Der Myers-Briggs-Typen­in­di­kator (MBTI) als Tool für das Erschaffen von Figuren

Der Myers-Briggs-Typen­in­di­kator (MBTI) als Tool für das Erschaffen von Figuren

Per­sön­lich­keits­mo­delle können Autoren helfen, glaub­wür­dige Figuren zu erschaffen. Der Myers-Briggs-Typen­in­di­kator (MBTI) ist so ein Per­sön­lich­keits­mo­dell. Wie kann man als Autor ihn also anwenden? Darum geht es in diesem Artikel.

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Wie gut kennst Du Deine Figuren? Wel­chen Per­sön­lich­keits­typen ent­spre­chen sie? In der Kom­men­tar­sek­tion zu meinem Video über das Erschaffen von inter­es­santen Figuren (hier geht’s zum ent­spre­chenden Artikel) hat Martin der Narr mich auf die Idee gebracht, eine Serie über Per­sön­lich­keits­mo­delle zu starten. – Und warum nicht?

Solche Modelle kann man schließ­lich nicht nur nutzen, um in ein Meer von Indi­vi­duen zu struk­tu­rieren und zu ordnen, son­dern auch um glaub­wür­dige, plas­ti­sche Figuren zu erschaffen.

Ein sol­ches Modell ist der Myers-Briggs-Typen­in­di­kator. Obwohl er von der Wis­sen­schaft abge­lehnt wird, bietet er mit seinen 16 recht genau skiz­zierten Per­sön­lich­keits­typen eine gute Grund­lage zum Erschaffen von Figuren. Seine Beson­der­heit:

Er dreht sich um die Art und Weise, wie ein Indi­vi­duum die Welt wahr­nimmt und Ent­schei­dungen fällt.

Und solche Dinge sollte man als Autor über seine Figuren wissen. – Alleine schon, um die Viel­falt sicher­zu­stellen:

Denn wenn die Figuren ver­schie­denen Per­sön­lich­keits­typen ent­spre­chen, sind sie schon mal keine Klone von­ein­ander und nur so werden inter­es­sante Inter­ak­tionen und Kon­flikte über­haupt erst mög­lich.

Also auf in den Kampf!

MBTI: Hin­ter­grund

Der Myers-Briggs-Typen­in­di­kator – oder kurz: MBTI – wurde Mitte des 20. Jahr­hun­derts von Katha­rine Cook Briggs und ihrer Tochter Isabel Briggs Myers ent­wi­ckelt. Er basiert auf den psy­cho­lo­gi­schen Typen von Carl Gustav Jung, ist aber vor allem ein kom­mer­zi­elles Pro­jekt und alle offi­zi­ellen Fra­ge­bögen sind kos­ten­pflichtig. Für unsere „schrei­be­ri­schen“ Zwecke rei­chen die inof­fi­zi­ellen, kos­ten­losen Tests aber voll­kommen aus.

Es soll uns auch nicht stören, dass der MBTI, wie gesagt, von der wis­sen­schaft­li­chen Psy­cho­logie auf­grund seiner man­gel­haften Ver­läss­lich­keit abge­lehnt wird. Uns geht es schließ­lich um eine Sys­te­ma­ti­sie­rung der ver­schie­denen Aspekte einer Per­sön­lich­keit, um sie greif­barer zu machen. Und das macht der MBTI ganz gut.

MBTI: Grund­lagen

Der MBTI setzt sich zusammen aus vier Dimen­sionen mit je einer domi­nie­renden Prä­fe­renz. Und das heißt:

Jeder Mensch trägt grund­sätz­lich beide Mög­lich­keiten einer Dimen­sion in sich, aber er bevor­zugt eine davon.

Das ist wie mit Rechts- und Links­hän­dern. Mit einer Hand ist man von Natur aus geschickter, aber grund­sätz­lich kann man – sofern man nicht kör­per­lich beein­träch­tigt ist – beide Hände benutzen. Und die unge­schick­tere Hand kann man not­falls auch trai­nieren. Aber die geschick­tere Hand ist und bleibt die geschick­tere, weil man so geboren wurde.

Für jede Dimen­sion wird also nun die jewei­lige indi­vi­du­elle Prä­fe­renz ange­geben – Et voilà, fertig ist der jewei­lige Per­sön­lich­keitstyp!

Doch bespre­chen wir erst einmal die ein­zelnen Dimen­sionen …

Moti­va­tion, Antrieb (Ener­gi­zing Pre­fe­rence)

Bei der ersten Dimen­sion geht es darum, woher das Indi­vi­duum seine Energie schöpft.

Es ist die Oppo­si­tion von Extra­ver­sion (E) und Intro­ver­sion (I).
(Ori­ginal-Begriffe: Extra­ver­sion – Intro­ver­sion.)

  • Extra­ver­tierte Indi­vi­duen schöpfen ihre Energie aus dem Umgang mit anderen Men­schen. Ihre Auf­merk­sam­keit ist nach außen gerichtet und sie sind daher oft gesprä­chig, bevor­zugen Grup­pen­ak­ti­vi­täten und mögen gesell­schaft­liche Ereig­nisse wie Partys. Allein­sein emp­finden viele Extra­ver­tierte als anstren­gend.
  • Intro­ver­tierte hin­gegen schöpfen ihre Energie aus ihrem Inneren und ihre Auf­merk­sam­keit ist daher nach innen gerichtet. Daher sind sie gerne allein und bevor­zugen eine ruhige Umge­bung. Mit anderen Men­schen kom­mu­ni­zieren sie am liebsten unter vier Augen oder in kleinen Gruppen, denn grö­ßere Ansamm­lungen von Men­schen laugen sie aus.

Intro­ver­sion wird oft als Schüch­tern­heit miss­ver­standen, doch das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Ein intro­ver­tierter Mensch meidet sie anderen nicht des­wegen, weil er sich nicht traut, auf sie zuzu­gehen, son­dern weil er das schlicht und ergrei­fend nicht will und es ihm allein gut geht. Aller­dings bedeutet Intro­ver­sion auch nicht, dass man andere Men­schen nicht mag und keinen Umgang mit ihnen möchte. – Auch Intro­ver­tierte sind soziale Wesen, nur brau­chen sie den sozialen Umgang in gerin­gerem Ausmaß.

Gleich­zeitig ist man nicht auto­ma­tisch intro­ver­tiert, wenn man auch gerne mal allein ist. Denn, wie gesagt, alle Men­schen sind extra­ver­tiert und intro­ver­tiert zugleich, bloß ten­diert man zum einen mehr als zum anderen.

Auf­merk­sam­keit (Atten­tion Pre­fe­rence)

Bei der zweiten Dimen­sion fragen wir, wie das Indi­vi­duum Infor­ma­tionen sam­melt.

Es ist die Oppo­si­tion von Sen­sorik (S) und Intui­tion (N).
(Ori­ginal-Begriffe: Sensing – Intui­tion.)

  • Sen­so­ri­sche Typen bleiben bevor­zugt im Hier und Jetzt und kon­zen­trieren sich auf Details, die sie mit ihnen fünf Sinnen wahr­nehmen. Der Schwer­punkt ihrer Wahr­neh­mung sind also Fakten. Sie inter­es­sieren sich für das Prak­ti­sche, Beweis­bare, Kon­krete.
  • Intui­tive Typen dagegen schauen gewis­ser­maßen aus der „Vogel­per­spek­tive“ und kon­zen­trieren sich in erster Linie auf das Gesamt­bild. Sie ver­su­chen all­ge­meine Muster zu erkennen, ver­steckte Zusam­men­hänge und Sym­bole. Sie ver­knüpfen Ideen und ent­de­cken Mög­lich­keiten für die Zukunft.

Doch sei auch hier noch einmal betont: Jeder Mensch nutzt beide Mög­lich­keiten. Ich zum Bei­spiel ver­grabe mich gerne in Details und gebe mir Mühe, in meinen Arti­keln mög­lichst oft mit prak­ti­schen Bei­spielen zu arbeiten. Doch auf­merk­samen Lesern fällt hin und wieder auf, dass ich gerne ins Theo­re­ti­sche abdrifte oder wie ich bei­spiels­weise das Prinzip des Ver­lie­bens nach Erich Fromm auf das Erschaffen von inter­es­santen Figuren beziehe. Hier ist meine eher intui­tive Natur am Werk.

Ent­schei­dung (Deci­ding Pre­fe­rence)

Bei der dritten Dimen­sion schauen wir, wie das Indi­vi­duum Ent­schei­dungen trifft.

Es ist die Oppo­si­tion von Denken (T) und Fühlen (F).
(Ori­ginal-Begriffe: Thin­king – Fee­ling.)

  • Wer das Denken als Prä­fe­renz hat, will ratio­nale Ent­schei­dungen fällen. Er tritt einen Schritt zurück, um ein Pro­blem aus der Distanz zu betrachten, geht logisch-ana­ly­tisch vor und nutzt objek­tive Wer­te­sys­teme, bei­spiels­weise das Gesetz. Er äußert auch gerne Kritik, weil Fehler seiner Ansicht nach kor­ri­giert gehören.
  • Wer das Fühlen als Prä­fe­renz hat, betrachtet jede Situa­tion indi­vi­duell und passt seine Ent­schei­dungen auf das kon­krete Pro­blem an. Dabei bevor­zugt er per­sön­liche Wer­te­sys­teme, Empa­thie und Mit­ge­fühl. Er ist jedoch nicht zwangs­läufig emo­ti­ons­ge­leitet, son­dern bemüht sich eher um Har­monie und will des­wegen einen Kon­sens schaffen. Daher kann er auch zugunsten von per­sön­li­chen Bezie­hungen über Fehler hin­weg­sehen.

Ein Bereich, den wohl jeder kennt und wo diese Oppo­si­tion gut sichtbar wird, sind münd­liche Noten in der Schule. Ein zum Denken ver­an­lagter Lehrer würde alle Schüler anhand der­selben Skala beur­teilen: Wie oft meldet sich der Schüler und wie oft trägt er etwas Wert­volles zum Unter­richt bei? Hin und wieder beob­achtet man aber auch zum Fühlen ver­an­lagte Lehrer, die einem stil­leren Schüler eine bes­sere Note geben, weil sie sehen, dass er sich durchaus sehr bemüht, auch wenn er sich immer noch nicht so oft meldet wie andere Schüler. Solche Lehrer erkennen an, dass ver­schie­dene Schüler ver­schie­dene Per­sön­lich­keiten haben und münd­liche Mit­ar­beit einigen von Natur aus leichter fällt als anderen.

Keine dieser Her­an­ge­hens­weisen ist besser als die andere und meis­tens ver­su­chen wir, wenn wir klug sind, eine Situa­tion aus beiden Per­spek­tiven zu betrachten. Den­noch hat jeder von uns eine bestimmte Vor­liebe und schaut zuerst aus der bevor­zugten Per­spek­tive und erst dann aus der anderen.

Lebens­stil (Living Pre­fe­rence)

Die vierte Dimen­sion schließ­lich beschreibt gewis­ser­maßen den Lebens­stil.

Es ist die Oppo­si­tion von Wahr­neh­mung ℗ und Beur­tei­lung (J).
(Ori­ginal-Begriffe: Per­cei­ving – Jud­ging.)

  • Zur Wahr­neh­mung ver­an­lagte Indi­vi­duen sind offen für neue Ein­drücke und ziehen es vor, mög­lichst lange und mög­lichst viel Infor­ma­tion auf­zu­nehmen, bevor sie han­deln. Und sie sind bereit, ihre Pläne auf Grund­lage ihrer neuen Ein­drücke über den Haufen zu werfen. Sie sind also fle­xibel und spontan und ver­mi­schen gerne Arbeit und Ver­gnügen.
  • Zur Beur­tei­lung ver­an­lagte Indi­vi­duen dagegen sind ent­schei­dungs­freudig, han­deln nach einem fest­ge­legten Plan und lieben das Gefühl, eine Auf­gabe bewäl­tigt zu haben. Das sind die „Kon­troll­freaks“ mit To-do-Listen, voll­ge­krit­zelten Kalen­dern und eiserner Dis­zi­plin. Selbst Frei­zeit und Fau­lenzen werden bewusst geplant.

Doch auch hier gilt: Die wenigsten Men­schen haben eine der beiden Prä­fe­renzen bis zum Extrem aus­ge­bildet. Die meisten wahr­neh­menden Indi­vi­duen sehen ein, dass Ent­schei­dungen und Pla­nung wichtig sind, und die meisten urtei­lenden Indi­vi­duen wissen, dass ein guter Plan fle­xibel sein sollte, da es immer unvor­her­ge­se­hene Umstände geben kann. Daher geht es auch bei dieser Dimen­sion aus­drück­lich nur um Ten­denzen.

MBTI: Anwen­dung

So viel zu den vier Dimen­sionen. Doch was nun?

Wie gesagt, zunächst reiht man die vier jewei­ligen Prä­fe­renzen eines Indi­vi­duums anein­ander und kürzt jede von ihnen durch den ent­spre­chenden Buch­staben ab.

Heraus kommen Typ­be­zeich­nungen wie zum Bei­spiel INFJ: Das steht für Intro­ver­sion, Intui­tion, Fühlen und Beur­tei­lung. – Und das ist mein Typ. Wel­cher Typ bist Du? Ins­ge­samt 16 Typen stehen zur Aus­wahl.

Oft stößt man übri­gens auch auf Eigen­namen wie bei­spiels­weise „Advokat“ oder „Guru“ für INFJ. Diese vari­ieren jedoch sehr stark je nach Quelle und ich per­sön­lich finde sie auch nicht immer pas­send. Daher arbeite ich lieber nur mit den Abkür­zungen.

Aber wie arbeitet man denn mit den 16 Typen? Und was bringt es einem zu wissen, wel­chen Typen die eigenen Figuren ent­spre­chen?

Den Typ ermit­teln

Zur Ermitt­lung des Typs einer Figur kann man ent­weder einen Fra­ge­bogen aus­füllen oder die Dimen­sionen nach­ein­ander durch­gehen und sich für eine Prä­fe­renz ent­scheiden – und den Typ evtl. später mit Hilfe eines Tests nach­prüfen.

Wichtig ist jedoch, dass die Prä­fe­renzen der jewei­ligen Figur nicht nur in Deinem Kopf exis­tieren, son­dern sich auch im Denken und Ver­halten der Figur zeigen.

Doch selbst wenn Du reflek­tiert an die Sache her­an­gehst, musst Du Dir auch der Grenzen des Modells bewusst sein. Denn, wie gesagt, der MBTI ist nicht zuver­lässig:

  • Obwohl der Per­sön­lich­keitstyp eines Men­schen sich eigent­lich nicht ändern dürfte, weil es ja um eine „Grund­pro­gram­mie­rung“ des Gehirns geht, schwanken die Test­ergeb­nisse bei ein und dem­selben Indi­vi­duum oft je nach Situa­tion und Tages­form.
  • Auch gehen Indi­vi­duen sehr unter­schied­lich mit ihrer „Grund­pro­gram­mie­rung“ um: So kann ein intro­ver­tiertes Indi­vi­duum nicht extra­ver­tiert werden oder umge­kehrt, aber es kann Tech­niken ent­wi­ckeln, um mit Situa­tionen, die die jeweils gegen­tei­lige „Pro­gram­mie­rung“ erfor­dern, besser klar­zu­kommen. Des­wegen gibt es durchaus intro­ver­tierte Men­schen, denen man ihre Intro­ver­sion nicht ansieht, und extra­ver­tierte, die intro­ver­tiert wirken.
  • Doch auch andere Ein­flüsse können bewirken, dass ein Mensch sich nicht seinem eigent­li­chen Typ ent­spre­chend ver­hält, bei­spiels­weise Depres­sionen oder gesell­schaft­liche Erwar­tungen. So habe ich in meinem aktu­ellen Pro­jekt eine Neben­figur, die ich die ganze Zeit über für intro­ver­tiert gehalten habe. Erst beim Ver­fassen dieses Arti­kels ist mir bewusst geworden, dass diese Figur anschei­nend eher extra­ver­tiert ist und viel­mehr durch ihre über­durch­schnitt­liche Intel­li­genz unfrei­willig zum Ein­zel­gän­gertum neigt und sich mit den Jahren ein­fach ange­passt hat.
  • Man sollte auch bedenken, welche Fragen in den Tests gestellt werden und welche Ant­wort­mög­lich­keiten es gibt. Wie so oft bei Per­sön­lich­keits­tests gibt es auch in Fra­ge­bögen zum MBTI immer wieder Fragen, wo man ein­fach nicht weiß, was man ankreuzen soll.
  • Und wenn man Dimen­sion für Dimen­sion abklap­pert und sich bei jeder für eine Prä­fe­renz ent­scheiden soll, kann man auch nicht immer beur­teilen, was denn auf einen selbst oder die jewei­lige Figur zutrifft. Denn, wie gesagt, jeder Mensch hat grund­sätz­lich beide Aus­prä­gungen einer Dimen­sion und manchmal scheinen sie sich doch die Waage zu halten. Oder die jewei­lige Prä­fe­renz ändert sich, wie bereits erwähnt, je nach Situa­tion und Tages­form.

Bei der Ermitt­lung bzw. Fest­le­gung des Typs einer Figur gibt es also sehr viel zu bedenken. Ich schlage daher vor, nicht nur von den kon­kreten geplanten oder bereits nie­der­ge­schrie­benen Hand­lungen der Figur aus­zu­gehen, son­dern auch die Gründe für diese Hand­lungen zu betrachten und ggf. ander­wei­tige Ein­flüsse zu berück­sich­tigen.

Den Typ nutzen

Wenn Du nun aber weißt, wel­chen Typen Deine Figuren ent­spre­chen, wird ihr Ent­wick­lungs- und Kon­flikt­po­ten­tial sehr greifbar:

  • So geht jeder der 16 Typen mit bestimmten Stärken und Schwä­chen einher und sie zeigen logi­scher­weise, was einer Figur leicht fallen sollte und wo mög­liche Stol­per­steine liegen könnten. Ver­giss aber bitte nicht, dass es bei diesen per­sön­li­chen Schwä­chen nicht zwangs­läufig um die ent­schei­denden plot­re­le­vanten Schwä­chen gehen muss. Wenn der Typ einer Figur sich in Lie­bes­an­ge­le­gen­heiten ten­den­ziell blöd anstellt, diese Figur in der Geschichte aber keine Romanze hat, ist diese Schwäche für die kon­krete Geschichte, die Du ver­fasst, kom­plett irrele­vant.
  • Gleich­zeitig kannst Du anhand des MBTI aber durchaus nach­prüfen, ob eine Figur von ihrer Per­sön­lich­keit her tat­säch­lich zu der für sie vor­ge­se­henen Rolle in der Geschichte passt. Ist der gute König tat­säch­lich zum Regieren geeignet? Welche seiner Eigen­schaften helfen ihm dabei und welche führen zu schlechten Ent­schei­dungen? Woran könnte er schei­tern und was tut er dagegen?
  • Und damit wären wir beim nächsten Punkt: Der MBTI zeigt näm­lich an, wie Figuren sich gegen­seitig ergänzen können. – Viel­leicht balan­ciert der gute König seine Schwä­chen ja aus, indem er sich mit Bera­tern umgibt. Ist der König eher intuitiv? Viel­leicht hat er einen Berater, der ihn immer wieder auf den Boden der Tat­sa­chen zurück­holt.
  • Doch ver­schie­dene Typen können sich nicht nur ergänzen, son­dern auch für Kon­flikte sorgen. Man denke bei­spiel­weise an ein Paar, bei dem einer wahr­neh­mend ist und der andere beur­tei­lend: Wenn die beiden in den Urlaub fahren, kann es jede Menge Zoff geben, ob man alles spontan ent­scheidet, sich zwi­schen­durch evtl. in einer Stadt ver­irrt und dafür uner­war­tete Ent­de­ckungen macht oder ob man alles bis auf die Minute durch­plant, viel­leicht schöne Über­ra­schungen ver­passt, aber dafür alles sieht und erlebt, was man sehen und erleben wollte.
    Solche per­sön­lich­keits­ba­sierten Kon­flikte müssen aber nicht den zen­tralen Kon­flikt einer Geschichte bilden. Die beiden Partner können sich ihrer Unter­schiede auch durchaus bewusst sein und sich für einen Kom­pro­miss ent­scheiden. Somit haben solche per­sön­lich­keits­ba­sierten Kon­flikte auch nichts mit Oppo­nenten bzw. Ant­ago­nisten zu tun, denn hier geht es ja meis­tens nicht um inkom­pa­tible Per­sön­lich­keiten, son­dern um inkom­pa­tible Ziel­set­zungen: Der Held will etwas und der Oppo­nent steht ihm dabei im Weg und umge­kehrt. Dabei können die beiden sowohl völlig gegen­tei­lige Per­sön­lich­keiten haben als auch exakte Spie­gel­bilder von­ein­ander sein.

Kurz gesagt: Der MBTI kann einem dabei helfen, Figuren authen­tisch zu machen und sie glaub­würdig mit anderen Figuren inter­agieren zu lassen. Wichtig ist dabei, wie bereits ange­deutet, dass die Figuren sich auch tat­säch­lich ihren Prä­fe­renzen ent­spre­chend ver­halten – beson­ders, wenn diese Prä­fe­renzen sehr stark aus­ge­prägt sind. Bei­spiels­weise sollte ein beur­tei­lender Kon­troll­freak sich nicht ohne Wei­teres von einem Kurs­wechsel über­zeugen lassen. – Es sei denn, er ent­wi­ckelt sich im Ver­lauf der Geschichte so weit, dass er die Wich­tig­keit einer wahr­neh­menden Her­an­ge­hens­weise ein­sieht und viel­leicht sogar selbst gezielt Wahr­neh­mung trai­niert.

Was der MBTI aber nicht anzeigt, ist die Bezie­hungs­kom­pa­ti­bi­lität der ein­zelnen Typen. Manche Quellen haben zwar regel­rechte Kom­pa­ti­bi­li­täts­ta­bellen, welche Typen am besten mit­ein­ander aus­kommen, doch meine Recherche zeigt auch, dass es vor allem auf die Kom­mu­ni­ka­tion ankommt:

Meh­rere Indi­vi­duen können noch so unter­schied­lich sein – doch wenn sie ihre Unter­schied­lich­keit akzep­tieren und ein­ander mit Respekt begegnen, können auch sehr unter­schied­liche Typen wun­derbar mit­ein­ander aus­kommen.

Aber ja, doch, es gibt trotz allem vage Ten­denzen: So sorgt Ähn­lich­keit bekann­ter­maßen ja für zufrie­de­nere Paare. Es macht also Sinn, zwei Figuren, die gut mit­ein­ander aus­kommen sollen, wenigs­tens zwei gemein­same Typ­p­rä­fe­renzen zu geben. Oder man könnte bedenken, dass ein sen­so­ri­scher und ein intui­tiver Typ Gefahr laufen, anein­ander vor­bei­zu­reden, weil sie zum Bei­spiel völlig unter­schied­liche Dinge sehen, wenn sie ein und das­selbe Bild betrachten. Oder dass eine extra­ver­tierte Figur von einem intro­ver­tierten Freund ent­täuscht sein könnte, weil der intro­ver­tierte Freund nicht mit­kommen will, wenn sie in einer grö­ßeren Gruppe unter­wegs ist.

Schluss­wort

So viel also zum Myers-Briggs-Typen­in­di­kator. Ich habe auf die Vor­stel­lung der 16 Ein­zel­typen ver­zichtet, weil eher das Prinzip das Wich­tigste ist. Außerdem gibt es viele andere Quellen, in denen die Ein­zel­typen beschrieben werden, ent­weder als Video oder als Text. Einige Quellen arbeiten sogar mit bekannten Bei­spielen aus der Pop­kultur. Wenn Du die Ein­zel­typen Deiner Figuren ermit­telt hast, emp­fehle ich Dir daher eine ver­tie­fende Recherche.

Man kann im Übrigen auch hin­ter­fragen, ob der MBTI wirk­lich die kom­plette Per­sön­lich­keit abdeckt. Hier geht es schließ­lich um die innere „Grund­pro­gram­mie­rung“ eines Indi­vi­duums, weniger um die tat­säch­liche Wir­kung nach außen. Wie bereits ange­deutet, gibt es zahl­reiche andere Fak­toren zu bedenken. Astro­logie, das Modell, das wir uns als nächstes vor­knöpfen werden, macht bes­sere Aus­sagen zu den ver­schie­denen Lebens­be­rei­chen. Und das Argu­ment, es sei eine Pseu­do­wis­sen­schaft, kann man locker kon­tern mit: Der MBTI ist es doch auch. – Was im Übrigen auch sein Nach­teil gegen­über den Big Five ist: Das ist das heu­tige Stan­dard­mo­dell der Per­sön­lich­keits­for­schung und auch dar­über werden wir in Zukunft noch reden.

5 Kommentare

  1. Hey, ich wollte mich für deinen Artikel bedanken, da er wirk­lich SEHR inter­es­sant ist! 🙂 Ich habe dich auch auf You­Tube abon­niert & schaue deine Videos regel­mäßig.
    Mach auf jeden Fall weiter so!! ☺️☺️

    Krystal
  2. Dieser Test ist der Schwach­sinn ins Qua­drat !
    Horo­skope passen auch immer .… oder ? grins.
    Diese Tests werden ver­trieben von selbst­er­nannten Bera­tern und Coa­ches,
    die in einem Wochen­end­se­minar diesen Unfug ein­ge­trich­tert bekommen
    haben.
    Es sind „Behaup­tungs­sys­teme“ die völlig unwis­sen­schaft­lich sind.
    Da wird mit Refe­renzen geprahlt, werden Erfolgs­be­haup­tungen gemacht und
    dies alles um den Unter­nehmen die Kohle aus der Tasche zu ziehen !
    Ein Ange­stellter muss das Geld erst mal ver­dienen und dann wird es für
    solche Schar­la­tane zum Fenster raus­ge­worfen. Allein das ist eine
    Belei­di­gung für alle Ange­stellten. Eine Prämie oder eine Party ist
    team­bil­dender als solch ein Unfug.

    Liebe Firmen, ihr unter­werft eure Ange­stellten sol­chem Unfug und das
    ein­zige was Ihr dabei erfahren könnt, ist dass es Men­schen gibt die
    diesen Unfug ver­wei­gern und solche die diesen Unfug klaglos über sich
    ergehen lassen.
    Also wenn viele ver­wei­gern, ist das gut für euch, weil dann Hoff­nung
    besteht, das selbst­den­kende Men­schen im Unter­nehmen ange­stellt sind.
    Wenn aber viele diesen Unfug mit­ma­chen, dann hätte ich als Unter­nehmer
    Sorge um den geis­tigen Gesund­heits­zu­stand meiner Beleg­schaft !!!

    1350 Euro pro Person ist eine Frech­heit. Dazu kommt noch die Zeit wo
    nicht gear­beitet wird. Schaden bei 30 Per­sonen somit ca. 60.000,- Euro
    !!!

    Der Coach grinst sich eins auf eure Kosten !!!

    tim
    1. Ähm … Hast Du den Artikel über­haupt gelesen?

      • 1. Darin steht an meh­reren Stellen explizit, dass der MBTI von der Wis­sen­schaft nicht aner­kannt wird.
      • 2. Es geht gar nicht um irgend­welche Firmen, son­dern um eine Zweck­ent­frem­dung des Modells, um fik­tive Figuren zu erschaffen. Nicht um eine Anwen­dung auf reale Men­schen.

      Aus diesen Gründen will sich mir der Sinn Deines Kom­men­tars gerade nicht erschließen. 🤔

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