im jeweiligen Titel im Vordergrund steht:
- Beim ersten Typ liegt der Schwerpunkt auf einem Ort, der für die Geschichte eine besondere Rolle spielt und eine bestimmte Handlung erwarten lässt. Nehmen wir zum Beispiel den Titel von James Camerons Titanic: Obwohl es primär eine Liebesgeschichte ist, spielt die Titanic als zentraler Handlungsort und zentrale Metapher eine sehr große Rolle und der Name an sich verspricht bereits ein gigantisches Drama.
- Beim zweiten Typ steht ein Ereignis im Vordergrund. Dieses hat in der Geschichte meistens eine wichtigere Rolle als die Figuren, die eher auf das Ereignis reagieren, und es prägt die Struktur der Geschichte. In Tolstojs Krieg und Frieden zum Beispiel geht es um Napoleons Russlandfeldzug und wie er die Schicksale der vielen verschiedenen Figuren beeinflusst.
- Beim dritten Typ geht es um ein Ding, das in der Geschichte natürlich von besonderer Bedeutung ist. Es ist der häufigste Typ und hat daher mehrere Untertypen:
- Ein Beispiel für ein Ding mit einem erklärenden Wort wäre Dan Browns The Da Vinci Code, der ins Deutsche als Sakrileg übertragen wurde: Hier dreht sich alles nicht um irgendeinen Code, sondern um einen ganz besonderen, der etwas mit Leonardo da Vinci zu tun hat.
- Andere Ding-Titel sind so gestrickt, dass sie automatisch eine Frage provozieren. Wenn wir zum Beispiel den Titel von Goethes Die Leiden des jungen Werther hören, steht automatisch die Frage im Raum, was mit dem armen Werther denn passiert ist, dass er leiden muss. Bei Anderschs Sansibar oder der letzte Grund fragt man sich sofort: „Der letzte Grund“ für was?
- Oft steht das Ding im Titel aber auch einfach als einsames Substantiv da: So geht es in Gregor Dorfmeisters autobiografischem Roman Die Brücke und seinen Verfilmungen um die Verteidigung der titelgebenden Brücke.
- Der vierte Titeltyp schließlich, bei dem eine Figur im Vordergrund steht, macht ein Fünftel aller Bestseller aus und lässt sich ebenfalls in mehrere Untertypen unterteilen:
- Zum Beispiel kann einfach nur der Name einer Figur – meistens des Protagonisten – als Titel fungieren: Da fallen uns schnell Klassiker wie Goethes Faust und Shakespeares Romeo und Julia ein. Ein Beispiel, bei dem die titelgebende Figur nicht der Protagonist ist, wäre Disneys bzw. Pixars Film Coco, in dem Coco die Urgroßmutter des Protagonisten ist, deren Erinnerungen eine zentrale Rolle spielen.
- Oft hat der Titel-Name aber auch eine zusätzliche Beschreibung: Wenn wir schon bei Pixar sind, können wir Findet Nemo nennen. Hier geht es nicht einfach nur um irgendeinen Nemo, sondern es wird auch der Plot angedeutet, nämlich dass Nemo gefunden werden muss.
- Der häufigste Untertyp nennt die Rolle und den Status der Figur. Beispiele wären Andy Weirs Der Marsianer oder auch Gillian Flynns Gone Girl. Anders als bei der bloßen Nennung des Namens, die eher eine Charakterstudie oder Ähnliches erwarten lässt, deutet dieser Typ an, dass es um die Beziehung der Figur zu ihrer sozialen Rolle, ihrem Beruf, ihrem Geschlecht, was auch immer geht.
Manche Titel wirst Du sehr leicht in diese Typologie einordnen können, andere nur mit Mühe. Aber das ist nur natürlich: Letztendlich geht es hier nur um Beobachtungen zweier Wissenschaftler, kein wissenschaftliches Modell. Du musst Deinen Titel also nicht auf Teufel komm raus in diese Typologie einordnen können. Nimm sie eher als Anregung zu überlegen, was Du bei Deinem Titel besonders in den Vordergrund rücken möchtest.
Und damit wären wir auch schon bei der Praxis, nämlich konkreten Tipps für Deine Suche nach einem passenden Titel.
Einen passenden Titel finden
Dabei wollen wir zunächst kurz erwähnt haben, dass der endgültige Titel Deines Buches vom Verlag festgelegt wird. Sofern Du also eine Verlagsveröffentlichung anstrebst, kannst Du höchstens einen Arbeitstitel festlegen, der wiederum maximal dazu da ist, Dein Manuskript irgendwie zu benennen und dazu beizutragen, dass Dein Exposé dem Lektor schmackhafter erscheint und der Verlag mit Dir einen Vertrag abschließen möchte. Sofern Du aber Self-Publishing anstrebst, legst Du den endgültigen Titel natürlich selbst fest – und wenn dieser Titel marketingtechnisch ein Reinfall ist, trägst Du allein die Verantwortung dafür.
Bedenke außerdem, dass es locker auch Monate oder sogar Jahre dauern kann, bis Du einen guten Titel gefunden hast. Ja, manchmal hast Du einfach etwas wie eine göttliche Eingebung und weißt von einem Moment auf den anderen, wie Dein Manuskript heißen soll, und manchmal hast Du den richtigen Titel, noch bevor Du mit dem Schreiben anfängst. Oft genug tun wir Autoren uns aber auch sehr schwer damit, zumal es während des Verfassens des Werks gerne zu Änderungen und Schwerpunktverlagerungen kommt und frühere Titelideen irgendwann einfach nicht mehr passen.
Lass Dir bei der Suche nach Deinem Titel bzw. Arbeitstitel also ruhig Zeit.
Wirklich feststehen muss er erst, wenn Du Dein Manuskript beim Verlag einreichst bzw. Dein Self-Publishing planst. Probiere verschiedene Ideen, Möglichkeiten und Varianten aus. Schau Dich um, was es in Deinem Genre aktuell für Modeerscheinungen gibt, und entscheide, ob Du ihnen folgen möchtest. Frage andere Leute nach ihrer Meinung, welche Titelideen sie am meisten ansprechen bzw. bei welchen Titelideen sie welche Geschichten erwarten würden.
Vor allem aber:
Behalte Dein Geschichtenkonzept und dessen Entwicklung im Auge.
Denn davon würde ich am meisten ausgehen, wenn ich nach einem passenden Titel suche …
Der inhaltliche Part
Generell gilt:
Bevor Du etwas formulierst, musst Du als Erstes wissen, was Du überhaupt sagen willst.
Genauso ist es bei der Wahl des Titels: Er soll etwas ausdrücken, und bevor Du ihn formulierst, musst Du wissen, welche Bedeutung er haben soll.
Wie wir bereits gesehen haben, stellt der Titel in der Regel einen Aspekt der Geschichte in den Vordergrund und sagt somit in sehr komprimierter Form, worum es geht. Daher würde ich empfehlen, vom zentralen Konflikt und von der Prämisse Deiner Geschichte auszugehen:
Wenn Du in der Prämisse die Geschichte in einem einzigen Satz zusammenfasst, dann enthält der Titel die ganze Geschichte in einigen wenigen Worten.
Es ist schon logisch, dass diese Worte, die den Titel ausmachen, in der Regel nicht einfach nur Worte sind, sondern mit allen möglichen zusätzlichen Bedeutungen aufgeladen sind, die sich einem oft erst bei der Lektüre des Werks erschließen. Gleichzeitig ist aber gerade das einer der Faktoren, durch die der Titel Neugierde weckt: Er hat zusätzliche Bedeutungen, die es zu entdecken gilt, und ein origineller Titel kann durchaus motivieren, diese Entdeckungsreise anzutreten.
Nehmen wir zum Beispiel Harry Potter und der Stein der Weisen:
Die Prämisse wäre:
„Ein Waisenjunge erfährt, dass er magische Kräfte hat, geht auf eine Zauberschule und verhindert die Rückkehr eines bösen Zauberers.“
Im Titel findet sich die Prämisse insofern wieder, als dass das Buch fast komplett aus Harrys Sicht erzählt wird, er der Auserwählte des Zaubereruniversums ist, es letztendlich um sein Erwachsenwerden geht und es somit Sinn macht, seinen Namen in den Titel zu packen. Kombiniert wird sein Name noch mit dem Stein der Weisen, dem zentralen MacGuffin der Geschichte, dem Mittel, mit dem der böse Zauberer zurückkehren will und das somit die Handlung weitestgehend auslöst und vorantreibt. Außerdem weiß ein Leser mit auch nur ansatzweise Allgemeinwissen, dass es sich beim Stein der Weisen um ein magisches Artefakt handelt, und kann sich somit denken, dass Harry Potter etwas mit Magie zu tun hat.
Etwas mehr Allgemeinwissen verlangt in der eher atheistischen Gegenwart dagegen Quo vadis? von Henryk Sienkiewicz:
Die Prämisse dieses Romans würde ich so formulieren:
„Im Jahr 64 nach Christus verliebt sich der Patrizier Vinicius in die Christin Lygia, wird allmählich selbst Christ und ihre Liebe übersteht die Christenverfolgungen unter Kaiser Nero.“
Die titelgebende lateinische Phrase bedeutet übersetzt: „Wohin gehst du?“ Vollständig lautet sie eigentlich: „Domine, quo vadis?“, also: „Herr, wohin gehst du?“ Einer Legende zufolge, die im Roman auch verarbeitet wurde, wird dieser Satz vom Apostel Petrus an Christus gerichtet, dem er bei seiner Flucht aus Rom begegnet. Christus antwortet daraufhin, er würde nach Rom gehen, um sich erneut kreuzigen zu lassen. Daraufhin bricht Petrus seine Flucht ab, kehrt nach Rom zurück und wird dort gekreuzigt.
Mit diesem Hintergrundwissen wird also klar, dass es in dem Roman um Christentum und vor allem um Christenverfolgungen geht. Somit deutet der Titel indirekt das größte Hindernis der Liebe zwischen Vinicius und Lygia und das zentrale historische Ereignis des wohlgemerkt historischen Romans an. Außerdem kann man von der lateinischen Phrase an sich schließen, dass das Römische Reich als Setting fungiert, und man kann sie auch im übertragenen Sinne als Frage nach der Zukunft und moralischen Werten verstehen, wobei speziell im Roman natürlich die Werte der dekadenten Römer und der tugendhaften Christen in Opposition stehen.
Worum geht es also in Deiner Geschichte? Was ist der zentrale Konflikt? Was ist der zentrale Arc des Protagonisten? Welcher Aspekt ist von zentraler Bedeutung?
Formuliere die Prämisse und schon hast Du Anhaltspunkte dafür, was Dein Titel ausdrücken könnte.
Natürlich ist das Formulieren der Prämisse eine Kunst für sich. Wenn Du es aber einfach nicht schaffst, die Handlung Deiner Geschichte in einem einzigen Satz zusammenzufassen, dann kann es ein Hinweis darauf sein, dass Dein Konzept nicht gut herausgearbeitet ist und Du selbst nicht weißt, worum es geht. Wenn Du also zehn Schritten zum Entwickeln einer Prämisse folgen möchtest, kannst Du bei einem früheren Artikel vorbeischauen. Und wenn Du Hilfe von einem literaturkundigen Menschen brauchst, kannst Du gerne eine Beratung bei mir buchen und dann reden wir bei einem Online-Telefonat über Deine Geschichte.
Äußere Gestaltung
Nun sollten Titel jedoch nicht nur inhaltlich passend, sondern für den potentiellen Leser auch angenehm sein. Das heißt: klar, verständlich, möglichst leicht zu merken und idealerweise auch möglichst leicht auszusprechen. Natürlich ist das aber keine in Stein gemeißelte Regel und wenn Deine Geschichte einen zweizeiligen Zungenbrecher als Titel erfordert, dann meinetwegen.
Was genau ich mit den aufgelisteten Richtlinien meine, sollte schnell klar werden, wenn Du die eigentlichen Titel so mancher Klassiker mit den Titeln vergleichst, die sich mit der Zeit eingebürgert haben.
Zum Beispiel gibt es einen gewissen Roman von Daniel Defoe, der heißt:
Das Leben und die seltsamen überraschenden Abenteuer des Robinson Crusoe aus York, Seemann, der achtundzwanzig Jahre allein auf einer unbewohnten Insel an der Küste von Amerika lebte, in der Nähe der Mündung des großen Flusses Orinoco; durch einen Schiffbruch an Land gespült, bei dem alle außer ihm ums Leben kamen. Mit einer Aufzeichnung, wie er endlich seltsam durch Piraten befreit wurde. Geschrieben von ihm selbst.
Muss ich Dir noch extra erklären, warum der Roman heutzutage gemeinhin einfach nur Robinson Crusoe genannt wird? Denke daran, dass Du eine Marke etablieren willst:
Du willst, dass die Leute über Deinen Roman reden, und daher solltest Du es ihnen durch einen einfachen, griffigen Titel möglichst leicht machen.
Je weniger Wörter Du in Deinem Titel aber gebrauchst, desto wichtiger wird deren Bedeutung. Und ein Wort hat nicht nur die konkrete Bedeutung, die im Wörterbuch steht, sondern auch eine konnotative Bedeutung: Es erzeugt Bilder, die wiederum mit anderen Wörtern in Verbindung stehen, und weckt dadurch Emotionen. Diese Emotionen, die im Titel geweckt werden, sind in der Regel automatisch etwas wie ein Werbeversprechen: „Wenn Du dieses Buch liest, wirst Du diese und jene Emotionen durchleben.“
Deswegen würde ein Krimi zum Beispiel auch nicht Gänseblümchen als Titel haben, sondern etwas wie: Blut auf Gänseblümchen. Denn Gänseblümchen allein werden zunächst erstmal mit dem Frühling assoziiert oder auch mit Frühlingsgefühlen, wenn jemand Verliebtes die Blütenblätter abzupft: „Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich …“ Wir würden also eher eine Liebesgeschichte erwarten. Wenn die Gänseblümchen jedoch mit Blut bespritzt sind, dann geht es in dem Roman wahrscheinlich eher darum, dass jemand Verliebtes umgebracht wurde und seine Verliebtheit dabei eine zentrale Rolle gespielt hat. Vom Wort „Blut“ schließen wir einfach schnell auf „Mord“ und es entstehen automatisch Fragen nach dem Täter und nach dem Motiv. Als potentielle Leser schlüpfen wir daher gerne in die Rolle des Detektivs und suchen nach Antworten.
Meistens hat die konnotative Bedeutung auch eine kulturelle Komponente.
Sagen wir mal, Du hast eine Liebesschnulze mit dem Titel Sechs Rosen zum Geburtstag verfasst. In Russland und vielen anderen osteuropäischen Ländern würde dieser Titel jedoch keineswegs als Liebesschnulze durchgehen können. – Warum? Weil Sechs eine gerade Zahl ist und man eine gerade Zahl von Blumen nur dann verschenkt, wenn jemand gestorben ist. Für einen Osteuropäer hätte der Titel Sechs Rosen zum Geburtstag also etwas Morbides.
Wenn der Titel auch noch besonders originell und einprägsam sein soll, eignen sich rhetorische Kniffe wie Wortspiele oder Stilmittel.
Vergleiche zum Beispiel den englischen und deutschen Titel der Twilight- bzw. Bis(s)-Vampirsaga. Dass Twilight, der Originaltitel des ersten Bandes, so nichtssagend und generisch ist, wie er nur sein kann, stand dem kommerziellen Erfolg der Buchreihe zwar nie im Wege, aber im deutschsprachigen Raum scheint ein Konsens darüber zu herrschen, dass der Titel der Übersetzung, Bis(s) zum Morgengrauen, sehr viel interessanter ist. Obwohl ich kein Fan der Reihe bin, wurde auch meine Neugierde erst durch den deutschen Titel geweckt, einfach weil „Bis(s)“ so ein hübsches Wortspiel aus einer Präposition und einem vampirlastigen Substantiv darstellt.
Ein sehr bekanntes und einfaches Beispiel für die Verwendung rhetorischer Stilmittel im Titel ist die Serie Breaking Bad: Hier haben wir es mit einer ganz banalen, aber sehr effektiven Alliteration zu tun. Vor allem im American English bedeutet der Ausdruck „to break bad“ so viel wie: „auf die schiefe Bahn geraten“, und fasst somit die Prämisse der Geschichte wunderbar zusammen. Nun hätte der Titel rein von der inhaltlichen Bedeutung her auch etwas sein können wie Turning to Crime oder Going Astray. Ich denke allerdings, dass wir uns schnell einig werden, dass die Alliteration Breaking Bad sehr viel interessanter und eingängiger ist.
Bei den Bemühungen um Originalität greifen viele Autoren gerade im deutschsprachigen Raum übrigens gerne auf fremdsprachige, insbesondere englische, Titel zurück. Das ist ein Trend, den ich persönlich noch nie leiden konnte, weil er in 80 bis 90 Prozent aller Fälle komplett unsinnig ist. Sagen wir es mal so: Nichtssagende und generische Titel wie Zwielicht, Blauer Himmel, Große Liebe und Konsorten werden nicht aussagekräftiger und origineller, wenn man sie zu Twilight, Blue Sky und Great Love umschustert. Dass sie auf manche Menschen „cooler“ wirken, liegt, denke ich, an einem gewissen exotischen Touch, den eine Fremdsprache so mit sich bringt. Wenn man diese Fremdsprache aber etwas besser beherrscht und sie als ganz natürlich empfindet, dann entpuppen sich solche Titel schnell als die nichtssagenden und generischen Langweiler, die sie sind.
Deswegen würde ich fremdsprachige Titel nur dann empfehlen, wenn die Verwendung der jeweiligen Fremdsprache eine ganz konkrete Funktion hat.
Ein gutes Beispiel dafür ist der bereits besprochene Titel Quo vadis?, bei dem die Verwendung einer lateinischen Phrase angesichts der christlichen Thematik und des Settings mehr als berechtigt ist.
Serientitel
Wenn wir nun zur Eingängigkeit von Titeln zurückkehren, so ist sie besonders wichtig bei Serien,
weil die Zugehörigkeit eines neuen Teils zur Serie idealerweise sofort erkennbar sein soll.
So sind die Titel der Harry-Potter-Bücher nicht umsonst nach ein und demselben Schema aufgebaut, nämlich aus der Kombination des Namens Harry Potter und eines Dings, verbunden durch ein „und“: Harry Potter und irgendein Ding. Natürlich kannst Du jedem Band der Serie auch einfach eine Zahl verpassen, ansonsten aber denselben Titel verwenden. Allerdings wirkt das schnell einfallslos, und weil Menschen gerne von der Verpackung auf den Inhalt schließen, kann es passieren, dass sie auch Deiner Serie unterstellen, einfallslos zu sein.
Ansätze für markenprägende Serientitel gibt es dabei viele:
- Du kannst der Serie einen Gesamttitel geben und den einzelnen Bänden eigenständige Untertitel. Zum Beispiel: Der Herr der Ringe als Serientitel und Die Gefährten, Die zwei Türme und Die Rückkehr des Königs als Untertitel.
- Du kannst in den Titeln der einzelnen Bände ein festes Element unterbringen, das gewissermaßen zum Titel der Serie wird. Ein Beispiel wäre die Fifty-Shades-Reihe mit den Titeln Fifty Shades of Grey, Fifty Shades Darker und Fifty Shades Freed.
- Du kannst die Titel der einzelnen Bände einer Reihe auch nach einem bestimmten Schema aufbauen, wie zum Beispiel bei der sogenannten Edelstein-Trilogie. Die Titel der einzelnen Teile lauten: Rubinrot, Saphirblau und Smaragdgrün. Wir haben hier also ein festes Schema von einer Kombination aus einem Edelstein und einer Farbe.
Und das waren nur ein paar Beispiele. Die Möglichkeiten sind natürlich unendlich. Zum Beispiel kannst Du Dir Titel überlegen, in denen immer die Nummer des jeweiligen Bandes enthalten ist. Wenn Du eine Tetralogie schreibst und Jahreszeiten darin eine besondere Rolle spielen, wäre es durchaus eine Idee, „Frühling“, „Sommer“, „Herbst“ und „Winter“ in den einzelnen Bandtiteln unterzubringen. Und außerdem spricht auch nichts dagegen, einzelne Ansätze miteinander zu kombinieren: so zum Beispiel bei der Harry-Potter-Reihe, die die Ansätze „festes Element“ und „Schema“ kombiniert, oder die Bis(s)-Reihe, deren Bandtitel immer das feste Element „Bis(s)“ und daraufhin eine Tageszeit beinhalten, vom „Morgengrauen“, über die „Mittagsstunde“ und das „Abendrot“ bis hin zum „Ende der Nacht“.
Grundsätzlich kannst Du den Wiedererkennungswert durchaus über Bord werfen, aber empfehlen würde ich das nicht. So habe ich zum Beispiel schon in mehreren Artikeln gesagt, dass ich Remarques Der Weg zurück besser finde als Im Westen nichts Neues. Dabei ist Der Weg zurück die hochoffizielle Fortsetzung von Im Westen nichts Neues, hat sich aber nicht im selben Maße als Klassiker etabliert. Das hat viele verschiedene Gründe, aber einer davon könnte sein, dass man die Fortsetzung anhand des Titels nicht als solche erkennt. Ja, Der Weg zurück ist sehr eigenständig und kann ohne Kenntnis von Im Westen nichts Neues gelesen werden, aber rein marketingtechnisch wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, im Titel eine Verbindung zum erfolgreichen Vorgänger herzustellen:
In Der Weg zurück geht es ja darum, dass die überlebenden Soldaten nach dem Ersten Weltkrieg in ihre Heimat zurückkehren, dort aber vom Krieg wieder eingeholt werden, nämlich in Form von langfristigen Schäden der Psyche, des Sozialverhaltens und der Beziehungen. Daher wäre mein hoffentlich marketingtauglicherer Alternativvorschlag etwas wie: In der Heimat nichts Neues. Das würde an Im Westen nichts Neues anknüpfen und somit die Kriegsthematik signalisieren, gleichzeitig aber einen Wechsel des Schauplatzes von der Westfront in die Heimat andeuten. „Nichts Neues“ würde dabei den zentralen Konflikt ausdrücken, nämlich dass der Krieg trotz offiziellen Kriegsendes gewissermaßen immer noch weitergeht bzw. nachwirkt und die Figuren nicht einfach mal eben ein neues Leben beginnen können.
Schlusswort
Ein Teil des heutigen Artikels war natürlich reine Wiederholung, aber ich hoffe, ich konnte trotzdem ein paar Anregungen beisteuern.
Abschließend möchte ich nur noch einen Hinweis loswerden:
Achte darauf, dass der von Dir gewählte Titel nicht schon vergeben ist!
Wenn der Titel zum Beispiel bereits von jemand anderem kommerziell verwendet wird, könntest Du markenrechtlich oder auf ähnlicher Grundlage verklagt werden. Und selbst wenn es nicht zu einem juristischen Streit kommt, so besteht immer noch Verwechslungsgefahr und das kann negative Folgen fürs Geschäft haben. Am besten, Du gibst Deinen Titel in eine Suchmaschine ein und stellst sicher, dass Dein Titel und somit die Marke, die Du etablieren möchtest, wirklich einzigartig ist.
Und weil sich ein gutes Gefühl für Titel erst mit der Praxis entwickelt, möchte ich Ende Januar 2023 einen Livestream durchführen und dort ein paar Geschichtentitel zerlegen. – Wenn Du willst, gerne auch mit Input aus der Community bzw. mit der Möglichkeit, den eigenen Manuskripttitel einzureichen und ihn zerlegen und bewerten zu lassen. Den genauen Termin gebe ich erst im Januar bekannt, doch wenn Du teilnehmen möchtest, kannst Du Dich schon mal im Community Tab auf YouTube oder durch einen Beitritt zur KreativCrew auf die Lauer legen. Ich freue mich auf Dich!