Kurzgeschichte, Novelle, Roman: Wie lang muss Dein Buch sein?

Kurzgeschichte, Novelle, Roman: Wie lang muss Dein Buch sein?

Was ist die ide­ale Länge für Deine Geschichte und was erwartet Deine Ziel­gruppe? Wie gut kannst Du eine Kurzgeschichte, eine Nov­el­le oder einen Roman auf dem Markt unter­brin­gen? Wie unter­schei­den sich diese drei Gat­tun­gen? Und wie kannst Du eine Geschichte länger oder kürz­er machen, ohne dass die Qual­ität darunter lei­det? Das besprechen wir in diesem Artikel.

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Wann ist ein Buch zu lang und wann zu kurz? Wann ist es eine Kurzgeschichte, eine Nov­el­le oder ein Roman? In welchen Gen­res darf man Wälz­er schreiben und in welchen nicht? Welche Länge eignet sich für Schreiban­fänger und welche für Fort­geschrit­tene? Und wie verkürzt oder ver­längert man sein Buch?

Die Länge von Geschicht­en ist lei­der eine äußerst neblige Gegend irgend­wo zwis­chen den eige­nen Vorstel­lun­gen des Autors, Gen­rekon­ven­tio­nen und den Wün­schen der Ziel­gruppe. Soll heißen: Es gibt keine klaren Regeln oder ein­deutige Antworten. Und deswe­gen reden wir heute vor allem über unge­fähre Richtlin­ien und andere Aspek­te, die es zu bedenken gilt.

Kurzgeschichte, Novelle und Roman in Normseiten

Fik­tionale Geschicht­en kann man von der Länge her grob in drei Gat­tun­gen gliedern: Kurzgeschicht­en, Nov­ellen und Romane. Streng genom­men gibt es natür­lich noch mehr Fein­heit­en – zum Beispiel zählen auch Märchen und Anek­doten zur Kurzprosa –, aber wir beschränken uns der Über­sichtlichkeit hal­ber auf diese drei Gat­tun­gen, weil sie es sind, die wohl von der Mehrheit der Leser dieses Blogs geschrieben wer­den.

Durch welche Länge definieren sich nun diese drei Gat­tun­gen?

Grob for­muliert:

Eine Kurzgeschichte beste­ht aus weni­gen Seit­en, sozusagen nur aus einem Kapi­tel, ein Roman umfasst ca. 300 Norm­seit­en und die Nov­el­le ist ein Zwis­chend­ing.

Das sind aber keine in Stein gemeißel­ten Regeln, denn diese Gat­tun­gen sind nicht klar definiert und die Übergänge sind fließend. Zumal es auch Dinge gibt wie den Kurzro­man und das Ganze auch noch stark gen­re­ab­hängig ist, da zum Beispiel bei Epic Fan­ta­sy und Sci­ence Fic­tion Schinken von 600 Seit­en dur­chaus als nor­mal gel­ten. Deswe­gen wer­den wir gle­ich noch geson­dert über die einzel­nen Gat­tun­gen sprechen.

Vorher aber noch ein klein­er Exkurs: Was ist eine Norm­seite?

Grund­sät­zlich beste­ht eine Norm­seite in Deutsch­land aus 30 Zeilen mit jew­eils max­i­mal 60 Anschlä­gen.

Allerd­ings muss ich Deinen inneren Math­e­matik­er wohl lei­der schock­ieren, denn aus dieser präzisen Angabe haben sich zwei Def­i­n­i­tio­nen entwick­elt:

  • Die erste lautet: 30 × 60 = 1800. Also: 1800 Zeichen inklu­sive Leerze­ichen.
  • Die andere Def­i­n­i­tion berück­sichtigt, dass in einem Text viele Zeilen unvoll­ständig sind und eine Norm­seite in der Prax­is eben weniger Zeichen umfasst. Die VG Wort hat dafür vere­in­facht 1500 Zeichen pro Norm­seite

Wenn es aber um unge­fähre Angaben geht, sind diese zwei Def­i­n­i­tio­nen nicht so drama­tisch. Nur wenn Du mit einem Ver­lag, ein­er Agen­tur oder einem Lek­tor kom­mu­nizierst, musst Du darauf acht­en, welche Def­i­n­i­tion ver­wen­det wird. Und anson­sten messen Autoren die Länge von Tex­ten häu­fig in Wörtern. Allerd­ings sind Angaben wie “80.000 Wörter” für jeman­den, der so etwas nicht gewohnt ist, weniger greif­bar als “320 Norm­seit­en”. Deswe­gen habe ich mich entsch­ieden, in diesem Artikel die Geschicht­en­länge eben in Norm­seit­en anzugeben. Dabei gehe ich davon aus, dass eine Norm­seite im Schnitt ca. 250 Wörter umfasst, und rechne dementsprechend um. Und falls es Dir zu viel Math­e­matik wird, find­est Du hier einen Rech­n­er für die ganzen Zeichen, Wörter und Norm­seit­en.

Bedenke jedoch stets, dass es sich bei all dem eben um sehr, sehr grobe Angaben han­delt, die auf Durch­schnittswerten basieren, und dass die fak­tis­che Sei­t­e­nan­zahl noch von vie­len anderen Fak­toren abhängt wie Schrif­tart und ‑größe, Zeilen­ab­stand, Seit­en­rän­der … Beson­ders bei E‑Books ist es dann schwierig, weil diese Dinge auf dem Read­er indi­vidu­ell eingestellt wer­den kön­nen. — Du merkst also, wie neblig und ungreif­bar dieses The­ma ist, oder? 😉

Aber wir wagen uns trotz­dem hinein und wen­den uns nun den einzel­nen Gat­tun­gen zu …

Kurzgeschichten

Kurzgeschicht­en sind, wie der Name schon sagt, kurze Geschicht­en und wer­den im englis­chsprachi­gen Raum, wo sie ursprünglich herkom­men, passender­weise als short sto­ries beze­ich­net.

“Kurz” bedeutet dabei Pi mal Dau­men: alles unter 40 Norm­seit­en. — Wobei manch­mal je nach Stil, Kom­plex­ität des Plots etc. auch etwas län­gere Erzäh­lun­gen als Kurzgeschicht­en durchge­hen kön­nen.

Alle anderen Eigen­schaften sind keineswegs in Stein gemeißelt, son­dern in der Regel mehr oder weniger Fol­gen dieser Kürze:

Diese Geschicht­en sind oft auf das Nötig­ste bzw. Rel­e­van­teste reduziert, Anfang und Ende sind meis­tens knapp und unmit­tel­bar, die Sprache enthält keine unnöti­gen Schnörkel und jedes Detail, das bei dieser Reduzierung auf das Nötig­ste den­noch einge­baut wird, hat umso mehr Bedeu­tung.

Anson­sten kennst Du aus der Schule sicher­lich auch die spez­i­fisch deutsche Kurzgeschichte, über­wiegend ein Pro­dukt der Nachkriegszeit, aber ihre gold­ene Zeit ist vor­bei und ihre beson­deren Merk­male inter­essieren meinen Beobach­tun­gen nach nur noch Deutschlehrer. Was wir hier also unter ein­er Kurzgeschichte ver­ste­hen, ist eben vor allem eine kurze Geschichte, die oft bes­timmten gat­tungsspez­i­fis­chen Ten­den­zen fol­gt, es aber nicht muss, weil die Gat­tung im Ver­lauf ihrer Exis­tenz unter­schiedlich definiert wurde.

Bei dieser Schwammigkeit der Def­i­n­i­tion kann man aber den­noch einige ten­den­zielle Vorteile fes­thal­ten:

  • Als Leser ein­er Kurzgeschichte bekommt man eine abgeschlossene Erzäh­lung, die man schnell in ein­er einzi­gen Sitzung wegknus­pern und den­noch eine Menge für sich mit­nehmen kann: Es wird mit weni­gen Worten viel gesagt, in der Regel ohne unnöti­gen Fluff. Allerd­ings muss man auf­grund der platzs­paren­den Reduk­tion beim Lesen beson­ders gut mit­denken und auf Details acht­en.
  • Als Autor kann und sollte man sich auf eine einzige Sache konzen­tri­eren, sich ohne Neben­plots und andere Abschwei­fun­gen um seine Prämisse küm­mern und jedes Detail ganz fil­igran durch­denken. Deswe­gen gel­ten Kurzgeschicht­en als gute Übung für Schreiban­fänger, weil das sorgfältige Her­ausar­beit­en des Konzepts und das Polieren von Fein­heit­en bei ein­er Kurzgeschichte deut­lich mehr im Vorder­grund ste­hen als bei einem Roman­pro­jekt.

Nun kannst Du eine Kurzgeschichte aber natür­lich nicht als Buch veröf­fentlichen, son­dern schickst sie eher an eine Zeitschrift, bringst sie in ein­er Antholo­gie unter — zum Beispiel durch einen Wet­tbe­werb — oder Du schreib­st noch mehr Kurzgeschicht­en, die ide­al­er­weise irgend­wie the­ma­tisch oder von der Stim­mung her zusam­men­passen, und veröf­fentlichst sie zusam­men als Buch.

Eine inter­es­sante Vari­a­tion davon sind Samm­lun­gen, deren Kurzgeschicht­en sich um diesel­ben Fig­uren drehen. Um ein Beispiel direkt von der KreativCrew zu klauen: die Ger­alt- bzw. Witch­er-Saga von Andrzej Sap­kows­ki, die mit zwei Kurzgeschicht­en­bän­den anfängt. Solche Samm­lun­gen haben alle Vorteile von Kurzgeschicht­en, aber natür­lich muss man sich auch dessen bewusst sein, dass sie eben einzelne Kurzgeschicht­en sind und nur eher lose zusam­men­hän­gen — anders als die Kapi­tel eines Romans, wo das eine direkt zum anderen führt. Sprich: Ein durchgängiger Plot kann bei ein­er Samm­lung nur unauf­fäl­lig im Hin­ter­grund stat­tfind­en, während im Vorder­grund kürzere und ein­fachere Einzelplots ste­hen.

Was die Gesamtlänge ein­er Kurzgeschicht­en­samm­lung ange­ht, so kannst Du Dich ruhig am Stan­dard-Roman ori­en­tieren. Habe dabei aber im Hin­terkopf, dass der Markt für Kurzgeschicht­en in Deutsch­land lei­der etwas schwächelt, diese Gat­tung Dir also ver­mut­lich nicht den großen Durch­bruch bescheren wird. Im angel­säch­sis­chen Raum soll es etwas bess­er ausse­hen. Aber wenn Du unbe­d­ingt Kurzgeschicht­en veröf­fentlichen willst — hey, warum nicht? Und wenn sie nur eine Übung sind und Du gerne Feed­back möcht­est, wäre eine kosten­lose Veröf­fentlichung auf ein­er Online-Plat­tform dur­chaus eine Über­legung wert.

Anson­sten eignen sich ganz kurze Kurzgeschicht­en gut als Beispiele Lehr- bzw. Lern- bzw. Beispiellek­torate. Das ist etwas, das ich im Rah­men mein­er Steady-Livestreams hin und wieder gerne machen möchte. Aktuell zer­legen bzw. lek­to­ri­eren bzw. über­ar­beit­en wir eine Geschichte, die ich mit 16–17 Jahren geschrieben habe. Die Auf­nahme der ersten Sitzung ist derzeit für Abon­nen­ten aller Pakete zugänglich, den Livestream der zweit­en Sitzung plane ich für den 17. Okto­ber: Ab einem Abo der zweit­en Mit­glied­schaftsstufe ist eine Teil­nahme möglich, die Auf­nahme kommt eine Woche später für alle Abon­nen­ten her­aus. Wenn Du also mit­machen und mich gle­ichzeit­ig unter­stützen willst, bist Du her­zlich ein­ge­laden!

Sollte die Kurzgeschichte Dein­er Idee nun aber nicht genug Raum bzw. Norm­seit­en bieten – sei es auf­grund der Kom­plex­ität des Plots, der Fig­uren oder wieso auch immer –, wäre vielle­icht die Nov­el­le das Richtige für Dich …

Novellen

Die Nov­el­le ist, wie gesagt, die Über­gangs­gat­tung zwis­chen Kurzgeschichte und Roman und wird im Englis­chen als novel­la oder nov­el­ette beze­ich­net. Das wird später wichtig, wenn wir über Romane sprechen. An dieser Stelle aber bleiben wir bei der Nov­el­le und definieren sie als

Erzäh­lung, die 40–160 Norm­seit­en umfasst.

Anders als die typ­is­che Kurzgeschichte ist sie vielle­icht sog­ar in mehrere Kapi­tel gegliedert, aber sie ist immer noch kurz genug, um in einem Zug gele­sen zu wer­den:

Auch hier sorgt die Knap­pheit der Norm­seit­en dafür, dass man sich auf eine einzige Sache konzen­tri­ert, auf “eine sich ereignete uner­hörte Begeben­heit”, wenn man es mit Goethe aus­drück­en will. Soll heißen: keine ver­schnörkel­ten Neben­plots, kein über­flüs­siges Geschwafel, nur ein tiefes Ein­tauchen in das zen­trale The­ma.

Und weil die Nov­el­le so ein Zwis­chend­ing ist, vere­int sie die Vorteile von Kurzgeschicht­en und Roma­nen:

  • Als Leser bekommt man eine schnell zu lesende, aber den­noch kom­plexe Erzäh­lung. Einzelne Aspek­te — zum Beispiel die Fig­uren — kön­nen hier detail­liert­er her­aus­gear­beit­et wer­den und somit ist eine Nov­el­le auch dur­chaus in der Lage, das Feel­ing eines Romans zu trans­portieren.
  • Als Autor sollte man sich auch hier auf das Wesentliche konzen­tri­eren, muss sich dabei aber nicht auf das Nötig­ste beschränken. Man kann kom­plexere Geschicht­en erzählen, ohne dass es zu kom­pliziert und unüber­sichtlich wird, und deswe­gen halte ich Nov­ellen für eine gute Über­gangsübung, bevor man sich an einen Roman wagt.

Was die Veröf­fentlichung ange­ht, so ist es natür­lich grund­sät­zlich mach­bar, eine län­gere Nov­el­le als eigen­ständi­ges Buch zu verkaufen. Aber das wird ein sehr dünnes Buch sein und vielle­icht wäre es ja eine Idee, mehrere Nov­ellen in einem Band unterzubrin­gen. Früher wur­den Nov­ellen näm­lich dur­chaus gern in einem Zyk­lus veröf­fentlicht, also mit ein­er Rah­men­hand­lung, die für die Einzel­nov­ellen einen gemein­samen Kon­text bzw. eine Verbindung geschaf­fen hat. Und je nach­dem, wie Deine Erzäh­lun­gen gestrickt sind, wäre auch ein Sam­mel­band mit Nov­ellen und Kurzgeschicht­en eine Möglichkeit. Allerd­ings stellt auch die Nov­el­le trotz dur­chaus vorhan­den­er Leser­schaft auf dem Markt keine Konkur­renz zum Roman dar und Nov­el­len­zyklen sind eher ein Phänomen der Ver­gan­gen­heit. — Aber hey, was spricht dage­gen, sich von alten Ideen inspiri­eren zu lassen? Wir sehen es ja im Bere­ich der Fash­ion: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Altes wieder in Mode ist. — Hof­fentlich … Nov­ellen sind eine coole Gat­tung.

Romane

Was sich aber über Jahrhun­derte hin­weg ein­er Beliebtheit erfreut, sind Romane:

Geschicht­en ab 160 Norm­seit­en, stan­dard­mäßig 300 Seit­en, aber auch Schinken von über 440 Norm­seit­en, in Extrem­fällen sog­ar über 1000.

Vor­sicht geboten ist bei der englis­chen Beze­ich­nung nov­el, denn durch diesen falschen Fre­und kön­nte man den Roman verse­hentlich mit der Nov­el­le ver­wech­seln, wenn man sich im angel­säch­sis­chen Bere­ich herumtreibt. Dafür gibt es im Englis­chen aber eigene Begriffe, wie wir vorhin ja gese­hen haben. — Lass Dich also nicht in die Irre führen. Denn durch seine Länge hat der Roman wesentliche Unter­schiede zur Nov­el­le:

Die Sei­t­e­nan­zahl bietet hier aus­re­ichend Raum, um kom­plexe Geschicht­en mit vie­len kom­plex­en Fig­uren, kom­plex­em Word-Build­ing und mehreren Sub­plots zu erzählen. Und wenn die Seit­en im Roman immer noch nicht aus­re­ichen, lässt die Geschichte sich auch auf mehrere Romane verteilen; es entste­ht dann eine Romanserie.

Doch bei all den ver­schiede­nen Län­gen stellt sich die Frage, wie lang denn nun Dein konkreter Roman wer­den sollte. Und das sollte sich ein­er­seits danach richt­en, wie viele Norm­seit­en die Geschichte selb­st braucht, aber auch danach, warum die Leser diesen konkreten Roman später lesen wer­den:

  • Manche Gen­res — wie Kri­mi, Thriller, Hor­ror, Liebesro­mane etc. — sind dazu gedacht, schnell weggeknus­pert zu wer­den — gegen Langeweile bei lan­gen Zug­fahrten, wenn man ger­ade “Heißhunger” auf eine bes­timmte Stim­mung hat oder in ein­er einzi­gen Nacht, in der man das Buch ein­fach nicht aus der Hand leg­en kann. Natür­lich vari­iert die Norm­sei­t­e­nan­zahl hier sehr stark – der Mys­tery-Kri­mi-Thriller Gone Girl von Gillian Fly­nn umfasst ca. 600 Seit­en und ist offen­bar nicht fürs schnelle Wegknus­pern gedacht –, aber nor­maler­weise haben solche Romane unge­fähr die stan­dard­mäßi­gen 300 Seit­en. Und ganz ehrlich: Vor allem in span­nungs­ge­lade­nen Gen­res sollte man nicht allzu auss­chweifend wer­den und bei 900 Seit­en Hor­ror müsste der Autor schon ein Genie sein, damit die Lek­türe nicht ermü­dend wird.
  • Bei Lesern von Epic Fan­ta­sy, Sci­ence Fic­tion und auch von his­torischen Roma­nen ist es aber ganz anders: Hier wün­scht man sich oft Mon­ster­schinken, denn je länger das Buch, desto länger kann man sich in der eskapis­tis­chen Fan­tasie ein­er frem­den Welt ver­lieren. Und meis­tens ste­ht auch genau das im Vorder­grund: nicht die Hand­lung, nicht die Fig­uren, son­dern vor allem das World-Build­ing, das natür­lich auch jede Menge Seit­en braucht — denn eine Beschrei­bung von Hog­warts fällt ja automa­tisch aus­führlich­er aus als eine Beschrei­bung des 70er-Jahre-Bunkers, in dem ich mein Abitur gemacht habe.
  • Jugend­büch­er hinge­gen respek­tieren die noch zarte Aufmerk­samkeitss­panne ihrer Leser und fall­en mit 80–200 Seit­en schon fast in den Bere­ich der Nov­ellen. Jun­gen Erwach­se­nen traut man da schon mehr zu, näm­lich 160–280 Norm­seit­en. Und Kinder­büch­er sind eher Kurzgeschicht­en, die mit Bildern und extra großer Schrift aber mehr fak­tis­che Seit­en füllen als Norm­seit­en.

Das alles sind aber nur Richtlin­ien. Es macht zwar sehr viel Sinn, sich an ihnen zu ori­en­tieren, aber ein Kind ist zum Beispiel nicht gle­ich Kind: Ich war defin­i­tiv jünger als 12, als ich den Her­rn der Ringe zum ersten Mal selb­st gele­sen habe, weil meine Eltern es leid waren, mir die Büch­er jedes ver­dammte Jahr vorzule­sen. Aber ander­er­seits ist Der Herr der Ringe auch kein Kinder­buch und wenn ein ganz bes­timmtes Kind damit zurechtkommt, dann ist das schön fürs Kind, aber man darf das nicht grund­sät­zlich voraus­set­zen.

Was aber nun das Schreiben bet­rifft, so sind Romane zweifel­los die größte Her­aus­forderung: Man muss den Überblick über zahlre­iche Fig­uren und Hand­lungsstränge behal­ten, sich nicht im World-Build­ing ver­hed­dern und man muss ins­ge­samt einen län­geren Atem unter Beweis stellen. Nichts­destotrotz wagen sich die meis­ten Autoren aus­gerech­net an Romane, weil ihre Geschicht­en, Fig­uren und Wel­ten diesen Umfang ein­fach erfordern. Es ver­ste­ht sich aber von selb­st, dass Schreiber­linge sich hier bei all ihrer Begeis­terung für ihre Werke auf eine aufwendi­ge Über­ar­beitung ein­stellen müssen, denn wir reden ja immer noch von Hun­derten von Seit­en. Es ist bei dieser Gat­tung also sin­nvoll, schon einige Schreiber­fahrung zu haben.

Lohnen tut sich die Mühe hier aber wohl am meis­ten, denn Romane sind ten­den­ziell verkäu­flich­er als Kurzgeschicht­en und Nov­ellen. Wobei man als Neul­ing seinen Roman aber eher kurz hal­ten sollte: Wenn noch nie jemand von Dir gehört hat und kein­er weiß, was man von Dir erwarten kann, wirkt ein Schinken eher abschreck­end. Denn wenn man schon eine Katze im Sack kauft, dann wählt man eher eine kleine, pflegele­ichte. Und wenn die einem gefall­en hat, dann gibt es eine Wahrschein­lichkeit, dass man vom sel­ben Autor auch den fet­ten Maine-Coon-Kater kauft. Über­lege es Dir also gut, ob Du wirk­lich einen Fan­ta­sy- oder Sci­Fi-Wälz­er von 800 Seit­en zu deinem Debütro­man machst. (Sagt die Heuch­lerin, bei der sich aktuell 850 Seit­en abze­ich­nen …)

Geschichten länger oder kürzer machen

Was die wichtig­sten Fra­gen in Bezug auf die Geschicht­en­länge sind, däm­mert Dir sicher­lich bere­its: Oft ist die eigene Geschichte für die vorge­se­hene Gat­tung bzw. das vorge­se­hene Genre bzw. das vorge­se­hene Zielpub­likum zu lang oder zu kurz. — Was kann man also tun?

Als Erstes ist natür­lich zu klären, ob Deine Geschichte für sich allein — jen­seits der eben besproch­enen Richtlin­ien — zu lang oder zu kurz ist.

Denn jede Geschichte hat ihre eigene ide­ale Länge.

Wie man diese indi­vidu­elle Ide­al­länge ermit­telt, kann man nicht pauschal sagen. Das einzig gel­tende Prinzip ist: Geht irgen­det­was ver­loren, wenn Du die Geschichte irgend­wie änder­st? Wichtig ist dabei vor allem die Prämisse. Und wenn die Geschichte durch die Änderun­gen ihr Konzept nicht mehr richtig trans­portiert, dann sollte das Werk wahrschein­lich so bleiben, wie es ist. Hole Dir auch gerne die ein oder andere Zweit­mei­n­ung, wenn Du Dir nicht sich­er bist.

Bei den meis­ten Geschicht­en kann man allerd­ings sagen, dass man vor allem nach über­flüs­si­gen Szenen, Fig­uren, Hand­lungssträn­gen etc. Auss­chau hal­ten sollte — das sind die häu­fig­sten Kan­di­dat­en fürs Rauskürzen — bzw. nach zu viel “Tell” statt “Show”, nach dem Talk­ing Head Syn­drome, fehlen­den Beschrei­bun­gen von Orten und Fig­uren etc. — das wären näm­lich klare Anze­ichen, dass die Geschichte nur ein nack­tes Gerippe ist und mehr “Fleisch” ver­tra­gen kann.

Und daraus resul­tieren auch die Maß­nah­men, die man ergreifen kann, um Dein Manuskript kürz­er oder länger zu machen:

  • Bei zu lang ger­ate­nen Manuskripten sucht man nach Über­flüs­sigem, das man her­ausstre­ichen kann. – Egal, wie sehr man an diesen irrel­e­van­ten Szenen, Fig­uren, Neben­plots oder was auch immer hängt. Frei nach dem Prinzip: Kill your dar­lings! Auch kannst Du prüfen, ob Du Dich bei Beschrei­bun­gen kürz­er fassen und Szenen, Fig­uren und Hand­lungsstränge irgend­wie zusam­men­le­gen kannst, also öfter mehrere Fliegen mit ein­er Klappe schla­gen.
  • Bei zu kurzen Manuskripten hinge­gen wäre auf mehr “Show, don’t tell!” zu acht­en: Statt kurzen Erk­lärun­gen kön­ntest Du neue Szenen ein­bauen, in denen Du das Erk­lärte illus­tri­erst. Dialoge lassen sich durch Beglei­thand­lun­gen aus­bauen, non­ver­balen Inter­ak­tio­nen der Fig­uren untere­inan­der und mit dem Raum, was man auch mit Beschrei­bun­gen kom­binieren kann. Die einzel­nen Fig­uren soll­ten dabei indi­vidu­elle Details bekom­men, beispiel­sweise eine charak­ter­is­tis­che Sprech­weise, Mimik, Gestik etc. Und nicht zulet­zt kannst Du prüfen, ob Du die zen­tralen The­men weit­er aus­bauen kannst, zum Beispiel durch einen neuen Sub­plot, der neue Aspek­te mit sich bringt und bes­timmte Fig­uren ver­tieft.

Das wären einige Maß­nah­men, die die Qual­ität Deines Manuskripts hochschrauben und ihm damit zu sein­er Ide­al­länge ver­helfen sollen. Doch es kann immer noch sein, dass Dein max­i­mal poliertes Manuskript zu lang oder zu kurz ist, zumin­d­est wenn es um äußere Fak­toren geht:

Vielle­icht soll das Werk ja Dein Debüt sein und ist ein­fach zu lang dafür … Denn wie gesagt, wenn Dich nie­mand ken­nt, wer­den poten­tielle Leser stärkere Hem­mungen haben, einen Schinken zu kaufen. Auch sind dicke Büch­er teur­er herzustellen, zumin­d­est im Print­bere­ich. Auf­grund dieses finanziellen Risikos wird sich das Inter­esse der Ver­lage in Gren­zen hal­ten.

In diesem Fall hast Du ein Dilem­ma: Ein aus­gereiftes Manuskript nochmal über­ar­beit­en oder … Ja, was wären die Alter­na­tiv­en?

  • Vielle­icht ließe sich das Werk ja in mehrere Teile auf­s­plit­ten und als Serie verkaufen … Ob das klappt, hängt aber ganz indi­vidu­ell von Dein­er Geschichte ab.
  • Oder Du kön­ntest die Geschichte fürs Erste bei­seit­elegen und etwas Kurzes ver­fassen, um damit einen Fuß in die Indus­trie zu bekom­men. Und wenn man Dich dann schon etwas ken­nt und Deinen Fähigkeit­en ver­traut, holst Du Deinen Schinken her­aus und ver­suchst es unter diesen neuen Bedin­gun­gen.
  • Oder Du pro­bierst es mit dem Self-Pub­lish­ing und über­legst Dir eine ver­dammt gute Mar­ket­ing-Strate­gie, um Dein Werk den Lesern trotz sein­er Länge schmack­haft zu machen.

Wenn Dein aus­gereiftes Manuskript hinge­gen zu kurz ist, dann hast Du es, würde ich sagen, ein­fach­er:

  • Vielle­icht kannst Du ein­fach sagen, dass es ein Kurzro­man ist und dann ist die Sache erledigt?
  • Oder vielle­icht bietet es sich an, mehrere Werke in einem Band abzu­druck­en?
  • Oder Du gehst die klas­sis­che Schum­mel­route und benutzt eine große Schrift, große Zeilen­ab­stände und großzügige Seit­en­rän­der … Nur pass auf, dass Deine Leser sich nicht hin­ter­gan­gen fühlen, weil sie für ihr Geld weniger Text bekom­men haben als erwartet.

Was auch immer Dein konkretes Prob­lem ist — ich hoffe, ich kon­nte Dir ein paar Anre­gun­gen geben. Was in Deinem Fall die per­fek­te Bal­ance zwis­chen der ide­alen Länge und den äußeren Ansprüchen und Erwartun­gen ist, kannst aber nur Du selb­st wis­sen.

Fazit und nützliche Links

Zusam­men­fassend würde ich sagen, dass die Länge ein­er Geschichte sehr eng an ihr Konzept gekop­pelt ist:

Je kürz­er eine Geschichte, desto rel­e­van­ter ist der Gegen­stand an sich, ein ganz bes­timmter, klar einge­gren­zter Kon­flikt, und das geht mit ein­er ins­ge­samt gerin­geren Kom­plex­ität ein­her, ger­ade bei Plot, Fig­uren und World-Build­ing. — Es sei denn, eins davon ist der zen­trale Kon­flikt, zum Beispiel die psy­chol­o­gis­chen Abgründe ein­er einzi­gen Fig­ur.

Trotz­dem ist die Länge auch beim Mar­ket­ing zu berück­sichti­gen, obwohl die Richtlin­ien hier mehr für tra­di­tionell veröf­fentlichende Neulinge gel­ten als für “alte Hasen” und Self-Pub­lish­er. Auch ist der wach­sende E‑Book-Markt in dieser Hin­sicht vielle­icht ein Hoff­nungss­chim­mer, denn ein dig­i­tales Buch ist rein visuell natür­lich weniger abschreck­end als ein Print-Schinken. Das ändert jedoch nichts an den Erwartun­gen der Leser und Kon­ven­tio­nen des Mark­tes und Du soll­test sie auf jeden Fall berück­sichti­gen.

Es ist also dur­chaus sin­nvoll, sich über die Länge Deines Textes Gedanken zu machen, aber Du soll­test es auch nicht übertreiben. Wenn Du auf der Suche nach der richti­gen Bal­ance also noch weit­ere Lek­türe zu dem The­ma suchst, hier ein paar Empfehlun­gen von mir:

2 Kommentare

  1. Hat eigentlich mal jemand bekan­nte Werke gezählt?

    Ich wäre mal neugierig. Wie viele Norm­seit­en macht der erste Har­ry Pot­ter Band aus (in der Über­set­zung). Irgen­dein nerdi­ger Nerd muss doch da mal Zeichen gezählt haben. 🙂

    Und wie lang ist Krieg und Frieden in Norm­seit­en? 😉

    AZR
    1. Ich bin mir nicht sich­er, ob es da exak­te Angaben gibt, aber es ist dur­chaus wahrschein­lich. Unge­fähre Angaben hinge­gen lassen sich auf jeden Fall recher­chieren. Mal abge­se­hen davon, dass die Sei­t­e­nan­zahl bei Print­aus­gaben den Norm­seit­en oft dur­chaus nahe kommt, find­et man über Google auch Angaben zu Norm­seit­en: für den ersten Har­ry Pot­ter zum Beispiel etwas über 300, für Krieg und Frieden etwas über 1000.

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