Roman schreiben: Leser gewinnen und halten

Roman schreiben: Leser gewinnen und halten

Wenn wir eine Geschich­te schrei­ben, wol­len wir, dass sie auch gele­sen wird. Nicht immer errei­chen wir jedoch eine nen­nens­wer­te Leser­an­zahl. Wie kön­nen wir unse­re Geschich­te (und das Drum­her­um) also so schrei­ben, dass sie Leser gewinnt und auch hält? In die­sem Arti­kel neh­men wir den Titel, den Klap­pen­text, den Anfang und den Inhalt der Geschich­te unter die­sem Gesichts­punkt unter die Lupe.

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Es gibt da eine Fra­ge, über die zumin­dest ich in Autoren-Com­mu­ni­ties wohl am häu­figs­ten stolpere:

War­um liest nie­mand mei­ne Geschichte?

Dabei ist mir in all den Jah­ren auf­ge­fal­len, dass die Anzahl der Leser nicht immer mit der Qua­li­tät einer Geschich­te zu begrün­den ist:

  • Ja, wenig Leser kann bedeu­ten, dass die Geschich­te schlecht ist.
  • Aber es fällt auf: Vor allem auch gute Geschich­ten sind häu­fig betroffen.

Der Grund ist viel­leicht eher (u.a.) …

… dass die Geschich­te nicht so geschrie­ben ist, dass sie viel Auf­merk­sam­keit wecken und hal­ten kann.

Was kön­nen wir also tun, um das zu ver­mei­den? Das heißt:

Wie kön­nen wir unse­re Geschich­te (und das Drum­her­um) so schrei­ben, dass sie viel Auf­merk­sam­keit weckt und auch hält?

In die­sem Arti­kel bedie­nen wir uns einer For­mel, die auf den ers­ten Blick nichts mit dem Schrei­ben zu tun hat …

Schreiben und Marketing

Wenn man Leser gewin­nen will, muss man Mar­ke­ting machen:

  • Man muss Auf­merk­sam­keit auf die Geschich­te lenken:
    Denn wenn nie­mand die Geschich­te kennt, kann auch nie­mand sie gut fin­den und weiterempfehlen.
  • Die Geschich­te muss den Leser aber auch „fest­hal­ten“:
    Wenn der Leser die Geschich­te nach dem ers­ten Kapi­tel abbricht, wird er sie eben­falls nicht weiterempfehlen.

Was aber heißt denn nun „Mar­ke­ting“?

  • Als ers­tes denkt man da natür­lich an die „klas­si­schen“ Mittel:
    Wer­bung, Mes­sen, Blogs, Web­sei­te, Face­book-Fan­page, Cover etc.
  • Aber zu beden­ken ist auch: Mar­ke­ting beginnt schon beim Pro­dukt selbst!
    Titel, Klap­pen­text /​ Inhalts­be­schrei­bung, Anfang der Geschich­te, Inhalt der Geschichte

Und wenn das Buch selbst bereits Mar­ke­ting ist: Inwie­fern kann man Mar­ke­ting schon beim Schrei­ben betrei­ben? Was kann man als Autor vom Mar­ke­ting ler­nen und wel­che Ideen und Anre­gun­gen kann man mitnehmen?

Die AIDA-Formel

Sehr hilf­reich, wenn man Kun­den (bzw. Leser) anlo­cken will, ist die AIDA-Formel:

  • A → Atten­ti­on → Auf­merk­sam­keit erregen
  • I → Inte­rest → Inter­es­se wecken
  • D → Desi­re → Begeh­ren auslösen
  • A → Action → zum Han­deln auffordern

Die AIDA-For­mel kann sich zum einen auf die gesam­te „Cus­to­mer Jour­ney“ vom Wer­be­ban­ner bis zum Kauf eines Pro­dukts bezie­hen, aber auch auf ein­zel­ne Schrit­te, zum Bei­spiel ein ein­zel­nes Ban­ner, ange­wandt werden.

Die ideale „Customer Journey“

Betrach­ten wir zum bes­se­ren Ver­ständ­nis zunächst die …

Ideale „Customer Journey“ eines Kunden

Die idea­le Cus­to­mer Jour­ney eines Kun­den beginnt meis­tens mit Atten­ti­on.

  • Das sind zum Bei­spiel auf­fäl­lig gestal­te­te Schau­fens­ter, News­let­ter, Wer­be­ban­ner, Fly­er

Dann geht es wei­ter mit Inte­rest.

  • Das sind ers­te Detail­in­for­ma­tio­nen, zum Bei­spiel in einem Pro­dukt­ka­ta­log Online-Shop (der ja de fac­to ein digi­ta­ler Kata­log ist).

Aus den Infor­ma­tio­nen ent­steht idea­ler­wei­se das Desi­re:

  • Man kom­mu­ni­ziert dem Kun­den ganz klar den Mehr­wert des Pro­dukts (zum Bei­spiel dass es ihn erfolg­reich macht, schö­ner macht, ihm hilft, den All­tag zu bewäl­ti­gen …), und dadurch weckt man beim Kun­den einen Besitz­wunsch.

Und um die­sen Besitz­wunsch zu stil­len, geht der Kun­de zu „Action“ über …

  • … und kauft das Pru­dukt, bucht die bewor­be­ne Rei­se, etc.

Und wenn das Prin­zip jetzt klar ist, betrach­ten wir nun ana­log dazu die …

Ideale „Customer Journey“ eines Lesers

Sie beginnt damit, dass man auf das Buch auf­merk­sam wird (Atten­ti­on).

  • Man sieht Titel und Cover und denkt sich: „Wow!“

Dann geht es wei­ter mit Inte­rest:

  • Man dreht das Buch um und liest den Klap­pen­text (/​Inhaltsbeschreibung):
    „Klingt interessant!“

Der nächs­te Schritt ist Desi­re:

  • Man klappt das Buch auf und liest den Anfang der Geschich­te:
    Die­ser ist span­nend und man denkt sich: „Wie geht es weiter?“
    Dar­aus ent­steht der Besitzwunsch.

Also kauft man das Buch und ver­schlingt es (Action: Inhalt der Geschich­te).

Die AIDA-Formel bei Einzelschritten

Wen­det man die AIDA-For­mel aber nun auf die Ein­zel­schrit­te an … Schau­en wir uns zum bes­se­ren Ver­ständ­nis erst­mal an, was es in der Wer­be­bran­che bedeutet:

AIDA: In der Werbebranche

Ein ein­zel­nes Wer­be­mit­tel (z.B. Wer­be­ban­ner, Fly­er, Wer­be­spot …) soll­te nach Mög­lich­keit alle vier Punk­te erfüllen:

Bei Atten­ti­on ver­sucht man ja Auf­mek­sam­keit zu erre­gen, d.h. :

  • Man han­tiert mit grel­len Far­ben, süßen Tier­bil­dern, Animationen 

Inte­rest ver­langt ers­te Infor­ma­tio­nen:

  • Was ist das Pro­dukt? Wozu ist es gut? Wel­che Beson­der­hei­ten hat es?

Bei Desi­re kommt das Wer­be­ver­spre­chen ins Spiel, zum Beispiel:

  • Wer­be­spot: Ein glück­li­ches Kind spielt mit Spiel­zeug XY.
    Bot­schaft zwi­schen den Zei­len: „Spiel­zeug XY mach Kin­der glücklich!“

Bei der Kom­po­nen­te Action schließ­lich wird der Kun­de zum Han­deln auf­ge­for­dert. Das hier sind sog. „Call to Actions“ und ich bin mir sicher, jeder von euch ist tag­täg­lich mit ihnen konfrontiert:

Roman schreiben: Leser gewinnen und halten

So viel zur klas­si­schen Werbung.

Wie wen­den wir aber nun das Gan­ze auf die eige­ne Geschich­te an?

AIDA: Titel

Atten­ti­on: Auf­merk­sam­keit erregt ein Titel, der …

  • unge­wöhn­lich, auf­fäl­lig und prä­gnant ist.

Inte­rest ent­steht durch einen Titel, der …

  • neu­gie­rig macht.

Desi­re ent­steht, wenn …

  • … der Titel ein Geheim­nis andeu­tet, das es zu lüf­ten gibt, Fra­gen auf­wirft, auf die man eine Ant­wort will, oder den Leser her­aus­for­dert.

Action ist in Bezug auf Bücher ins­ge­samt natür­lich schwie­rig. Aller­dings gibt es durch­aus Wer­ke, die es umset­zen, indem der Titel zum Beispiel …

  • … selbst als „Call to Action“ for­mu­liert ist:
    Ein sowje­ti­scher Anti­kriegs­film heißt zum Bei­spiel Komm und sieh (alter­na­tiv: Geh und sieh).

AIDA: Klappentext

Atten­ti­on: Auf­merk­sam­keit weckt und hält ein Klap­pen­text vor allem dadurch, dass …

  • … er sich von ande­ren Klap­pen­tex­ten abhebt, „kna­ckig“ ist und sich leicht lesen lässt.

Inte­rest: Inter­es­se weckt ein Klap­pen­text indem …

  • … er ers­te Infor­ma­tio­nen zum Inhalt des Buches gibt. Es ver­steht sich von selbst, dass hier Punk­te ange­spro­chen wer­den soll­ten, die für das Ziel­pu­bli­kum rele­vant sind.

Desi­re: Das Begeh­ren, das Buch zu lesen, ent­steht durch …

  • Fra­gen, die das Buch zu beant­wor­ten ver­spricht, aber auch durch direkt oder zwi­schen den Zei­len for­mu­lier­te Ver­spre­chen von einem ein­zig­ar­ti­gen Aben­teu­er, einer ergrei­fen­den Lie­bes­ge­schich­te etc.

Action: Und nicht zuletzt tau­chen in Klap­pen­tex­ten oft tat­säch­lich „Call to Actions“ auf:

  • Zum Bei­spiel: „Tau­che ein in die wun­der­ba­re Welt von …“
    Das ist natür­lich ein sehr abge­dro­sche­nes Bei­spiel, das mei­ner Mei­nung nach bes­ser nicht ver­wen­det wer­den soll­te. Aber wenn euch ein ori­gi­nel­ler „Call to Action“ für euer Buch ein­fällt – war­um nicht?

AIDA: Anfang der Geschichte

Atten­ti­on: Auf­merk­sam­keit weckt man am ein­fachs­ten dadurch, dass …

  • … etwas Uner­hör­tes /​ Spek­ta­ku­lä­res /​ Bemer­kens­wer­tes pas­siert. Oder die erzähl­te Welt ist unge­wöhn­lich, spek­ta­ku­lär, bemerkenswert …
    Es geht dar­um, dass der Anfang der Geschich­te den Leser aus sei­nem All­tags­trott her­aus­reißt.

Inte­rest: Inter­es­se ent­steht durch …

  • … einen Anfang, der ein ers­tes Ein­tau­chen in die Geschich­te ermög­licht und Neu­gier­de weckt.
    Also den Leser gleich mit Info-Dump zu erschla­gen ist zum Bei­spiel meis­tens kei­ne gute Idee. Des Wei­te­ren soll­te der Anfang der Geschich­te die Inter­es­sen und Bedürf­nis­se der Ziel­grup­pe anspre­chen. Die Leser sol­len sich näm­lich den­ken: „Ja, bei die­ser Geschich­te bin ich richtig!“

In punc­to Desi­re könn­te der Anfang zum Beispiel …

  • … schon ers­te Fra­gen auf­wer­fen, damit der Leser wei­ter­le­sen will. Man kann schon jetzt den Kon­flikt ein­füh­ren oder zumin­dest andeu­ten und man­che Autoren packen schon in den Pro­log oder ins Anfangs­ka­pi­tel einen Cliff­han­ger.

Auch beim Anfang der Geschich­te ist es mit Büchern in Bezug auf Action schwie­rig, aber gene­rell könn­te man zum Bei­spiel sagen:

  • Wenn schon zu Beginn eine star­ke Immersi­on erreicht wird, fühlt sich der Leser mit ange­spro­chen, wenn der Held auf eine Ques­te geschickt wird.

AIDA: Inhalt der Geschichte

Atten­ti­on: Damit der Leser sich nicht lang­weilt, muss man die Auf­merk­sam­keit des Lesers auf­recht­erhal­ten, zum Beispiel …

  • … indem man Län­gen ver­mei­det und den Plot so gestal­tet, dass öfter etwas Bemer­kens­wer­tes oder Rele­van­tes pas­siert.
    Das natür­lich nur als Ideen, denn wie man eine Geschich­te inter­es­sant schreibt, ist ein rie­sen­gro­ßes Fass, das man nicht ein­mal in 100 Arti­keln abhan­deln könnte.

Auch Inte­rest ist in Bezug auf die gan­ze Geschich­te ein rie­sen­gro­ßes Fass, aber gene­rell kann man sagen, dass …

  • … ers­tens die Inter­es­sen und Bedürf­nis­se der Ziel­grup­pe berück­sich­tigt wer­den soll­ten; und zwei­tens soll­te man nicht „schwa­feln“, d.h. nur Din­ge in die Geschich­te rein­brin­gen, die wirk­lich eine gewis­se Min­dest­re­le­vanz haben. Auch hier Stich­punkt Info-Dump.

Desi­re: Das Begeh­ren, eine Geschich­te wei­ter­zu­le­sen, ent­steht natür­lich durch …

  • Span­nung. Und auch das ist ein rieeeesen­gro­ßes Fass, für das die­ses Video ein­deu­tig zu kurz ist. Ansons­ten ent­steht Desi­re auch durch Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der Haupt­fi­gur oder zumin­dest durch Sym­pa­thie ihr gegen­über, denn dann begehrt man als Leser ein gutes Ende für sie.

Der Punkt Action ist auch hier schwie­rig, aber er kommt nichts­des­to­trotz manch­mal vor:

  • Bei kapi­tel­wei­ser Ver­öf­fent­li­chung zum Bei­spiel weist man den Leser oft dar­auf hin, wann das nächs­te Kapi­tel erscheint, mit der direk­ten oder indi­rek­ten Ein­la­dung, zu dem Zeit­punkt wiederzukommen.
  • Außer­dem gibt es sog. „Du ent­schei­dest selbst“-Geschichten, bei denen man nach der Lek­tü­re eines Abschnitts eine Ent­schei­dung tref­fen muss (zum Bei­spiel ob man nach rechts oder nach links geht), und jede Ent­schei­dung ist dann an einen ziem­lich buch­stäb­li­chen „Call to Action“ geknüpft: „Wenn du nach rechts gehst, lies auf Sei­te 5 weiter!“

Schreiben und Marketing: Immer eine Gratwanderung

So viel zur AIDA-For­mel. Zum Schluss soll­te aber unbe­dingt ange­merkt werden,

dass Schrei­ben und Mar­ke­ting natür­lich immer eine Grat­wan­de­rung dar­stel­len.

Denn einer­seits schreibt man ja für sei­ne Leser, und das bedeutet:

Man soll­te sei­ne Ziel­grup­pe im Hin­ter­kopf behalten.

Dazu kann man zum Bei­spiel Per­so­nas ver­wen­den und genau schau­en: Was spricht mei­ne Ziel­grup­pe beson­ders an?

Aber … ist das nicht Anbie­dern? Tat­sa­che ist ja:

Ori­gi­na­li­tät und Ästhe­tik sind wich­tig, damit die Geschich­te gut ist.

Es wur­de schon zu viel Müll pro­du­ziert, weil jemand mein­te, dass das Mas­sen­pu­bli­kum es so will.

Aller­dings …

Der „Mar­ke­ting-Ansatz“ ist auch wich­tig, damit die Geschich­te tat­säch­lich gele­sen wird.

Ich fin­de ja:

Wo die Prio­ri­tä­ten lie­gen, soll­te jeder für sich entscheiden.
(Zumal man wahr­schein­lich eh nie­mals alle AIDA-Punk­te erfül­len kann, ohne die Geschich­te zu zerstören.)

Natür­lich soll­te der Anfang der Geschich­te idea­ler­wei­se Span­nung erzeu­gen, aber wenn es nicht zur Geschich­te passt, dann passt es eben nicht. Dabei muss man aller­dings in Kauf neh­men, dass der ein oder ande­re Leser das Buch bereits da schon aus der Hand legt. Idea­ler­wei­se kennt man da die „Schmer­zens­gren­ze“ sei­ner Ziel­grup­pe und wen­det die AIDA-For­mel aus­schließ­lich durch deren Pris­ma an.

Denn eine per­fek­te Geschich­te, die allen gefällt, gibt es ohne­hin nicht. Es gibt nur Geschich­ten, die einer bestimm­ten Ziel­grup­pe gefallen.

Man­che Geschich­ten haben zwar eine wesent­lich grö­ße­re Ziel­grup­pe als ande­re, aber das bedeu­tet nicht, dass sie bes­ser oder schlech­ter sind.

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