Kritisches Denken Schritt für Schritt (Wie geht selbstständiges, kritisches Denken? – Teil 3)

Kritisches Denken Schritt für Schritt (Wie geht selbstständiges, kritisches Denken? – Teil 3)

Wie geht kri­ti­sches Den­ken? Nach zwei Tei­len mit theo­re­ti­schen Ana­ly­sen und Bei­spie­len gehen wir end­lich zur Pra­xis über und zer­le­gen die sechs Ein­zel­schrit­te für eine fak­ten­ba­sier­te Mei­nungs­bil­dung. Unse­re Metho­de beruht dabei auf wis­sen­schaft­li­cher Quel­len­kri­tik, jour­na­lis­ti­schen Grund­la­gen und erzähl­theo­re­ti­schen Ansät­zen. Bre­chen wir also gemein­sam aus unse­ren Rea­li­täts­tun­neln aus!

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Wie vie­le Men­schen kennst Du, die völ­lig unge­niert von sich behaup­ten, sie wür­den nicht kri­tisch den­ken? Nicht vie­le, oder? Hinz, Kunz und ihr Hund glau­ben ehr­lich und auf­rich­tig, sie wür­den kri­tisch den­ken. Doch wenn man gegen­über einem durch­schnitt­li­chen Men­schen nach­hakt, kommt schnell her­aus, dass sein kri­ti­sches Den­ken meis­tens dar­in besteht, sich einer Mei­nung anzu­schlie­ßen, „ein­fach weil sie mir am plau­si­bels­ten erscheint“, wie ein Schlau­mei­er in einem lei­der und nicht von mir gelösch­ten Kom­men­tar unter einem mei­ner Vide­os es ganz selbst­über­zeugt for­mu­liert hat.

Falls Du das auch so hand­habst, dass Du Dir unter­schied­li­che Dar­stel­lun­gen anschaust und dann dem glaubst, was Dir „am plau­si­bels­ten“ erscheint, dann habe ich eine ganz schlech­te Nach­richt für Dich: Genau so geht kri­ti­sches Den­ken nicht.

Aber wie geht es dann? Das bespre­chen wir in die­sem Artikel!

Kritisches Denken: Grundlagen

Zunächst soll­test Du ein­se­hen, dass zwi­schen kri­ti­schem Den­ken und dem Glau­ben, man wür­de kri­tisch den­ken, ein mas­si­ver Unter­schied besteht. In den ers­ten bei­den Tei­len die­ser Rei­he haben wir näm­lich aus­führ­lich dar­über gespro­chen, wie wir Men­schen ganz unbe­wusst uns selbst in die Irre füh­ren, wie wir unse­ren Vor­ur­tei­len, Denk­feh­lern und kogni­ti­ven Blo­cka­den nahe­zu hilf­los aus­ge­lie­fert sind und wie sub­til sich das in unse­rem Den­ken, Füh­len und Han­deln nie­der­schla­gen kann. Wenn Du Dir die­se bei­den Tei­le also noch nicht zu Gemü­te geführt hast, wür­de ich emp­feh­len, dass Du das jetzt nach­holst, denn sie bil­den die Grund­la­ge für die­sen Artikel.

An die­ser Stel­le aber zurück zu Hinz, Kunz und ihrem Hund. Weil die drei der fel­sen­fes­ten Über­zeu­gung sind, sie wür­den kri­tisch den­ken, glau­ben sie auch, sie wür­den Pro­pa­gan­da sofort erken­nen, wenn sie ihnen begeg­net. Doch genau hier liegt ihr Trug­schluss:

Mani­pu­la­ti­on ist kei­ne gute Mani­pu­la­ti­on, wenn der Mani­pu­lier­te erkennt, dass er mani­pu­liert wird.

Gute Pro­pa­gan­da ope­riert im Ver­bor­ge­nen, Unter­be­wuss­ten, und erkenn­ba­re Pro­pa­gan­da ist somit schlech­te Pro­pa­gan­da, die nicht wirkt, eben weil sie durch­schaut wird. Gute Pro­pa­gan­da hin­ge­gen ist genau das, was auf uns ohne kri­ti­sche Ana­ly­se „am plau­si­bels­ten“ wirkt. Denn wie wir in den ers­ten bei­den Tei­len die­ser Rei­he gelernt haben:

Als Men­schen haben wir unse­re Rea­li­täts­tun­nel, nei­gen zu Selbst­täu­schung und kön­nen uns beim kri­ti­schen Den­ken somit nicht auf uns selbst ver­las­sen. Denn um unse­ren kom­for­ta­blen Rea­li­täts­tun­nel zu erhal­ten, sind wir dar­auf getrimmt, das zu glau­ben, wor­an wir eh schon glau­ben.

Du kennst das Prin­zip bereits aus der Wer­bung, die ja nichts ande­res ist als Pro­pa­gan­da für bestimm­te Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen: Vie­le glau­ben, von ihr nicht beein­flusst zu wer­den, und fin­den sie sogar ner­vig, aber spä­ter beim Ein­kau­fen zeigt sich, dass die Wer­bung eben doch gewirkt hat. Letzt­end­lich sind wir alle anfäl­lig, beson­ders jene, die sich für auf­ge­klärt und unemp­fäng­lich hal­ten – denn die­se Men­schen sind weni­ger auf der Hut, weil sie sich in fal­scher Sicher­heit wie­gen. Aber wie die Pra­xis zeigt, über­schät­zen sie ihre Fähig­kei­ten, und somit deu­tet die Annah­me, gegen Wer­bung und Pro­pa­gan­da immun zu sein, eben auf Selbst­über­schät­zung hin und dadurch, wie gesagt, auf eine erhöh­te Anfäl­lig­keit für Mani­pu­la­ti­on. Somit sagen Dei­ne Mei­nun­gen oft auch weni­ger über die Sache aus als über Dich selbst, wie wir vor allem an den Bei­spie­len im zwei­ten Teil gese­hen haben.

Und je mehr Du nun das Gefühl hast, dass die­se Aus­füh­run­gen hier auf alles und jeden zutref­fen, nur nicht auf ganz kon­kret Dich, des­to mehr soll­test Du Dich von die­ser Rei­he ange­spro­chen fühlen.

Weil wir nicht die ein­zi­gen sind, die unkri­tisch den­ken, dür­fen wir uns auch nicht auf ande­re ver­las­sen, egal, wie qua­li­fi­ziert und kri­tisch sie auf uns wir­ken mögen. Selbst „der Wis­sen­schaft“ dür­fen wir, wie wir bereits gese­hen haben, nicht unkri­tisch fol­gen und irgend­wel­chen „Fak­ten­che­ckern“ und Kon­sor­ten schon gar nicht. Selbst wenn uns ver­meint­li­che Bewei­se gelie­fert wer­den, sei es auch noch so sehr authen­ti­sches Video­ma­te­ri­al, – gera­de wir Schrei­ber­lin­ge wis­sen spä­tes­tens seit unse­rem Arti­kel über den neu­tra­len und den unzu­ver­läs­si­gen Erzäh­ler, dass auch eine Kame­ra nie­mals neu­tral oder objek­tiv ist, weil wir immer nur einen sorg­fäl­tig aus­ge­wähl­ten Aus­schnitt zu sehen bekommen.

Und auf unse­re Bil­dung und Erzie­hung kön­nen wir uns erst recht nicht ver­las­sen. Denn wer sind unse­re Leh­rer und Erzie­hungs­be­rech­tig­ten? Hier in Deutsch­land haben unse­re Vor­gän­ger sich wäh­rend des Natio­nal­so­zia­lis­mus über­wie­gend als Täter, Oppor­tu­nis­ten und Mit­läu­fer erwie­sen – sol­len wir von ihnen kri­ti­sches Den­ken gelernt haben? Und dass es kein spe­zi­fisch deut­sches Pro­blem ist, hat das The-Third-Wave-Expe­ri­ment gezeigt, denn da wur­de ein auto­ri­tä­res Regime im Taschen­for­mat an einer US-ame­ri­ka­ni­schen High School aufgebaut.

Es ist also ein all­ge­mein­mensch­li­ches Pro­blem. Und somit müs­sen wir, wenn wir kri­tisch den­ken wol­len, gewis­ser­ma­ßen unse­rer ego­is­ti­schen, pro­pa­gan­da­ver­siff­ten, denk­fau­len mensch­li­chen Natur ent­ge­gen­wir­ken.

Das bedeu­tet: Wir müs­sen uns von unse­ren Gefüh­len, Ansich­ten und Ein­drü­cken lösen und nahe­zu robo­ter­haft auf einen Algo­rith­mus, eine mög­lichst neu­tra­le Metho­de set­zen: Wir müs­sen die Infor­ma­tio­nen von allen Sei­ten selbst­stän­dig zusam­men­su­chen, sie dann zunächst ein­mal ste­hen las­sen, sie ver­ste­hen, uns anschau­en, wer die Betei­lig­ten über­haupt sind und wel­che Kon­tak­te und Inter­es­sen sie haben, wo ihre Finan­zie­rung her­kommt, wie sie sich in der Ver­gan­gen­heit ver­hal­ten haben und was ihre Kri­ti­ker so sagen (die wir natür­lich eben­falls hin­ter­fra­gen müs­sen), wir müs­sen die Aus­sa­gen inhalt­lich durch­ana­ly­sie­ren auf Per­spek­ti­ve, Logik und Metho­de, recher­chie­ren, was für und was gegen die Behaup­tun­gen spricht und wel­che Nach­wei­se vor­lie­gen, und schließ­lich kal­ku­lie­ren, wie hoch die Wahr­schein­lich­keit ist, dass die vor­lie­gen­de Infor­ma­ti­on stimmt. Das ist klein­ka­rier­te Mil­li­me­ter­ar­beit. Und des­we­gen spre­chen wir nun etwas aus­führ­li­cher darüber.

6 Schritte für selbstständiges, kritisches Denken

Schritt 1: Demut

Wie bei so vie­len ande­ren Din­gen ist auch beim kri­ti­schen Den­ken die Ein­stel­lung, mit der man an die kri­tisch zu betrach­ten­den Fra­gen her­an­geht, ent­schei­dend. Denn wenn die Wur­zel des Übels hin­ter feh­len­dem kri­ti­schen Den­ken das mensch­li­che Ego ist, dann bedeu­tet das, dass wir, wenn wir wirk­lich kri­tisch den­ken wol­len, unser Ego zum Schwei­gen brin­gen müs­sen.

Im ers­ten Teil die­ser Rei­he haben wir bereits ange­spro­chen, was das bedeutet:

Wir müs­sen unser Selbst­wert­ge­fühl von Kri­te­ri­en ent­kop­peln.

Soll also heißen:

Wir müs­sen uns selbst immer noch als lebens- und lie­bens­wert anse­hen, sogar wenn sich her­aus­stellt, dass wir nicht mora­lisch, intel­li­gent, beliebt, erfolg­reich oder was auch immer sind.

Oder anders formuliert:

Wir müs­sen demü­tig wer­den.

Tat­säch­lich erwi­sche ich mich immer wie­der dabei, wie ich mit zuneh­men­dem Alter immer mehr zu tra­di­tio­nel­len christ­li­chen Wer­ten fin­de. Wäre ich kul­tu­rell anders geprägt, wür­de ich sicher­lich zu den Wer­ten einer ande­ren Reli­gi­on fin­den, aber ich bin nun mal in einem kul­tu­rel­len Kon­text des Chris­ten­tums auf­ge­wach­sen und ver­ste­he mit den Jah­ren mehr und mehr den Sinn hin­ter des­sen Leh­ren. Und in Bezug auf Demut stel­le ich fest, dass demü­ti­ge Men­schen nicht nur ange­neh­mer im Umgang sind, son­dern eben auch kri­ti­scher denken:

Denn wer sich bewusst ist, dass er nur ein klei­ner, unwis­sen­der und sünd­haf­ter Mensch ist, wird sich davor hüten, sich all­zu sehr auf sei­ne sub­jek­ti­ven Urtei­le zu ver­las­sen.

Dafür muss man nicht ein­mal an Gott glau­ben. Aber man­chen hilft es wohl, sich ein gro­ßes, all­mäch­ti­ges und all­wis­sen­des Wesen vor­zu­stel­len, um sich im Ver­gleich mit ihm als die klei­nen und unwis­sen­den Sün­der zu füh­len, die sie sind, und gleich­zei­tig das Gefühl zu haben, dass jemand sie trotz all die­ser Makel immer noch als lie­bens­wert erach­tet. Über­haupt scheint mir die Vor­stel­lung von Gott in vie­ler­lei Hin­sicht eher eine Esels­brü­cke zu sein, um ein glück­li­ches, recht­schaf­fe­nes Leben zu füh­ren. Denn ohne sol­che Esels­brü­cken und Psy­cho­t­ricks ist es in der Tat noch schwe­rer. Aber wir schwei­fen ab. 😉

Wenn es also nun um Demut geht, dann bedeu­tet es in Bezug auf kri­ti­sches Denken,

dass wir uns zunächst dar­auf besin­nen, dass wir durch unser Selbst­bild, unse­re Denk­feh­ler und über­haupt durch unse­re mensch­li­che Natur über zahl­rei­che tote Win­kel im Den­ken und Wahr­neh­men verfügen.

Als Men­schen sind wir ein­fach zu doof, um die objek­ti­ve Rea­li­tät wahr­zu­neh­men, wenn man so will. Und das bedeu­tet, dass all unse­re Bewer­tun­gen und Urtei­le, Mei­nun­gen und Ansich­ten und was wir zu wis­sen glau­ben alles Mum­pitz sind. Was uns selbst als offen­sicht­lich erscheint, ist nicht unbe­dingt objek­tiv offen­sicht­lich und ent­spricht auch nicht unbe­dingt der Rea­li­tät. Und aus einem ande­ren Rea­li­täts­tun­nel her­aus ist es viel­leicht sogar gänz­lich absurd.

Selbst wenn Du glaubst, etwas mit eige­nen Augen gese­hen zu haben, soll­test Du Dich nicht dar­auf ver­las­sen. Denn wie wir im ers­ten Teil die­ser Rei­he am Fritz­chen­bei­spiel gese­hen haben, gibt es sehr vie­le Fak­to­ren, die bestim­men, was wir wie wahr­neh­men, und das führt dazu, dass wir oft gar nicht mer­ken, dass wir nicht ver­ste­hen, was wir da über­haupt wahr­ge­nom­men haben. Als His­to­ri­ke­rin mit so man­chem Semi­nar über inter­kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz auf dem Buckel kann ich zum Bei­spiel anfüh­ren, dass man sich auf his­to­ri­sche Rei­se­be­rich­te nicht all­zu sehr ver­las­sen darf, sei­en es Römer, die über Gal­li­er und Ger­ma­nen schrei­ben, oder west­eu­ro­päi­sche Rei­sen­de und Aben­teu­rer in frem­den Län­dern. Selbst wenn die­se Men­schen nicht lügen oder zumin­dest fan­ta­sie­voll aus­schmü­cken, so begeg­nen sie ande­ren Kul­tu­ren doch mit einer bestimm­ten Grund­ein­stel­lung und sehr viel Unwis­sen, was dazu führt, dass sie oft nicht ver­ste­hen, was sie da sehen, und dem­entspre­chend ziem­lich fal­sche Schlüs­se zie­hen. Und dann schlägt der Dun­ning-Kru­ger-Effekt zu und sie glau­ben ehr­lich und auf­rich­tig, sie wür­den sich aus­ken­nen, wäh­rend die Leu­te, über die sie in ihren Berich­ten schrei­ben, oder deren Nach­kom­men die Beschrei­bun­gen und Urtei­le, wenn sie ihnen in die Hän­de fal­len, belei­di­gend oder aber aus­ge­spro­chen komisch finden.

Es ver­steht sich übri­gens auch von selbst, dass wir bei man­chen The­men demü­ti­ger und kri­ti­scher sind als bei ande­ren. Wenn ein The­ma uns zum Bei­spiel rela­tiv egal ist, dann macht es uns auch weni­ger aus, da etwas zu hin­ter­fra­gen. Wenn kri­ti­sches Hin­ter­fra­gen aber unse­ren Rea­li­täts­tun­nel und unser Selbst­bild bedro­hen wür­de, weh­ren wir uns vehe­ment selbst gegen die kleins­ten Zwei­fel. Das kann sich zum Bei­spiel dar­in äußern, dass wir Men­schen, die eine ande­re Mei­nung ver­tre­ten, von vorn­her­ein abstempeln:

  • Hast Du schon mal gedacht oder sogar gesagt, dass Men­schen, die in irgend­ei­nem Punkt eine ande­re Ansicht haben, alles Bild­zei­tungs­le­ser sind?
  • Dass sie nur stumpf irgend­wel­che Paro­len grölen?
  • Dass sie ideo­lo­gie­ver­sifft, pro­pa­gan­da­ver­blen­det und sowie­so Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker sind oder sogar bewusst lügen?

Herz­li­chen Glück­wunsch, das alles sind typi­sche Aus­re­den, um sich mit ande­ren Ansich­ten nicht aus­ein­an­der­zu­set­zen. Oder sie zu erwürgen:

So hat die CIA 1967 das Doku­ment #1035–960 her­aus­ge­ge­ben, das buch­stäb­lich eine Anlei­tung dar­stellt, wie man unan­ge­neh­me Kri­ti­ker als „Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker“ und „Pro­pa­gan­dis­ten“ des Fein­des dis­kre­di­tiert. Dabei zeigt die Geschich­te, dass ein Teil des­sen, was von den Regie­run­gen und in den Leit­me­di­en als „Ver­schwö­rungs­theo­rie“ abge­tan wird, sich im Nach­hin­ein durch­aus als wahr her­aus­stellt, bei­spiels­wei­se dass die USA die Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen im Irak 2003 sage und schrei­be erfun­den haben, um ihren Krieg zu legi­ti­mie­ren. Eine „Ver­schwö­rungs­theo­rie“ ist also nicht auto­ma­tisch Hum­bug, und ob da tat­säch­lich etwas dran ist oder nicht, weiß man nur, wenn man sie sich genau­er anschaut. Genau davon soll das Label „Ver­schwö­rungs­theo­rie“ aber abhalten.

Die­se und alle ande­ren Arten des Her­ab­set­zens ande­rer Mei­nun­gen als „nicht beach­tens­wert“ sind eine Form von Aggres­si­on.

Und Aggres­si­on ent­steht, wenn man sich – sei es auch nur unter­be­wusst – bedroht fühlt.

Und war­um fühlst Du Dich bedroht, wenn die Behaup­tun­gen Anders­den­ken­der Dei­ner Mei­nung nach nur „dum­me Paro­len“ sind? Denn wenn Du Dich nicht bedroht füh­len wür­dest, wür­dest Du doch gelas­sen reagie­ren und die Anders­den­ken­den nicht ver­bal oder zumin­dest gedank­lich angrei­fen. Die „dum­men Paro­len“ sind für Dich also offen­bar doch kei­ne „dum­men Paro­len“, son­dern Gedan­ken, die für Dich gefähr­lich sein könn­ten. Und wann sind blo­ße Gedan­ken (und nicht etwa Hand­lun­gen) über­haupt gefähr­lich? – Genau, wenn sie unser Selbst­bild, unse­ren Rea­li­täts­tun­nel, bedro­hen. Du hast also unter­be­wusst Angst, dass hin­ter den „dum­men Paro­len“ eine Wahr­heit ste­cken könn­te, in deren Licht Du nicht als mora­lisch, intel­li­gent, beliebt, erfolg­reich oder was auch immer daste­hen würdest.

Weil Du Dei­nen Selbst­wert also an sol­che Kri­te­ri­en kop­pelst, hin­derst Du Dich selbst dar­an, Dich mit ande­ren Ansich­ten kri­tisch aus­ein­an­der­zu­set­zen. Du weist sie von vorn­her­ein ab und unter­stellst ihren Ver­tre­tern nega­ti­ve Eigen­schaf­ten, damit Du selbst im Ver­gleich gut dastehst: Denn wenn die Anders­den­ken­den dumm sind, dann bist Du klug; wenn sie blö­de Außen­sei­ter sind, dann bist Du ein geschät­zes Mit­glied der Gesell­schaft; und wenn sie aso­zi­al oder ander­wei­tig amo­ra­lisch sind, dann bist Du sozi­al und mora­lisch. Du erhebst Dich über sie. Du maßt Dir an, über ande­re urtei­len zu kön­nen, ohne jemals in ihren Schu­hen gelau­fen zu sein. Du glaubst zu wis­sen, was in ihrem Inne­ren statt­fin­det. Doch mit wel­chem Recht eigent­lich? Was glaubst Du, wer Du bist? – Gott? Wis­sen­der, klü­ger und mora­li­scher als ande­re Men­schen? Somit beglück­wün­sche ich Dich noch ein zwei­tes Mal:

Wenn Du die Ansich­ten Anders­den­ken­der ohne inhalt­li­che Argu­men­te von vorn­her­ein her­ab­setzt, dann begehst Du die Tod­sün­de des Hoch­muts.

Und da ist es egal, wie sehr Du selbst von Dei­ner eige­nen Beschei­den­heit und Demut über­zeugt bist: Dei­ne Hand­lun­gen spre­chen vom Gegen­teil. Wenn auf dem Rasen ein Hun­de­häuf­chen liegt, dann ist das ein ziem­lich ein­deu­ti­ger Beweis, dass ein Hund vor­bei­ge­kom­men ist. Und wenn Du ande­re Men­schen auf­grund von ihren aus Dei­ner sub­jek­ti­ven Sicht viel­leicht noch so abstru­sen Mei­nun­gen her­ab­setzt, dann bist Du ein arro­gan­tes Arschloch.

In die­sem Sin­ne: Herz­lich will­kom­men im Klub der arro­gan­ten Arsch­lö­cher. So ziem­lich die meis­ten von uns haben das Pro­blem. Und das Bes­te, was wir tun kön­nen, ist, auf unse­re eige­nen Gedan­ken auf­zu­pas­sen und noch mehr auf unse­re Hand­lun­gen. Denn wenn wir uns in all unse­rem Hoch­mut mora­lisch im Recht sehen und unse­re Taten dem­entspre­chend nicht hin­ter­fra­gen, sind wir schnell zu schreck­li­chen Din­gen fähig. Schaue Dir nur die schlimms­ten Aus­wüch­se der Can­cel Cul­tu­re an: Anders­den­ken­de wer­den abge­stem­pelt, aus­ge­grenzt und man­che ver­lie­ren ihren Job oder sogar ihr gan­zes Umfeld. – Und nur, weil ande­re ihre blo­ßen Gedan­ken, zum Bei­spiel über die Nütz­lich­keit von Coro­na-Maß­nah­men, als bedroh­lich emp­fin­den. Dabei ist es nor­mal, dass Men­schen ver­schie­de­ne Ansich­ten haben, und wenn wir auf Anders­den­ken­de gelas­sen reagie­ren, kön­nen wir meis­tens Kom­pro­mis­se fin­den oder uns gemein­sam auf Wahr­heits­su­che begeben.

Aber – oha, ich höre Wider­spruch! Du sagst: „Was, wenn die ande­ren Mei­nun­gen tat­säch­lich gefähr­lich sind, weil sie zu Ver­hal­tens­wei­sen füh­ren, die mir schaden?“

Ich sage dazu: „Schau Dich selbst an. Bist Du sicher, dass Dei­ne Mei­nun­gen nicht zu Ver­hal­tens­wei­sen füh­ren, die ande­ren scha­den? War­um sol­len die ande­ren ihre Mei­nung auf­ge­ben und Du nicht?“

Und Du ant­wor­test: „Weil die Mei­nung der ande­ren dis­kri­mi­nie­rend oder ander­wei­tig unmo­ra­lisch ist!“

Und ich wie­der­ho­le: „Schau Dich selbst an. Bist Du sicher, dass Dei­ne Mei­nung nicht dis­kri­mi­nie­rend oder ander­wei­tig unmo­ra­lisch ist? Ich weiß, Du bist Dir wirk­lich sicher, sonst wür­dest Du nicht so reden und Dich weh­ren. Du gewich­test den Scha­den, der durch ande­re ent­steht, höher als den Scha­den, der durch Dich ent­steht und des­sen Exis­tenz Du viel­leicht sogar nicht ein­mal in Erwä­gung zie­hen willst. Du gewich­test Dei­ne Wer­te, Dei­ne Moral, höher als die Wer­te ande­rer Men­schen. – Und genau das ist der Inbe­griff von Arro­ganz. Von mora­li­scher Selbst­er­hö­hung auf Kos­ten ande­rer. Wenn Du die Welt also wirk­lich ver­bes­sern willst, dann begin­ne bei Dir selbst. Denn Du bist ein arro­gan­tes Arsch­loch und hast des­we­gen kein Recht, ande­ren vor­zu­schrei­ben, was sie zu tun und zu las­sen haben.“

Abge­se­hen von kom­plet­tem Abblo­cken und Ver­ur­tei­len ande­rer Mei­nun­gen gibt es noch ande­re Din­ge, die uns an Kom­pro­mis­sen oder an gemein­sa­mer Wahr­heits­su­che behin­dern, zum Bei­spiel das abso­lut arro­gan­te Gefühl, man wür­de die Gegen­sei­te ver­ste­hen, aber die Gegen­sei­te einen selbst nicht. Das kann durch­aus der Fall sein, aber es kann auch nicht der Fall sein. Des­we­gen ist auch die­ses Gefühl zu hin­ter­fra­gen – man kann es abso­lut äußern, das kon­kre­te Pro­blem zu benen­nen ist meis­tens sehr hilf­reich, aber man soll­te es trotz­dem respekt­voll tun, am bes­ten als Ich-Bot­schaft: „Ich glau­be, wir reden anein­an­der vor­bei.“ Oder: „Ich füh­le mich nicht verstanden.“

Sol­che vor­sich­ti­gen, rela­ti­vie­ren­den For­mu­lie­run­gen ver­tra­gen sich aller­dings meis­tens nicht mit der west­li­chen Men­ta­li­tät mit ihrem – nen­nen wir es mal „Kult der Selbst­dar­stel­lung“. Schon als Kin­der bekom­men wir ein­ge­trich­tert, dass wir, wenn wir ernst genom­men wer­den wol­len, „selbst­be­wusst“ auf­tre­ten müs­sen. Wenn man stän­dig die Ein­ge­schränkt­heit sei­ner eige­nen Sub­jek­ti­vi­tät betont und Raum für Zwei­fel an den eige­nen Aus­sa­gen lässt, wirkt man meis­tens nicht selbst­be­wusst. Dabei hat das eigent­lich nichts mit rich­ti­gem Selbst­be­wusst­sein zu tun, denn Selbst­be­wusst­sein bedeu­tet, sich sei­ner Selbst bewusst zu sein, also zu wis­sen, wer man ist. Was man hier­zu­lan­de für Selbst­be­wusst­sein hält, ist aber eher Selbst­über­zeugt­heit: Men­schen las­sen sich eher von Selbst­über­zeugt­heit über­zeu­gen als von Argu­men­ten, völ­lig egal, ob die­se Selbst­über­zeugt­heit berech­tigt ist oder nicht. Meis­tens ist sie sogar tat­säch­lich nicht berech­tigt, wie der Dun­ning-Kru­ger-Effekt zeigt, da vor allem unwis­sen­de und dum­me Men­schen selbst­über­zeugt auf­tre­ten. In Bezug auf kri­ti­sches Den­ken wür­de ich Selbst­über­zeugt­heit daher als toxisch ein­stu­fen, was wie­der­um bedeu­tet, dass wir gegen einen Wert ver­sto­ßen müs­sen, den vie­le von uns schon mit der Mut­ter­milch ver­ab­reicht bekom­men haben.

Auch unse­re natür­li­che Auto­ri­täts­hö­rig­keit könn­te zu einem beson­de­ren Pro­blem wer­den, weil sie leicht mit Demut ver­wech­selt wer­den kann. Denn der Auto­ri­täts­hö­ri­ge sagt ver­meint­lich demü­tig: „Ich bin doof, ich ken­ne mich nicht aus und des­we­gen höre ich auf jeman­den, der Bescheid weiß.“ Grund­sätz­lich ist es natür­lich nicht ver­kehrt, um sein eige­nes Unwis­sen wis­send nach zuver­läs­si­gen Infor­ma­ti­ons­quel­len zu suchen. – Aber wer sagt, dass Dei­ne Ein­stu­fung einer Infor­ma­ti­ons­quel­le als „zuver­läs­sig“ kor­rekt ist? In Teil 1 und 2 die­ser Rei­he haben wir ja bereits fest­ge­stellt, dass wir selbst „der Wis­sen­schaft“ nicht blind ver­trau­en dür­fen. Wenn Du einer Infor­ma­ti­ons­quel­le ohne Wenn und Aber glaubst, dann maßt Du Dir genug Kom­pe­tenz an, um sie zu beur­tei­len. – Mit wel­chem Recht eigent­lich? Viel­leicht wirkt die­se Quel­le auf Dich nur des­we­gen so zuver­läs­sig, weil Du so doof und mani­pu­lier­bar bist? Und wenn ande­re Men­schen ande­ren Quel­len trau­en, die Dei­ner Quel­le wider­spre­chen? Dann stellst Du Dein Urteil also mal wie­der über das ande­rer Men­schen. Du bist also nicht etwa demü­tig, son­dern ein arro­gan­tes Arschloch.

Nein. Demut bedeu­tet nicht, sich irgend­ei­ner Mei­nung anzu­schlie­ßen, weil man es nicht bes­ser weiß:

Demut bedeu­tet, auf eine Mei­nung ent­we­der kom­plett zu ver­zich­ten, weil man genau weiß, dass sie auf jeden Fall Mum­pitz sein wird, oder sie auf selbst­stän­di­ger, ergeb­nis­of­fe­ner For­schung auf­zu­bau­en und dabei im Hin­ter­kopf zu behal­ten, dass man sich trotz­dem irren könn­te.

Wie kommt man also zu die­ser demü­ti­gen Grundeinstellung?

Sofern Du ein nor­mal­sterb­li­cher Mensch bist, wirst Du Dich von Dei­ner irdi­schen Sünd­haf­tig­keit wohl nie lösen kön­nen. Aber wir Men­schen kön­nen zumin­dest ver­su­chen, uns vor­über­ge­hend in einen „demü­ti­gen Modus“ zu ver­set­zen, um einer bestimm­ten Sache auf den Grund zu gehen.

Und wie Du Dir viel­leicht mitt­ler­wei­le den­ken kannst, begin­nen wir dabei mit der Selbst­re­fle­xi­on. Denn es ist ja schön und gut, wenn Du die Feh­ler ande­rer zu erken­nen glaubst – aber schau Dich in ers­ter Linie selbst an:

Du bist nicht per­fekt, Du unter­liegst schreck­li­chen Irr­tü­mern und Du fügst ande­ren wahr­schein­lich Scha­den zu, ohne es zu mer­ken bzw. mer­ken zu wollen.

Des­we­gen liegt es nicht in der Kom­pe­tenz Dei­nes Spat­zen­hirns, irgend­et­was zu beur­tei­len. Ins­be­son­de­re ande­re zu ver­ur­tei­len, vor allem, wenn Du nicht in ihrer Haut steckst.

Ich mei­ne, klar, wenn Dir weh­ge­tan wird, hast du jedes Recht der Welt, ganz laut „Au!“ zu schrei­en. Es ist sogar Dei­ne Pflicht als erwach­se­ner Mensch, für Dich selbst ein­zu­ste­hen und in einer kon­kre­ten Situa­ti­on oder bei einem sys­te­mi­schen Pro­blem die Schwei­ge­spi­ra­le zu durch­bre­chen. Aber het­ze nicht! Gib Dich nicht dem Hass hin, sogar wenn Du glaubst, dass Dir selbst mit Hass begeg­net wird. Denn die­je­ni­gen, die Dir weh­tun, sind kei­ne schlech­te­ren Men­schen und du bist auch kein bes­se­rer Mensch. Zumin­dest liegt es, wie gesagt, nicht in Dei­ner Kom­pe­tenz, das zu beur­tei­len. Lege also ein­fach nur dei­ne Sicht der Din­ge dar, so gut und zivi­li­siert Du kannst.

Um das zu schaf­fen und gene­rell ergeb­nis­of­fen for­schen zu kön­nen, musst Du emo­tio­nal mög­lichst gelas­sen sein.

Zieh Dich not­falls also zurück, beru­hi­ge Dich und löse Dich ggf. von Dei­ner Iden­ti­fi­ka­ti­on mit einer Grup­pe, zumin­dest vor­über­ge­hend, weil es Dich sonst par­tei­isch macht und, wie wir in Teil 1 gese­hen haben, auch Dei­ne intel­lek­tu­el­len Fähig­kei­ten einschränkt.

Über­haupt ist es sinn­voll, sich gene­rell nicht groß­ar­tig mit etwas zu iden­ti­fi­zie­ren außer mit sich selbst: also auch nicht mit irgend­ei­ner Leh­re, einer Bewe­gung, einer Mis­si­on, was auch immer. Das ist natür­lich schwie­rig, weil wir allein schon durch unse­re ange­bo­re­nen Eigen­schaf­ten unter­schied­li­chen Grup­pen zuge­ord­net wer­den kön­nen und es auch wer­den und es oft auch sinn­voll ist. Wie es zum Bei­spiel sinn­voll ist, sei­ne Schuh­grö­ße zu ken­nen, denn das ist auch eine Grup­pe. Aber es ist noch­mal eine ande­re Sache, sich mit sei­ner Schuh­grö­ße zu iden­ti­fi­zie­ren und das Feh­len der eige­nen Schuh­grö­ße im Geschäft als per­sön­li­chen Angriff zu wer­ten. Wenn Du nur schwer an geschei­tes Schuh­werk her­an­kommst, weil Dei­ne Füße unge­wöhn­lich groß oder unge­wöhn­lich klein sind, dann ist das ein ernst­zu­neh­men­des Pro­blem und dan­ke, dass Du dar­auf auf­merk­sam machst. Aber des­we­gen soll­test Du nicht los­zie­hen und Schuh­fach­ge­schäf­te nie­der­bren­nen und eine Revo­lu­ti­on anzet­teln. Ver­stehst Du, was ich mei­ne? Du hast jedes Recht der Welt, The­men zu haben, die Dir beson­ders wich­tig sind. Aber zwin­ge sie nie­man­dem auf! Es sei denn natür­lich, das kon­kre­te The­ma ist in der jewei­li­gen kon­kre­ten Situa­ti­on tat­säch­lich wichtig.

Und weil es defi­ni­tiv Leu­te geben wird, die eine ande­re Mei­nung haben, gilt:

Sei offen für die Argu­men­te der Gegen­sei­te bzw. aller Sei­ten. Sei bereit, ihre Logik nach­zu­voll­zie­hen, und lass den Gedan­ken zu, dass jede der Sei­ten recht haben könn­te. Und auch wenn Dir etwas auf Anhieb wie schreck­li­cher Unsinn vor­kommt, besin­ne Dich auf die Ein­ge­schränkt­heit Dei­nes Spat­zen­hirns und lass den Gedan­ken zu, dass die­ser ver­meint­li­che Unsinn stim­men könnte.

Kri­tisch zu den­ken bedeu­tet also unterm Strich, sich selbst zu hin­ter­fra­gen:

Ist die Quel­le, der ich glau­ben möch­te, wirk­lich zuver­läs­sig? Ist die Infor­ma­ti­on, die ich absurd fin­de, wirk­lich absurd? Und bin ich am Ende nicht ein­fach nur eine ego­is­ti­sche Dumpfbacke?

Und nach­dem ich Dich nun hof­fent­lich bis in die tiefs­ten Abgrün­de der Demut gede­mü­tigt habe, kön­nen wir zu Schritt 2 übergehen …

Schritt 2: Recherche

Bevor wir über irgend­et­was kri­tisch nach­den­ken kön­nen, brau­chen wir natür­lich Infor­ma­tio­nen. Wie geht aber Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung? Denn ein häu­fi­ger gegen­sei­ti­ger Vor­wurf ver­fein­de­ter Mei­nungs­la­ger ist, die jeweils ande­re Sei­te wür­de sich nur ein­sei­tig infor­mie­ren. Und es stimmt ja auch:

Wenn wir unse­re Infor­ma­tio­nen immer nur von einer Sei­te schöp­fen – egal, für wie zuver­läs­sig wir die Quel­le hal­ten, – dann sind wir ein­sei­tig infor­miert.

Statt uns also naiv dar­auf zu ver­las­sen, dass jemand ande­res uns zuver­läs­sig und umfas­send infor­miert, neh­men wir die Sache selbst in die Hand und betrei­ben Recher­che.

Dabei macht es in der Regel Sinn, sich vom All­ge­mei­nen zum Spe­zi­el­len in die Tie­fe zu graben:

  • Wir begin­nen also nicht mit einem hoch­kom­pli­zier­ten Fach­ar­ti­kel, den wir bes­ten­falls nur zur Hälf­te ver­ste­hen, weil uns die nöti­gen Hin­ter­grund­kennt­nis­se feh­len, son­dern mit Lexi­kon­ar­ti­keln und Über­blicks­dar­stel­lun­gen, Enzy­klo­pä­dien und allen mög­li­chen Nach­schla­ge­wer­ken, die uns all­ge­mein in das The­ma ein­füh­ren. Anhand von die­sen Über­blicks­dar­stel­lun­gen bil­den wir uns noch kei­ne Mei­nung, weil wir noch kei­ne Kom­pe­tenz haben, sie kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Wir las­sen zunächst nur ste­hen, dass die Autoren des Lexi­kons, der Enzy­klo­pä­die oder von was auch immer bestimm­te Din­ge behaup­ten. Wir müs­sen den Autoren dabei nicht ein­mal unter­stel­len, sie wür­den lügen, denn es ist nur natür­lich, dass gro­be Über­blicks­dar­stel­lun­gen unvoll­stän­dig sind: Um ein kom­ple­xes The­ma in einen ver­dau­li­chen Text zu ver­pa­cken, muss man zwangs­läu­fig ver­all­ge­mei­nern, ver­ein­fa­chen und weg­las­sen. Und so sehr die Autoren sich um Objek­ti­vi­tät bemü­hen mögen, bleibt ihre Ent­schei­dung, was sie in ihren Über­sichts­ar­ti­kel auf­neh­men und wie sie es for­mu­lie­ren, bis zu einem gewis­sen Grad sub­jek­tiv und will­kür­lich. Es geht gar nicht anders, denn das sind die Gren­zen des Erzäh­lens und der mensch­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on gene­rell. Des­we­gen wer­den wir im Ver­lauf unse­rer Recher­che die Behaup­tun­gen in den Über­sichts­ar­ti­keln einer Über­prü­fung unter­zie­hen.
  • Vor­her brau­chen wir aber ein­fach nur Infor­ma­tio­nen, und zwar so vie­le, wie wir krie­gen kön­nen. Des­we­gen holen wir uns aus dem Über­sichts­dar­stel­lun­gen zwar kei­ne Mei­nung, aber dafür Stich­wor­te, Daten, Per­so­nen­na­men, Begrif­fe und alles Mög­li­che, was man in die Mas­ke einer Such­ma­schi­ne, eines Biblio­theks­ka­ta­logs, eines Archivs, einer Daten­bank und Kon­sor­ten ein­ge­ben kann. Auf die­se Wei­se fin­den wir Bücher und Arti­kel, Blogs und Pod­casts, alle mög­li­chen Medi­en zum The­ma. Außer­dem schau­en wir uns die Lite­ra­tur­ver­wei­se und Quel­len des Über­blicks­ar­ti­kels an und suchen sie heraus.
  • Wir haben also nun eine laaaaaaaan­ge Lek­tür­elis­te. Die­se arbei­ten wir durch. Buch­stäb­lich: Wir lesen sie. Und dann machen wir das, was wir schon mit den all­ge­mei­nen Nach­schla­ge­wer­ken gemacht haben: Wir recher­chie­ren die Stich­wor­te, Daten, Per­so­nen­na­men etc., die wir neu ken­nen­ge­lernt haben, und wir schau­en uns die Lite­ra­tur­ver­wei­se und Quel­len an. Erfreu­li­cher­wei­se wer­den wir wahr­schein­lich auf alte Bekann­te sto­ßen, Wer­ke, die bereits auf unse­rer Lite­ra­tur­lis­te sind, aber wir wer­den auch Neu­es ent­de­cken, das wir auf eben die­se Lite­ra­tur­lis­te set­zen. Und dann arbei­ten wir die­se neu­en Sachen durch. Und so wei­ter und so fort, bis wir der welt­weit füh­ren­de Exper­te auf dem Gebiet sind.
  • Par­al­lel dazu kön­nen wir auch noch stö­bern gehen: Wir durch­su­chen Kata­lo­ge und Biblio­the­ken nicht gezielt nach bestimm­ten Stich­wor­ten, son­dern gehen in einen Abschnitt, dem unser The­ma unter­ge­ord­net ist, und schau­en uns dort ein­fach um, wie wir es zum Bei­spiel auch in einem Geschäft oder Online-Shop machen wür­den. Wenn das Gan­ze digi­tal abläuft, rufen wir ein­fach die ent­spre­chen­de Kate­go­rie auf. In einer phy­si­schen Biblio­thek wür­den wir uns in eine the­ma­tisch pas­sen­de Abtei­lung bege­ben, dort vors Regal stel­len und gucken, was es da so gibt. Die­se Metho­de ist nur als Ergän­zung gedacht, weil ihr eigent­lich Sys­tem fehlt, aber ich zumin­dest wür­de Dir durch­aus ans Herz legen, es zu pro­bie­ren: Ich selbst habe auf die­se Wei­se schon so man­che Per­le ent­deckt, die mir bei mei­nen Recher­chen sehr wei­ter­ge­hol­fen hat.

So viel also zur Tech­nik. Bevor wir aber zum nächs­ten Schritt über­ge­hen, möch­te ich noch eini­ge wich­ti­ge Hin­wei­se loswerden:

  • Zunächst kannst Du Dir sicher­lich auch selbst den­ken, dass die Kennt­nis mög­lichst vie­ler Spra­chen einen gro­ßen Vor­teil dar­stellt. Vor allem, wenn es um Spra­chen geht, die mit dem The­ma, zu dem Du recher­chierst, eng ver­knüpft sind. Denn eine viel­spra­chi­ge Recher­che ermög­licht tie­fe­re Ein­bli­cke in unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven und die Lek­tü­re von Quel­len im Ori­gi­nal, das nicht durch Über­set­zun­gen ver­fälscht wurde.
  • Auch soll­test Du, wenn es um Enzy­klo­pä­dien geht, nie­mals ver­ges­sen, dass Wiki­pe­dia selbst gemes­sen an Enzy­klo­pä­dien­stan­dards kei­nes­wegs eine neu­tra­le oder zuver­läs­si­ge Infor­ma­ti­ons­quel­le dar­stellt. Die Unklar­heit bezüg­lich der Autoren­schaft der Arti­kel sowie die Will­kür und Intrans­pa­renz sei­tens der Admi­nis­tra­ti­on sind ernst­zu­neh­men­de Pro­ble­me, ange­sichts derer es auch nicht ver­wun­der­lich ist, dass Ver­wei­se auf Wiki­pe­dia in ernst­haf­ten Arbei­ten nicht gern gese­hen sind. Außer­dem steht Wiki­pe­dia mit durch­aus sehr kon­kre­ten Bele­gen immer wie­der in der Kri­tik, die Arti­kel zu kon­tro­ver­sen The­men sei­en ein­sei­tig bis pro­pa­gan­dis­tisch. Zu den schärfs­ten Kri­ti­kern in die­sem Punkt gehört Lar­ry San­ger, ein Mit­be­grün­der von Wiki­pe­dia, auf den vie­le der ursprüng­li­chen Prin­zi­pi­en der Online-Enzy­klo­pä­die zurück­ge­hen, die er aber trotz offi­zi­el­ler Behaup­tun­gen der Wiki­pe­dia nicht mehr län­ger erfüllt sieht. Weil es bei Wiki­pe­dia jedoch wirk­lich zu fast jedem The­ma einen Arti­kel gibt, eig­net sie sich durch­aus als Ein­stiegs­lek­tü­re für kom­plet­te Anfän­ger, ein­fach um, wie vor­hin beschrie­ben, über­haupt erst ein paar Stich­wor­te, Namen, Daten und Begrif­fe ken­nen­zu­ler­nen. Jedoch nicht für mehr. – Und ganz am Ran­de sei noch ChatGPT erwähnt, das als Infor­ma­ti­ons­quel­le noch ent­setz­li­cher ist als Wikipedia.
  • Was die Online-Recher­che angeht, soll­test Du nicht nur Goog­le ver­wen­den, weil Goog­le durch­aus Zen­sur betreibt, wie unter ande­rem Wall Street Jour­nal und The New York Times schon längst fest­ge­stellt haben. Weil Du ja aber erst mal ganz viel Lek­tü­re suchst, die Du im Anschluss natür­lich auch hin­ter­fra­gen wirst, soll­test Du Dich nicht damit begnü­gen, nur das zu lesen, was Goog­le Dir anbie­tet. Nut­ze also auch ande­re Such­ma­schi­nen, vor allem sol­che, die ihren Fir­men­sitz in ande­ren Län­dern haben. Miss­traue jeder Such­ma­schi­ne – von Yahoo und Bing über Yand­ex und Bai­du bis hin zu Eco­sia und Duck­Duck­Go – und gib gleich­zei­tig jeder eine Chan­ce, Dir ihre Fil­ter­bla­se zu prä­sen­tie­ren.
  • Ähn­lich soll­test Du auch in den sozia­len Netz­wer­ken recher­chie­ren – denn auch sie sind Such­ma­schi­nen mit ihren eige­nen Richt­li­ni­en und einer Füh­rung mit eige­nen Inter­es­sen. Nut­ze unter­schied­li­che Platt­for­men, mache Dich schlau, wel­che Platt­form was zen­siert (das steht meis­tens in den Com­mu­ni­ty-Richt­li­ni­en – in der Regel beschö­ni­gend, sodass immer zu hin­ter­fra­gen ist, was kon­kret die Platt­form unter bestimm­ten ver­bo­te­nen Din­gen ver­steht), und nut­ze auch Netz­wer­ke, die kon­tro­ver­se Mei­nun­gen eben nicht oder nur wenig zen­sie­ren und wo die User sich des­we­gen unge­hemm­ter aus­tau­schen, wes­we­gen sol­che Platt­for­men – wie zum Bei­spiel Tele­gram – immer wie­der medi­al in der Kri­tik ste­hen. Dies ermög­licht eine umfas­sen­de­re Recher­che und dem­entspre­chend – nach aus­gie­bi­gem Hin­ter­fra­gen der beob­ach­te­ten Rea­li­täts­tun­nel, ver­steht sich, – auch ein tie­fe­res Ver­ständ­nis kom­ple­xer The­men.
  • Für spe­zi­fi­sches Fach­wis­sen, bei­spiels­wei­se für his­to­ri­sche Infor­ma­tio­nen, emp­feh­le ich den Gang zu Fach­bi­blio­the­ken, zum Bei­spiel von Uni­ver­si­tä­ten. In der Regel kannst Du auf der Web­site der Biblio­thek im Kata­log stö­bern, den Umgang mit einer Such­mas­ke beherrschst Du ja sicher­lich. Ansons­ten fin­det man heut­zu­ta­ge auch online wis­sen­schaft­li­che Res­sour­cen. JSTOR zum Bei­spiel bie­tet Zugang zu aus­ge­wähl­ten Fach­zeit­schrif­ten, wis­sen­schaft­li­chen Büchern und Quel­len­samm­lun­gen. Ein ähn­li­ches Ange­bot fin­det sich auch bei Digi­Zeit­schrif­ten und Pro­ject MUSE.
  • Bei tages­ak­tu­el­lem Gesche­hen haben wir im Zeit­al­ter von sozia­len Medi­en das Pro­blem, dass es zu vie­le und zu wider­sprüch­li­che Infor­ma­tio­nen gibt, die ein ein­fa­cher Mensch schon rein phy­sisch nicht ver­ar­bei­ten kann. Und da wir somit auch nur bedingt die Quel­len über­prü­fen kön­nen, müs­sen wir uns wohl oder übel damit abfin­den, dass wir selbst bei bes­ter Recher­che zu 99 Pro­zent unwis­send blei­ben. Umso mehr soll­ten wir uns also in Demut üben und davor hüten, Anders­den­ken­de zu dif­fa­mie­ren und aus­zu­gren­zen. Denn gera­de heu­te soll­ten wir eigent­lich wis­sen, dass wir nichts wis­sen – und schon gar nicht bes­ser als andere.
  • Beson­ders wert­vol­le Infor­ma­ti­ons­quel­len sind Zeu­gen- und Erleb­nis­be­rich­te. Sie sind aber auch nur bedingt ver­läss­lich. Die­se soge­nann­ten Pri­mär­quel­len soll­ten wie jede ande­re Quel­le auch bei der Recher­che zunächst ein­fach nur ste­hen gelas­sen und spä­ter über­prüft wer­den. Denn wie wir schon im ers­ten Teil die­ser Rei­he am fik­ti­ven Fritz­chen­bei­spiel gese­hen haben, kann selbst ein ehr­lich und auf­rich­tig um Kor­rekt­heit bemüh­ter Augen­zeu­ge Falsch­in­for­ma­tio­nen geben. Zeu­gen sagen bes­ten­falls nur das, was sie aus ihrem eige­nen Rea­li­täts­tun­nel her­aus gese­hen haben, was aber nicht der Wahr­heit ent­spre­chen muss. Schlimms­ten­falls kön­nen Zeu­gen auch bewusst lügen.
  • Und nicht zuletzt ist es sinn­voll, gezielt Kri­ti­ker Dei­ner Ansich­ten auf­zu­su­chen. Die Gegen­sei­te zu ver­ste­hen zu ver­su­chen, ihre Logik, ihre Art zu den­ken und, natür­lich, ihre Quel­len. Abge­se­hen davon, dass die Gegen­sei­te oft von Din­gen spricht, die wir selbst nicht wahr­ha­ben wol­len und des­we­gen – bewusst wie unbe­wusst – aus unse­rem Rea­li­täts­tun­nel drän­gen und somit Gefahr lau­fen, bestimm­te Aspek­te unse­res The­mas schon bei der Recher­che ein­fach zu über­se­hen – Bestä­ti­gungs­feh­ler, Unauf­merk­sam­keits­blind­heit und der Dun­ning-Kru­ger-Effekt las­sen grü­ßen –, bemerkt die Gegen­sei­te oft auch eher die Feh­ler in unse­rer eige­nen Argu­men­ta­ti­on bzw. in den Aus­füh­run­gen unse­rer Gleich­ge­sinn­ten. Dass die Gegen­sei­te unse­re Feh­ler eher fin­det, bedeu­tet natür­lich nicht, dass sie unbe­dingt recht hat, aber sie schaut ein­fach aus einer ande­ren Per­spek­ti­ve und hat dadurch even­tu­ell Ein­sicht in unse­re toten Win­kel. Das erleich­tert es uns, uns selbst zu hin­ter­fra­gen.

Nun haben wir also eine Men­ge Infor­ma­tio­nen zu einem bestimm­ten The­ma zusam­men­ge­kratzt. Was machen wir damit?

Schritt 3: Zuhören und Verstehen

Bevor wir mit Infor­ma­tio­nen irgend­et­was anstel­len kön­nen, müs­sen wir sie natür­lich auf­neh­men. – Klingt nahe­lie­gend und ein­fach, ist es aber nicht. Denn das Rezi­pie­ren – also Lesen, Zuhö­ren, Zuse­hen etc. – ist eine Kunst für sich, die wir nicht von Natur aus beherr­schen und somit erst ler­nen müs­sen.

Um zu illus­trie­ren, was ich damit mei­ne, erzäh­le ich Dir einen klei­nen Witz:

Ein Phi­lo­soph, ein Phy­si­ker und ein Mathe­ma­ti­ker sit­zen im Zug und schau­en aus dem Fenster.

Sagt der Phi­lo­soph: „Da ist ein Schaf.“

Sagt der Phy­si­ker: „Da ist ein wei­ßes Schaf.“

Sagt der Mathe­ma­ti­ker: „Da ist ein Schaf, das auf min­des­tens einer Sei­te weiß ist.“

Wenn wir die­se drei Aus­sa­gen ver­glei­chen, beob­ach­ten wir eine Stei­ge­rung der Prä­zi­si­on: Wäh­rend der Phi­lo­soph das Schaf nur sehr all­ge­mein und ober­fläch­lich rezi­piert und der Phy­si­ker etwas mehr ins Detail geht, trennt der Mathe­ma­ti­ker sehr exakt zwi­schen dem, was er weiß und was er nicht weiß. Somit ist sei­ne Aus­sa­ge logisch-ana­ly­tisch betrach­tet am korrektesten:

  • Der Phi­lo­soph nimmt nur eine gro­be Ein­ord­nung vor und meint, mit der Zuord­nung des Tie­res zu einer Spe­zi­es sei schon alles geklärt.
  • Der Phy­si­ker doku­men­tiert schon prä­zi­ser, was er sieht, und berück­sich­tigt, dass es unter­schied­li­che Scha­fe gibt.
  • Nur der Mathe­ma­ti­ker sieht das Schaf als das Indi­vi­du­um, das es ist, und unter­stellt ihm kei­ne Eigen­schaf­ten bloß auf­grund von sei­ner Spe­zi­es oder der Zuge­hö­rig­keit zu einer Grup­pe inner­halb die­ser Spe­zi­es. Er ist sich näm­lich des­sen bewusst, dass er höchs­tens nur auf­grund von Erfah­rungs­wer­ten ver­mu­ten kann, dass das Schaf auch auf der ande­ren Sei­te weiß ist. Aber er kann es nicht wis­sen, bis er sich das Schaf auch von der ande­ren Sei­te anguckt.

Über­tra­gen auf die kom­ple­xe­ren The­men des Lebens, beob­ach­ten wir, dass die meis­ten Men­schen eher wie der Phi­lo­soph wahr­neh­men, höchs­tens wie der Phy­si­ker. Den Zugang des Mathe­ma­ti­kers sehen wir meis­tens nur, wenn füh­ren­de Exper­ten einer klei­nen Nische über ihren Fach­be­reich reden. Die logisch-ana­ly­ti­sche Wahr­neh­mungs­wei­se des Mathe­ma­ti­kers ist nun mal ein sehr auf­wen­di­ger Pro­zess, der durch­aus auch sei­ne Zeit braucht – Zeit, die Mut­ter Natur in der Regel nicht vor­ge­se­hen hat: Wenn unse­re Vor­fah­ren einen Säbel­zahn­ti­ger gese­hen haben, muss­ten sie sofort reagie­ren und nicht erst ana­ly­sie­ren, ob kon­kret die­ser Säbel­zahn­ti­ger nicht aus irgend­wel­chen Grün­den ein Vege­ta­ri­er sein könn­te. Schub­la­den­den­ken ist nun mal über­le­bens­not­wen­dig. Des­we­gen haben wir es.

Aber es behin­dert uns auch, wenn wir es in Berei­chen ein­set­zen, die nichts mit dem Über­le­ben zu tun haben. Die­ser Fall wur­de von Mut­ter Natur offen­bar nicht vor­ge­se­hen, was für uns wie­der­um bedeu­tet, dass wir, sofern es nicht um unser unmit­tel­ba­res Über­le­ben geht, uns die Zeit neh­men soll­ten, über wich­ti­ge Din­ge gründ­lich nach­zu­den­ken. Und zum Nach­den­ken brau­chen wir eben Infor­ma­tio­nen, und die­se Infor­ma­tio­nen müs­sen wir bewusst rezipieren.

Das bedeu­tet, dass wir uns von der Infor­ma­ti­ons­quel­le nicht ein­fach berie­seln las­sen und sie sofort irgend­wo ein­ord­nen, son­dern exakt dar­auf ach­ten, was gesagt wird und was nicht gesagt wird. Hier ein Bei­spiel für einen typi­schen Feh­ler diesbezüglich:

Im Febru­ar 2023 bin ich wegen der Frie­dens­de­mo von Sahra Wagen­knecht und Ali­ce Schwar­zer mit einem Abon­nen­ten in den öffent­li­chen Kom­men­ta­ren in eine Mei­nungs­ver­schie­den­heit gera­ten. Weil ich sei­nen Ton als pam­pig und her­ab­las­send emp­fand, woll­te ich mich nicht auf eine län­ge­re Dis­kus­si­on haar­klei­ner Details ein­las­sen – pam­pi­gen Ton­fall wer­te ich in der Regel als Des­in­ter­es­se an einer sach­li­chen Dis­kus­si­on. Des­we­gen begann ich eine mei­ner Ant­wor­ten mit den fol­gen­den Worten:

„Ich glau­be, du gehst von einem etwas sehr ein­fa­chen Welt­bild aus. Bit­te glau­be nicht alles, was dir erzählt wird, son­dern recher­chie­re nach, wie all die Nach­rich­ten zustan­de­kom­men, wel­che Quel­len ver­wen­det wer­den, wel­che Quel­len nicht ver­wen­det wer­den, wel­che Inter­es­sen dahinterstecken.“

Die wenig begeis­ter­te Reak­ti­on mei­nes Abon­nen­ten begann so:

„Ach so, klar, wenn man kei­ne Argu­men­te mehr hat, nennt man sei­nen Gegen­über ein­fach indi­rekt dumm und unge­bil­det. Ist rich­tig XD
Denkst ich wäre NICHT im Bil­de was gera­de passiert?“

Was sehen wir also? – Wenn wir nüch­tern schau­en, was ich gesagt habe, dann stel­len wir fest, dass ich – übri­gens sehr bewusst – mei­ne Kri­tik als sub­jek­ti­ven Ein­druck for­mu­liert habe. Ich habe geschrie­ben, dass ich glau­be, dass er von einem etwas sehr ein­fa­chen Welt­bild aus­geht. Ich habe nicht geschrie­ben, dass er es tat­säch­lich tut. Ich berück­sich­ti­ge also die Mög­lich­keit, dass ich mich irren könn­te. Auch sprach ich von „einem etwas sehr ein­fa­chen Welt­bild“, nicht Dumm­heit und man­geln­der Bil­dung. Ich gebe aber zu, dass ich durch mei­ne anschlie­ßen­de Kurz­zu­sam­men­fas­sung von dem, wie kri­ti­sches Den­ken funk­tio­niert, mei­nem Gegen­über unter­stel­le, er wüss­te es nicht, sonst wür­de ich es ihm ja nicht zusam­men­fas­sen. Ich habe aller­dings ver­sucht, das Gan­ze wenigs­tens in eine höf­li­che Form zu brin­gen, indem ich es als Bit­te for­mu­liert habe, sodass mein Gegen­über sich recht ein­fach hät­te gesichts­wah­rend aus der Debat­te her­aus­ma­nö­vrie­ren kön­nen, zum Bei­spiel mit den Wor­ten: „Genau so mache ich es schon.“ Oder durch das Beken­nen zu einer ande­ren Form des Erkennt­nis­ge­winns als dem logisch-ana­ly­tisch-kri­ti­schen Ansatz, den ich beschrie­ben habe. Viel­leicht kann mein Abon­nent ja tat­säch­lich hell­se­hen oder sowas.

Doch statt die ihm ange­bo­te­nen Hin­ter­tür­chen zu nut­zen und mei­ne Ver­mu­tung und mei­ne Unter­stel­lung zu ent­kräf­ten, unter­stellt er mir wie­der­um, ich hät­te kei­ne Argu­men­te. Dazu hat er aber kei­ne Grund­la­ge, zumin­dest führt er sie nicht aus, for­mu­liert die Unter­stel­lung aber auch nicht als die Ver­mu­tung, die sie ist, son­dern als Tat­sa­che, die er nicht ken­nen kann, weil er kei­nen Ein­blick in mei­nen Kopf hat. Auch ist sei­ne Gleich­set­zung von „einem etwas sehr ein­fa­chen Welt­bild“ mit Dumm­heit und man­geln­der Bil­dung nur sei­ne eige­ne Inter­pre­ta­ti­on, also eben­falls eine Ver­mu­tung, die er aber wie­der als Tat­sa­che hin­stellt. Offen­bar gehö­ren „ein etwas sehr ein­fa­ches Welt­bild“ und Dumm­heit und man­geln­de Bil­dung in sei­nem Rea­li­täts­tun­nel in die­sel­be Schub­la­de, und des­we­gen schließt er von einem ein­fach aufs ande­re, ohne zu klä­ren, ob ich die­se Begrif­fe auch in der­sel­ben Schub­la­de ver­or­te. (Das tue ich übri­gens nicht. Wir erin­nern uns an den ers­ten Teil die­ser Rei­he: Han­nah Are­ndts Freun­de, die sich 1933 haben gleich­schal­ten las­sen, waren Aka­de­mi­ker, also durch­aus intel­li­gen­te und gebil­de­te Leu­te, die der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Hass­pro­pa­gan­da gefolgt sind.) Anschlie­ßend scheint mein Abon­nent durch­aus mei­ne Unter­stel­lung der man­gel­haf­ten Kennt­nis der Prin­zi­pi­en des kri­ti­schen Den­kens zu ver­ste­hen, geht aber nicht auf die­se Prin­zi­pi­en ein, son­dern beharrt in sei­ner rhe­to­ri­schen Fra­ge im Grun­de ein­fach dar­auf, dass er sich in der Situa­ti­on halt eben aus­kennt und es bleibt unklar, was ihm die­se Selbst­si­cher­heit gibt. Er ent­kräf­tet mei­ne Unter­stel­lung also nicht und ich kann nur dar­über spe­ku­lie­ren, dass er es mög­li­cher­wei­se auch nicht kann, weil er die Metho­den des kri­ti­schen Den­kens eben nicht anwen­det. Falls mei­ne Spe­ku­la­ti­on kor­rekt sein soll­te, könn­te das sei­nen pam­pi­gen Ton und sei­ne Selbst­si­cher­heit erklä­ren: der Dun­ning-Kru­ger-Effekt und all die ande­ren Denk­feh­ler sowie das Gefühl einer Bedro­hung des eige­nen Rea­li­täts­tun­nels und Egos.

Wobei es aber natür­lich auch noch die Mög­lich­keit gibt, dass mein Abon­ne­ment in Bezug auf sozia­les Ver­hal­ten eine defi­zi­tä­re Erzie­hung hat­te und tat­säch­lich nicht weiß, dass sei­ne Iro­ni­sie­run­gen, Abwer­tun­gen ande­rer Mei­nun­gen und die Prä­sen­ta­ti­on der eige­nen Mei­nung als ein­zig kor­rekt her­ab­las­send sind. Das ist auch gar nicht mal so unwahr­schein­lich – zumin­dest habe ich rein sub­jek­tiv den Ein­druck, dass sol­che jun­gen Men­schen, die sich unge­hemmt aus­drü­cken, wie ihnen der Schna­bel gewach­sen ist, und sich kei­ne Gedan­ken über ihre Wort­wahl machen, dann aber belei­digt sind, wenn sie auch nur einen Bruch­teil von dem abbe­kom­men, was sie auf die Welt los­las­sen, immer mehr wer­den. So wird gera­de bei jun­gen Men­schen eine Abnah­me von Empa­thie beob­ach­tet, die oft auf zu häu­fi­gen Social-Media-Kon­sum zurück­ge­führt wird. Aber das ist ein ande­res Thema.

So in etwa ent­steht fast jede Fehl­kom­mu­ni­ka­ti­on: unter­schied­li­che Welt­bil­der, unter­schied­li­ches Ver­ständ­nis von Begrif­fen und eine Ver­tei­di­gung des eige­nen Egos um jeden Preis. Und das pas­siert nicht nur bei der zwi­schen­mensch­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on, son­dern auch bei der Auf­nah­me von Informationen:

Zwei unter­schied­li­che Men­schen kön­nen zum Bei­spiel den­sel­ben Arti­kel lesen und dabei völ­lig unter­schied­li­che Infor­ma­tio­nen dar­aus zie­hen.

Du erin­nerst Dich sicher­lich an unse­ren guten, alten Freund namens Alex­an­der Prinz a.k.a. Der Dunk­le Para­bel­rit­ter. In sei­nem Video „Wir müs­sen über Frie­den reden!“ ist er fel­sen­fest über­zeugt, Russ­land wol­le die Exis­tenz des ukrai­ni­schen Vol­kes ver­nich­ten, und stellt es als unum­stöß­li­che, bewie­se­ne Tat­sa­che dar, als hät­te er unge­hin­der­ten Ein­blick in die Gedan­ken­welt eines gan­zen Vol­kes oder zumin­dest sei­ner Regie­rung. Abge­se­hen davon, dass er von sei­ner Posi­ti­on aus nur inter­pre­tie­ren kann, sei­ne Inter­pre­ta­tio­nen aber als Fak­ten aus­gibt, stützt er die­se Inter­pre­ta­tio­nen auf Arti­kel, die er nicht nur nicht hin­ter­fragt, son­dern auch logisch-ana­ly­tisch offen­bar nicht versteht:

Bei Minu­te 16:14 unter­mau­ert er sei­ne Behaup­tung über die Absich­ten Russ­lands mit fol­gen­dem Satz: „Leu­te, sie ver­schlep­pen ukrai­ni­sche Kin­der und ste­cken sie in rus­si­sche Pfle­ge­fa­mi­li­en!“ Als Nach­weis dafür blen­det er den RND-Arti­kel „Russ­land soll Tau­sen­de Kin­der aus der Ukrai­ne gewalt­sam ver­schleppt haben“ ein.

Wer den Unter­schied zwi­schen einer Fak­ten­be­haup­tung im Indi­ka­tiv und einer unbe­stä­tig­ten Behaup­tung mit der Kon­struk­ti­on „soll etwas getan haben“ kennt – was man Alex­an­der Prinz, der Deutsch auf Lehr­amt stu­diert hat, eigent­lich zutrau­en soll­te –, bemerkt schon bei der Über­schrift des Arti­kels Alex­an­ders Feh­ler: Die „Ver­schlep­pung“ von Kin­dern ist kei­ne gesi­cher­te Tat­sa­che, son­dern ein Vor­wurf. Und wenn wir den Arti­kel auf­ru­fen und lesen, dann erfah­ren wir, dass es sich dabei um eine Zusam­men­fas­sung eines Berichts des Huma­ni­ta­ri­an Rese­arch Lab der US-Eli­te­uni­ver­si­tät Yale han­delt. Soll hei­ßen: Da waren Leu­te an der Uni in Yale, sie haben Unter­su­chun­gen ange­stellt und erhe­ben Vor­wür­fe. Ganz unten im Arti­kel darf auch die rus­si­sche Sei­te kurz zur Spra­che kom­men: Die Kin­der hät­ten sich unter Beschuss befun­den und eva­ku­iert wer­den müs­sen. Im Arti­kel haben wir also eine Zusam­men­fas­sung der Vor­wür­fe und ganz kurz die Ableh­nung der Vor­wür­fe durch die beschul­dig­te Sei­te. Wir haben aber kei­ne Unter­su­chung, wel­che der bei­den Sei­ten nun recht hat. Den Arti­kel als Beweis für die „Ver­schlep­pung“ von Kin­dern anzu­füh­ren, ist somit ein­fach nicht kor­rekt. Wenn ich an mei­ne Stu­di­en­zeit zurück­den­ke, hät­ten mei­ne Dozen­ten mir die Ohren lang­ge­zo­gen, wenn ich so etwas ver­zapft hätte.

Prinz‘ ober­fläch­li­che Her­an­ge­hens­wei­se an den Arti­kel ist also die des Phi­lo­so­phen aus unse­rem Witz. Ein genaue­rer Blick in den Arti­kel und dar­auf, was tat­säch­lich wört­lich gesagt wird, ist die Her­an­ge­hens­wei­se unse­res Phy­si­kers. Und die Her­an­ge­hens­wei­se des Mathe­ma­ti­kers wäre es, den Bericht selbst auf­zu­ru­fen und sich aller­we­nigs­tens die Metho­do­lo­gie anzu­schau­en. Sie befin­det sich auf Sei­te 7 und 22–23, und dar­in erfah­ren wir, dass die Unter­su­chung anhand von Open-Source-Quel­len erfolgt ist, das heißt, anhand von Social-Media-Bei­trä­gen, offi­zi­el­len Regie­rungs­pu­bli­ka­tio­nen, Nach­rich­ten­bei­trä­gen, Fotos, Satel­li­ten­bil­dern, Zeu­gen­be­rich­ten. Was es nicht gab, sind eige­ne Zeu­gen­be­fra­gun­gen und For­schung vor Ort. Die Unter­su­chung basiert also auf frei zugäng­li­chen Online­quel­len, und viel­leicht habe ich ja Toma­ten auf den Augen, aber ich konn­te kei­ne Stel­le fin­den, wo erklärt wur­de, nach wel­chen Kri­te­ri­en die Quel­len aus­ge­wählt und wie die Authen­ti­zi­tät und Ver­läss­lich­keit von den pri­va­ten Social-Media-Bei­trä­gen über­prüft wur­den (die Authen­ti­zi­tät von Bil­dern wur­de anhand von Meta­da­ten über­prüft). Auch wird – soweit ich das beob­ach­ten kann – nicht dar­auf ein­ge­gan­gen, dass die Social-Media-Platt­for­men selbst viel­leicht nur eine pro-ukrai­nisch zurecht­zen­sier­te Aus­wahl von Bei­trä­gen zulas­sen, weil vie­le Platt­for­men durch­aus eine kla­re Posi­ti­on zum Ukrai­ne­krieg bezo­gen und ihre Com­mu­ni­ty-Richt­li­ni­en danach aus­ge­rich­tet haben. Außer­dem wur­den die ukrai­nisch- und rus­sisch­spra­chi­gen Quel­len mit Goog­le oder DeepL auto­ma­tisch über­setzt und anschlie­ßend von einem „Sprach­ex­per­ten“ über­prüft. Wer der „Sprach­ex­per­te“ ist und was ihn qua­li­fi­ziert, bleibt schlei­er­haft, und außer­dem erstaunt, dass die For­scher selbst offen­bar kei­ne Sprach­kennt­nis­se haben: Wer den Aus­druck „lost in trans­la­ti­on“ kennt, weiß, wie viel bei einer Über­set­zung ver­lo­ren geht oder ander­wei­tig schief lau­fen kann, und dass auch die Kennt­nis spe­zi­fi­scher kul­tu­rel­ler Kon­tex­te wich­tig ist, über die jemand, der nicht ein­mal der Spra­che mäch­tig ist, meis­tens nicht ver­fügt. Zudem geben die For­scher offen zu:

„Many fami­lies in Ukrai­ne do not want to publicly share their expe­ri­en­ces becau­se they fear they will be seen as col­la­bo­ra­tors with Rus­sia. Tho­se living under Russia’s occu­pa­ti­on may like­wi­se not report mistre­at­ment due to fear of repri­sals from Russia’s forces.“

„Vie­le Fami­li­en in der Ukrai­ne wol­len ihre Erfah­run­gen nicht öffent­lich tei­len, weil sie befürch­ten, als Kol­la­bo­ra­teu­re von Russ­land gese­hen zu wer­den. Jene, die unter rus­si­scher Besat­zung leben, könn­ten eben­so kei­ne Miss­hand­lun­gen mel­den aus Angst vor Ver­gel­tungs­maß­nah­men durch rus­si­sche Truppen.“

Auf wel­chen Quel­len die Fak­ten­be­haup­tung im ers­te­ren Satz und die Ver­mu­tung im letz­te­ren beru­hen, ist unklar: Die Quel­le für die Fak­ten­be­haup­tung wird aus Sicher­heits­grün­den bewusst vor­ent­hal­ten und für die Ver­mu­tung fehlt die Quel­le oder Begrün­dung völ­lig. Durch­aus klar ist aber das kom­mu­ni­zier­te Bewusst­sein dar­über, dass die Quel­len­la­ge in Bezug auf authen­ti­sche Berich­te aus ers­ter Hand eher mau ist. (Und mal neben­bei: Soll­ten wir nicht auf­hor­chen, wenn Fami­li­en laut der anony­mi­sier­ten Quel­le sich vor Repres­sa­li­en durch ihren eige­nen Staat fürch­ten, weil ihre Kin­der vom Feind angeb­lich „ver­schleppt“ wurden?)

Nicht zuletzt erfah­ren wir in Bezug auf die Metho­do­lo­gie auch, dass „beson­de­re Auf­merk­sam­keit“ Vor­wür­fen von Miss­hand­lung, Behin­de­rung der Kom­mu­ni­ka­ti­on, Ver­zö­ge­run­gen und der dau­er­haf­ten Erschwer­nis der Rück­kehr sowie spe­zi­fi­scher Pro­ble­me in Bezug auf die Erlan­gung von Zustim­mung galt. Es wur­de also mehr oder weni­ger gezielt auf Nega­ti­ves geach­tet, was die Gefahr der Vor­ein­ge­nom­men­heit und des Bestä­ti­gungs­feh­lers in sich birgt, die bei der schwie­ri­gen Quel­len­la­ge umso grö­ßer wird. Und das ist umso bedenk­li­cher ange­sichts des­sen, dass das Huma­ni­ta­ri­an Rese­arch Lab von der US-Regie­rung finan­ziert und mit Satel­li­ten­bil­dern unter­stützt wird, weil die USA als Staat eine pro-ukrai­ni­sche und anti-rus­si­sche Posi­ti­on im Ukrai­ne-Krieg ein­neh­men. Mit ande­ren Wor­ten: Ein Teil der Finan­zie­rung die­ser Stu­die kommt von min­des­tens einer Par­tei, die an einem ganz bestimm­ten, also pro-ukrai­ni­schen und anti-rus­si­schen, Ergeb­nis inter­es­siert und in der Ver­gan­gen­heit durch Mani­pu­la­tio­nen wie der Brut­kas­ten-Affä­re und den angeb­li­chen Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen im Irak auf­ge­fal­len ist, um ihre Außen­po­li­tik zu legi­ti­mie­ren. Aber zum The­ma Finan­zie­rung kom­men wir spä­ter noch.

So viel zu mei­ner Kri­tik an dem Bericht. Dabei ist das alles nur die Spit­ze des Eis­bergs des­sen, was man dar­an zer­le­gen könn­te. Ich sage nicht, dass die­se „Ver­schlep­pun­gen“ auf kei­nen Fall statt­fin­den und dabei kei­ne huma­ni­tä­ren Eva­ku­ie­run­gen sind. Mög­lich ist es. Aber zum gege­be­nen Zeit­punkt ist das nur ein Vor­wurf, der mei­nes Wis­sens nicht unab­hän­gig und unvor­ein­ge­nom­men über­prüft wur­de. Alex­an­der Prinz jedoch über­nimmt des­sen Zusam­men­fas­sung beim RND ganz unkri­tisch als Wahr­heit in letz­ter Instanz.

Wie Du also siehst, ent­ste­hen durch unter­schied­li­ches Rezi­pie­ren sehr unter­schied­li­che Welt­bil­der und unter­schied­li­che Rea­li­täts­tun­nel. Wir glau­ben am ehes­ten das, wor­an wir eh schon glau­ben, und miss­trau­en dem, was wir eh schon ver­däch­tig fin­den. Somit wird unser Wahr­neh­men oft von unse­ren bereits bestehen­den Denk­mus­tern beein­flusst, ist also im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes ein qua­si-reli­giö­ser Glau­be: Wir glau­ben etwas, weil wir dar­an glau­ben. Und aus­bre­chen kön­nen wir aus qua­si-reli­giö­sem Glau­ben nur durch eine qua­si-wis­sen­schaft­li­che, also ana­ly­ti­sche Herangehensweise.

Dabei geht es nicht nur um die Wahr­heits­su­che, son­dern auch um die Fähig­keit, spä­ter ande­re zu über­zeu­gen, sowie um die Ver­mei­dung von Scha­den durch Aktio­nis­mus bzw. unüber­leg­te Hand­lun­gen. Denn wenn wir dis­ku­tie­ren, dann betrei­ben wir im Grun­de Mar­ke­ting, bloß ver­su­chen wir unse­ren Gegen­über nicht von einem Pro­dukt, son­dern von einer Idee zu über­zeu­gen. Und in mei­ner Wei­ter­bil­dung zur Online-Mar­ke­ting-Mana­ge­rin habe ich gelernt:

Um jeman­den zu errei­chen und zu über­zeu­gen, muss man sich auf des­sen Rea­li­täts­tun­nel ein­las­sen bzw. man muss ihn ganz genau kennen.

Man muss wie sein Gegen­über den­ken kön­nen – denn nur so kön­nen wir Argu­men­te fin­den, die auf die­se kon­kre­te Per­son wirk­lich über­zeu­gend wir­ken. Wobei man sich natür­lich auch damit abfin­den muss, dass man nur einen begrenz­ten Kreis wird über­zeu­gen kön­nen: Eben­so wie man einem über­zeug­ten Vege­ta­ri­er auch mit dem bes­ten Mar­ke­ting kein Fleisch andre­hen kön­nen wird, wird es immer Leu­te geben, die Dei­ne Argu­men­te ein­fach aus Prin­zip gar nicht erst in Erwä­gung zie­hen wol­len. Es gibt Diplo­ma­tie- und Rhe­to­rik­ge­nies, die auch eine solch har­te Scha­le durch­bre­chen kön­nen, doch die meis­ten von uns Nor­mal­sterb­li­chen sind, fürch­te ich, zu doof dazu. Des­we­gen ist es durch­aus in Ord­nung, man­chen Dis­kus­sio­nen ein­fach aus dem Weg zu gehen. Dabei kann man aber natür­lich immer noch sei­nem Gegen­über zuhö­ren und sogar fra­gend nach­ha­ken, um sei­ne Welt­sicht bes­ser ken­nen­zu­ler­nen, doch es macht wahr­schein­lich am meis­ten Sinn, ihn nicht über­zeu­gen zu wollen.

Was den Scha­den durch Aktio­nis­mus angeht, so mei­ne ich zum Bei­spiel sol­che Fälle:

Du gehst zur Schu­le und irgend­ei­ne Tus­si in Dei­ner Klas­se ver­brei­tet fie­se Gerüch­te über Dich. Wenn die ande­ren ihre Behaup­tun­gen als Fak­ten akzep­tie­ren, kann es pas­sie­ren, dass sie sich von Dir abwen­den oder Dich sogar mob­ben. Sie wer­den also zu Tätern und mer­ken es nicht ein­mal. Womög­lich glau­ben sie sogar, sie tun etwas Gutes, weil sie ja Dich, angeb­lich das ulti­ma­ti­ve Böse, bekämpfen.

Und nun stell Dir vor, es geht nicht ein­fach „nur“ um eine Schul­klas­se, son­dern um einen Zei­tungs­ar­ti­kel, in dem berich­tet wird, dass Per­son A Per­son B einer schlim­men Sache beschul­digt. Stell Dir außer­dem vor, die meis­ten Leser die­ser Zei­tung gehen mit Infor­ma­tio­nen genau­so schlam­pig um wie Alex­an­der Prinz. Und dann schlägt die Can­cel Cul­tu­re zu und es ent­steht eine media­le Hexen­jagd auf Per­son B inklu­si­ve Belei­di­gun­gen, Mord­dro­hun­gen, Hass­ar­ti­kel etc. Wenn Per­son B kei­ne über­mensch­lich stäh­ler­nen Ner­ven hat, wird sie aller­min­des­tens einen emo­tio­na­len Scha­den erlei­den, mög­li­cher­wei­se wird sie oder ihr Besitz auch phy­sisch ange­grif­fen und schlimms­ten­falls treibt der Shit­s­torm Per­son B in den Sui­zid. – Und dabei bleibt die gan­ze Zeit unklar, ob an den Vor­wür­fen gegen Per­son B etwas dran ist oder nicht: Womög­lich ist sie unschuldig.

Lies also genau und hin­ter­fra­ge: Nur, weil irgend­wer irgend­wo behaup­tet, jemand sei ein Ver­ge­wal­ti­ger, kor­rupt, rechts­extrem oder was auch immer, heißt das noch lan­ge nicht, dass er es tat­säch­lich ist.

Über­prü­fe stets die Grund­la­ge sol­cher Vor­wür­fe, über­prü­fe den Kon­text mög­li­cher Zita­te, über­prü­fe ver­schie­de­ne Inter­es­sen … Und bis Du wirk­lich alles über­prüft hast, hat die Unschulds­ver­mu­tung zu gel­ten. Sonst bist Du ein Täter, selbst wenn Du aus noch so noblen Gefüh­len her­aus handelst.

Kor­rek­tes kri­ti­sches Rezi­pie­ren von Infor­ma­tio­nen ist also eine unge­heu­er wich­ti­ge Kom­pe­tenz. Zwar soll­te sie rich­tig gelernt und ein­ge­übt wer­den, aber für den Anfang hier ein paar Grundlagen:

  • Fokus­sie­re Dich auf den Inhalt, nicht auf Äußer­lich­kei­ten wie for­ma­le Kom­pe­tenz­nach­wei­se. Denn man muss zum Bei­spiel kein Stu­di­um oder Ähn­li­ches absol­viert haben, um auf einem Gebiet über Exper­ti­se zu ver­fü­gen. Ich mei­ne, schau mich an: Ich bin weder Deutsch-Mut­ter­sprach­le­rin noch habe ich Ger­ma­nis­tik stu­diert. Trotz­dem bin ich Lek­to­rin für deutsch­spra­chi­ge Tex­te und ver­öf­fent­li­che Vide­os, in denen ich über­wie­gend Deutsch-Mut­ter­sprach­lern unter ande­rem ihre eige­ne Spra­che erklä­re. Was macht mich kom­pe­tent? Ich lebe in Deutsch­land seit über einem Vier­tel­jahr­hun­dert, bin gene­rell sehr sprach­in­ter­es­siert und habe mich dem­entspre­chend auch mit der deut­schen Spra­che sehr inten­siv aus­ein­an­der­ge­setzt, nicht zuletzt durch das Schrei­ben eige­ner Geschich­ten seit ca. 20 Jah­ren. Ich kann kei­ne Zeug­nis­se vor­le­gen, die mir mei­nen Exper­ten­sta­tus nach­wei­sen, aber schau Dir mei­nen Kanal an, über­prü­fe, ob das, was ich ver­mitt­le, kor­rekt ist, und Du wirst sehen, dass ich was drauf habe. Genau­so soll­test Du mit jeder Infor­ma­ti­ons­quel­le ver­fah­ren, egal, wie unab­hän­gig und seri­ös sie selbst behaup­tet zu sein oder für wie min­der­wer­tig sie von ande­ren gehal­ten wird.
  • Betrach­te Dei­nen Gegen­über als Indi­vi­du­um mit einer indi­vi­du­el­len Denk­wei­se, egal, wie sehr Dich sei­ne Aus­sa­gen an die Aus­sa­gen ande­rer Leu­te erin­nern: Denn das ist übels­tes Schub­la­den­den­ken, das zu manch­mal sogar belei­di­gen­den Unter­stel­lun­gen und zu Fehl­kom­mu­ni­ka­ti­on führt. Wenn Erna also zum Bei­spiel A sagt und Klaus eben­falls A gesagt hat, heißt das nicht, dass Erna sich Klaus‘ Mei­nung anschließt bzw. sie unkri­tisch nach­plap­pert. Es kann auch sein, dass sie nach ein­ge­hen­der selbst­stän­di­ger Recher­che zu den­sel­ben Schlüs­sen gekom­men ist. Oder viel­leicht hat sie tat­säch­lich durch Klaus von A erfah­ren, die­sen Sach­ver­halt aber selbst­stän­dig über­prüft und fest­ge­stellt, dass Klaus in die­sem Punkt recht hat. Dar­über hin­aus bedeu­tet die Einig­keit von Erna und Klaus beim Punkt A nicht, dass Erna der Mei­nung B ist, nur weil Klaus zusätz­lich zum A auch noch B sagt. Sofern Erna sich zu B nicht äußert, wis­sen wir nicht, was sie dar­über denkt. Wenn Du ande­ren Men­schen durch sol­ches Schub­la­den­den­ken Aus­sa­gen und Mei­nun­gen unter­stellst bzw. ihnen Din­ge in den Mund legst, die sie nicht gesagt haben, dann hörst Du nicht zu und bist als Dis­kus­si­ons­part­ner maxi­mal inkompetent.
  • Unter­schei­de zwi­schen Fak­ten, Zita­ten, Inter­pre­ta­tio­nen und Mei­nun­gen: Sind die behaup­te­ten Fak­ten wirk­lich Fak­ten? Wor­auf stützt sich deren Behaup­tung? Oder sind es nicht ein­mal Fak­ten­be­haup­tun­gen vom Autor des Arti­kels, son­dern Zita­te? Denn wenn in einem Text steht, dass eine bestimm­te Per­son etwas behaup­tet, dann ist es zunächst nur eine Behaup­tung durch die­se Per­son, die natür­lich auch zu hin­ter­fra­gen ist. Oft teilt der Autor eines Tex­tes aber auch sei­ne eige­ne Mei­nung zum behan­del­ten The­ma mit. Und dabei gilt auch hier: Nur, weil der Autor zu bestimm­ten Schlüs­sen kommt, müs­sen die­se Schlüs­se nicht unbe­dingt kor­rekt sein. Sie sind also zu hin­ter­fra­gen. Dazu musst Du genau nach­ver­fol­gen, wie der Autor zu sei­ner Mei­nung kommt: Stützt er sich auf unbe­wie­se­ne Behaup­tun­gen? Wie ist die Quel­len­la­ge? Über­nimmt er unkri­tisch irgend­wes­sen Per­spek­ti­ve oder berück­sich­tigt er ver­schie­de­ne Sicht­wei­sen? Ist sein Gedan­ken­gang logisch nach­voll­zieh­bar? Wo hören sei­ne Fak­ten auf und wo fan­gen sei­ne sub­jek­ti­ven Inter­pre­ta­tio­nen an? Ver­steht er sei­ne Quel­len über­haupt kogni­tiv rich­tig, also gibt er ihren Inhalt kor­rekt wie­der? Kennt er die kor­rek­te Bedeu­tung der Wör­ter, die er benutzt, oder ver­tauscht er Begrif­fe, die nicht ver­tauscht gehö­ren? Unter­schei­det er selbst zwi­schen Fak­ten, Zita­ten, Inter­pre­ta­tio­nen und Mei­nun­gen? Und so wei­ter … Dabei ist es wich­tig, dass Du das Gan­ze nicht ein­fach aus dem Bauch her­aus ein­schätzt, son­dern Dei­ne Ein­drü­cke vom Text mit kon­kre­ten Text­stel­len unter­mau­ern kannst und dabei auch kei­ne Text­stel­len aus­klam­merst, die Dei­nen Ein­drü­cken wider­spre­chen. Und ach­te auch auf die exak­te, buch­stäb­li­che Bedeu­tung der Wör­ter und For­mu­lie­run­gen: Wenn da etwas steht wie „sag­te Per­son X“, dann ist das zum Bei­spiel ziem­lich ein­deu­tig ein Zitat und kei­ne Fak­ten­be­haup­tung oder Mei­nung des Autors.
  • Sei bei allem Miss­trau­en aber trotz­dem grund­sätz­lich offen für neue Per­spek­ti­ven: Anstatt sofort Ein­wän­de oder Kri­tik­punk­te ein­zu­brin­gen, akzep­tie­re die Mög­lich­keit, dass der Spre­cher oder Autor mög­li­cher­wei­se recht haben könn­te. Kon­zen­trie­re dich vor­erst auf die inne­re Logik der Argu­men­ta­ti­on und über­prü­fe die Fak­ten, bevor Du anfängst zu dis­ku­tie­ren. Aber über Demut haben wir ja schon gesprochen.
  • Akzep­tie­re auch, dass nicht jede Argu­men­ta­ti­on auf den ers­ten Blick Sinn ergibt: Wenn du auf Aus­sa­gen stößt, die dir nicht sofort ein­leuch­ten, bedeu­tet das nicht zwangs­läu­fig, dass sie unsin­nig sind. Es kann näm­lich auch sein, dass Du selbst ein­fach zu doof bist. Wie­der Stich­wort Demut also. Gera­de bei wis­sen­schaft­li­chen Aus­sa­gen gibt es oft das Pro­blem, dass Leu­te, die nicht vom Fach sind, sie rein kogni­tiv nicht oder nicht rich­tig ver­ste­hen und es dabei nicht ein­mal mer­ken. Nimm Dir also Zeit, um tie­fer in die Mate­rie ein­zu­tau­chen und die kom­ple­xen Zusam­men­hän­ge zu verstehen.
  • Ver­mei­de außer­dem Unter­stel­lun­gen, Dein Gegen­über wür­de sich nicht oder nur aus dubio­sen Quel­len infor­mie­ren, dumm oder unmo­ra­lisch sein oder was auch immer. Selbst wenn sei­ne Fak­ten nach einer Über­prü­fung nicht stim­men soll­ten, heißt das noch lan­ge nicht, dass das Gegen­über lügt oder dumm ist. Die Wirk­lich­keit kann näm­lich kom­ple­xer sein, als Du Dir vor­stellst, und auch wenn Dein Gegen­über unrecht hat, könn­te an sei­nen Aus­sa­gen trotz­dem etwas dran sein. So wur­de Goog­le in sei­ner Früh­pha­se zum Bei­spiel dafür kri­ti­siert, dass die Such­ma­schi­ne nichts fin­den wür­de. Über­prü­fun­gen haben jedoch erge­ben, dass der Algo­rith­mus ein­wand­frei funk­tio­niert. Statt die Kri­tik aber ein­fach als dumm abzu­tun, schau­ten die Leu­te von Goog­le genau hin und konn­ten das Pro­blem schließ­lich iden­ti­fi­zie­ren: Die­je­ni­gen, die bei der Suche Pro­ble­me hat­ten, mach­ten Tipp­feh­ler. Der Algi­rith­mus funk­tio­nier­te also, aber er berück­sich­tig­te nicht die feh­ler­an­fäl­li­ge mensch­li­che Natur sei­ner Nut­zer. Mit die­ser Erkennt­nis konn­te das Sys­tem ver­bes­sert wer­den und seit­dem erkennt Goog­le Tippfehler.

Also zusam­men­ge­fasst:

Ein kor­rek­tes kri­ti­sches Rezi­pie­ren von Infor­ma­tio­nen erfor­dert Offen­heit, Dif­fe­ren­zie­rung und die Bereit­schaft, unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven zu ver­ste­hen, bevor eige­ne Schluss­fol­ge­run­gen gezo­gen werden.

Und um es wirk­lich prak­tisch zu üben, emp­feh­le ich das Schrei­ben von Zusam­men­fas­sun­gen: also stump­fes, aber mög­lichst kor­rek­tes und sach­li­ches Wie­der­ge­ben der Aus­sa­gen ande­rer unter gleich­zei­ti­ger Aus­klam­me­rung des eige­nen Realitätstunnels:

  • Kon­zen­trie­re Dich dafür aus­schließ­lich auf die Wor­te Dei­nes Gegen­übers: Was sind sei­ne zen­tra­len The­sen? Wie unter­mau­ert er sie? Wie ist sei­ne Logik­ket­te auf­ge­baut? Was sind sei­ne Schlüs­se?
  • Wenn Du beim Ver­fol­gen der Logik­ket­te Schwie­rig­kei­ten hast oder etwas nicht ver­stehst, dann lies den Text noch ein­mal auf­merk­sam und ana­ly­sie­re ins­be­son­de­re die betref­fen­de Stel­le Satz für Satz. Wenn Du etwas trotz aller Bemü­hun­gen nicht ver­stehst oder Dir nicht sicher bist, dann sei ehr­lich und schrei­be das so hin. Oder hast Du rich­ti­ge Denk­feh­ler oder metho­do­lo­gi­sche Män­gel ent­deckt? Auch sie soll­test Du anhand von kon­kre­ten Text­stel­len bele­gen kön­nen.
  • Ver­su­che auch, das Welt­bild Dei­nes Gegen­übers zu rekon­stru­ie­ren, und zwar aus­schließ­lich anhand des Tex­tes, also mit kon­kre­ten Zita­ten. Was sagt das Gegen­über über sich selbst und über sei­ne Wer­te? Wel­che Gefüh­le äußert es dabei? Was ist ihm beson­ders wich­tig? Gibt es im Text kon­kre­te Anhalts­punk­te, war­um es denkt und fühlt, wie es eben denkt und fühlt? Ver­giss dabei aber nicht, dass Du Dich hier auf das Ter­ri­to­ri­um von sub­jek­ti­ven Inter­pre­ta­tio­nen begibst, und ver­wechs­le die­se sub­jek­ti­ven Inter­pre­ta­tio­nen nicht mit Fak­ten. Kenn­zeich­ne sie als solche.

So viel zur Theo­rie. In der Pra­xis wirst Du, fürch­te ich, einen Men­tor brau­chen, der Dei­ne Zusam­men­fas­sun­gen kri­tisch gegen­liest. Denn Du selbst wirst, gefan­gen in Dei­nem süßen, klei­nen Rea­li­täts­tun­nel vol­ler Betriebs­blind­heit, Dei­ne Feh­ler wahr­schein­lich gar nicht bemer­ken. Des­we­gen soll­te das Zusam­men­fas­sen idea­ler­wei­se schon in der Schu­le und/​oder an der Uni geübt wer­den. Wenn Du nicht den Luxus hast, das Zusam­men­fas­sen mit einem Men­tor geübt zu haben, wäre ein Übungs­part­ner viel­leicht eine Alter­na­ti­ve: Schreibt eure Mei­nun­gen zu ver­schie­de­nen The­men aus­führ­lich nie­der, tauscht eure Tex­te und fasst die Mei­nung des jeweils ande­ren zusam­men. Dann tauscht ihr wie­der. Ihr mögt zwar bei­de kei­ne Zusam­men­fas­sungs­exper­ten sein, aber der Autor des Tex­tes, den Du zusam­men­fasst, wird wohl ein­schät­zen kön­nen, ob Du ihn rich­tig ver­stan­den hast oder nicht.

Schritt 4: Überprüfen der äußeren Merkmale

Nun haben wir eine Men­ge Infor­ma­ti­ons­quel­len und haben inhalt­lich ver­stan­den, was da drin­steht und was nicht. Der nächs­te Schritt ist die kri­ti­sche Ana­ly­se, die soge­nann­te Quel­len­kri­tik.

Hier­bei unter­schei­den wir im All­ge­mei­nen zwi­schen zwei Ebe­nen: der Ana­ly­se äuße­rer und inne­rer Merk­ma­le.

Und im Grun­de kennst Du das Pro­ze­de­re aus dem All­tag, bei­spiels­wei­se vom Umgang mit ver­däch­ti­gen E‑Mails, wo wir eben­falls kri­ti­sches Den­ken anwen­den, um Betrug zu erken­nen: Auch hier schau­en wir uns an, wie die ver­däch­ti­ge E‑Mail äußer­lich aus­sieht, ob sie bestimm­ten Stan­dards ent­spricht, wer der Absen­der ist etc., und wir prü­fen auch die inne­re Plau­si­bi­li­tät der E‑Mail.

Bei der Ana­ly­se äuße­rer Merk­ma­le von Infor­ma­ti­ons­quel­len schau­en wir eben­falls auf ihre phy­si­sche Gestalt: die Art der Her­stel­lung, Mate­ri­al­wahl, ver­wen­de­te Spra­che und ande­re cha­rak­te­ris­ti­sche Merk­ma­le. In der Geschichts­wis­sen­schaft ist das essen­zi­ell, unter ande­rem um zu prü­fen, ob die Quel­le über­haupt echt ist oder eine Fäl­schung. Denn Fäl­schun­gen gab es schon immer in Hül­le und Fül­le, und auch sie kön­nen dem Erkennt­nis­ge­winn die­nen, wenn man zum Bei­spiel unter­sucht, wer die jewei­li­ge Fäl­schung ange­fer­tigt hat und wozu. Dafür muss man aber natür­lich über­haupt erst mal wis­sen, dass es eben eine Fäl­schung ist. Die­se Authen­ti­zi­täts­prü­fung erfor­dert natür­lich spe­zi­fi­sche Fach­kennt­nis­se, etwa dar­über, wie eine Urkun­de aus dem 13. Jahr­hun­dert aus­zu­se­hen hat.

Auch bei all­täg­li­che­ren Quel­len geht es uns vor­ran­gig um die all­ge­mei­ne Zuver­läs­sig­keit hin­sicht­lich ihres Infor­ma­ti­ons­ge­halts. Wir berück­sich­ti­gen dabei Fak­to­ren wie

die Art der Quel­le, das Erstel­lungs­da­tum, den Erstel­lungs­ort, den Urhe­ber, die Metho­de der Erstel­lung, den Adres­sa­ten und die Fra­ge, ob die Quel­le unver­än­dert ist oder irgend­wie bear­bei­tet wur­de.

Wenn es spe­zi­ell um die Fra­ge nach der Art der Quel­le geht, ist zu unter­schei­den, ob es eine Pri­mär- oder eine Sekun­där­quel­le ist. Unter Pri­mär­quel­len ver­steht man Zeug­nis­se aus ers­ter Hand, bei­spiels­wei­se Augen­zeu­gen­be­rich­te, Gerichts­ur­tei­le, Ver­trä­ge, Pro­to­kol­le, Brie­fe, Akten und so wei­ter … Sekun­där­quel­len hin­ge­gen sind Berich­te aus zwei­ter Hand, die in der Regel Pri­mär­quel­len zitie­ren. Dazu gehö­ren Geschichts­dar­stel­lun­gen, Zei­tungs­ar­ti­kel, Repor­ta­gen etc. Dabei gel­ten Pri­mär­quel­len auf­grund ihrer zeit­li­chen und räum­li­chen Nähe zum Gesche­hen als aus­sa­ge­kräf­ti­ger. Man soll­te aller­dings nicht ver­ges­sen, dass es sich dabei meis­tens um sub­jek­ti­ve Frosch­per­spek­ti­ven han­delt, und wie wir im ers­ten Teil am Fritz­chen­bei­spiel gese­hen haben, ist das, was ein Zeu­ge gese­hen zu haben glaubt, nicht immer zuver­läs­sig. Dass es außer­dem auch bewuss­te Mani­pu­la­tio­nen geben kann, ver­steht sich von selbst. Sekun­där­quel­len haben dage­gen den Vor­teil von zeit­li­cher Distanz und kön­nen durch den Ver­gleich meh­re­rer Pri­mär­quel­len ein objek­ti­ve­res Bild lie­fern: Gera­de direkt nach einem Ereig­nis gibt es in der Regel extrem viel Ver­wir­rung, und oft kann man erst, wenn man all die Infor­ma­tio­nen und Ein­drü­cke in Ruhe prüft und ord­net, irgend­et­was mit einer eini­ger­ma­ßen mini­ma­len Sicher­heit behaup­ten. Die Beto­nung liegt dabei auf „kann“, denn letzt­end­lich kommt es auf die Qua­li­tät der Sekun­där­quel­le an, und die fällt extrem unter­schied­lich aus.

Ach­te zum Bei­spiel in den Nach­rich­ten mal dar­auf, von wo aus die Aus­lands­kor­re­spon­den­ten berich­ten. Mal ange­nom­men, in Hin­ter­tup­fin­gen in Fan­ta­sie­stan ist etwas Schlim­mes pas­siert und in der Tages­schau wird zu einer Aus­lands­kor­re­spon­den­tin geschal­tet. Die­se befin­det sich in vie­len Fäl­len aber nicht vor Ort, son­dern zum Bei­spiel in der Haupt­stadt. Nun ist die fan­ta­sie­sta­ni­sche Haupt­stadt aber etwa 400 km von Hin­ter­tup­fin­gen ent­fernt. Somit kann die Aus­lands­kor­re­spon­den­tin höchs­tens Erzäh­lun­gen, Gerüch­te und offi­zi­el­le Mel­dun­gen wie­der­käu­en, ist also defi­ni­tiv eine Sekun­där­quel­le (und man fragt sich, war­um sie dazu im Zeit­al­ter des Inter­nets über­haupt im Aus­land hocken muss). Manch­mal sieht man aber auch heu­te noch Repor­ter direkt vor Ort, die nach Hin­ter­tup­fin­gen hin­fah­ren und sich die Situa­ti­on angu­cken und mit den Leu­ten dort spre­chen, also viel näher an den Pri­mär­quel­len dran sind bzw. zum Teil sogar selbst eine Pri­mär­quel­le sind. Pas­se beim Zuschal­ten von Kor­re­spon­den­ten also gut dar­auf auf, von wo aus sie berich­ten und auf wel­che Pri­mär­quel­len sie ihre Berich­te stützen.

Wenn es um die Fra­ge nach dem Urhe­ber einer Quel­le geht, dann inter­es­sie­ren uns vor allem sei­ne Inter­es­sen und Ver­trau­ens­wür­dig­keit. Denn kaum jemand ver­brei­tet Infor­ma­tio­nen, von denen er weiß, dass sie ihm per­sön­lich mög­li­cher­wei­se scha­den. Meis­tens wer­den Infor­ma­tio­nen sogar zu eige­nen Guns­ten beschö­nigt. Das kennst Du sicher­lich aus Dei­nem eige­nen Umfeld, wenn Men­schen über ihre per­sön­li­chen Kon­flik­te erzäh­len und sich selbst dabei als Unschulds­läm­mer dar­stel­len. Auch wer­den eige­ne Freun­de und Ver­bün­de­te in der Regel posi­tiv dar­ge­stellt, wäh­rend Leu­te, mit denen man Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten hat, eher in schlech­tes Licht gerückt wer­den. Und das gilt nicht nur für zwi­schen­mensch­li­che Bezie­hun­gen, son­dern auch für die Medi­en und sogar gan­ze Staaten:

Wenn die Sprin­ger-Pres­se sich in ihren Wer­ten offen und offi­zi­ell zur NATO bekennt, dann ist es logisch, dass die Bericht­erstat­tung ten­den­zi­ell NATO-freund­lich aus­fällt. Wenn Weißrussland/​Belarus und Russ­land enge Freun­de sind, dann ist es logisch, dass sie über­ein­an­der nur das Bes­te sagen. Wenn Chi­na und Indi­en, gelin­de gesagt, nicht sehr dicke sind, dann ist es zu erwar­ten, dass sie, wenn sie über­ein­an­der reden, das Nega­ti­ve etwas dicker auftragen.

Und auch sonst sind man­che Urhe­ber erwie­se­ner­ma­ßen ehr­li­cher als ande­re: Wäh­rend Du natür­lich allen miss­trau­en soll­test, darfst Du Urhe­bern, die sich in der Ver­gan­gen­heit als zuver­läs­sig erwie­sen haben, ein paar klei­ne, zer­quetsch­te Ver­trau­ens­punk­te zuge­ste­hen; wer schon in der Ver­gan­gen­heit bewusst gelo­gen hat, ver­dient dage­gen umso mehr Miss­trau­en: „Fool me once, shame on you. Fool me twice, shame on me!“, wie es so schön heißt.

Wie eben neben­her ange­klun­gen ist, soll­test Du auch die Netz­wer­ke des Urhe­bers über­prü­fen. Gib Dich dabei nicht mit Anschul­di­gun­gen oder Beweih­räu­che­run­gen durch ande­re zufrie­den, son­dern stu­die­re sie eben­so ein­ge­hend wie die Infor­ma­ti­ons­quel­le. Das Netz­werk soll kom­pe­tent und ver­trau­ens­wür­dig sein? Über­prü­fe es! Das Netz­werk soll aus Spin­nern und Nazis bestehen? Über­prü­fe es eben­falls! Und ist der Urhe­ber über­haupt tat­säch­lich mit die­sen Netz­wer­ken ver­netzt oder ist er ihnen nur irgend­wann mal zufäl­lig über den Weg gelau­fen? Lass Dich nicht damit abspei­sen, was ande­re über das Netz­werk sagen, son­dern höre dem Netz­werk offen zu, hin­ter­fra­ge, recher­chie­re. Hin­ter­fra­ge auch Dei­ne eige­ne Wahr­neh­mung. Und vor allem: Mach es selbst!

Zum Bei­spiel sind wir ja bereits auf Alex­an­der Prinz und sei­nen schlam­pi­gen Umgang mit Quel­len ein­ge­gan­gen. Über die spe­zi­el­le Quel­le, um die es ging, kön­nen wir ergän­zend sagen, dass der Arti­kel über die „Ver­schlep­pung“ von Kin­dern, auf den Alex­an­der Prinz sich beruft, vom RND Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land stammt, das für die Madsack Medi­en­grup­pe tätig ist. Für das RND ist außer­dem zu 23,1 Pro­zent die Deut­sche Druck- und Ver­lags­ge­sell­schaft ver­ant­wort­lich, die wie­der­um der SPD gehört, die aktu­ell ja den Kanz­ler stellt. Es ist also zu hin­ter­fra­gen, inwie­fern das RND unab­hän­gig bzw. gewillt ist, Nar­ra­ti­ve zu ver­brei­ten, die dem aktu­el­len, in die­sem kon­kre­ten Fall eher pro-ukrai­ni­schen und anti-rus­si­schen, Regie­rungs­kurs Deutsch­lands wider­spre­chen. Zumin­dest könn­te das erklä­ren, war­um die Zusam­men­fas­sung des anti-rus­si­schen Berichts ganz aus­führ­lich aus­ge­fal­len ist, wäh­rend die rus­si­sche Sicht­wei­se nur ganz am Ende und ganz kurz abge­knus­pert wird. Das heißt nicht, dass man den Arti­kel des RND nicht zitie­ren darf, aber man soll­te die even­tu­el­le poli­ti­sche Vor­ein­ge­nom­men­heit berücksichtigen.

Und damit wären wir bei dem viel­leicht wich­tigs­ten Punkt, der beim Ana­ly­sie­ren des Netz­werks zu beach­ten ist:

Wo bekommt der Urhe­ber der Quel­le sein Geld her?

Sicher­lich kennst Du die Rede­wen­dung: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Die Finan­zie­rung schafft ein Abhän­gig­keits­ver­hält­nis, weil nie­mand sich allein von Luft und Son­nen­schein ernäh­ren kann. Und wenn die Sümm­chen üppi­ger aus­fal­len, stei­gert sich oft auch der Grad der Loya­li­tät. Wobei es aber natür­lich nicht immer um Sümm­chen geht, son­dern auch um imma­te­ri­el­le „Bezah­lun­gen“ wie zum Bei­spiel die Aus­sicht auf irgend­wel­che Pos­ten oder auch ein­fach Anse­hen, das dem Ego des „Besto­che­nen“ schmeichelt.

In den frü­he­ren Tei­len die­ser Rei­he habe ich nicht umsonst bereits davor gewarnt, sich Pro­jek­tio­nen hin­zu­ge­ben: Nur weil Du selbst für „das Gute“ und Selbst­lo­sig­keit bist, heißt das noch lan­ge nicht, dass ande­re Men­schen auch aus Idea­len und über­gro­ßer Her­zens­gü­te her­aus han­deln. Des­we­gen prü­fe immer: Wo kommt das Geld her? Wer sind die Auf­trag­ge­ber? Wel­che Inter­es­sen haben sie? Wo bekom­men wie­der­um sie ihr Geld her? Was steht im Klein­ge­druck­ten bei Ver­la­gen, Medi­en­kon­zer­nen, Stif­tun­gen, NGOs und allen mög­li­chen ande­ren Geld­ge­bern? Glaub kei­ner Infor­ma­ti­ons­quel­le, von der Du nicht genau weißt, wie und von wem sie finan­ziert wird. Und selbst wenn Du es zu wis­sen glaubst, bleib skeptisch.

Was gibt es also zum Bei­spiel bei den finan­zi­el­len Ver­flech­tun­gen in Deutsch­land zu beachten?

Zunächst soll­test Du wis­sen, dass prak­tisch die gesam­te deut­sche Pres­se­land­schaft in den Hän­den eini­ger weni­ger Fami­li­en liegt. Über­prü­fe es selbst: Nimm x‑beliebige Zei­tun­gen und schaue nach, zu wel­chem Medi­en­kon­zern sie gehö­ren. Und Du wirst fest­stel­len, dass die kom­plet­te über­re­gio­na­le Bericht­erstat­tung in den Hän­den von Sprin­ger, Ber­tels­mann, Bur­da, Fun­ke, DuMont, Madsack und so wei­ter liegt. Und bei Hun­der­ten von Zei­tun­gen, die alle nur eini­gen weni­gen Kon­zer­nen gehö­ren, ist es schwie­rig, von einer unab­hän­gi­gen Pres­se zu spre­chen. Auf mich per­sön­lich wirkt das eher wie eine Medi­en­olig­ar­chie. Und die weni­gen Fami­li­en, denen die­se Kon­zer­ne gehö­ren, haben oft nicht nur Macht über Medi­en, son­dern auch Ein­fluss auf die Poli­tik: So betreibt die Ber­tels­mann Stif­tung der Fami­lie Mohn Lob­by­ar­beit und berät Poli­ti­ker, wirkt also an Geset­zen mit, für die sie in ihren Medi­en gleich­zei­tig Stim­mung machen kann. Es ist daher extrem wich­tig, genau­er hin­zu­schau­en und zu über­prü­fen, wel­che Inter­es­sen und Kon­tak­te die­se Fami­li­en haben könn­ten. Und eben­so lohnt sich auch ein Blick auf die Jour­na­lis­ten selbst, ins­be­son­de­re die Chef­re­dak­teu­re: Wenn zum Bei­spiel nur ein paar von ihnen mit trans­at­lan­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen ver­strickt sind und ande­re nicht, dann ist das Viel­falt. Wenn aber prak­tisch alle trans­at­lan­ti­sche Ver­bin­dun­gen unter­hal­ten (und das ist im Moment der Fall, fürch­te ich), dann ist die Viel­falt, von der die Demo­kra­tie eigent­lich lebt, gefähr­det. Auf­grund der vie­len Hun­dert Zei­tun­gen in Deutsch­land fällt das aller­dings meis­tens nicht auf, weil Hun­der­te von Zei­tun­gen ober­fläch­lich eine Viel­falt sug­ge­rie­ren. Und vie­le Men­schen ticken nun mal so, dass sie eine Nach­richt glaub­wür­di­ger fin­den, wenn meh­re­re Zei­tun­gen davon berich­ten. Wenn all die­se Zei­tun­gen aber über meh­re­re Ecken einen gemein­sa­men Chef oder poli­ti­schen Freund haben, dann ist die­se Viel­falt nur eine Illusion.

Nun magst Du Dich aber viel­leicht freu­en, dass wir in Deutsch­land auch unab­hän­gi­ge, weil gebüh­ren­fi­nan­zier­te öffent­lich-recht­li­che Medi­en haben. Aller­dings muss ich Dich ent­täu­schen, seit Ende 2022 und Anfang 2023 ist es offi­zi­ell: Jour­na­lis­ten der öffent­lich-recht­li­chen Medi­en bekom­men – zusätz­lich zu ihren gebüh­ren­fi­nan­zier­ten Gehäl­tern – von der Bun­des­re­gie­rung beein­dru­cken­de, viel­stel­li­ge Zah­lun­gen. Das geht aus der Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Klei­ne Anfra­ge her­vor. (Die ent­spre­chen­den hoch­of­fi­zi­el­len PDFs fin­dest Du hier und hier.) Obwohl es sich dabei um schein­bar harm­lo­se Tätig­kei­ten wie Mode­ra­ti­on han­delt, machen die Zah­len miss­trau­isch: Wenn ein Jour­na­list ein­mal oder wie­der­holt gut bezahl­te Auf­trä­ge von der Bun­des­re­gie­rung bekommt, ist es durch­aus frag­lich, ob er oder sie bei der Bericht­erstat­tung objek­tiv blei­ben kann – einen gut zah­len­den Kun­den will man ja nicht ver­grau­len. Hin­ter­fra­ge bei den Öffent­lich-Recht­li­chen außer­dem die Zusam­men­set­zung der Inten­dan­ten sowie der Auf­sichts- und Kon­troll­gre­mi­en, denn sie bestim­men unterm Strich, wohin und in wel­chem Umfang die Bei­trags­ein­nah­men flie­ßen, also wel­che Pro­gram­me und somit auch wel­che Jour­na­lis­ten wie viel Geld bekom­men. Und wenn Poli­ti­ker bei­spiels­wei­se einen nen­nens­wer­ten Pro­zent­satz in den Rund­funk­rä­ten stel­len, was tat­säch­lich der Fall ist, dann kann von einer Unab­hän­gig­keit der öffent­lich-recht­li­chen Medi­en nicht wirk­lich die Rede sein.

Und ja, kri­ti­sche Bericht­erstat­tung gibt es in den öffent­lich-recht­li­chen Medi­en auf jeden Fall und das wird ger­ne als Beweis für Zuver­läs­sig­keit gewer­tet. Aller­dings fällt auch auf, dass die Kri­tik oft ver­zö­gert erscheint.

So erschien Ende 2022 beim Hes­si­schen Rund­funk zum Bei­spiel eine äußerst span­nen­de Doku dar­über, wie der Bun­des­nach­rich­ten­dienst in der Nach­kriegs­zeit gezielt NS-Ver­bre­cher rekru­tier­te. Dass heu­te offen über die­sen Skan­dal berich­tet wird, ist für die all­ge­mei­ne Zuver­läs­sig­keit der Medi­en aber wenig aus­sa­ge­kräf­tig, weil die Ver­ant­wort­li­chen ja nicht mehr belangt wer­den kön­nen. Hier wird also offen über Schnee von ges­tern gespro­chen, nicht über mög­li­chen Schnee von heu­te: Spe­zi­ell auf den Bun­des­nach­rich­ten­dienst bezo­gen ver­folgt mich zum Bei­spiel die Fra­ge, wer die heu­ti­gen Mit­ar­bei­ter aus­ge­wählt, ein­ge­stellt und ein­ge­ar­bei­tet hat und wer die­se Leu­te wie­der­um aus­ge­wählt, ein­ge­stellt und ein­ge­ar­bei­tet hat. – Könn­te es nicht sein, dass die NS-Ver­bre­cher trotz der ange­prie­se­nen par­la­men­ta­ri­schen Kon­trol­le eine geis­ti­ge Saat hin­ter­las­sen haben?

Da nicht nur Jour­na­lis­ten Quel­len pro­du­zie­ren, ist die Fra­ge nach der Finan­zie­rung bei abso­lut jeder Art von Tex­ten, Bil­dern und Medi­en gene­rell wich­tig: Die Letz­te Gene­ra­ti­on zum Bei­spiel „erhält einen Groß­teil der Mit­tel für Recruit­ment, Trai­ning und Wei­ter­bil­dung aus dem Cli­ma­te Emer­gen­cy Fund.“ Die­ser wur­de von der Öl-Erbin Aileen Get­ty mit­be­grün­det. Und wenn Du mich nun fragst, war­um eine Öl-Erbin die Letz­te Gene­ra­ti­on unter­stützt, dann herz­li­chen Glück­wunsch, Du hast da eine sehr inter­es­san­te Fra­ge für eine Recher­che. Viel­leicht kannst Du danach ja uns alle auf­klä­ren. Und viel­leicht steckt ja auch eine gute, altru­is­ti­sche Absicht hin­ter die­ser Finan­zie­rung, aber grund­sätz­lich wür­de ich nicht emp­feh­len, an die guten Absich­ten von super­rei­chen Phil­an­thro­pen zu glau­ben: Den­ke an das Mono­po­ly-Expe­ri­ment, über das wir im ers­ten Teil gespro­chen haben, und dar­an, wie die Gewin­ner des Spiels unter zu ihrem Vor­teil mani­pu­lier­ten Bedin­gun­gen nicht all­zu viel Empa­thie für die Ver­lie­rer die­ses unfai­ren Sys­tems hat­ten. Den­ke auch dar­an, dass es einen klas­si­schen Mar­ke­ting­zug gibt, der sich fol­gen­der­ma­ßen zusam­men­fas­sen lässt: Tue „Gutes“ und rede dar­über. – Phil­an­thro­pi­sche Tätig­kei­ten sind halt gut fürs Image, und ein gutes Image ist gut fürs Geschäft. Ansons­ten eig­nen sich phil­an­thro­pi­sche Orga­ni­sa­tio­nen her­vor­ra­gend, um Steu­ern zu spa­ren: Denn reich ist nicht der­je­ni­ge, der viel Geld bekommt, son­dern der­je­ni­ge, der viel behält! Des­we­gen gibt es Steu­er­hin­ter­zie­hung. Und wenn man sich legal vor Steu­ern drü­cken will, dann grün­det man eben eine gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on, die nicht nur Steu­er­vor­tei­le genie­ßen darf, son­dern oft auch Geld von Regie­run­gen bekommt, weil es ja angeb­lich um das All­ge­mein­wohl geht. Und solan­ge die­ses Hin­ter­tür­chen funk­ti­ons­fä­hig ist, ist davon aus­zu­ge­hen, dass es auch genutzt wird.

Weil es bei der Suche nach Infor­ma­ti­on meis­tens aber tat­säch­lich um jour­na­lis­ti­sche Quel­len geht, lohnt es sich, sich mit jour­na­lis­ti­schen Richt­li­ni­en zu befas­sen. Denn so erwirbst Du ein Instru­men­ta­ri­um, um die Qua­li­tät jour­na­lis­ti­scher Tex­te ein­zu­schät­zen. Und da hät­ten wir, wenn es um ethi­sche Aspek­te geht, allem vor­an den Pres­se­ko­dex, den, mei­ner Mei­nung nach zumin­dest, jeder eini­ger­ma­ßen kri­tisch den­ken­de Mensch min­des­tens ein­mal gele­sen haben soll­te. Er legt die Grund­re­geln und Prin­zi­pi­en für jour­na­lis­ti­sche Arbeit fest, dar­un­ter die Ver­pflich­tung zur Wahr­haf­tig­keit, zur unab­hän­gi­gen Bericht­erstat­tung und zur Ach­tung der Men­schen­wür­de. So soll eine ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te, ethisch kor­rek­te, zuver­läs­si­ge und aus­ge­wo­ge­ne Bericht­erstat­tung sicher­ge­stellt wer­den. Und wenn man sich nicht an den Pres­se­ko­dex hält, dann wird die­sem ambi­tio­nier­ten Ziel natür­lich die Grund­la­ge genommen.

So hat zum Bei­spiel laut Richt­li­nie 13.1 die Unschulds­ver­mu­tung zu gel­ten: Wenn in einem Arti­kel auto­ma­tisch davon aus­ge­gan­gen wird, dass einer der Ver­däch­tig­ten der Täter ist, ohne dass es kla­re Bewei­se gibt, dann ist die­se jour­na­lis­ti­sche Quel­le pro­ble­ma­tisch. Wenn Du also nach­prüfst und fest­stellst, dass jemand als Täter hin­ge­stellt wird, obwohl die Lage eigent­lich unklar ist und es sich bis­her nur um Vor­wür­fe han­delt, dann weißt Du, dass Du bei der Quel­le und ihrem Urhe­ber in Zukunft vor­sich­tig sein musst.

Über­haupt: Arbei­te ruhig den kom­plet­ten Pres­se­ko­dex Richt­li­nie für Richt­li­nie durch und suche nach Posi­tiv- und Nega­tiv­bei­spie­len. Bei eini­gen Richt­li­ni­en ist mög­li­cher­wei­se eine etwas auf­wen­di­ge­re Recher­che erfor­der­lich, weil nicht immer alles sofort in einem Arti­kel sicht­bar ist. Aber Du bekommst ein Grund­ge­fühl dafür, was gute Pres­se über­haupt ausmacht.

Zusätz­lich dazu sind die sie­ben jour­na­lis­ti­schen W‑Fragen ein nütz­li­ches Werk­zeug, um die Qua­li­tät eines Tex­tes zu beur­tei­len. Eigent­lich die­nen die­se Fra­gen als Leit­fa­den zum Ver­fas­sen eines guten jour­na­lis­ti­schen Tex­tes, aber wenn Du weißt, wie ein guter jour­na­lis­ti­scher Text ver­fasst gehört, dann kannst Du ihn auch bes­ser beur­tei­len. Die­se Fra­gen lau­ten folgendermaßen:

  • Wer hat etwas getan oder nicht getan?
  • Was hat er getan oder nicht getan?
  • Wo hat er es getan oder nicht getan?
  • Wann hat er es getan oder nicht getan?
  • Wie hat er es getan oder nicht getan?
  • War­um hat er es getan oder nicht getan?
  • Woher stam­men die Informationen?

Beson­ders die letz­te Fra­ge, näm­lich nach Her­kunft der Infor­ma­tio­nen und deren Glaub­wür­dig­keit, ist von gro­ßer Bedeu­tung. Idea­ler­wei­se soll­ten unter­schied­li­che Quel­len mit­ein­an­der ver­gli­chen wer­den, und es ist wich­tig zu schau­en, wie die Infor­ma­tio­nen über­prüft wur­den. Auch die Fra­ge nach dem War­um ist kom­ple­xer: Denn es ist ent­schei­dend, den his­to­ri­schen, poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Hin­ter­grund zu ana­ly­sie­ren, um die Moti­ve und Beweg­grün­de der han­deln­den Akteu­re zu verstehen.

Wenn Du also merkst, dass ein Arti­kel irgend­wel­che die­ser Fra­gen nicht beant­wor­tet, ist das ein guter Grund, um hell­hö­rig zu wer­den. Und es ist ein Anlass, selbst­stän­dig zu recher­chie­ren, um die Infor­ma­ti­ons­lü­cke zu fül­len. Auch kannst Du Dich gene­rell an die­sen Fra­gen ent­lang­han­geln, wenn Du mit eigen­stän­di­ger Recher­che die Wahr­haf­tig­keit der Bericht­erstat­tung überprüfst.

Schritt 5: Überprüfen der inneren Merkmale

Aber genug zu den äuße­ren und for­ma­len Merk­ma­len der Quel­le. Schau­en wir nun in den Text selbst hin­ein und

prü­fen den Inhalt auf sei­ne Sinn­haf­tig­keit und Glaub­wür­dig­keit.

Es geht dabei nicht dar­um, ob der Inhalt der Quel­le zu ande­ren Quel­len passt, son­dern ob sie in sich, inner­halb des eige­nen Rea­li­täts­tun­nels, Sinn ergibt: Gibt es logi­sche Inkon­sis­ten­zen oder Wider­sprü­che? Ist der Inhalt plau­si­bel und nach­voll­zieh­bar? Wie wird der Inhalt prä­sen­tiert? Wel­che Absicht wird ver­folgt? Wel­che Ideo­lo­gie liegt der Dar­stel­lung zugrunde?

Beson­ders wich­tig ist hier­bei die Per­spek­ti­ve. Denn nicht nur fik­tio­na­le Tex­te haben eine Erzähl­per­spek­ti­ve, son­dern auch fak­tua­le. Wir haben dar­über schon im Arti­kel über Fik­ti­on gespro­chen, daher erin­ne­re ich hier nur kurz an den lin­gu­i­stic turn in der Geschichts­wis­sen­schaft, also die Erkenntnis,

dass die Per­spek­ti­ve des Autors eines noch so fak­ten­ba­sier­ten Tex­tes die Aus­wahl, Anord­nung, Ver­knüp­fung und Prä­sen­ta­ti­on der Fak­ten beein­flusst.

Somit ist die Erfor­schung von Fak­ten sehr stark vom sub­jek­ti­ven Welt­bild des For­schen­den abhän­gig. – Und das nicht nur in der Geschichts­wis­sen­schaft, son­dern bei jeder Dis­zi­plin, in der Fak­ten aus­ge­wählt, ange­ord­net, ver­knüpft und prä­sen­tiert wer­den, also auch bei Nach­rich­ten­mel­dun­gen, Augen­zeu­gen­be­rich­ten, Repor­ta­gen etc.

Zum Ana­ly­sie­ren der Per­spek­ti­ve in fak­tua­len Tex­ten kön­nen wir die­sel­ben Mit­tel benut­zen wie beim Ana­ly­sie­ren fik­tio­na­ler Tex­te, allem vor­an die fünf Para­me­ter der Per­spek­ti­ve von Wolf Schmid:

  • räum­li­che Per­spek­ti­ve: Die Posi­ti­on im Raum bestimmt, wel­che Tei­le des Gesche­hens wahr­ge­nom­men wer­den. Je nach­dem, wo sich jemand befin­det, kann sei­ne Sicht auf ein Ereig­nis ein­ge­schränkt oder erwei­tert sein. Unter ande­rem des­we­gen fra­gen wir schon bei den äuße­ren Merk­ma­len nach dem Wo. Bei der inne­ren Quel­len­kri­tik fra­gen wir dann genau­er danach, wie die Posi­ti­on des Berich­ten­den im Raum sei­ne Sicht­wei­se beein­flusst: Wenn die Aus­lands­kor­re­spon­den­tin sich in der fan­ta­sie­sta­ni­schen Haupt­stadt befin­det, bekommt sie nur mit, was sich in der fan­ta­sie­sta­ni­schen Haupt­stadt tut. Über die Vor­gän­ge in Hin­ter­tup­fin­gen weiß sie nur vom Hörensagen.
  • ideo­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve: Die indi­vi­du­el­le Ideo­lo­gie, das Vor­wis­sen, die Denk­wei­se und die per­sön­li­chen Wer­te beein­flus­sen maß­geb­lich, wie jemand Infor­ma­tio­nen auf­nimmt und inter­pre­tiert. Wir haben ja schon dar­über gespro­chen, dass ein Mensch in ers­ter Linie das glaubt, wor­an er eh schon glaubt, und Fak­ten, die dem wider­spre­chen, unter­be­wusst in den Hin­ter­grund rückt. Das nennt sich Bestä­ti­gungs­feh­ler. Außer­dem kann der Dun­ning-Kru­ger-Effekt dafür sor­gen, dass ein Mensch die Din­ge, die er wahr­nimmt, völ­lig falsch deu­tet, weil ihm das nöti­ge Hin­ter­grund­wis­sen fehlt. Und so wei­ter und so fort – über Denk­feh­ler und kogni­ti­ve Blo­cka­den haben wir ja schon gespro­chen. An die­ser Stel­le wol­len wir daher nur noch ein­mal beto­nen, dass ideo­lo­gi­sche Über­zeu­gun­gen (die der Mensch selbst in der Regel für objek­ti­ve Fak­ten hält) die Wahr­neh­mung einer Per­son stark prä­gen kön­nen. – Unter ande­rem des­we­gen recher­chie­ren wir übri­gens zum Urhe­ber der Quel­le, wer die Per­son ist, wo sie her­kommt, wie ihr Leben ver­lau­fen ist … und wir fra­gen auch nach dem Netz­werk und nach der Finanzierung.
  • zeit­li­che Per­spek­ti­ve: Der zeit­li­che Abstand zum Gesche­hen spielt zwei­fel­los eben­falls eine Rol­le bei der Wahr­neh­mung. Je nach­dem, wie viel Zeit ver­gan­gen ist, kann die Erin­ne­rung an Ereig­nis­se ver­blas­sen oder sich ver­än­dern. Oder aber der Wahr­neh­men­de ist in der Zwi­schen­zeit an Infor­ma­tio­nen gekom­men, die er zum Zeit­punkt des Gesche­hens nicht hat­te, was sei­ne Deu­tung der Ereig­nis­se stark beein­flus­sen kann. Des­we­gen fra­gen wir schon bei der äuße­ren Quel­len­kri­tik nach dem Wann und bei der anschlie­ßen­den inne­ren Quel­len­kri­tik nach des­sen Bedeu­tung für die Per­spek­ti­ve bzw. den Rea­li­täts­tun­nel, der der Quel­le zugrun­de liegt.
  • sprach­li­che Per­spek­ti­ve: Die Wahl der Spra­che bei der Prä­sen­ta­ti­on der Fak­ten und ins­be­son­de­re sprach­li­che Stil­mit­tel haben Ein­fluss dar­auf, wie das Prä­sen­tier­te vom Publi­kum auf­ge­nom­men wird. Sie gibt also Auf­schluss über die Absicht, die mit dem Text ver­folgt wird: Spricht man von zivi­len Opfern oder benutzt man Euphe­mis­men wie „Kol­la­te­ral­scha­den“? Spricht man von einem Angriffs­krieg oder von einer „huma­ni­tä­ren Inter­ven­ti­on“, obwohl die­se „huma­ni­tä­re Inter­ven­ti­on“ von Flä­chen­bom­bar­de­ments beglei­tet wird? Spricht man von Olig­ar­chen oder von Mil­li­ar­dä­ren? Oder benutzt man immer wie­der, gebets­müh­len­ar­tig, eine bestimm­te For­mu­lie­rung, also das rhe­to­ri­sche Mit­tel der Repe­ti­tio, damit sie sich in den Köp­fen des Ziel­pu­bli­kums bes­ser abspei­chert? Unter­schied­li­che sprach­li­che Dar­stel­lun­gen lösen ver­schie­de­ne Bil­der und Emo­tio­nen aus. Dabei kön­nen die­se Emo­tio­nen, wie wir ja bereits wis­sen, das kri­ti­sche Denk­ver­mö­gen des Publi­kums lahm­le­gen. Des­we­gen kannst Du durch das Unter­su­chen der Spra­che fest­stel­len, wel­che Bil­der und Emo­tio­nen die Quel­le aus­lö­sen und somit in wel­che Rich­tung die Wahr­neh­mung und das Den­ken des Ziel­pu­bli­kums beein­flusst wer­den sollen.
  • per­zep­ti­ve Per­spek­ti­ve: Hier geht es dar­um, ob eine Per­spek­ti­ve durch das Pris­ma einer bestimm­ten Par­tei geprägt ist. Dabei kann eine Per­spek­ti­ve auf den ers­ten Blick durch­aus objek­tiv erschei­nen, obwohl sie es eigent­lich nicht ist. Dass wir das Pris­ma nicht bemer­ken, könn­te zum Bei­spiel dar­an lie­gen, dass wir selbst die­ses Pris­ma tei­len und somit als objek­tiv anse­hen. Ich will nicht kom­plett aus­schlie­ßen, dass es neu­tra­le Quel­len geben könn­te, aber weil wir mensch­li­chen Dumpf­ba­cken ja sehr beschränkt sind, hält sich unse­re Fähig­keit zur Wahr­neh­mung der objek­ti­ven Rea­li­tät sehr in Gren­zen: Wir haben nun mal unse­ren Rea­li­täts­tun­nel, also das Pris­ma, durch das wir die Welt wahr­neh­men. Somit haben auch alle Akteu­re des Gesche­hens, über das wir berich­ten, ihre Pris­men. Wenn wir also ein Pris­ma gegen­über den ande­ren bevor­zu­gen, sozu­sa­gen einen „Prot­ago­nis­ten“ haben, am bes­ten noch einen, mit dem wir mit­füh­len, lau­fen wir Gefahr, unse­re Erzäh­lung durch sei­ne Sicht­wei­se einzufärben.

Mit die­sen fünf Para­me­tern kön­nen wir ermit­teln, wie das Bild, das dem Leser ver­ab­reicht wird, über­haupt zustan­de kommt. Auf die­se Wei­se erhal­ten wir eine gro­be Vor­stel­lung davon, inwie­weit objek­ti­ve Ereig­nis­se und Sach­ver­hal­te mög­li­cher­wei­se ver­fälscht oder ver­zerrt wer­den.

Zum Bei­spiel wird beim The­ma All­tags­ras­sis­mus häu­fig ange­führt, dass dun­kel­häu­ti­ge Frau­en schwe­rer an Make-up her­an­kom­men, das zu ihrer Haut­far­be passt. Neh­men wir also eine dun­kel­häu­ti­ge Lisa, die sich dar­über beschwert, dass sie kei­nen pas­sen­den Con­cea­ler fin­den kann. Wir haben also die räum­li­che und zeit­li­che Per­spek­ti­ve, dass die Bericht­erstat­te­rin zusam­men mit Lisa ein Geschäft nach dem ande­ren abklap­pert und sie tat­säch­lich nicht fün­dig wer­den. Da Lisa oft All­tags­ras­sis­mus erlebt, prägt das ihre ideo­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve und sie führt den Man­gel an Make-up für Dun­kel­häu­ti­ge auch auf Ras­sis­mus zurück. In Bezug auf die sprach­li­che Per­spek­ti­ve mer­ken wir, dass Lisa unzu­frie­den ist und Mit­ge­fühl will. In Bezug auf die per­zep­ti­ve Per­spek­ti­ve mer­ken wir, dass die Per­son, die über Lisa berich­tet, mit Lisa mit­fühlt und ihre Sicht­wei­se und Spra­che übernimmt.

Wir haben also einen in sich geschlos­se­nen Rea­li­täts­tun­nel. Ich per­sön­lich habe einen etwas ande­ren Rea­li­täts­tun­nel und wür­de vor­schla­gen, den Rea­li­täts­tun­nel des Berichts über Lisa etwas aufzusprengen:

So war die Per­son, die über Lisa berich­tet, räum­lich und zeit­lich mit Lisa unter­wegs. Wäre sie mit jemand ande­rem unter­wegs gewe­sen oder hät­te sich von ande­ren Shop­ping­tou­ren erzäh­len las­sen, hät­te sie viel­leicht ande­re Din­ge wahr­ge­nom­men. Mei­ne Erfah­rung ist zum Bei­spiel, dass ich als extrem hel­ler Mensch, der bei gera­de mal 25°C schon nach zehn Minu­ten krebs­rot wird, ein ähn­li­ches Pro­blem habe, nur umge­kehrt: Die ange­bo­te­nen Con­cea­ler sind mir fast alle zu dunkel.

Im Gegen­satz zu Lisa bin ich nicht vom Ras­sis­mus gegen Dun­kel­häu­ti­ge betrof­fen, und somit fällt auch mei­ne ideo­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve anders aus: Einer­seits bin ich sicher­lich blind für den All­tags­ras­sis­mus gegen die­se Grup­pe, ande­rer­seits nei­ge ich aber auch weni­ger dazu, alle Unan­nehm­lich­kei­ten auto­ma­tisch dar­auf zurück­zu­füh­ren. Weil ich ideo­lo­gisch weni­ger mit Ras­sis­mus gegen Dun­kel­häu­ti­ge zu tun habe, ver­or­te ich die Wur­zel des Übels eher im Kapi­ta­lis­mus und dem Prin­zip von Ange­bot und Nach­fra­ge: Wenn dun­kel­häu­ti­ge (oder auch extrem hell­häu­ti­ge) Men­schen eine Min­der­heit bil­den, dann gibt es weni­ger Nach­fra­ge und des­we­gen fällt auch das Ange­bot gerin­ger aus.

Von der per­zep­ti­ven Per­spek­ti­ve her über­neh­me ich Lisas Pris­ma nicht und las­se mich auch weni­ger von ihrer sprach­li­chen Per­spek­ti­ve beein­flus­sen, weil ich die Fak­ten, auf die sich ihre Spra­che stützt, anders sehe. Das bedeu­tet aber nicht, dass Lisa und ich kei­nen gemein­sa­men Nen­ner fin­den kön­nen. Denn es ist egal, ob wir die Ursa­chen der Pro­ble­me bei der Make-up-Suche im Ras­sis­mus, im Kapi­ta­lis­mus oder in sonst­was ver­or­ten: Nega­ti­ve Erfah­run­gen blei­ben nega­ti­ve Erfah­run­gen und sowohl Lisas Erleb­nis­se als auch mei­ne sind echt und unan­ge­nehm. Und ich kann mir vor­stel­len, dass Lisas Schwie­rig­kei­ten beim Make-up, selbst wenn sie eigent­lich vom Kapi­ta­lis­mus her­rüh­ren soll­ten, im Zusam­men­spiel mit ande­ren, ein­deu­tig ras­sis­ti­schen Erfah­run­gen, zu einem all­ge­mei­nen Unwohl­sein füh­ren, weil sie an jeder Ecke, sei es mit Absicht oder nicht, ihre Anders­ar­tig­keit und Nicht-Zuge­hö­rig­keit ins Gesicht gepresst bekommt. In der Hin­sicht hat Lisa mein abso­lu­tes Mitgefühl.

So unter­schied­lich kön­nen also die Per­spek­ti­ven auf ein und die­sel­be Sache aus­fal­len, und das schon bei Lap­pa­li­en. Des­we­gen ist es eben so wich­tig zu ver­ste­hen, wo der Urhe­ber einer Quel­le her­kommt und wie sich das auf sei­ne Dar­stel­lung aus­wirkt. Dass eine Dar­stel­lung nicht neu­tral ist, merkt man oft übri­gens vor allem an der sprach­li­chen Per­spek­ti­ve, weil es hier am meis­ten um die Beein­flus­sung des Rezi­pi­en­ten geht.

Aus die­sem Grund soll­test Du Dich mit den gän­gi­gen Tak­ti­ken der Emo­tio­na­li­sie­rung befas­sen, um sie in Infor­ma­ti­ons­quel­len durch­schau­en zu kön­nen. Vor­sicht ist zum Bei­spiel gebo­ten, wenn es meh­re­re Kon­flikt­par­tei­en gibt und bei einer Kon­flikt­par­tei die Wort­wahl wohl­wol­len­der aus­fällt als bei der ande­ren. Wenn in einem Text gehäs­si­ge Aus­drü­cke fal­len, dann ist das ein Hin­weis, dass jemand in sei­nem Rea­li­täts­tun­nel sehr tief drin­steckt. Wird auf Mit­ge­fühl gepocht, kann das den Blick auf die Rea­li­tät trü­ben. Das heißt nicht, dass emo­ti­ons­ge­la­de­ne Quel­len grund­sätz­lich schlech­ter sind, Lisas Auf­re­gung über die Sache mit dem Make-up ist ja auch abso­lut legi­tim, aber Du soll­test bei der Aus­wer­tung die­ser Quel­len dar­auf ach­ten, Dich emo­tio­nal nicht mit­neh­men zu lassen:

Ver­su­che am bes­ten, für eini­ge Zeit zu einem emo­ti­ons­lo­sen Robo­ter zu werden.

Als sol­cher wirst Du hof­fent­lich auch weni­ger anfäl­lig für Pseu­do- und Schein­ar­gu­men­te. Denn ein Robo­ter ist vor allem logisch und lässt kei­ne Emo­tio­nen und Mora­li­sie­run­gen als Argu­men­te gel­ten. Wenn jemand sagt: „Wir müs­sen XY tun, weil es das mora­lisch Rich­ti­ge ist“, dann fragt der Robo­ter, war­um gera­de XY mora­lisch rich­tig ist und ob das nicht auch nega­ti­ve Kon­se­quen­zen haben kann. Und sofern der Jemand nicht knall­har­te Daten vor­le­gen kann, war­um XY zu einem bes­se­ren Ergeb­nis füh­ren wird als ande­re Ansät­ze, sind sei­ne Reden vom „mora­lisch Rich­ti­gen“ nur hei­ße Luft. Wenn nicht sogar bewuss­te Mani­pu­la­tio­nen: Denn Du willst doch bestimmt das mora­lisch Rich­ti­ge tun und nicht als amo­ra­lisch daste­hen. Wenn Du Dein Selbst­wert­ge­fühl also nicht von die­sem Kri­te­ri­um ent­kop­pelt hast, wie wir es im ers­ten Teil die­ser Rei­he bespro­chen haben, kannst Du nur zu leicht auf die­sen Trick her­ein­fal­len. Über­haupt emp­feh­le ich, ein grund­le­gen­des Ver­ständ­nis für Pro­pa­gan­da- und Mani­pu­la­ti­ons­tech­ni­ken sowie für ver­brei­te­te Denk­feh­ler zu erar­bei­ten, um die­se spä­ter in Quel­len erken­nen zu kön­nen. Dazu gibt es aber mas­sen­haft Lite­ra­tur, wes­we­gen ich an die­ser Stel­le auf eine aus­führ­li­che Lis­te verzichte.

Was logi­sche Inkon­sis­ten­zen, Wider­sprü­che und Nach­voll­zieh­bar­keit angeht, so ist der Rea­li­täts­tun­nel in jeder Quel­le im Grun­de indi­vi­du­ell, wes­we­gen es mir schwer fällt, die vie­len Mög­lich­kei­ten in ein ein­zi­ges Sys­tem zu pres­sen. Ach­te hier ein­fach dar­auf, ob alles inner­halb der Quel­le ein logi­sches Netz ergibt.

Wenn Du zum Bei­spiel Denk­feh­ler iden­ti­fi­zierst, dann merkst Du, dass Du Dich auf die logi­schen Schlüs­se der Quel­le nicht ver­las­sen kannst. Was aber nicht auto­ma­tisch bedeu­tet, dass die gan­ze Quel­le Unsinn ist: Nur, weil Lisa ihre Schwie­rig­kei­ten bei der Make-up-Suche eher aus ideo­lo­gi­schen Grün­den auf Ras­sis­mus zurück­führt, heißt das nicht, dass da kein Ras­sis­mus dahin­ter­steckt. Wenn Du wei­ter recher­chierst, könn­te es ja sein, dass Du auf ras­sis­ti­sche Aus­sa­gen von Make-up-Her­stel­lern stößt à la: Dun­kel­häu­ti­ge bräuch­ten eh kein Make-up, sie sei­en so oder so häss­lich. Dann hät­test Du einen knall­har­ten Beweis, dass Lisa mit ihrer Ver­mu­tung rich­tig liegt, auch wenn sie nicht auf einer wirk­lich logi­schen Über­le­gung beruht. Und selbst wenn Du im Zuge Dei­ner Recher­che zu dem Schluss kommst, dass das Pro­blem nichts mit Ras­sis­mus zu tun hat, ist es noch kein Grund, Lisa ihre unan­ge­neh­men Erfah­run­gen abzu­spre­chen. Eine ande­re Ursa­che des Pro­blems ändert ja nichts dar­an, dass das Pro­blem besteht.

Wenn die Logik inner­halb des Rea­li­täts­tun­nels der Quel­le aber kon­sis­tent ist, auch wenn sie Dei­nem Welt­bild wider­spricht, könn­te erst recht etwas dran sein: Um das fest­zu­stel­len, musst Du die Prä­mis­sen, also die Grund­an­nah­men, von denen – meis­tens unhin­ter­fragt – aus­ge­gan­gen wird, und Quel­len der Quel­le über­prü­fen, auch im Kon­text der ande­ren Infor­ma­tio­nen, die Du zusam­men­re­cher­chiert hast. Und wenn alles metho­do­lo­gisch soli­de und nach­voll­zieh­bar ist, dann wirst Du wohl oder übel Dein Welt­bild anpas­sen müs­sen. Das heißt nicht, dass Du die ande­re Sicht­wei­se eins zu eins über­neh­men musst, das kommt immer auf den indi­vi­du­el­len Sach­ver­halt an, aber Du wirst aller­min­des­tens akzep­tie­ren müs­sen, dass es eine legi­ti­me Sicht­wei­se ist, die neben Dei­ner Sicht­wei­se eben­falls ein Recht auf Exis­tenz hat.

Beson­ders auf­hor­chen soll­test Du, wenn die Quel­le ein­fa­che Ant­wor­ten auf kom­ple­xe Fra­gen geben will.

Wäh­rend mei­nes Geschichts­stu­di­ums habe ich die Erfah­rung gemacht, dass jedes his­to­ri­sche Ereig­nis, das ich mir jemals genau­er ange­schaut habe, eine äußerst kom­ple­xe Ursa­chen­viel­falt auf­weist. Ich ver­ste­he, dass es zum Bei­spiel ein­fach ist, die Ursa­chen für den Zwei­ten Welt­krieg Hit­ler und irgend­wel­chen ver­rück­ten Ideo­lo­gen in die Schu­he zu schie­ben, aber ers­tens haben wir bereits fest­ge­stellt, dass die NS-Ver­bre­chen über­wie­gend eher wenig mit Ver­rückt­heit zu tun hat­ten, was sie ja umso gru­se­li­ger macht, und zwei­tens ver­nach­läs­si­gen wir bei einer sol­chen Deu­tung das äußert kom­ple­xe Bün­del von his­to­ri­schen und wirt­schaft­li­chen Aspek­ten ins­be­son­de­re nach dem Ers­ten Welt­krieg, die geo­po­li­ti­schen Ver­stri­ckun­gen und Ambi­tio­nen aller Kriegs­par­tei­en, die gesell­schaft­li­chen, poli­ti­schen und ideo­lo­gi­schen Gege­ben­hei­ten im Drit­ten Reich und bei ande­ren Betei­lig­ten etc. pp. Wenn man die Ursa­chen his­to­ri­scher Ereig­nis­se so klein­ka­riert zer­legt, ent­steht häu­fig der Ein­druck einer unaus­weich­li­chen Ent­wick­lung. Für die Zeit­zeu­gen kom­men die Ereig­nis­se oft über­ra­schend, aber wenn man als His­to­ri­ker das Gan­ze aus Vogel­per­spek­ti­ve betrach­tet, kommt eben häu­fig her­aus, dass schon Jahr­zehn­te vor­her hät­te klar sein kön­nen, dass es genau dar­auf hin­aus­läuft. Das macht die his­to­ri­schen Ereig­nis­se nicht weni­ger schlimm und ent­bin­det die Täter auch nicht von ihrer mora­li­schen Ver­ant­wor­tung, aber es zeigt dann doch, dass die Situa­ti­on in Wirk­lich­keit immer extrem kom­pli­ziert ist. Des­we­gen sind Schwarz-Weiß-Den­ken und ein­sei­ti­ge Schuld­zu­wei­sun­gen an eine Ein­zel­per­son oder Enti­tät fast immer ein ziem­lich siche­res Indiz für Pro­pa­gan­da. Oder aber für Dumm­heit bzw. Kurz­sich­tig­keit. Nimm das ruhig als Faustregel.

Schritt 6: Schlüsse ziehen und verlässliche Quellen ermitteln

Nun hast Du sehr vie­le Quel­len, sehr vie­le Infor­ma­tio­nen und sehr vie­le Wider­sprü­che. Wie fin­det man da die Wahr­heit? Dafür brauchst Du natür­lich die Fähig­keit zu logi­schem Den­ken, und so leid es mir tut, das zu sagen: Nicht jeder hat sie. Wenn es nach mir gin­ge, wäre Logik ein Pflicht­fach in der Schu­le, aber mich fragt ja nie­mand. Grund­sätz­lich ist Mathe­ma­tik da zwar ziem­lich nah dran und mei­nen Beob­ach­tun­gen nach kön­nen Mathe­ma­ti­ker oder zumin­dest Natur­wis­sen­schaft­ler oft tat­säch­lich logi­scher den­ken und argu­men­tie­ren als mei­ne eige­ne Brut der Geis­tes­wis­sen­schaft­ler, aber ande­rer­seits ist Mathe­ma­tik auch ziem­lich abs­trakt und das „Über­set­zen“ des mathe­ma­ti­schen Den­kens in Din­ge wie Text­ver­ständ­nis sind eine Kunst für sich. Zudem lässt der Mathe­ma­tik­un­ter­richt in Deutsch­land doch sehr zu wün­schen übrig.

Den­noch eig­net sich Mathe­ma­tik gut für eine ganz gro­be Ein­schät­zung der eige­nen logi­schen Begabung:

Wenn Du in der Schu­le in Mathe durch­schnitt­lich auf 3 oder schlech­ter stan­dest, und das unab­hän­gig von der Lehr­kraft (dass man zwi­schen­zeit­lich einen schlech­ten Leh­rer hat, kann ja mal vor­kom­men), dann kann das ein Hin­weis dar­auf sein, dass Du nicht von Natur aus begabt bist und an Dei­nen logi­schen Fähig­kei­ten arbei­ten solltest.

Wenn Du in Mathe ohne Spick­zet­tel oder stump­fes Buli­mie­ler­nen im Schnitt Ein­sen und Zwei­en hat­test, bist Du aller­dings auch nicht fein raus, denn dass Du wahr­schein­lich gute ange­bo­re­ne Vor­aus­set­zun­gen zu logi­schem Den­ken hast, heißt noch lan­ge nicht, dass Du wirk­lich logisch denkst:

Du bist für all die Denk­feh­ler, Mani­pu­la­tio­nen und psy­cho­lo­gi­schen Effek­te, die wir in die­ser Rei­he bespro­chen haben, genau­so anfäl­lig wie jeder ande­re und Dei­ne Fähig­keit zu logi­schem Den­ken kann somit erfolg­reich lahm­ge­legt werden.

Wie wir uns gegen die­se Lahm­le­gung des logi­schen Den­kens weh­ren kön­nen, haben wir ja in die­sem Arti­kel bespro­chen. Und erst wenn wir damit die Vor­aus­set­zun­gen für logi­sches Den­ken geschaf­fen haben, kön­nen wir unse­re Fähig­kei­ten wirk­lich nut­zen. Und wenn wir nicht von Natur aus logisch begabt sind, müs­sen wir logi­sches Den­ken erst ler­nen. Doch da es den Rah­men die­ses Arti­kels spren­gen wür­de und es auch ein­schlä­gi­ge Bücher zu dem The­ma gibt, belas­se ich es an die­ser Stel­le bei die­ser Empfehlung.

Statt­des­sen möch­te ich auf eine grund­sätz­li­che Sache auf­merk­sam machen, die eben­falls im Bereich der Logik ange­sie­delt ist, beim Aus­wer­ten von Quel­len aber eine beson­ders zen­tra­le Rol­le spielt:

Es geht nicht dar­um, wer recht hat!

Mal ange­nom­men, Du hast zwei Par­tei­en, die im Kon­flikt sind. Mein Ein­druck ist, dass Men­schen häu­fig davon aus­ge­hen, dass eine der Par­tei­en recht haben muss und die ande­re dem­entspre­chend unrecht. Es gibt aber unzäh­li­ge ande­re Mög­lich­kei­ten, die Du nicht aus dem Blick ver­lie­ren darfst: Bei­de könn­ten recht haben und bei­de könn­ten unrecht haben. Bei­de könn­ten nur zur Hälf­te recht haben. Eine könn­te kom­plett unrecht haben, wäh­rend die ande­re zu einem Vier­tel recht hat. Und so weiter …

Erin­ne­re Dich an Goog­le und die Vor­wür­fe, die Such­ma­schi­ne wür­de nicht funk­tio­nie­ren. Da waren zwei Par­tei­en im Kon­flikt, bei dem die Kri­ti­ker behaup­tet haben, der Algo­rith­mus wür­de nicht funk­tio­nie­ren, und Goog­le behaup­tet hat, der Algo­rith­mus wür­de sehr wohl funk­tio­nie­ren. Dass bei­de recht haben könn­ten, scheint bei die­ser Kon­stel­la­ti­on undenk­bar – und doch war genau das der Fall: Goog­le hat­te recht, weil der Algo­rith­mus tech­nisch durch­aus funk­tio­nier­te, und die Kri­ti­ker hat­ten recht, weil der Algo­rith­mus für sie per­sön­lich nicht funk­tio­nier­te, weil er ihre fehl­ba­re Mensch­lich­keit nicht berücksichtigte.

Es geht also eher dar­um, sich maxi­mal der Wahr­heit anzu­nä­hern, die auch uner­war­te­te Twists beinhal­ten kann.

Da wir fehl­ba­ren Men­schen, gefan­gen in unse­ren Rea­li­täts­tun­neln, uns wohl nur bedingt der Wahr­heit annä­hern kön­nen, weil wir für sie ein­fach nicht die nöti­gen Gehirn­ka­pa­zi­tä­ten haben, müs­sen wir uns wohl oder übel damit zufrie­den geben, dass die Wahr­heit für uns auf ewig eine Asym­pto­te bleibt. Du erin­nerst Dich sicher­lich: Eine Asym­pto­te ist in der Mathe­ma­tik eine Linie oder Kur­ve, der sich der Graph einer Funk­ti­on immer wei­ter annä­hert, sie aber nie erreicht, selbst wenn er unend­lich ver­län­gert wird. So kön­nen auch wir uns der Wahr­heit immer mehr annä­hern, aber wir dür­fen nie­mals ver­ges­sen, dass es immer etwas gibt, das wir nicht wis­sen, nicht ver­ste­hen, das sich unse­rem Denk­ver­mö­gen ent­zieht. Und schon allei­ne das ist Grund genug, demü­tig zu sein, ganz egal, wie viel man zu wis­sen glaubt.

Ein gutes Bei­spiel, wie demü­ti­ges, logi­sches Schlüs­se­zie­hen funk­tio­niert, fin­dest Du übri­gens in Quo vadis? von Hen­ryk Śien­kie­wicz. Dar­in ver­liebt sich der Römer Vini­ci­us in Lygia, weiß zunächst aber noch nicht, dass sie Chris­tin ist. Er weiß nur, dass sie ihm gegen­über einen Fisch in den Sand gezeich­net hat, und spä­tes­tens als sie spur­los ver­schwin­det, will er her­aus­fin­den, was das bedeu­tet. Er und sein Onkel Petro­ni­us heu­ern den Grie­chen Chi­lon Chi­lo­ni­des zur Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung an. Und als Chi­lon ihnen ein­deu­tig beweist, dass der Fisch ein Sym­bol des Chris­ten­tums ist und Lygia und ihre Zieh­mut­ter Pom­po­nia Chris­tin­nen sind, beginnt es in Vini­ci­us und Petro­ni­us ange­sichts der vie­len Vor­ur­tei­le gegen Chris­ten zu arbeiten:

„»Das bedeu­tet«, sag­te Petro­ni­us, »daß Pom­po­nia und Lygia Brun­nen ver­gif­ten, von der Stra­ße auf­ge­grif­fe­ne Kin­der mor­den und sich Aus­schwei­fun­gen hin­ge­ben! Nar­re­tei! Du, Vini­ci­us, warst län­ger in ihrem Haus, ich war nur kurz dort, aber ich ken­ne sowohl Aulus [Lygi­as Zieh­va­ter] als auch Pom­po­nia, ja selbst Lygia gut genug, um sagen zu kön­nen: das ist Ver­leum­dung und Nar­re­tei! Wenn der Fisch das Sinn­bild der Chris­ten ist, was sich wirk­lich schwer bestrei­ten läßt, und wenn sie Chris­tin­nen sind, dann, bei Pro­ser­pi­na!, sind die Chris­ten offen­sicht­lich nicht das, wofür wir sie halten.«“
Hen­ryk Sien­kie­wicz: Quo vadis?, Vier­zehn­tes Kapitel.

Lei­der ist eine sol­che Selbst­re­fle­xi­on – zumin­dest mei­ner Beob­ach­tung nach – in der rea­len Welt eher sel­ten. Schaue Dir selbst an, wie Freund­schaf­ten und Fami­li­en in den ver­gan­ge­nen Jah­ren an ver­schie­de­nen Mei­nun­gen zer­bro­chen sind: Wenn Men­schen fest­stel­len, dass Leu­te in ihrem Umfeld sich zu einer Grup­pe beken­nen, die als dumm, gefäh­lich, aso­zi­al oder sonst­wie nega­tiv dar­ge­stellt wird, beu­gen sie sich eher dem Mei­nungs­dik­tat ihrer eige­nen Glau­bens­brü­der, als sich auf ihre jah­re­lan­ge Kennt­nis der betrof­fe­nen Ange­hö­ri­gen zu ver­las­sen. Wenn der Kind­heits­freund mit Leu­ten sym­pa­thi­siert, die man für aso­zi­al hält, ist der Kind­heits­freund auch aso­zi­al, so scheint die Logik oder eher Nicht-Logik. Denn die­sen anders­den­ken­den Kind­heits­freund als Anlass zu betrach­ten, die eige­nen Über­zeu­gun­gen zu hin­ter­fra­gen, wür­de ja am Selbst­bild krat­zen! … Ich fürch­te, wir sind als Gesell­schaft ein­fach zu egoistisch.

Aber nun wol­len wir aus die­sem Ego­is­mus aus­bre­chen und gehen all die Schrit­te des kri­ti­schen Den­kens durch. Und wenn Du das wirk­lich bei jedem The­ma knall­hart durch­ziehst, muss ich Dich eins fra­gen: Hast Du ein Leben?

Denn Hand aufs Herz:

Die gewis­sen­haf­te Umset­zung aller Schrit­te ist nur mög­lich, wenn man es beruf­lich tut.

Oder Du besitzt einen Zeit­um­keh­rer oder sowas. Aber ein Otto Nor­mal­ver­brau­cher hat in der Regel nicht die Mög­lich­kei­ten, sich der­ma­ßen inten­siv mit jedem auch nur ansatz­wei­se rele­van­ten The­ma der Welt aus­ein­an­der­zu­set­zen. Er hat ein­fach nicht die Zeit, oft­mals kei­ne aus­rei­chen­den Sprach­kennt­nis­se und meis­tens auch nur einen begrenz­ten Zugang zu Fach­bi­blio­the­ken und ande­ren Quel­len für Fach­wis­sen. Ob wir es also wol­len oder nicht, wir müs­sen uns wohl oder übel auf frem­de Bericht­erstat­tun­gen und Ana­ly­sen ver­las­sen. Wir dür­fen dabei aber nie­mals ver­ges­sen, dass es nur das gerin­ge­re Übel und sehr bedenk­lich ist. Wir dür­fen nie­mals anneh­men, dass die Quel­len, die wir bevor­zu­gen, bes­ser sind als die Quel­len, denen ande­re ver­trau­en. Aller­dings soll­ten wir trotz­dem dar­auf ach­ten, dass wir uns Quel­len aus­su­chen, bei denen wir zumin­dest eine kor­rek­te Arbeits­wei­se erkannt haben. Ich betone:

Wir soll­ten uns nicht auf Quel­len ver­las­sen, die uns seri­ös erschei­nen. Son­dern auf die, deren Arbeits­wei­se wir tat­säch­lich selbst­stän­dig über­prüft haben und die wir auch wei­ter­hin immer mal wie­der über­prü­fen.

Denn nur, weil eine Quel­le selbst behaup­tet, seri­ös zu sein, heißt es noch lan­ge nicht, dass sie das tat­säch­lich ist. Erin­nern wir uns an Alex­an­der Prinz:

Obwohl er sich auf die Fah­nen geschrie­ben hat, gegen Des­in­for­ma­ti­on vor­zu­ge­hen, haben wir an den Bei­spie­len in die­ser Rei­he gese­hen, dass sein Umgang mit Infor­ma­ti­ons­quel­len äußerst schlam­pig ist. Grund­sätz­lich könn­test Du mir vor­wer­fen, ich wür­de Rosi­nen­pi­cke­rei betrei­ben und hät­te ein­fach nur unglück­li­che Momen­te in sei­nem Video her­aus­ge­sucht. Dar­auf kann ich nur erwi­dern: Bit­te zwing mich nicht, jeden ein­zel­nen Satz von Prinz in jedem ein­zel­nen sei­ner poli­ti­schen Vide­os so zu zer­le­gen, wie ich es in die­ser Rei­he getan habe. Im Rah­men eines Arti­kels oder Vide­os, mei­ne ich. Das wäre ein Voll­zeit­job, den mir nie­mand bezahlt. Wenn Du also eine Über­prü­fung möch­test, inwie­fern mei­ne Bei­spie­le reprä­sen­ta­tiv für sei­ne Arbeits­wei­se sind, bist Du herz­lich ein­ge­la­den, sie selbst vor­zu­neh­men. Wie das geht, weißt Du ja spä­tes­tens jetzt. An die­ser Stel­le jedoch las­se ich mei­ne Schlüs­se über Prinz‘ Arbeits­wei­se ste­hen und war­ne: Wer so unsau­ber und ober­fläch­lich arbei­tet, läuft gro­ße Gefahr, selbst Des­in­for­ma­ti­on zu betrei­ben – also genau zu dem zu wer­den, was er bekämp­fen will. Und es nicht ein­mal zu merken.

Bonus­punk­te für Zuver­läs­sig­keit bekom­men übri­gens Bericht­erstat­ter und Ana­ly­ti­ker, die Demut an den Tag legen und Mut zum „Ich weiß nicht“ haben. Denn sie haben schon mal die rich­ti­ge Grund­ein­stel­lung, die wir in Schritt 1 bespro­chen haben. Vor allem haben demü­ti­ge Bericht­erstat­ter weni­ger Hem­mun­gen, mög­li­che Feh­ler von ihrer Sei­te ein­zu­se­hen und zu kor­ri­gie­ren, was sie natür­lich der objek­ti­ven Wahr­heit näher bringt.

Jen­seits von Bericht­erstat­tern haben wir es natür­lich auch in der pri­va­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on oft mit Men­schen zu tun, die eine Mei­nung haben und sich für kri­tisch den­kend hal­ten. Und ich den­ke, ich muss Dir nicht extra sagen, dass Du auch bei ihnen grund­sätz­lich vor­sich­tig sein musst, denn nur, weil sie viel­leicht Dei­ne Ange­hö­ri­gen sind, sind sie nicht auto­ma­tisch intel­li­gen­ter und infor­mier­ter als ande­re Men­schen. Ich mei­ne, jetzt, wo Du gese­hen hast, wie auf­wen­dig das gan­ze Pro­ze­de­re ist, soll­te es sich eigent­lich von selbst ver­ste­hen, dass Du kri­tisch hin­ter­fra­gen soll­test, wenn jemand, also eine poten­ti­el­le mensch­li­che Infor­ma­ti­ons­quel­le, behaup­tet, er wäre ja soooo kri­tisch den­kend und wür­de sei­ne Quel­len immer über­prü­fen. Nur, weil jemand nach einer Über­prü­fung einer bestimm­ten Quel­le zu einem bestimm­ten Urteil über ihre Ver­läss­lich­keit gekom­men ist, heißt das nicht, dass Du nach einer Über­prü­fung der­sel­ben Quel­le zum sel­ben Ergeb­nis kom­men wirst. Denn auch beim Über­prü­fen und Recher­chie­ren nei­gen wir zum Bestä­ti­gungs­feh­ler. Und wer garan­tiert, dass die kri­tisch den­ken­de Per­son wirk­lich metho­do­lo­gisch sau­ber gear­bei­tet hat? Hast Du die Metho­do­lo­gie denn eigen­hän­dig überprüft?

Hor­che auch auf, wenn die­se Men­schen sich auf Ver­wand­te, Bekann­te und Freun­de beru­fen, denn für die­se Erzäh­lun­gen gel­ten die­sel­ben Regeln wie auch für alle ande­ren Pri­mär­quel­len: Haben die­se Men­schen das Gesche­hen tat­säch­lich als Zeu­gen erlebt? Wur­de das tat­säch­li­che Gesche­hen even­tu­ell durch Erzäh­lun­gen ver­fälscht? Was haben die­se Men­schen even­tu­ell nicht gese­hen? Haben sie wirk­lich ver­stan­den, was sie gese­hen haben, oder haben feh­len­des Hin­ter­grund­wis­sen, der Rea­li­täts­tun­nel und die vie­len mög­li­chen Denk­feh­ler zuge­schla­gen? Oder haben die­se Men­schen nichts gese­hen und geben selbst nur Gerüch­te wieder?

Viel­leicht bist Du jetzt aber ver­wirrt: Soll ich mei­ne Ange­hö­ri­gen und ande­re Men­schen gene­rell nun zum Anlass neh­men, um mei­ne Ansich­ten zu hin­ter­fra­gen, oder soll ich ihren Erzäh­lun­gen miss­trau­en? Ich wür­de sagen: Tue bei­des. Gleich­zei­tig. Las­se ihre Mei­nun­gen ste­hen, drü­cke ihnen kei­ne Stem­pel auf, aber hin­ter­fra­ge sie auch. Eben­so wie Du die Bericht­erstat­ter, denen Du nach ein­ge­hen­der Prü­fung ver­traust, trotz­dem noch hin­ter­fra­gen soll­test. Und vor allem: wie Du Dich selbst hin­ter­fra­gen solltest.

Außer­dem musst Du wirk­lich nicht zu jedem The­ma eine Mei­nung haben. Mehr noch,

weil kri­ti­sches Den­ken so auf­wän­dig ist, kann kein Mensch, der zu allem und jedem eine Mei­nung hat, über all die­se The­men wirk­lich kri­tisch nach­ge­dacht haben.

Es spricht – in mei­nen Augen zumin­dest – also sogar gegen Dich, wenn Du zu jedem The­ma Dei­nen Senf bei­steu­ern willst. Gleich­zei­tig bedeu­tet das natür­lich nicht auto­ma­tisch, dass ein Mensch, der zu meh­re­ren The­men eine Mei­nung hat, Unsinn redet: Ein Mensch kann sich näm­lich auf meh­re­ren Gebie­ten aus­ken­nen, und viel­leicht hat er sich ja gera­de mit die­sen The­men ein­ge­hen­der befasst.

Des­we­gen soll­test Du nie­man­den abstem­peln, von dem Du nicht weißt, wie er auf sei­ne Mei­nung gekom­men ist.

Küm­me­re Dich lie­ber um Dich selbst und sor­ge dafür, dass wenigs­tens Du kei­nen Unsinn verbreitest.

Und wenn Du Dich bei einem The­ma zu einer Mei­nung nicht qua­li­fi­ziert fühlst, dann ist es eben so. Es ist, wie gesagt, abso­lut kei­ne Schan­de und sogar eher etwas, das für Dich spricht, wenn Du ehr­lich zuge­ben kannst: „Ich weiß es nicht, ich ken­ne mich da nicht aus.“

Kritisch gedacht: Was nun?

Nach die­sem aus­führ­li­chen Blick auf die ver­schie­de­nen Aspek­te und Schrit­te des kri­ti­schen Den­kens hast Du hof­fent­lich eine fun­dier­te, dif­fe­ren­zier­te Mei­nung zu den The­men, die Dich beschäf­ti­gen. Aber was machst Du nun damit?

Natür­lich ist es Dein gutes Recht, Dich damit zu begnü­gen, eine fun­dier­te, dif­fe­ren­zier­te Mei­nung zu haben. Weil kri­ti­sches Den­ken aber auch sehr viel mit dem Aneig­nen von Wis­sen zu tun hat, könn­te die­ses Wis­sen Dein Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein wecken sowie ein Ver­lan­gen danach, zu han­deln. Vor allem, wenn Du auf gra­vie­ren­de Miss­stän­de auf­merk­sam wirst, ist es mehr als ver­ständ­lich, wenn Du dar­an etwas ändern möch­test. Gera­de wenn über die­se Miss­stän­de sonst kaum gespro­chen wird, braucht es jeman­den, der die Schwei­ge­spi­ra­le unter­bricht.

Aber Vor­sicht, wie Du das anstellst!

Ich per­sön­lich emp­feh­le, Dei­ne Mei­nun­gen vor­sich­tig und rela­ti­vie­rend zu for­mu­lie­ren.

Beden­ke stets, dass nie­mand unfehl­bar ist, und sei bereit, Feh­ler ein­zu­ge­ste­hen, wenn Du Dich doch irren soll­test. Eine offe­ne Hal­tung gegen­über ande­ren Per­spek­ti­ven und die Fähig­keit, Mei­nun­gen zu revi­die­ren, sind eben nicht umsonst Zei­chen von intel­lek­tu­el­ler Rei­fe und Demut. Men­schen sind eher geneigt, mit Dir zu dis­ku­tie­ren und kon­struk­ti­ve Gesprä­che zu füh­ren, wenn sie spü­ren, dass Du nicht dog­ma­tisch, son­dern lern­be­reit bist.

Ganz beson­ders möch­te ich an die­ser Stel­le noch ein­mal beto­nen, dass Du unbe­dingt kla­re Gren­zen zwi­schen Fak­ten, Zita­ten, Inter­pre­ta­tio­nen und Mei­nun­gen zie­hen und sie ent­spre­chend kenn­zeich­nen soll­test. Sage es zum Bei­spiel deut­lich, wenn Du eine Mei­nung äußerst, anstatt sie als Tat­sa­che dar­zu­stel­len. Dies schafft Trans­pa­renz und ver­hin­dert Miss­ver­ständ­nis­se. – Vor­aus­ge­setzt, Dein Dis­kus­si­ons­part­ner besitzt eben­falls die Fähig­keit, zwi­schen Fak­ten, Zita­ten, Inter­pre­ta­tio­nen und Mei­nun­gen zu unter­schei­den. Falls das nicht der Fall ist: War­um dis­ku­tierst Du mit die­ser Per­son über­haupt noch? Sie ist im Moment nicht auf­nah­me- und dis­kus­si­ons­fä­hig, weil sie viel­leicht emo­tio­nal auf­ge­wühlt ist oder sowas. Lass sie um Him­mels wil­len in Ruhe!

Außer­dem kön­nen vor­sich­ti­ge For­mu­lie­run­gen dabei hel­fen, Dich qua­si selbst zu erzie­hen. Auch, wenn Du das mit der Demut tief in Dei­nem Inne­ren noch nicht ganz ver­in­ner­licht hast, erin­nerst Du Dich selbst durch demü­ti­ge For­mu­lie­run­gen dar­an, dass Du demü­tig sein soll­test. Frei nach dem Mot­to: „Fake it till you make it!“ Der Nach­teil ist aber, dass ober­fläch­li­che Men­schen, die sich vor allem durch Auf­tre­ten und Cha­ris­ma über­zeu­gen las­sen, Dich weni­ger ernst neh­men. Aber bleib dran und übe das Dis­ku­tie­ren! Irgend­wann wirst Du sie höf­lich und zivi­li­siert mit über­zeu­gen­den Fak­ten über­schwem­men kön­nen, die sie dumm aus der Wäsche schau­en las­sen. Jedem auf­ge­bla­se­nen Luft­bal­lon geht frü­her oder spä­ter die Luft aus, und dann kann auch das bes­te Cha­ris­ma der Wirk­lich­keit nicht mehr standhalten.

Und klar, ich weiß, wie schwie­rig es ist, demü­tig zu sein. Ich mei­ne, mein eige­nes Ego ist auch nicht von schlech­ten Eltern. Aller­dings hal­te ich eine all­zu selbst­si­che­re und aggres­si­ve Prä­sen­ta­ti­on der eige­nen Mei­nung oft für kon­tra­pro­duk­tiv. Wenn Du in einer Dis­kus­si­on „auf die Kacke gehau­en“ und alle Anders­den­ken­den belei­digt hast und sich dann her­aus­stellt, dass Du falsch lagst, kann das gesichts­wah­ren­de Zurück­ru­dern zu einer Her­aus­for­de­rung wer­den. Mit der Selbst­si­cher­heit geht nun mal oft auch ein gewis­ser Stolz auf die eige­ne Mei­nung ein­her. Wenn Du dann fest­stel­len musst, dass Dei­ne Mei­nung, gelin­de gesagt, Müll ist, sind Scham­ge­füh­le die logischs­te aller Fol­gen. Du stehst dann näm­lich nicht nur als jemand da, der sich geirrt hat, was an sich ja abso­lut mensch­lich, nor­mal und gesell­schaft­lich akzep­ta­bel ist, son­dern auch als aso­zia­ler Arro­ganz­beu­tel, mit dem man als durch­schnitt­li­cher Mensch eher wenig zu tun haben will. Dein urinstink­ti­ves Bedürf­nis danach, als lebens- und lie­bens­wert wahr­ge­nom­men zu wer­den, ist dann einer exis­ten­zi­el­len Bedro­hung ausgesetzt.

Die­se Dyna­mik erklärt auch, war­um Dis­kus­si­ons­part­ner, die in einer Debat­te Schwie­rig­kei­ten haben, gegen Dei­ne Argu­men­te anzu­kom­men, mög­li­cher­wei­se aggres­siv reagie­ren. Sie möch­ten nicht als böser, dum­mer, unbe­lieb­ter, geschei­ter­ter oder ander­wei­tig schlech­ter Mensch daste­hen und ver­tei­di­gen daher ihre Stand­punk­te mit Vehe­menz, selbst wenn sie längst ver­lo­ren haben und der wei­te­re Kampf somit sinn­los ist. Willst Du selbst so enden? – Wahr­schein­lich nicht. Also hüte Dich davor, „auf die Kacke zu hau­en“. Es sei denn natür­lich, es han­delt sich um eine Aus­nah­me­si­tua­ti­on, in der Du Dich unmit­tel­bar bedroht fühlst. Wer Dir dann zum Vor­wurf macht, dass Du laut und unver­söhn­lich wirst, hat defi­ni­tiv selbst ein Problem.

Beach­te aber auch, dass nicht jede aggres­si­ve Reak­ti­on auf Scham­ge­füh­le zurück­zu­füh­ren ist. Manch­mal kön­nen auch per­sön­li­che Trig­ger oder trau­ma­ti­sche Erfah­run­gen eine Rol­le spie­len: Bei Dei­nem Dis­kus­si­ons­part­ner könn­te eben tat­säch­lich eine Aus­nah­me­si­tua­ti­on vor­lie­gen, auch wenn Du selbst nichts davon merkst. Ein sen­si­bler Umgang mit­ein­an­der ist daher in allen Dis­kus­sio­nen von gro­ßer Bedeu­tung: Wenn ich zum Bei­spiel mit der hypo­the­ti­schen dun­kel­häu­ti­gen Lisa spre­che und ihr erklä­re, war­um ich den Man­gel von pas­sen­dem Make-up nicht für Ras­sis­mus hal­te, soll­te ich das mög­lichst takt­voll machen.

Und „takt­voll“ ist ein wich­ti­ges Stichwort:

Takt­vol­les Ver­hal­ten bedeu­tet näm­lich, die Gefüh­le und Emp­find­lich­kei­ten ande­rer Men­schen zu erken­nen und ernst zu neh­men und den Dia­log auf eine respekt­vol­le Wei­se zu führen.

Es ist mehr als blo­ße Höf­lich­keit. Denn Höf­lich­keit ist eher ober­fläch­lich und kann unter­halb die­ser Ober­flä­che extrem gif­tig sein: Man kann sehr wohl einen Men­schen belei­di­gen, ohne belei­di­gen­de oder her­ab­las­sen­de Wor­te zu ver­wen­den. Takt­ge­fühl hin­ge­gen erfor­dert ein tie­fes Ver­ständ­nis für die Bedürf­nis­se und Emp­find­lich­kei­ten ande­rer Men­schen sowie die Fähig­keit, sen­si­bel auf die­se ein­zu­ge­hen. Und dies ist für eine pro­duk­ti­ve und kon­struk­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on ent­schei­dend. Takt­ge­fühl kann jedoch nicht ein­fach in einem ein­zi­gen Arti­kel ver­mit­telt wer­den, denn es erfor­dert kon­ti­nu­ier­li­ches Ler­nen und sehr viel Übung. Und abge­se­hen davon, dass es den Rah­men die­ses Arti­kels spren­gen wür­de, habe ich Zwei­fel, inwie­fern ich über­haupt die rich­ti­ge Per­son bin, um ande­ren etwas über Takt­ge­fühl beizubringen.

Auf den Miss­stand hin­wei­sen möch­te ich aber trotzdem:

Lei­der ist vie­len Men­schen heut­zu­ta­ge – vor allem den jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen – anschei­nend nicht ein­mal bewusst, wie wich­tig Takt­ge­fühl ist.

Häu­fig sagen sie Din­ge wie: „Das Leben ist kein Pony­hof.“ Und dann dis­ku­tie­ren sie so, wie ihnen halt der Schna­bel gewach­sen ist, und fin­den das even­tu­ell sogar cool, schlag­fer­tig und selbst­be­wusst. Sie dis­ku­tie­ren mit viel Emo­ti­on, zuwei­len mit Witz, Iro­nie und Sar­kas­mus, und mei­nen, der Adres­sat sol­le sich eine dicke­re Haut zule­gen. Es gehö­re zu einer rei­fen Per­sön­lich­keit dazu, mit Wider­spruch umge­hen zu kön­nen. Und an sich stimmt das Gan­ze ja auch. Bloß sind die­se sar­kas­ti­schen Leu­te häu­fig die ers­ten, die jam­mern und sich belei­digt füh­len, wenn man ihnen – wohl­ge­merkt in einem viel ruhi­ge­ren und sach­li­che­ren Ton­fall – widerspricht.

Ich drü­cke mei­ne Mei­nung dazu mal hart aus: Ich fin­de das aso­zi­al. Und ver­mu­te dahin­ter ent­we­der eine schlech­te Erzie­hung oder Nar­ziss­mus oder sogar bei­des. Und alle drei Vari­an­ten scha­den allen Betei­lig­ten. Mei­ne Erfah­rung ist näm­lich: Je sach­li­cher und takt­vol­ler der Ton, des­to höher ist die Wahr­schein­lich­keit, dass eine sach­li­che Dis­kus­si­on zustan­de kommt, und viel­leicht kann man sogar über­zeu­gen. Und ja, es stimmt, dass das Leben ist kein Pony­hof ist. Und genau des­we­gen soll­ten wir auf­ein­an­der so viel Rück­sicht neh­men wie möglich.

Nun kann eine ernst­haf­te Aus­ein­an­der­set­zung mit kri­ti­schem Den­ken aber auch einen sehr depri­mie­ren­den Neben­ef­fekt haben: Wenn Du anfängst, auf Denk- und Logik­feh­ler zu ach­ten, Pro­pa­gan­da­tech­ni­ken zu durch­schau­en, all die unbe­wuss­ten Vor­ur­tei­le und sogar Ras­sis­men wahr­zu­neh­men, selbst die sub­tils­ten Aggres­sio­nen wegen Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten zu regis­trie­ren etc., kommst Du Dir irgend­wann wie der ein­zi­ge intel­li­gen­te Mensch unter Idio­ten vor. Das dadurch ent­ste­hen­de Gefühl von Ein­sam­keit ist so ein biss­chen die Bür­de rei­fer, intel­li­gen­ter Men­schen und zugleich auch eine gro­ße Gefahr:

Denn die idio­tischs­ten Idio­ten sind die­je­ni­gen, die das Gefühl haben, der ein­zi­ge intel­li­gen­te Mensch unter Idio­ten zu sein. (Sie­he Dunning-Kruger-Effekt.)

Und damit schließt sich der Kreis. Bil­de Dir also nie­mals etwas auf Dein kri­ti­sches Den­ken und Dei­ne Intel­li­genz ein. Argu­men­tie­re. Wei­se auf Feh­ler und Miss­stän­de hin. Ver­tei­di­ge Dich, wenn Du ange­grif­fen wirst und eine Ver­tei­di­gung für nötig hältst. Aber erhe­be Dich nicht über ande­re und bil­de Dir nicht ein, Du wärst etwas Bes­se­res. Wie gesagt, belei­di­ge nie­man­den, selbst wenn Du das Gefühl hast, objek­tiv intel­li­gen­ter als Dein Gegen­über zu sein. Und ja, wenn Du tat­säch­lich intel­li­gent bist und gut argu­men­tierst, kann es auch ohne Belei­di­gun­gen von Dei­ner Sei­te dazu kom­men, dass Dein Oppo­nent sich Dir gegen­über dumm und daher belei­digt fühlt. Das ist aber sein eige­nes Pro­blem und geht Dich nichts an. Lass ihn ruhig rum­schrei­en und ver­bal um sich schla­gen. Ist doch schön, wenn Dein Oppo­nent sich vor aller Augen selbst diskreditiert. 😉

Also alles in allem:

Den­ke kri­tisch, aber sei nicht arro­gant, son­dern takt­voll.

Dabei ist es egal, zu wel­chen Schlüs­sen Du kommst, solan­ge Du sie gut begrün­den kannst und sie einer sach­li­chen Kri­tik stand­hal­ten kön­nen. Vor allem aber soll­te nie­mand belei­digt wer­den. Und damit das Gan­ze etwas bes­ser funk­tio­niert, brau­chen wir Empa­thie und Takt­ge­fühl als Schul­fach. Eben­so Logik. Über­haupt brau­chen wir ein Bil­dungs­sys­tem, bei dem man nicht in ein Sche­ma F gepresst wird. Und ja, ich weiß, es ist nicht so ganz der Sinn und Zweck unse­res Schul­sys­tems, eigen­stän­di­ge, rei­fe Per­sön­lich­kei­ten her­vor­zu­brin­gen, aber man wird ja wohl träu­men dürfen.

Schlusswort

Wie, Du bist noch da? Respekt! Das schafft echt nicht jeder. Hier, nimm Dir einen ima­gi­nä­ren Keks! – Ich hof­fe aber natür­lich, dass Du nicht ein­fach nur durch­ge­hal­ten hast, son­dern auch wert­vol­le Erkennt­nis­se gewin­nen konn­test und nun moti­viert bist, Dein eige­nes kri­ti­sches Den­ken wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und zu ver­fei­nern. Unse­re Welt braucht näm­lich mehr Men­schen, die in der Lage sind, die Din­ge dif­fe­ren­ziert zu betrach­ten und fun­dier­te Ent­schei­dun­gen zu treffen.

Zum Abschluss möch­te ich nur noch ein­mal mei­ne Fas­zi­na­ti­on über eini­ge Par­al­le­len zwi­schen ver­schie­de­nen Dis­zi­pli­nen aus­drü­cken. Denn im Grun­de beru­hen das lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­che Ana­ly­sie­ren der Erzähl­per­spek­ti­ve, die Quel­len­kri­tik in der Geschichts­wis­sen­schaft und die Medi­en­kri­tik im Wesent­li­chen auf den­sel­ben Prin­zi­pi­en. Dies unter­streicht die Bedeu­tung von kri­ti­schem Den­ken als grund­le­gen­de Fähig­keit, die Du in ver­schie­de­nen Berei­chen des Lebens anwen­den kannst.

Dabei dür­fen wir nicht ver­ges­sen, dass nie­mand per­fekt im kri­ti­schen Den­ken sein kann. Unse­re Fähig­keit, Infor­ma­tio­nen zu ana­ly­sie­ren und Schluss­fol­ge­run­gen zu zie­hen, ist immer begrenzt. Den­noch soll­ten wir uns stets bemü­hen, unser kri­ti­sches Den­ken zu ver­bes­sern und mög­li­chen Trug­schlüs­sen ent­ge­gen­zu­wir­ken. Und glaub mir, ich habe alle oder zumin­dest fast alle der in die­ser Rei­he bespro­che­nen Denk­feh­ler, kogni­ti­ven Blo­cka­den und Tücken selbst erlebt. Bin also kei­nes­falls bes­ser als Du, nur weil ich die­se Rei­he fabri­ziert habe. Habe also kei­ne Scheu, wenn Du etwas kor­ri­gie­ren oder ergän­zen willst. Solan­ge Du es sach­lich und freund­lich tust, ver­steht sich.

Ansons­ten schim­mern in die­ser Arti­kel­rei­he zwei­fels­oh­ne mei­ne eige­nen Ansich­ten zu kon­tro­ver­sen poli­ti­schen The­men durch. Obwohl ich mich bemüht habe, mög­lichst neu­tral zu for­mu­lie­ren, muss­te ich ja Bei­spie­le anfüh­ren und zer­le­gen, und da kommt man nicht umhin, auf den eige­nen Wis­sens­stand und damit auch auf den eige­nen Rea­li­täts­tun­nel zurück­zu­grei­fen. Habe also auch hier kei­ne Scheu, mir zu wider­spre­chen, solan­ge Du es zivi­li­siert tust.

Und schließ­lich möch­te ich noch klar­stel­len, dass die­se Arti­kel­rei­he nicht als Aus­druck von Men­schen­hass gedacht ist. Stel­len­wei­se mag es viel­leicht so schei­nen, weil ich immer wie­der davor war­ne, ande­ren Men­schen gute Absich­ten zu unter­stel­len, und immer wie­der dar­auf hin­wei­se, dass „das Böse“ auch in Dir selbst wohnt. Ich will nur sagen:

Men­schen sind Men­schen, und das ist weder gut noch schlecht.

Die­se Arti­kel­rei­he rich­tet sich viel­mehr gegen nai­ven Idea­lis­mus, der die Rea­li­tä­ten der mensch­li­chen Natur aus­blen­det und die Welt in all­zu simp­len Mus­tern betrachtet.

Men­schen­lie­be bedeu­tet mei­ner Mei­nung nach näm­lich nicht, die dunk­len Sei­ten des Men­schen zu leug­nen, son­dern ihn trotz sei­ner Unvoll­kom­men­heit, manch­mal sogar Bies­tig­keit, zu akzep­tie­ren und ihn bei all sei­nem enor­men Grau­sam­keits­po­ten­ti­al trotz­dem noch zu lie­ben.

Und der ers­te Schritt besteht nun mal dar­in, dass wir die­se Schat­ten­sei­ten am Men­schen gene­rell und an uns selbst im Spe­zi­el­len über­haupt erst wahr­neh­men und aner­ken­nen.

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