Kurzgeschichte, Novelle, Roman: Wie lang muss Dein Buch sein?

Kurzgeschichte, Novelle, Roman: Wie lang muss Dein Buch sein?

Was ist die idea­le Län­ge für Dei­ne Geschich­te und was erwar­tet Dei­ne Ziel­grup­pe? Wie gut kannst Du eine Kurz­ge­schich­te, eine Novel­le oder einen Roman auf dem Markt unter­brin­gen? Wie unter­schei­den sich die­se drei Gat­tun­gen? Und wie kannst Du eine Geschich­te län­ger oder kür­zer machen, ohne dass die Qua­li­tät dar­un­ter lei­det? Das bespre­chen wir in die­sem Artikel.

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Wann ist ein Buch zu lang und wann zu kurz? Wann ist es eine Kurz­ge­schich­te, eine Novel­le oder ein Roman? In wel­chen Gen­res darf man Wäl­zer schrei­ben und in wel­chen nicht? Wel­che Län­ge eig­net sich für Schreib­an­fän­ger und wel­che für Fort­ge­schrit­te­ne? Und wie ver­kürzt oder ver­län­gert man sein Buch?

Die Län­ge von Geschich­ten ist lei­der eine äußerst neb­li­ge Gegend irgend­wo zwi­schen den eige­nen Vor­stel­lun­gen des Autors, Gen­re­kon­ven­tio­nen und den Wün­schen der Ziel­grup­pe. Soll hei­ßen: Es gibt kei­ne kla­ren Regeln oder ein­deu­ti­ge Ant­wor­ten. Und des­we­gen reden wir heu­te vor allem über unge­fäh­re Richt­li­ni­en und ande­re Aspek­te, die es zu beden­ken gilt.

Kurzgeschichte, Novelle und Roman in Normseiten

Fik­tio­na­le Geschich­ten kann man von der Län­ge her grob in drei Gat­tun­gen glie­dern: Kurz­ge­schich­ten, Novel­len und Roma­ne. Streng genom­men gibt es natür­lich noch mehr Fein­hei­ten – zum Bei­spiel zäh­len auch Mär­chen und Anek­do­ten zur Kurz­pro­sa –, aber wir beschrän­ken uns der Über­sicht­lich­keit hal­ber auf die­se drei Gat­tun­gen, weil sie es sind, die wohl von der Mehr­heit der Leser die­ses Blogs geschrie­ben werden.

Durch wel­che Län­ge defi­nie­ren sich nun die­se drei Gattungen?

Grob for­mu­liert:

Eine Kurz­ge­schich­te besteht aus weni­gen Sei­ten, sozu­sa­gen nur aus einem Kapi­tel, ein Roman umfasst ca. 300 Norm­sei­ten und die Novel­le ist ein Zwi­schen­ding.

Das sind aber kei­ne in Stein gemei­ßel­ten Regeln, denn die­se Gat­tun­gen sind nicht klar defi­niert und die Über­gän­ge sind flie­ßend. Zumal es auch Din­ge gibt wie den Kurz­ro­man und das Gan­ze auch noch stark gen­re­ab­hän­gig ist, da zum Bei­spiel bei Epic Fan­ta­sy und Sci­ence Fic­tion Schin­ken von 600 Sei­ten durch­aus als nor­mal gel­ten. Des­we­gen wer­den wir gleich noch geson­dert über die ein­zel­nen Gat­tun­gen sprechen.

Vor­her aber noch ein klei­ner Exkurs: Was ist eine Norm­sei­te?

Grund­sätz­lich besteht eine Norm­sei­te in Deutsch­land aus 30 Zei­len mit jeweils maxi­mal 60 Anschlä­gen.

Aller­dings muss ich Dei­nen inne­ren Mathe­ma­ti­ker wohl lei­der scho­ckie­ren, denn aus die­ser prä­zi­sen Anga­be haben sich zwei Defi­ni­tio­nen entwickelt:

  • Die ers­te lau­tet: 30 × 60 = 1800. Also: 1800 Zei­chen inklu­si­ve Leer­zei­chen.
  • Die ande­re Defi­ni­ti­on berück­sich­tigt, dass in einem Text vie­le Zei­len unvoll­stän­dig sind und eine Norm­sei­te in der Pra­xis eben weni­ger Zei­chen umfasst. Die VG Wort hat dafür ver­ein­facht 1500 Zei­chen pro Normseite

Wenn es aber um unge­fäh­re Anga­ben geht, sind die­se zwei Defi­ni­tio­nen nicht so dra­ma­tisch. Nur wenn Du mit einem Ver­lag, einer Agen­tur oder einem Lek­tor kom­mu­ni­zierst, musst Du dar­auf ach­ten, wel­che Defi­ni­ti­on ver­wen­det wird. Und ansons­ten mes­sen Autoren die Län­ge von Tex­ten häu­fig in Wör­tern. Aller­dings sind Anga­ben wie „80.000 Wör­ter“ für jeman­den, der so etwas nicht gewohnt ist, weni­ger greif­bar als „320 Norm­sei­ten“. Des­we­gen habe ich mich ent­schie­den, in die­sem Arti­kel die Geschich­ten­län­ge eben in Norm­sei­ten anzu­ge­ben. Dabei gehe ich davon aus, dass eine Norm­sei­te im Schnitt ca. 250 Wör­ter umfasst, und rech­ne dem­entspre­chend um. Und falls es Dir zu viel Mathe­ma­tik wird, fin­dest Du hier einen Rech­ner für die gan­zen Zei­chen, Wör­ter und Normseiten.

Beden­ke jedoch stets, dass es sich bei all dem eben um sehr, sehr gro­be Anga­ben han­delt, die auf Durch­schnitts­wer­ten basie­ren, und dass die fak­ti­sche Sei­ten­an­zahl noch von vie­len ande­ren Fak­to­ren abhängt wie Schrift­art und ‑grö­ße, Zei­len­ab­stand, Sei­ten­rän­der … Beson­ders bei E‑Books ist es dann schwie­rig, weil die­se Din­ge auf dem Rea­der indi­vi­du­ell ein­ge­stellt wer­den kön­nen. – Du merkst also, wie neb­lig und ungreif­bar die­ses The­ma ist, oder? 😉

Aber wir wagen uns trotz­dem hin­ein und wen­den uns nun den ein­zel­nen Gat­tun­gen zu …

Kurzgeschichten

Kurz­ge­schich­ten sind, wie der Name schon sagt, kur­ze Geschich­ten und wer­den im eng­lisch­spra­chi­gen Raum, wo sie ursprüng­lich her­kom­men, pas­sen­der­wei­se als short sto­ries bezeichnet.

„Kurz“ bedeu­tet dabei Pi mal Dau­men: alles unter 40 Norm­sei­ten. – Wobei manch­mal je nach Stil, Kom­ple­xi­tät des Plots etc. auch etwas län­ge­re Erzäh­lun­gen als Kurz­ge­schich­ten durch­ge­hen können.

Alle ande­ren Eigen­schaf­ten sind kei­nes­wegs in Stein gemei­ßelt, son­dern in der Regel mehr oder weni­ger Fol­gen die­ser Kürze:

Die­se Geschich­ten sind oft auf das Nötigs­te bzw. Rele­van­tes­te redu­ziert, Anfang und Ende sind meis­tens knapp und unmit­tel­bar, die Spra­che ent­hält kei­ne unnö­ti­gen Schnör­kel und jedes Detail, das bei die­ser Redu­zie­rung auf das Nötigs­te den­noch ein­ge­baut wird, hat umso mehr Bedeu­tung.

Ansons­ten kennst Du aus der Schu­le sicher­lich auch die spe­zi­fisch deut­sche Kurz­ge­schich­te, über­wie­gend ein Pro­dukt der Nach­kriegs­zeit, aber ihre gol­de­ne Zeit ist vor­bei und ihre beson­de­ren Merk­ma­le inter­es­sie­ren mei­nen Beob­ach­tun­gen nach nur noch Deutsch­leh­rer. Was wir hier also unter einer Kurz­ge­schich­te ver­ste­hen, ist eben vor allem eine kur­ze Geschich­te, die oft bestimm­ten gat­tungs­spe­zi­fi­schen Ten­den­zen folgt, es aber nicht muss, weil die Gat­tung im Ver­lauf ihrer Exis­tenz unter­schied­lich defi­niert wurde.

Bei die­ser Schwam­mig­keit der Defi­ni­ti­on kann man aber den­noch eini­ge ten­den­zi­el­le Vor­tei­le festhalten:

  • Als Leser einer Kurz­ge­schich­te bekommt man eine abge­schlos­se­ne Erzäh­lung, die man schnell in einer ein­zi­gen Sit­zung weg­knus­pern und den­noch eine Men­ge für sich mit­neh­men kann: Es wird mit weni­gen Wor­ten viel gesagt, in der Regel ohne unnö­ti­gen Fluff. Aller­dings muss man auf­grund der platz­spa­ren­den Reduk­ti­on beim Lesen beson­ders gut mit­den­ken und auf Details ach­ten.
  • Als Autor kann und soll­te man sich auf eine ein­zi­ge Sache kon­zen­trie­ren, sich ohne Neben­plots und ande­re Abschwei­fun­gen um sei­ne Prä­mis­se küm­mern und jedes Detail ganz fili­gran durch­den­ken. Des­we­gen gel­ten Kurz­ge­schich­ten als gute Übung für Schreib­an­fän­ger, weil das sorg­fäl­ti­ge Her­aus­ar­bei­ten des Kon­zepts und das Polie­ren von Fein­hei­ten bei einer Kurz­ge­schich­te deut­lich mehr im Vor­der­grund ste­hen als bei einem Romanprojekt.

Nun kannst Du eine Kurz­ge­schich­te aber natür­lich nicht als Buch ver­öf­fent­li­chen, son­dern schickst sie eher an eine Zeit­schrift, bringst sie in einer Antho­lo­gie unter – zum Bei­spiel durch einen Wett­be­werb – oder Du schreibst noch mehr Kurz­ge­schich­ten, die idea­ler­wei­se irgend­wie the­ma­tisch oder von der Stim­mung her zusam­men­pas­sen, und ver­öf­fent­lichst sie zusam­men als Buch.

Eine inter­es­san­te Varia­ti­on davon sind Samm­lun­gen, deren Kurz­ge­schich­ten sich um die­sel­ben Figu­ren dre­hen. Um ein Bei­spiel direkt von der Krea­tiv­Crew zu klau­en: die Ger­alt- bzw. Wit­cher-Saga von Andrzej Sap­kow­ski, die mit zwei Kurz­ge­schich­ten­bän­den anfängt. Sol­che Samm­lun­gen haben alle Vor­tei­le von Kurz­ge­schich­ten, aber natür­lich muss man sich auch des­sen bewusst sein, dass sie eben ein­zel­ne Kurz­ge­schich­ten sind und nur eher lose zusam­men­hän­gen – anders als die Kapi­tel eines Romans, wo das eine direkt zum ande­ren führt. Sprich: Ein durch­gän­gi­ger Plot kann bei einer Samm­lung nur unauf­fäl­lig im Hin­ter­grund statt­fin­den, wäh­rend im Vor­der­grund kür­ze­re und ein­fa­che­re Ein­zel­plots stehen.

Was die Gesamt­län­ge einer Kurz­ge­schich­ten­samm­lung angeht, so kannst Du Dich ruhig am Stan­dard-Roman ori­en­tie­ren. Habe dabei aber im Hin­ter­kopf, dass der Markt für Kurz­ge­schich­ten in Deutsch­land lei­der etwas schwä­chelt, die­se Gat­tung Dir also ver­mut­lich nicht den gro­ßen Durch­bruch besche­ren wird. Im angel­säch­si­schen Raum soll es etwas bes­ser aus­se­hen. Aber wenn Du unbe­dingt Kurz­ge­schich­ten ver­öf­fent­li­chen willst – hey, war­um nicht? Und wenn sie nur eine Übung sind und Du ger­ne Feed­back möch­test, wäre eine kos­ten­lo­se Ver­öf­fent­li­chung auf einer Online-Platt­form durch­aus eine Über­le­gung wert.

Ansons­ten eig­nen sich ganz kur­ze Kurz­ge­schich­ten gut als Bei­spie­le Lehr- bzw. Lern- bzw. Bei­spiel­lek­to­ra­te. Das ist etwas, das ich im Rah­men mei­ner Ste­ady-Live­streams hin und wie­der ger­ne machen möch­te. Aktu­ell zer­le­gen bzw. lek­to­rie­ren bzw. über­ar­bei­ten wir eine Geschich­te, die ich mit 16–17 Jah­ren geschrie­ben habe. Die Auf­nah­me der ers­ten Sit­zung ist der­zeit für Abon­nen­ten aller Pake­te zugäng­lich, den Live­stream der zwei­ten Sit­zung pla­ne ich für den 17. Okto­ber: Ab einem Abo der zwei­ten Mit­glied­schafts­stu­fe ist eine Teil­nah­me mög­lich, die Auf­nah­me kommt eine Woche spä­ter für alle Abon­nen­ten her­aus. Wenn Du also mit­ma­chen und mich gleich­zei­tig unter­stüt­zen willst, bist Du herz­lich eingeladen!

Soll­te die Kurz­ge­schich­te Dei­ner Idee nun aber nicht genug Raum bzw. Norm­sei­ten bie­ten – sei es auf­grund der Kom­ple­xi­tät des Plots, der Figu­ren oder wie­so auch immer –, wäre viel­leicht die Novel­le das Rich­ti­ge für Dich …

Novellen

Die Novel­le ist, wie gesagt, die Über­gangs­gat­tung zwi­schen Kurz­ge­schich­te und Roman und wird im Eng­li­schen als novel­la oder nove­let­te bezeich­net. Das wird spä­ter wich­tig, wenn wir über Roma­ne spre­chen. An die­ser Stel­le aber blei­ben wir bei der Novel­le und defi­nie­ren sie als

Erzäh­lung, die 40–160 Norm­sei­ten umfasst.

Anders als die typi­sche Kurz­ge­schich­te ist sie viel­leicht sogar in meh­re­re Kapi­tel geglie­dert, aber sie ist immer noch kurz genug, um in einem Zug gele­sen zu wer­den:

Auch hier sorgt die Knapp­heit der Norm­sei­ten dafür, dass man sich auf eine ein­zi­ge Sache kon­zen­triert, auf „eine sich ereig­ne­te uner­hör­te Bege­ben­heit“, wenn man es mit Goe­the aus­drü­cken will. Soll hei­ßen: kei­ne ver­schnör­kel­ten Neben­plots, kein über­flüs­si­ges Geschwa­fel, nur ein tie­fes Ein­tau­chen in das zen­tra­le The­ma.

Und weil die Novel­le so ein Zwi­schen­ding ist, ver­eint sie die Vor­tei­le von Kurz­ge­schich­ten und Roma­nen:

  • Als Leser bekommt man eine schnell zu lesen­de, aber den­noch kom­ple­xe Erzäh­lung. Ein­zel­ne Aspek­te – zum Bei­spiel die Figu­ren – kön­nen hier detail­lier­ter her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den und somit ist eine Novel­le auch durch­aus in der Lage, das Fee­ling eines Romans zu transportieren.
  • Als Autor soll­te man sich auch hier auf das Wesent­li­che kon­zen­trie­ren, muss sich dabei aber nicht auf das Nötigs­te beschrän­ken. Man kann kom­ple­xe­re Geschich­ten erzäh­len, ohne dass es zu kom­pli­ziert und unüber­sicht­lich wird, und des­we­gen hal­te ich Novel­len für eine gute Über­gangs­übung, bevor man sich an einen Roman wagt.

Was die Ver­öf­fent­li­chung angeht, so ist es natür­lich grund­sätz­lich mach­bar, eine län­ge­re Novel­le als eigen­stän­di­ges Buch zu ver­kau­fen. Aber das wird ein sehr dün­nes Buch sein und viel­leicht wäre es ja eine Idee, meh­re­re Novel­len in einem Band unter­zu­brin­gen. Frü­her wur­den Novel­len näm­lich durch­aus gern in einem Zyklus ver­öf­fent­licht, also mit einer Rah­men­hand­lung, die für die Ein­zel­no­vel­len einen gemein­sa­men Kon­text bzw. eine Ver­bin­dung geschaf­fen hat. Und je nach­dem, wie Dei­ne Erzäh­lun­gen gestrickt sind, wäre auch ein Sam­mel­band mit Novel­len und Kurz­ge­schich­ten eine Mög­lich­keit. Aller­dings stellt auch die Novel­le trotz durch­aus vor­han­de­ner Leser­schaft auf dem Markt kei­ne Kon­kur­renz zum Roman dar und Novell­enzy­klen sind eher ein Phä­no­men der Ver­gan­gen­heit. – Aber hey, was spricht dage­gen, sich von alten Ideen inspi­rie­ren zu las­sen? Wir sehen es ja im Bereich der Fashion: Es ist nur eine Fra­ge der Zeit, bis Altes wie­der in Mode ist. – Hof­fent­lich … Novel­len sind eine coo­le Gattung.

Romane

Was sich aber über Jahr­hun­der­te hin­weg einer Beliebt­heit erfreut, sind Romane:

Geschich­ten ab 160 Norm­sei­ten, stan­dard­mä­ßig 300 Sei­ten, aber auch Schin­ken von über 440 Norm­sei­ten, in Extrem­fäl­len sogar über 1000.

Vor­sicht gebo­ten ist bei der eng­li­schen Bezeich­nung novel, denn durch die­sen fal­schen Freund könn­te man den Roman ver­se­hent­lich mit der Novel­le ver­wech­seln, wenn man sich im angel­säch­si­schen Bereich her­um­treibt. Dafür gibt es im Eng­li­schen aber eige­ne Begrif­fe, wie wir vor­hin ja gese­hen haben. – Lass Dich also nicht in die Irre füh­ren. Denn durch sei­ne Län­ge hat der Roman wesent­li­che Unter­schie­de zur Novel­le:

Die Sei­ten­an­zahl bie­tet hier aus­rei­chend Raum, um kom­ple­xe Geschich­ten mit vie­len kom­ple­xen Figu­ren, kom­ple­xem Word-Buil­ding und meh­re­ren Sub­plots zu erzäh­len. Und wenn die Sei­ten im Roman immer noch nicht aus­rei­chen, lässt die Geschich­te sich auch auf meh­re­re Roma­ne ver­tei­len; es ent­steht dann eine Romanserie.

Doch bei all den ver­schie­de­nen Län­gen stellt sich die Fra­ge, wie lang denn nun Dein kon­kre­ter Roman wer­den soll­te. Und das soll­te sich einer­seits danach rich­ten, wie vie­le Norm­sei­ten die Geschich­te selbst braucht, aber auch danach, war­um die Leser die­sen kon­kre­ten Roman spä­ter lesen wer­den:

  • Man­che Gen­res – wie Kri­mi, Thril­ler, Hor­ror, Lie­bes­ro­ma­ne etc. – sind dazu gedacht, schnell weg­ge­knus­pert zu wer­den – gegen Lan­ge­wei­le bei lan­gen Zug­fahr­ten, wenn man gera­de „Heiß­hun­ger“ auf eine bestimm­te Stim­mung hat oder in einer ein­zi­gen Nacht, in der man das Buch ein­fach nicht aus der Hand legen kann. Natür­lich vari­iert die Norm­sei­ten­an­zahl hier sehr stark – der Mys­tery-Kri­mi-Thril­ler Gone Girl von Gil­li­an Flynn umfasst ca. 600 Sei­ten und ist offen­bar nicht fürs schnel­le Weg­knus­pern gedacht –, aber nor­ma­ler­wei­se haben sol­che Roma­ne unge­fähr die stan­dard­mä­ßi­gen 300 Sei­ten. Und ganz ehr­lich: Vor allem in span­nungs­ge­la­de­nen Gen­res soll­te man nicht all­zu aus­schwei­fend wer­den und bei 900 Sei­ten Hor­ror müss­te der Autor schon ein Genie sein, damit die Lek­tü­re nicht ermü­dend wird.
  • Bei Lesern von Epic Fan­ta­sy, Sci­ence Fic­tion und auch von his­to­ri­schen Roma­nen ist es aber ganz anders: Hier wünscht man sich oft Mons­ter­schin­ken, denn je län­ger das Buch, des­to län­ger kann man sich in der eska­pis­ti­schen Fan­ta­sie einer frem­den Welt ver­lie­ren. Und meis­tens steht auch genau das im Vor­der­grund: nicht die Hand­lung, nicht die Figu­ren, son­dern vor allem das World-Buil­ding, das natür­lich auch jede Men­ge Sei­ten braucht – denn eine Beschrei­bung von Hog­warts fällt ja auto­ma­tisch aus­führ­li­cher aus als eine Beschrei­bung des 70er-Jah­re-Bun­kers, in dem ich mein Abitur gemacht habe.
  • Jugend­bü­cher hin­ge­gen respek­tie­ren die noch zar­te Auf­merk­sam­keits­span­ne ihrer Leser und fal­len mit 80–200 Sei­ten schon fast in den Bereich der Novel­len. Jun­gen Erwach­se­nen traut man da schon mehr zu, näm­lich 160–280 Norm­sei­ten. Und Kin­der­bü­cher sind eher Kurz­ge­schich­ten, die mit Bil­dern und extra gro­ßer Schrift aber mehr fak­ti­sche Sei­ten fül­len als Normseiten.

Das alles sind aber nur Richt­li­ni­en. Es macht zwar sehr viel Sinn, sich an ihnen zu ori­en­tie­ren, aber ein Kind ist zum Bei­spiel nicht gleich Kind: Ich war defi­ni­tiv jün­ger als 12, als ich den Herrn der Rin­ge zum ers­ten Mal selbst gele­sen habe, weil mei­ne Eltern es leid waren, mir die Bücher jedes ver­damm­te Jahr vor­zu­le­sen. Aber ande­rer­seits ist Der Herr der Rin­ge auch kein Kin­der­buch und wenn ein ganz bestimm­tes Kind damit zurecht­kommt, dann ist das schön fürs Kind, aber man darf das nicht grund­sätz­lich voraussetzen.

Was aber nun das Schrei­ben betrifft, so sind Roma­ne zwei­fel­los die größ­te Her­aus­for­de­rung: Man muss den Über­blick über zahl­rei­che Figu­ren und Hand­lungs­strän­ge behal­ten, sich nicht im World-Buil­ding ver­hed­dern und man muss ins­ge­samt einen län­ge­ren Atem unter Beweis stel­len. Nichts­des­to­trotz wagen sich die meis­ten Autoren aus­ge­rech­net an Roma­ne, weil ihre Geschich­ten, Figu­ren und Wel­ten die­sen Umfang ein­fach erfor­dern. Es ver­steht sich aber von selbst, dass Schrei­ber­lin­ge sich hier bei all ihrer Begeis­te­rung für ihre Wer­ke auf eine auf­wen­di­ge Über­ar­bei­tung ein­stel­len müs­sen, denn wir reden ja immer noch von Hun­der­ten von Sei­ten. Es ist bei die­ser Gat­tung also sinn­voll, schon eini­ge Schreib­erfah­rung zu haben.

Loh­nen tut sich die Mühe hier aber wohl am meis­ten, denn Roma­ne sind ten­den­zi­ell ver­käuf­li­cher als Kurz­ge­schich­ten und Novel­len. Wobei man als Neu­ling sei­nen Roman aber eher kurz hal­ten soll­te: Wenn noch nie jemand von Dir gehört hat und kei­ner weiß, was man von Dir erwar­ten kann, wirkt ein Schin­ken eher abschre­ckend. Denn wenn man schon eine Kat­ze im Sack kauft, dann wählt man eher eine klei­ne, pfle­ge­leich­te. Und wenn die einem gefal­len hat, dann gibt es eine Wahr­schein­lich­keit, dass man vom sel­ben Autor auch den fet­ten Maine-Coon-Kater kauft. Über­le­ge es Dir also gut, ob Du wirk­lich einen Fan­ta­sy- oder Sci­Fi-Wäl­zer von 800 Sei­ten zu dei­nem Debüt­ro­man machst. (Sagt die Heuch­le­rin, bei der sich aktu­ell 850 Sei­ten abzeichnen …)

Geschichten länger oder kürzer machen

Was die wich­tigs­ten Fra­gen in Bezug auf die Geschich­ten­län­ge sind, däm­mert Dir sicher­lich bereits: Oft ist die eige­ne Geschich­te für die vor­ge­se­he­ne Gat­tung bzw. das vor­ge­se­he­ne Gen­re bzw. das vor­ge­se­he­ne Ziel­pu­bli­kum zu lang oder zu kurz. – Was kann man also tun?

Als Ers­tes ist natür­lich zu klä­ren, ob Dei­ne Geschich­te für sich allein – jen­seits der eben bespro­che­nen Richt­li­ni­en – zu lang oder zu kurz ist.

Denn jede Geschich­te hat ihre eige­ne idea­le Län­ge.

Wie man die­se indi­vi­du­el­le Ide­al­län­ge ermit­telt, kann man nicht pau­schal sagen. Das ein­zig gel­ten­de Prin­zip ist: Geht irgend­et­was ver­lo­ren, wenn Du die Geschich­te irgend­wie änderst? Wich­tig ist dabei vor allem die Prä­mis­se. Und wenn die Geschich­te durch die Ände­run­gen ihr Kon­zept nicht mehr rich­tig trans­por­tiert, dann soll­te das Werk wahr­schein­lich so blei­ben, wie es ist. Hole Dir auch ger­ne die ein oder ande­re Zweit­mei­nung, wenn Du Dir nicht sicher bist.

Bei den meis­ten Geschich­ten kann man aller­dings sagen, dass man vor allem nach über­flüs­si­gen Sze­nen, Figu­ren, Hand­lungs­strän­gen etc. Aus­schau hal­ten soll­te – das sind die häu­figs­ten Kan­di­da­ten fürs Raus­kür­zen – bzw. nach zu viel „Tell“ statt „Show“, nach dem Tal­king Head Syn­dro­me, feh­len­den Beschrei­bun­gen von Orten und Figu­ren etc. – das wären näm­lich kla­re Anzei­chen, dass die Geschich­te nur ein nack­tes Gerip­pe ist und mehr „Fleisch“ ver­tra­gen kann.

Und dar­aus resul­tie­ren auch die Maß­nah­men, die man ergrei­fen kann, um Dein Manu­skript kür­zer oder län­ger zu machen:

  • Bei zu lang gera­te­nen Manu­skrip­ten sucht man nach Über­flüs­si­gem, das man her­aus­strei­chen kann. – Egal, wie sehr man an die­sen irrele­van­ten Sze­nen, Figu­ren, Neben­plots oder was auch immer hängt. Frei nach dem Prin­zip: Kill your dar­lings! Auch kannst Du prü­fen, ob Du Dich bei Beschrei­bun­gen kür­zer fas­sen und Sze­nen, Figu­ren und Hand­lungs­strän­ge irgend­wie zusam­men­le­gen kannst, also öfter meh­re­re Flie­gen mit einer Klap­pe schlagen.
  • Bei zu kur­zen Manu­skrip­ten hin­ge­gen wäre auf mehr „Show, don’t tell!“ zu ach­ten: Statt kur­zen Erklä­run­gen könn­test Du neue Sze­nen ein­bau­en, in denen Du das Erklär­te illus­trierst. Dia­lo­ge las­sen sich durch Begleit­hand­lun­gen aus­bau­en, non­ver­ba­len Inter­ak­tio­nen der Figu­ren unter­ein­an­der und mit dem Raum, was man auch mit Beschrei­bun­gen kom­bi­nie­ren kann. Die ein­zel­nen Figu­ren soll­ten dabei indi­vi­du­el­le Details bekom­men, bei­spiels­wei­se eine cha­rak­te­ris­ti­sche Sprech­wei­se, Mimik, Ges­tik etc. Und nicht zuletzt kannst Du prü­fen, ob Du die zen­tra­len The­men wei­ter aus­bau­en kannst, zum Bei­spiel durch einen neu­en Sub­plot, der neue Aspek­te mit sich bringt und bestimm­te Figu­ren vertieft.

Das wären eini­ge Maß­nah­men, die die Qua­li­tät Dei­nes Manu­skripts hoch­schrau­ben und ihm damit zu sei­ner Ide­al­län­ge ver­hel­fen sol­len. Doch es kann immer noch sein, dass Dein maxi­mal polier­tes Manu­skript zu lang oder zu kurz ist, zumin­dest wenn es um äuße­re Fak­to­ren geht:

Viel­leicht soll das Werk ja Dein Debüt sein und ist ein­fach zu lang dafür … Denn wie gesagt, wenn Dich nie­mand kennt, wer­den poten­ti­el­le Leser stär­ke­re Hem­mun­gen haben, einen Schin­ken zu kau­fen. Auch sind dicke Bücher teu­rer her­zu­stel­len, zumin­dest im Print­be­reich. Auf­grund die­ses finan­zi­el­len Risi­kos wird sich das Inter­es­se der Ver­la­ge in Gren­zen hal­ten.

In die­sem Fall hast Du ein Dilem­ma: Ein aus­ge­reif­tes Manu­skript noch­mal über­ar­bei­ten oder … Ja, was wären die Alter­na­ti­ven?

  • Viel­leicht lie­ße sich das Werk ja in meh­re­re Tei­le auf­split­ten und als Serie ver­kau­fen … Ob das klappt, hängt aber ganz indi­vi­du­ell von Dei­ner Geschich­te ab.
  • Oder Du könn­test die Geschich­te fürs Ers­te bei­sei­te­le­gen und etwas Kur­zes ver­fas­sen, um damit einen Fuß in die Indus­trie zu bekom­men. Und wenn man Dich dann schon etwas kennt und Dei­nen Fähig­kei­ten ver­traut, holst Du Dei­nen Schin­ken her­aus und ver­suchst es unter die­sen neu­en Bedingungen.
  • Oder Du pro­bierst es mit dem Self-Publi­shing und über­legst Dir eine ver­dammt gute Mar­ke­ting-Stra­te­gie, um Dein Werk den Lesern trotz sei­ner Län­ge schmack­haft zu machen.

Wenn Dein aus­ge­reif­tes Manu­skript hin­ge­gen zu kurz ist, dann hast Du es, wür­de ich sagen, einfacher:

  • Viel­leicht kannst Du ein­fach sagen, dass es ein Kurz­ro­man ist und dann ist die Sache erledigt?
  • Oder viel­leicht bie­tet es sich an, meh­re­re Wer­ke in einem Band abzu­dru­cken?
  • Oder Du gehst die klas­si­sche Schum­mel­rou­te und benutzt eine gro­ße Schrift, gro­ße Zei­len­ab­stän­de und groß­zü­gi­ge Sei­ten­rän­der … Nur pass auf, dass Dei­ne Leser sich nicht hin­ter­gan­gen füh­len, weil sie für ihr Geld weni­ger Text bekom­men haben als erwartet.

Was auch immer Dein kon­kre­tes Pro­blem ist – ich hof­fe, ich konn­te Dir ein paar Anre­gun­gen geben. Was in Dei­nem Fall die per­fek­te Balan­ce zwi­schen der idea­len Län­ge und den äuße­ren Ansprü­chen und Erwar­tun­gen ist, kannst aber nur Du selbst wissen.

Fazit und nützliche Links

Zusam­men­fas­send wür­de ich sagen, dass die Län­ge einer Geschich­te sehr eng an ihr Kon­zept gekop­pelt ist:

Je kür­zer eine Geschich­te, des­to rele­van­ter ist der Gegen­stand an sich, ein ganz bestimm­ter, klar ein­ge­grenz­ter Kon­flikt, und das geht mit einer ins­ge­samt gerin­ge­ren Kom­ple­xi­tät ein­her, gera­de bei Plot, Figu­ren und World-Buil­ding. – Es sei denn, eins davon ist der zen­tra­le Kon­flikt, zum Bei­spiel die psy­cho­lo­gi­schen Abgrün­de einer ein­zi­gen Figur.

Trotz­dem ist die Län­ge auch beim Mar­ke­ting zu berück­sich­ti­gen, obwohl die Richt­li­ni­en hier mehr für tra­di­tio­nell ver­öf­fent­li­chen­de Neu­lin­ge gel­ten als für „alte Hasen“ und Self-Publisher. Auch ist der wach­sen­de E‑Book-Markt in die­ser Hin­sicht viel­leicht ein Hoff­nungs­schim­mer, denn ein digi­ta­les Buch ist rein visu­ell natür­lich weni­ger abschre­ckend als ein Print-Schin­ken. Das ändert jedoch nichts an den Erwar­tun­gen der Leser und Kon­ven­tio­nen des Mark­tes und Du soll­test sie auf jeden Fall berücksichtigen.

Es ist also durch­aus sinn­voll, sich über die Län­ge Dei­nes Tex­tes Gedan­ken zu machen, aber Du soll­test es auch nicht über­trei­ben. Wenn Du auf der Suche nach der rich­ti­gen Balan­ce also noch wei­te­re Lek­tü­re zu dem The­ma suchst, hier ein paar Emp­feh­lun­gen von mir:

2 Kommentare

  1. Hat eigent­lich mal jemand bekann­te Wer­ke gezählt?

    Ich wäre mal neu­gie­rig. Wie vie­le Norm­sei­ten macht der ers­te Har­ry Pot­ter Band aus (in der Über­set­zung). Irgend­ein nerdi­ger Nerd muss doch da mal Zei­chen gezählt haben. 🙂

    Und wie lang ist Krieg und Frie­den in Normseiten? 😉

    AZR
    1. Ich bin mir nicht sicher, ob es da exak­te Anga­ben gibt, aber es ist durch­aus wahr­schein­lich. Unge­fäh­re Anga­ben hin­ge­gen las­sen sich auf jeden Fall recher­chie­ren. Mal abge­se­hen davon, dass die Sei­ten­an­zahl bei Print­aus­ga­ben den Norm­sei­ten oft durch­aus nahe kommt, fin­det man über Goog­le auch Anga­ben zu Norm­sei­ten: für den ers­ten Har­ry Pot­ter zum Bei­spiel etwas über 300, für Krieg und Frie­den etwas über 1000.

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