Einen passenden Titel für Deine Geschichte finden

Einen passenden Titel für Deine Geschichte finden

Wie alles und jeder einen Namen hat, braucht auch jede Geschich­te einen Namen bzw. Titel. Die­ser ist gleich­zei­tig der ers­te Zugang, den der Leser zu Dei­ner Geschich­te hat, und beein­flusst sei­ne dar­auf­fol­gen­den Hand­lun­gen: zum Bei­spiel, Dei­ne Geschich­te zu lesen. Wie fin­dest Du also einen pas­sen­den Titel? Was gibt es im Hin­blick auf das Mar­ke­ting zu beden­ken? Und was tut man bei Seri­en? Das bespre­chen wir in die­sem Artikel …

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Der Titel einer Geschich­te mag viel­leicht nur ein i‑Tüpfelchen sein: Er macht Dei­ne Geschich­te nicht bes­ser oder schlech­ter, aber irgend­wie musst Du Dei­ne Geschich­te ja benen­nen.

Außer­dem spielt der Titel auch beim Mar­ke­ting eine Rol­le. Im Com­mu­ni­ty-Tab mei­nes You­Tube-Kanals habe ich eine klei­ne Umfra­ge gemacht und woll­te wis­sen, was uns am meis­ten dazu bringt, ein neu­es Buch zu kau­fen: Klap­pen­text, Titel, Cover, das Her­um­schnup­pern im Text selbst oder alles zusam­men. Zwar hat der Titel hier die wenigs­ten Stim­men bekom­men, aber gleich­zei­tig ist die Mehr­heit der Mei­nung, dass es auf das Zusam­men­spiel aller Fak­to­ren ankommt.

Und ja, ich bezweif­le, dass ein Titel allein zu einem Buch­kauf führt. Dazu lie­fert er ein­fach zu wenig Infor­ma­tio­nen. Aber ein guter Titel weckt Neu­gier­de, sodass der zukünf­ti­ge Leser das Buch zumin­dest in die Hand nimmt und sich den Klap­pen­text anschaut, der dann wie­der­um hof­fent­lich zum Buch­kauf animiert.

Ver­giss auch nicht, dass der Buch­ti­tel im Grun­de die Mar­ke prägt: Wenn wir Titel wie Der Herr der Rin­ge oder Har­ry Pot­ter, Brea­king Bad oder Der König der Löwen hören, dann ist es egal, ob die Titel an sich gut sind. Es kommt pri­mär auf die Eigen­schaf­ten, die Qua­li­tät und die Emo­tio­nen an, die wir mit die­sen Wort­zu­sam­men­set­zun­gen ver­bin­den. Es geht hier also auch um die lang­fris­ti­ge Pla­nung des Marketings.

Die Wich­tig­keit des Titels ist also nicht zu unter­schät­zen. Des­we­gen ist höchs­te Zeit, dass wir die­ses The­ma anpacken …

Was macht einen guten Titel aus?

Über die Rol­le des Titels im Mar­ke­ting haben wir schon in einem sehr alten Arti­kel gespro­chen. Dort geht es vor allem um die AIDA-For­mel, das Zusam­men­spiel von:

  • A → Atten­ti­on → Auf­merk­sam­keit erregen,
  • I → Inte­rest → Inter­es­se wecken,
  • D → Desi­re → Begeh­ren auslösen,
  • A → Action → zum Han­deln auffordern.

Bezieht man die AIDA-For­mel auf die gesam­te Cus­to­mer Jour­ney eines Lesers, also den Weg vom ers­ten Erbli­cken des Buches bis zur Lek­tü­re, dann ist der Titel bei „A“, also „Auf­merk­sam­keit erre­gen“, anzu­sie­deln. Wenn der Titel beson­ders ori­gi­nell ist, dann viel­leicht auch bei „I“, „Inter­es­se wecken“.

Aller­dings lässt sich die AIDA-For­mel auch auf den Titel selbst anwen­den:

Ein guter Titel erregt Auf­merk­sam­keit, weckt Inter­es­se, löst das Begeh­ren aus, die Geschich­te zu lesen oder zumin­dest mehr dar­über zu erfah­ren, und führt schließ­lich zur Hand­lung bzw. zum Kauf bzw. zur Lektüre.

Wie man die­ses Ide­al erreicht, ist gewis­ser­ma­ßen all­ge­mein bekannt:

  • Auf­merk­sam­keit erregt ein Titel, der irgend­wie auf­fällt, unge­wöhn­lich, ori­gi­nell etc. ist.
  • Inter­es­se weckt ein Titel, der eine inter­es­san­te Geschich­te andeu­tet und somit neu­gie­rig macht.
  • Begeh­ren löst ein Titel aus, der Fra­gen auf­wirft und/​oder irgend­wie her­aus­for­dert oder gar pro­vo­ziert.
  • Nur das Auf­for­dern zur Hand­lung ist bei Titeln eher schwie­rig. Wir kön­nen aber sagen, dass Auf­merk­sam­keit, Inter­es­se und Begeh­ren im Zusam­men­spiel mit­ein­an­der idea­ler­wei­se zur Hand­lung füh­ren soll­ten.

Das ist aber nur nack­te Theo­rie. Wir behal­ten sie vor­erst im Hin­ter­kopf und schau­en uns nun an, wie sich Titel über­haupt kate­go­ri­sie­ren lassen.

Typen von Titeln

In ihrem Buch Der Best­sel­ler-Code haben Jodie Archer und Matthew L. Jockers zusam­men­ge­tra­gen, wel­che Fak­to­ren ein Buch zum Best­sel­ler machen – zumin­dest laut ihrer Soft­ware, die Tau­sen­de von Best­sel­lern und Nicht-Best­sel­lern gele­sen und mit­ein­an­der ver­gli­chen hat. Unter ande­rem beob­ach­te­ten Archer und Jockers vier Typen von Best­sel­ler-Titeln. Die Kate­go­ri­sie­rung erfolgt dabei nach dem, was im jewei­li­gen Titel im Vor­der­grund steht:

  • Beim ers­ten Typ liegt der Schwer­punkt auf einem Ort, der für die Geschich­te eine beson­de­re Rol­le spielt und eine bestimm­te Hand­lung erwar­ten lässt. Neh­men wir zum Bei­spiel den Titel von James Came­rons Tita­nic: Obwohl es pri­mär eine Lie­bes­ge­schich­te ist, spielt die Tita­nic als zen­tra­ler Hand­lungs­ort und zen­tra­le Meta­pher eine sehr gro­ße Rol­le und der Name an sich ver­spricht bereits ein gigan­ti­sches Drama.
  • Beim zwei­ten Typ steht ein Ereig­nis im Vor­der­grund. Die­ses hat in der Geschich­te meis­tens eine wich­ti­ge­re Rol­le als die Figu­ren, die eher auf das Ereig­nis reagie­ren, und es prägt die Struk­tur der Geschich­te. In Tol­s­to­js Krieg und Frie­den zum Bei­spiel geht es um Napo­le­ons Russ­land­feld­zug und wie er die Schick­sa­le der vie­len ver­schie­de­nen Figu­ren beeinflusst.
  • Beim drit­ten Typ geht es um ein Ding, das in der Geschich­te natür­lich von beson­de­rer Bedeu­tung ist. Es ist der häu­figs­te Typ und hat daher meh­re­re Untertypen: 
    • Ein Bei­spiel für ein Ding mit einem erklä­ren­den Wort wäre Dan Browns The Da Vin­ci Code, der ins Deut­sche als Sakri­leg über­tra­gen wur­de: Hier dreht sich alles nicht um irgend­ei­nen Code, son­dern um einen ganz beson­de­ren, der etwas mit Leo­nar­do da Vin­ci zu tun hat.
    • Ande­re Ding-Titel sind so gestrickt, dass sie auto­ma­tisch eine Fra­ge pro­vo­zie­ren. Wenn wir zum Bei­spiel den Titel von Goe­thes Die Lei­den des jun­gen Wert­her hören, steht auto­ma­tisch die Fra­ge im Raum, was mit dem armen Wert­her denn pas­siert ist, dass er lei­den muss. Bei Anderschs San­si­bar oder der letz­te Grund fragt man sich sofort: „Der letz­te Grund“ für was?
    • Oft steht das Ding im Titel aber auch ein­fach als ein­sa­mes Sub­stan­tiv da: So geht es in Gre­gor Dorf­meis­ters auto­bio­gra­fi­schem Roman Die Brü­cke und sei­nen Ver­fil­mun­gen um die Ver­tei­di­gung der titel­ge­ben­den Brücke.
  • Der vier­te Titel­typ schließ­lich, bei dem eine Figur im Vor­der­grund steht, macht ein Fünf­tel aller Best­sel­ler aus und lässt sich eben­falls in meh­re­re Unter­ty­pen unterteilen: 
    • Zum Bei­spiel kann ein­fach nur der Name einer Figur – meis­tens des Prot­ago­nis­ten – als Titel fun­gie­ren: Da fal­len uns schnell Klas­si­ker wie Goe­thes Faust und Shake­speares Romeo und Julia ein. Ein Bei­spiel, bei dem die titel­ge­ben­de Figur nicht der Prot­ago­nist ist, wäre Dis­neys bzw. Pix­ars Film Coco, in dem Coco die Urgroß­mutter des Prot­ago­nis­ten ist, deren Erin­ne­run­gen eine zen­tra­le Rol­le spielen.
    • Oft hat der Titel-Name aber auch eine zusätz­li­che Beschrei­bung: Wenn wir schon bei Pix­ar sind, kön­nen wir Fin­det Nemo nen­nen. Hier geht es nicht ein­fach nur um irgend­ei­nen Nemo, son­dern es wird auch der Plot ange­deu­tet, näm­lich dass Nemo gefun­den wer­den muss.
    • Der häu­figs­te Unter­typ nennt die Rol­le und den Sta­tus der Figur. Bei­spie­le wären Andy Weirs Der Mar­sia­ner oder auch Gil­li­an Flynns Gone Girl. Anders als bei der blo­ßen Nen­nung des Namens, die eher eine Cha­rak­ter­stu­die oder Ähn­li­ches erwar­ten lässt, deu­tet die­ser Typ an, dass es um die Bezie­hung der Figur zu ihrer sozia­len Rol­le, ihrem Beruf, ihrem Geschlecht, was auch immer geht.

Man­che Titel wirst Du sehr leicht in die­se Typo­lo­gie ein­ord­nen kön­nen, ande­re nur mit Mühe. Aber das ist nur natür­lich: Letzt­end­lich geht es hier nur um Beob­ach­tun­gen zwei­er Wis­sen­schaft­ler, kein wis­sen­schaft­li­ches Modell. Du musst Dei­nen Titel also nicht auf Teu­fel komm raus in die­se Typo­lo­gie ein­ord­nen kön­nen. Nimm sie eher als Anre­gung zu über­le­gen, was Du bei Dei­nem Titel beson­ders in den Vor­der­grund rücken möch­test.

Und damit wären wir auch schon bei der Pra­xis, näm­lich kon­kre­ten Tipps für Dei­ne Suche nach einem pas­sen­den Titel.

Einen passenden Titel finden

Dabei wol­len wir zunächst kurz erwähnt haben, dass der end­gül­ti­ge Titel Dei­nes Buches vom Ver­lag fest­ge­legt wird. Sofern Du also eine Ver­lags­ver­öf­fent­li­chung anstrebst, kannst Du höchs­tens einen Arbeitstitel fest­le­gen, der wie­der­um maxi­mal dazu da ist, Dein Manu­skript irgend­wie zu benen­nen und dazu bei­zu­tra­gen, dass Dein Expo­sé dem Lek­tor schmack­haf­ter erscheint und der Ver­lag mit Dir einen Ver­trag abschlie­ßen möch­te. Sofern Du aber Self-Publi­shing anstrebst, legst Du den end­gül­ti­gen Titel natür­lich selbst fest – und wenn die­ser Titel mar­ke­ting­tech­nisch ein Rein­fall ist, trägst Du allein die Ver­ant­wor­tung dafür.

Beden­ke außer­dem, dass es locker auch Mona­te oder sogar Jah­re dau­ern kann, bis Du einen guten Titel gefun­den hast. Ja, manch­mal hast Du ein­fach etwas wie eine gött­li­che Ein­ge­bung und weißt von einem Moment auf den ande­ren, wie Dein Manu­skript hei­ßen soll, und manch­mal hast Du den rich­ti­gen Titel, noch bevor Du mit dem Schrei­ben anfängst. Oft genug tun wir Autoren uns aber auch sehr schwer damit, zumal es wäh­rend des Ver­fas­sens des Werks ger­ne zu Ände­run­gen und Schwer­punkt­ver­la­ge­run­gen kommt und frü­he­re Titel­ideen irgend­wann ein­fach nicht mehr passen.

Lass Dir bei der Suche nach Dei­nem Titel bzw. Arbeits­ti­tel also ruhig Zeit.

Wirk­lich fest­ste­hen muss er erst, wenn Du Dein Manu­skript beim Ver­lag ein­reichst bzw. Dein Self-Publi­shing planst. Pro­bie­re ver­schie­de­ne Ideen, Mög­lich­kei­ten und Vari­an­ten aus. Schau Dich um, was es in Dei­nem Gen­re aktu­ell für Mode­er­schei­nun­gen gibt, und ent­schei­de, ob Du ihnen fol­gen möch­test. Fra­ge ande­re Leu­te nach ihrer Mei­nung, wel­che Titel­ideen sie am meis­ten anspre­chen bzw. bei wel­chen Titel­ideen sie wel­che Geschich­ten erwar­ten würden.

Vor allem aber:

Behal­te Dein Geschich­ten­kon­zept und des­sen Ent­wick­lung im Auge.

Denn davon wür­de ich am meis­ten aus­ge­hen, wenn ich nach einem pas­sen­den Titel suche …

Der inhaltliche Part

Gene­rell gilt:

Bevor Du etwas for­mu­lierst, musst Du als Ers­tes wis­sen, was Du über­haupt sagen willst.

Genau­so ist es bei der Wahl des Titels: Er soll etwas aus­drü­cken, und bevor Du ihn for­mu­lierst, musst Du wis­sen, wel­che Bedeu­tung er haben soll.

Wie wir bereits gese­hen haben, stellt der Titel in der Regel einen Aspekt der Geschich­te in den Vor­der­grund und sagt somit in sehr kom­pri­mier­ter Form, wor­um es geht. Daher wür­de ich emp­feh­len, vom zen­tra­len Kon­flikt und von der Prä­mis­se Dei­ner Geschich­te auszugehen:

Wenn Du in der Prä­mis­se die Geschich­te in einem ein­zi­gen Satz zusam­men­fasst, dann ent­hält der Titel die gan­ze Geschich­te in eini­gen weni­gen Wor­ten.

Es ist schon logisch, dass die­se Wor­te, die den Titel aus­ma­chen, in der Regel nicht ein­fach nur Wor­te sind, son­dern mit allen mög­li­chen zusätz­li­chen Bedeu­tun­gen auf­ge­la­den sind, die sich einem oft erst bei der Lek­tü­re des Werks erschlie­ßen. Gleich­zei­tig ist aber gera­de das einer der Fak­to­ren, durch die der Titel Neu­gier­de weckt: Er hat zusätz­li­che Bedeu­tun­gen, die es zu ent­de­cken gilt, und ein ori­gi­nel­ler Titel kann durch­aus moti­vie­ren, die­se Ent­de­ckungs­rei­se anzutreten.

Neh­men wir zum Bei­spiel Har­ry Pot­ter und der Stein der Wei­sen:

Die Prä­mis­se wäre:

„Ein Wai­sen­jun­ge erfährt, dass er magi­sche Kräf­te hat, geht auf eine Zau­ber­schu­le und ver­hin­dert die Rück­kehr eines bösen Zauberers.“

Im Titel fin­det sich die Prä­mis­se inso­fern wie­der, als dass das Buch fast kom­plett aus Har­rys Sicht erzählt wird, er der Aus­er­wähl­te des Zau­ber­er­uni­ver­sums ist, es letzt­end­lich um sein Erwach­sen­wer­den geht und es somit Sinn macht, sei­nen Namen in den Titel zu packen. Kom­bi­niert wird sein Name noch mit dem Stein der Wei­sen, dem zen­tra­len MacGuf­fin der Geschich­te, dem Mit­tel, mit dem der böse Zau­be­rer zurück­keh­ren will und das somit die Hand­lung wei­test­ge­hend aus­löst und vor­an­treibt. Außer­dem weiß ein Leser mit auch nur ansatz­wei­se All­ge­mein­wis­sen, dass es sich beim Stein der Wei­sen um ein magi­sches Arte­fakt han­delt, und kann sich somit den­ken, dass Har­ry Pot­ter etwas mit Magie zu tun hat.

Etwas mehr All­ge­mein­wis­sen ver­langt in der eher athe­is­ti­schen Gegen­wart dage­gen Quo vadis? von Hen­ryk Sienkiewicz:

Die Prä­mis­se die­ses Romans wür­de ich so formulieren:

„Im Jahr 64 nach Chris­tus ver­liebt sich der Patri­zi­er Vini­ci­us in die Chris­tin Lygia, wird all­mäh­lich selbst Christ und ihre Lie­be über­steht die Chris­ten­ver­fol­gun­gen unter Kai­ser Nero.“

Die titel­ge­ben­de latei­ni­sche Phra­se bedeu­tet über­setzt: „Wohin gehst du?“ Voll­stän­dig lau­tet sie eigent­lich: „Domi­ne, quo vadis?“, also: „Herr, wohin gehst du?“ Einer Legen­de zufol­ge, die im Roman auch ver­ar­bei­tet wur­de, wird die­ser Satz vom Apos­tel Petrus an Chris­tus gerich­tet, dem er bei sei­ner Flucht aus Rom begeg­net. Chris­tus ant­wor­tet dar­auf­hin, er wür­de nach Rom gehen, um sich erneut kreu­zi­gen zu las­sen. Dar­auf­hin bricht Petrus sei­ne Flucht ab, kehrt nach Rom zurück und wird dort gekreuzigt.

Mit die­sem Hin­ter­grund­wis­sen wird also klar, dass es in dem Roman um Chris­ten­tum und vor allem um Chris­ten­ver­fol­gun­gen geht. Somit deu­tet der Titel indi­rekt das größ­te Hin­der­nis der Lie­be zwi­schen Vini­ci­us und Lygia und das zen­tra­le his­to­ri­sche Ereig­nis des wohl­ge­merkt his­to­ri­schen Romans an. Außer­dem kann man von der latei­ni­schen Phra­se an sich schlie­ßen, dass das Römi­sche Reich als Set­ting fun­giert, und man kann sie auch im über­tra­ge­nen Sin­ne als Fra­ge nach der Zukunft und mora­li­schen Wer­ten ver­ste­hen, wobei spe­zi­ell im Roman natür­lich die Wer­te der deka­den­ten Römer und der tugend­haf­ten Chris­ten in Oppo­si­ti­on stehen.

Wor­um geht es also in Dei­ner Geschich­te? Was ist der zen­tra­le Kon­flikt? Was ist der zen­tra­le Arc des Prot­ago­nis­ten? Wel­cher Aspekt ist von zen­tra­ler Bedeutung?

For­mu­lie­re die Prä­mis­se und schon hast Du Anhalts­punk­te dafür, was Dein Titel aus­drü­cken könn­te.

Natür­lich ist das For­mu­lie­ren der Prä­mis­se eine Kunst für sich. Wenn Du es aber ein­fach nicht schaffst, die Hand­lung Dei­ner Geschich­te in einem ein­zi­gen Satz zusam­men­zu­fas­sen, dann kann es ein Hin­weis dar­auf sein, dass Dein Kon­zept nicht gut her­aus­ge­ar­bei­tet ist und Du selbst nicht weißt, wor­um es geht. Wenn Du also zehn Schrit­ten zum Ent­wi­ckeln einer Prä­mis­se fol­gen möch­test, kannst Du bei einem frü­he­ren Arti­kel vor­bei­schau­en. Und wenn Du Hil­fe von einem lite­ra­tur­kun­di­gen Men­schen brauchst, kannst Du ger­ne eine Bera­tung bei mir buchen und dann reden wir bei einem Online-Tele­fo­nat über Dei­ne Geschichte.

Äußere Gestaltung

Nun soll­ten Titel jedoch nicht nur inhalt­lich pas­send, son­dern für den poten­ti­el­len Leser auch ange­nehm sein. Das heißt: klar, ver­ständ­lich, mög­lichst leicht zu mer­ken und idea­ler­wei­se auch mög­lichst leicht aus­zu­spre­chen. Natür­lich ist das aber kei­ne in Stein gemei­ßel­te Regel und wenn Dei­ne Geschich­te einen zwei­zei­li­gen Zun­gen­bre­cher als Titel erfor­dert, dann meinetwegen.

Was genau ich mit den auf­ge­lis­te­ten Richt­li­ni­en mei­ne, soll­te schnell klar wer­den, wenn Du die eigent­li­chen Titel so man­cher Klas­si­ker mit den Titeln ver­gleichst, die sich mit der Zeit ein­ge­bür­gert haben.

Zum Bei­spiel gibt es einen gewis­sen Roman von Dani­el Defoe, der heißt:

Das Leben und die selt­sa­men über­ra­schen­den Aben­teu­er des Robin­son Cru­soe aus York, See­mann, der acht­und­zwan­zig Jah­re allein auf einer unbe­wohn­ten Insel an der Küs­te von Ame­ri­ka leb­te, in der Nähe der Mün­dung des gro­ßen Flus­ses Orino­co; durch einen Schiff­bruch an Land gespült, bei dem alle außer ihm ums Leben kamen. Mit einer Auf­zeich­nung, wie er end­lich selt­sam durch Pira­ten befreit wur­de. Geschrie­ben von ihm selbst.

Muss ich Dir noch extra erklä­ren, war­um der Roman heut­zu­ta­ge gemein­hin ein­fach nur Robin­son Cru­soe genannt wird? Den­ke dar­an, dass Du eine Mar­ke eta­blie­ren willst:

Du willst, dass die Leu­te über Dei­nen Roman reden, und daher soll­test Du es ihnen durch einen ein­fa­chen, grif­fi­gen Titel mög­lichst leicht machen.

Je weni­ger Wör­ter Du in Dei­nem Titel aber gebrauchst, des­to wich­ti­ger wird deren Bedeu­tung. Und ein Wort hat nicht nur die kon­kre­te Bedeu­tung, die im Wör­ter­buch steht, son­dern auch eine kon­no­ta­ti­ve Bedeu­tung: Es erzeugt Bil­der, die wie­der­um mit ande­ren Wör­tern in Ver­bin­dung ste­hen, und weckt dadurch Emo­tio­nen. Die­se Emo­tio­nen, die im Titel geweckt wer­den, sind in der Regel auto­ma­tisch etwas wie ein Wer­be­ver­spre­chen: „Wenn Du die­ses Buch liest, wirst Du die­se und jene Emo­tio­nen durchleben.“

Des­we­gen wür­de ein Kri­mi zum Bei­spiel auch nicht Gän­se­blüm­chen als Titel haben, son­dern etwas wie: Blut auf Gän­se­blüm­chen. Denn Gän­se­blüm­chen allein wer­den zunächst erst­mal mit dem Früh­ling asso­zi­iert oder auch mit Früh­lings­ge­füh­len, wenn jemand Ver­lieb­tes die Blü­ten­blät­ter abzupft: „Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich …“ Wir wür­den also eher eine Lie­bes­ge­schich­te erwar­ten. Wenn die Gän­se­blüm­chen jedoch mit Blut bespritzt sind, dann geht es in dem Roman wahr­schein­lich eher dar­um, dass jemand Ver­lieb­tes umge­bracht wur­de und sei­ne Ver­liebt­heit dabei eine zen­tra­le Rol­le gespielt hat. Vom Wort „Blut“ schlie­ßen wir ein­fach schnell auf „Mord“ und es ent­ste­hen auto­ma­tisch Fra­gen nach dem Täter und nach dem Motiv. Als poten­ti­el­le Leser schlüp­fen wir daher ger­ne in die Rol­le des Detek­tivs und suchen nach Antworten.

Meis­tens hat die kon­no­ta­ti­ve Bedeu­tung auch eine kul­tu­rel­le Kom­po­nen­te.

Sagen wir mal, Du hast eine Lie­bes­schnul­ze mit dem Titel Sechs Rosen zum Geburts­tag ver­fasst. In Russ­land und vie­len ande­ren ost­eu­ro­päi­schen Län­dern wür­de die­ser Titel jedoch kei­nes­wegs als Lie­bes­schnul­ze durch­ge­hen kön­nen. – War­um? Weil Sechs eine gera­de Zahl ist und man eine gera­de Zahl von Blu­men nur dann ver­schenkt, wenn jemand gestor­ben ist. Für einen Ost­eu­ro­pä­er hät­te der Titel Sechs Rosen zum Geburts­tag also etwas Morbides.

Wenn der Titel auch noch beson­ders ori­gi­nell und ein­präg­sam sein soll, eig­nen sich rhe­to­ri­sche Knif­fe wie Wort­spie­le oder Stil­mit­tel.

Ver­glei­che zum Bei­spiel den eng­li­schen und deut­schen Titel der Twi­light- bzw. Bis(s)-Vam­pir­sa­ga. Dass Twi­light, der Ori­gi­nal­ti­tel des ers­ten Ban­des, so nichts­sa­gend und gene­risch ist, wie er nur sein kann, stand dem kom­mer­zi­el­len Erfolg der Buch­rei­he zwar nie im Wege, aber im deutsch­spra­chi­gen Raum scheint ein Kon­sens dar­über zu herr­schen, dass der Titel der Über­set­zung, Bis(s) zum Mor­gen­grau­en, sehr viel inter­es­san­ter ist. Obwohl ich kein Fan der Rei­he bin, wur­de auch mei­ne Neu­gier­de erst durch den deut­schen Titel geweckt, ein­fach weil „Bis(s)“ so ein hüb­sches Wort­spiel aus einer Prä­po­si­ti­on und einem vam­pir­las­ti­gen Sub­stan­tiv darstellt.

Ein sehr bekann­tes und ein­fa­ches Bei­spiel für die Ver­wen­dung rhe­to­ri­scher Stil­mit­tel im Titel ist die Serie Brea­king Bad: Hier haben wir es mit einer ganz bana­len, aber sehr effek­ti­ven Alli­te­ra­ti­on zu tun. Vor allem im Ame­ri­can Eng­lish bedeu­tet der Aus­druck „to break bad“ so viel wie: „auf die schie­fe Bahn gera­ten“, und fasst somit die Prä­mis­se der Geschich­te wun­der­bar zusam­men. Nun hät­te der Titel rein von der inhalt­li­chen Bedeu­tung her auch etwas sein kön­nen wie Tur­ning to Crime oder Going Astray. Ich den­ke aller­dings, dass wir uns schnell einig wer­den, dass die Alli­te­ra­ti­on Brea­king Bad sehr viel inter­es­san­ter und ein­gän­gi­ger ist.

Bei den Bemü­hun­gen um Ori­gi­na­li­tät grei­fen vie­le Autoren gera­de im deutsch­spra­chi­gen Raum übri­gens ger­ne auf fremd­spra­chi­ge, ins­be­son­de­re eng­li­sche, Titel zurück. Das ist ein Trend, den ich per­sön­lich noch nie lei­den konn­te, weil er in 80 bis 90 Pro­zent aller Fäl­le kom­plett unsin­nig ist. Sagen wir es mal so: Nichts­sa­gen­de und gene­ri­sche Titel wie Zwie­licht, Blau­er Him­mel, Gro­ße Lie­be und Kon­sor­ten wer­den nicht aus­sa­ge­kräf­ti­ger und ori­gi­nel­ler, wenn man sie zu Twi­light, Blue Sky und Gre­at Love umschus­tert. Dass sie auf man­che Men­schen „coo­ler“ wir­ken, liegt, den­ke ich, an einem gewis­sen exo­ti­schen Touch, den eine Fremd­spra­che so mit sich bringt. Wenn man die­se Fremd­spra­che aber etwas bes­ser beherrscht und sie als ganz natür­lich emp­fin­det, dann ent­pup­pen sich sol­che Titel schnell als die nichts­sa­gen­den und gene­ri­schen Lang­wei­ler, die sie sind.

Des­we­gen wür­de ich fremd­spra­chi­ge Titel nur dann emp­feh­len, wenn die Ver­wen­dung der jewei­li­gen Fremd­spra­che eine ganz kon­kre­te Funk­ti­on hat.

Ein gutes Bei­spiel dafür ist der bereits bespro­che­ne Titel Quo vadis?, bei dem die Ver­wen­dung einer latei­ni­schen Phra­se ange­sichts der christ­li­chen The­ma­tik und des Set­tings mehr als berech­tigt ist.

Serientitel

Wenn wir nun zur Ein­gän­gig­keit von Titeln zurück­keh­ren, so ist sie beson­ders wich­tig bei Seri­en,

weil die Zuge­hö­rig­keit eines neu­en Teils zur Serie idea­ler­wei­se sofort erkenn­bar sein soll.

So sind die Titel der Har­ry-Pot­ter-Bücher nicht umsonst nach ein und dem­sel­ben Sche­ma auf­ge­baut, näm­lich aus der Kom­bi­na­ti­on des Namens Har­ry Pot­ter und eines Dings, ver­bun­den durch ein „und“: Har­ry Pot­ter und irgend­ein Ding. Natür­lich kannst Du jedem Band der Serie auch ein­fach eine Zahl ver­pas­sen, ansons­ten aber den­sel­ben Titel ver­wen­den. Aller­dings wirkt das schnell ein­falls­los, und weil Men­schen ger­ne von der Ver­pa­ckung auf den Inhalt schlie­ßen, kann es pas­sie­ren, dass sie auch Dei­ner Serie unter­stel­len, ein­falls­los zu sein.

Ansät­ze für mar­ken­prä­gen­de Seri­en­ti­tel gibt es dabei viele:

  • Du kannst der Serie einen Gesamt­ti­tel geben und den ein­zel­nen Bän­den eigen­stän­di­ge Unter­ti­tel. Zum Bei­spiel: Der Herr der Rin­ge als Seri­en­ti­tel und Die Gefähr­ten, Die zwei Tür­me und Die Rück­kehr des Königs als Untertitel.
  • Du kannst in den Titeln der ein­zel­nen Bän­de ein fes­tes Ele­ment unter­brin­gen, das gewis­ser­ma­ßen zum Titel der Serie wird. Ein Bei­spiel wäre die Fif­ty-Shades-Rei­he mit den Titeln Fif­ty Shades of Grey, Fif­ty Shades Dar­ker und Fif­ty Shades Freed.
  • Du kannst die Titel der ein­zel­nen Bän­de einer Rei­he auch nach einem bestimm­ten Sche­ma auf­bau­en, wie zum Bei­spiel bei der soge­nann­ten Edel­stein-Tri­lo­gie. Die Titel der ein­zel­nen Tei­le lau­ten: Rubin­rot, Saphir­blau und Sma­ragd­grün. Wir haben hier also ein fes­tes Sche­ma von einer Kom­bi­na­ti­on aus einem Edel­stein und einer Farbe.

Und das waren nur ein paar Bei­spie­le. Die Mög­lich­kei­ten sind natür­lich unend­lich. Zum Bei­spiel kannst Du Dir Titel über­le­gen, in denen immer die Num­mer des jewei­li­gen Ban­des ent­hal­ten ist. Wenn Du eine Tetra­lo­gie schreibst und Jah­res­zei­ten dar­in eine beson­de­re Rol­le spie­len, wäre es durch­aus eine Idee, „Früh­ling“, „Som­mer“, „Herbst“ und „Win­ter“ in den ein­zel­nen Band­ti­teln unter­zu­brin­gen. Und außer­dem spricht auch nichts dage­gen, ein­zel­ne Ansät­ze mit­ein­an­der zu kom­bi­nie­ren: so zum Bei­spiel bei der Har­ry-Pot­ter-Rei­he, die die Ansät­ze „fes­tes Ele­ment“ und „Sche­ma“ kom­bi­niert, oder die Bis(s)-Rei­he, deren Band­ti­tel immer das fes­te Ele­ment „Bis(s)“ und dar­auf­hin eine Tages­zeit beinhal­ten, vom „Mor­gen­grau­en“, über die „Mit­tags­stun­de“ und das „Abend­rot“ bis hin zum „Ende der Nacht“.

Grund­sätz­lich kannst Du den Wie­der­erken­nungs­wert durch­aus über Bord wer­fen, aber emp­feh­len wür­de ich das nicht. So habe ich zum Bei­spiel schon in meh­re­ren Arti­keln gesagt, dass ich Remar­ques Der Weg zurück bes­ser fin­de als Im Wes­ten nichts Neu­es. Dabei ist Der Weg zurück die hoch­of­fi­zi­el­le Fort­set­zung von Im Wes­ten nichts Neu­es, hat sich aber nicht im sel­ben Maße als Klas­si­ker eta­bliert. Das hat vie­le ver­schie­de­ne Grün­de, aber einer davon könn­te sein, dass man die Fort­set­zung anhand des Titels nicht als sol­che erkennt. Ja, Der Weg zurück ist sehr eigen­stän­dig und kann ohne Kennt­nis von Im Wes­ten nichts Neu­es gele­sen wer­den, aber rein mar­ke­ting­tech­nisch wäre es sicher­lich sinn­voll gewe­sen, im Titel eine Ver­bin­dung zum erfolg­rei­chen Vor­gän­ger herzustellen:

In Der Weg zurück geht es ja dar­um, dass die über­le­ben­den Sol­da­ten nach dem Ers­ten Welt­krieg in ihre Hei­mat zurück­keh­ren, dort aber vom Krieg wie­der ein­ge­holt wer­den, näm­lich in Form von lang­fris­ti­gen Schä­den der Psy­che, des Sozi­al­ver­hal­tens und der Bezie­hun­gen. Daher wäre mein hof­fent­lich mar­ke­ting­taug­li­che­rer Alter­na­tiv­vor­schlag etwas wie: In der Hei­mat nichts Neu­es. Das wür­de an Im Wes­ten nichts Neu­es anknüp­fen und somit die Kriegs­the­ma­tik signa­li­sie­ren, gleich­zei­tig aber einen Wech­sel des Schau­plat­zes von der West­front in die Hei­mat andeu­ten. „Nichts Neu­es“ wür­de dabei den zen­tra­len Kon­flikt aus­drü­cken, näm­lich dass der Krieg trotz offi­zi­el­len Kriegs­en­des gewis­ser­ma­ßen immer noch wei­ter­geht bzw. nach­wirkt und die Figu­ren nicht ein­fach mal eben ein neu­es Leben begin­nen können.

Schlusswort

Ein Teil des heu­ti­gen Arti­kels war natür­lich rei­ne Wie­der­ho­lung, aber ich hof­fe, ich konn­te trotz­dem ein paar Anre­gun­gen beisteuern.

Abschlie­ßend möch­te ich nur noch einen Hin­weis los­wer­den:

Ach­te dar­auf, dass der von Dir gewähl­te Titel nicht schon ver­ge­ben ist!

Wenn der Titel zum Bei­spiel bereits von jemand ande­rem kom­mer­zi­ell ver­wen­det wird, könn­test Du mar­ken­recht­lich oder auf ähn­li­cher Grund­la­ge ver­klagt wer­den. Und selbst wenn es nicht zu einem juris­ti­schen Streit kommt, so besteht immer noch Ver­wechs­lungs­ge­fahr und das kann nega­ti­ve Fol­gen fürs Geschäft haben. Am bes­ten, Du gibst Dei­nen Titel in eine Such­ma­schi­ne ein und stellst sicher, dass Dein Titel und somit die Mar­ke, die Du eta­blie­ren möch­test, wirk­lich ein­zig­ar­tig ist.

Und weil sich ein gutes Gefühl für Titel erst mit der Pra­xis ent­wi­ckelt, möch­te ich Ende Janu­ar 2023 einen Live­stream durch­füh­ren und dort ein paar Geschich­ten­ti­tel zer­le­gen. – Wenn Du willst, ger­ne auch mit Input aus der Com­mu­ni­ty bzw. mit der Mög­lich­keit, den eige­nen Manu­skript­ti­tel ein­zu­rei­chen und ihn zer­le­gen und bewer­ten zu las­sen. Den genau­en Ter­min gebe ich erst im Janu­ar bekannt, doch wenn Du teil­neh­men möch­test, kannst Du Dich schon mal im Com­mu­ni­ty Tab auf You­Tube oder durch einen Bei­tritt zur Krea­tiv­Crew auf die Lau­er legen. Ich freue mich auf Dich!

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