Same Face Syndrome in Geschichten

Same Face Syndrome in Geschichten

Wenn die Figu­ren in einer Geschich­te alle die­sel­be Per­sön­lich­keit haben, dann ist das lang­wei­lig. Doch Ähn­lich­kei­ten zwi­schen Figu­ren kön­nen auch geschich­ten­über­grei­fend auf­tre­ten und das ist nicht immer zu ver­teu­feln. In die­sem Arti­kel klau­en wir den Begriff Same Face Syn­dro­me aus dem Bereich der visu­el­len Medi­en und wen­den ihn auf das Schrei­ben an: Wie kommt das Same Face Syn­dro­me in Geschich­ten zustan­de, wann und war­um ist das schlecht und wie kann man ihm entgegenwirken?

Die Foli­en für die­ses Video gibt es für Ste­ady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Download.

Wie ein­zig­ar­tig sind die Hel­den in Dei­ner Geschich­te? – Eins der mar­kan­tes­ten Merk­ma­le eines uner­fah­re­nen Autors sind Figu­ren, die man kaum von­ein­an­der unter­schei­den kann. Wenn es um die visu­el­le Dar­stel­lung von Figu­ren geht – also durch Zeich­nen, Malen, 3D-Design etc. – spricht man bei extrem ähn­li­chen Figu­ren vom Same Face Syn­dro­me. Und ich den­ke, man kann die­sen Begriff auch auf das Schrei­ben über­tra­gen – auch wenn es dabei mehr um die Per­sön­lich­keit einer Figur geht, weil das Schrei­ben ja kein visu­el­les Medi­um ist.

Span­nend an die­sem The­ma ist auch, dass gleich meh­re­re Zuschau­er des zu die­ser Web­sei­te gehö­ren­den You­Tube-Kanals das Pro­blem unab­hän­gig von­ein­an­der ange­spro­chen haben, und die­ser Arti­kel auch spe­zi­ell durch einen Kom­men­tar von Sto­ry Picker inspi­riert wur­de. Und auch Mit­glie­der der Krea­tiv­Crew, die mit dem Begriff etwas anfan­gen konn­ten, haben sich aus­führ­lich dazu geäu­ßert. Ich bin daher bei wei­tem nicht die Ein­zi­ge, die das Same Face Syn­dro­me in Geschich­ten beob­ach­tet. Und den­noch habe ich nur ein Video gefun­den, in dem über die­ses Phä­no­men beim Schrei­ben gespro­chen wird.

Kor­ri­gie­ren wir also die­sen Umstand!

Definition

Der Begriff stammt, wie bereits erwähnt, aus den visu­el­len Medi­en. Bei sei­nem Gebrauch las­sen sich jedoch zwei Kate­go­rien beobachten:

  • Die ers­te Kate­go­rie ist all­ge­mei­ne­rer Natur. Schau Dir bei­spiels­wei­se die Prot­ago­nis­ten von Video­spie­len an: Ein sehr gro­ßer Teil von ihnen sind wei­ße Män­ner, die optisch extrem stark dem heu­ti­gen Männ­lich­keits­ide­al ent­spre­chen mit ihrem mus­ku­lö­sen Kör­per­bau, der tie­fen Stim­me und dem brei­ten Kiefer.
    Es geht also um das Auf­greif­gen von bestimm­ten Arche­ty­pen und Kli­schees.
  • Die zwei­te Kate­go­rie ist spe­zi­el­ler auf den Künst­ler bezo­gen und ist auch das, was mit Same Face Syn­dro­me meis­tens gemeint ist: Wenn man die Figu­ren eines Künst­lers kom­plett nackt aus­zieht, ihnen die Fri­sur weg­ra­siert und iden­ti­sche Kon­takt­lin­sen ein­setzt, kann man sie nicht mehr von­ein­an­der unterscheiden.
    Es geht also buch­stäb­lich dar­um, dass ein Künst­ler offen­bar nicht in der Lage oder gewillt ist, den Figu­ren ver­schie­de­ne Gesichts­zü­ge und Kör­per­s­ta­tu­ren zu geben.

Die Ursa­chen für das Same Face Syn­dro­me in den visu­el­len Medi­en rei­chen von

  • Mar­ke­ting­ent­schei­dun­gen, weil das Publi­kum eine bestimm­te Optik bei den Figu­ren bevor­zugt oder angeb­lich bevorzugt,
  • über pro­duk­ti­ons­spe­zi­fi­sche Ursa­chen, weil Figu­ren mit iden­ti­schen Gesichts­zü­gen und Kör­pern bil­li­ger und schnel­ler zu ani­mie­ren sind,
  • bis hin zu bana­ler Unfä­hig­keit, weil der Künst­ler ein Anfän­ger ist und nur einen Typ von Figur zeich­nen kann.

Nun lässt sich all das aber auch auf das Schrei­ben über­tra­gen. Spe­zi­ell wür­de ich hier zwi­schen drei Typen des Same Face Syn­dro­me unter­schei­den, von denen aber nur einer wirk­lich schlimm ist, wäh­rend die ande­ren bei­den unter Umstän­den sogar eine Daseins­be­rech­ti­gung haben.

Archetypen und Klischees

Die viel­leicht all­ge­meins­te Form des Same Face Syn­dro­me in Geschich­ten sind Arche­ty­pen und Kli­schees: Figu­ren, die gefühlt von Geschich­te zu Geschich­te wan­dern, manch­mal sogar im Ver­lauf von Jahr­hun­der­ten und Jahr­tau­sen­den.

Klas­si­sches Beispiel:

Der wei­se, alte Mann mit lan­gem Bart, mys­te­riö­ser Ver­gan­gen­heit und oft magi­scher Begabung.

Ich bin Tol­ki­en-Fan seit 1995. Als „Har­ry Pot­ter“ her­aus­kam, emp­fand ich Dum­ble­do­re tat­säch­lich als Gan­dalf-Klon. Tat­sa­che ist jedoch, dass ein­fach bei­de die­sel­ben uralten Kli­schees ver­kör­pern, die wir bei­spiels­wei­se auch schon von Sagen­ge­stal­ten wie Mer­lin her kennen.

Autoren beein­flus­sen sich gegen­sei­tig und so ist es nur natür­lich, dass sich mit der Zeit gewis­se Trends oder belieb­te Mus­ter abzeich­nen. Es ist auch nicht falsch, sich an bereits exis­tie­ren­den Mus­tern, Arche­ty­pen und Kli­schees zu bedie­nen. Denn oft gibt es einen Grund, war­um sie so gut funktionieren.

Wich­tig ist bei Arche­ty­pen und Kli­schees ein­fach, dass eine Figur mehr bie­tet als eine blo­ße Ver­kör­pe­rung eines belieb­ten Mus­ters. Denn wenn eine Figur nichts Neu­es mit sich bringt und nur eine nack­te Ansamm­lung von Kli­schees dar­stellt, dann ist sie bes­ten­falls lang­wei­lig und schlimms­ten­falls nervig.

Dass Figu­ren wie Gan­dalf und Dum­ble­do­re trotz aller Kli­schees funk­tio­nie­ren, liegt dar­an, dass die Kli­schees eben nur ober­fläch­lich sind. Wir sehen einen wei­sen, alten Zau­be­rer mit lan­gem Bart und mys­te­riö­ser Ver­gan­gen­heit und kön­nen ihn somit schnell und zuver­läs­sig zuord­nen: Er ist der Men­tor des Hel­den und ein mäch­ti­ger Ver­bün­de­ter. Gleich­zei­tig sind Gan­dalf und Dum­ble­do­re aber auch fest in ihren jewei­li­gen fik­ti­ven Wel­ten ver­an­kert und haben sehr indi­vi­du­el­le Eigen­schaf­ten: Gan­dalf ent­puppt sich als eine Art gött­li­ches Wesen, das noch vor der Erschaf­fung der Welt exis­tier­te, und Dum­ble­do­re ist ein hoch­be­gab­ter Sterb­li­cher, der in sei­ner Ver­gan­gen­heit vie­le furcht­ba­re Feh­ler gemacht hat.

Eine Vorliebe für bestimmte Protagonisten

In einem Kom­men­tar zu mei­nem Video zum Myers-Briggs-Typen­in­di­ka­tor, schrieb Odin All­va­ter, dass vie­le sei­ner Haupt­fi­gu­ren einen ähn­li­chen Per­sön­lich­keits­typ haben wie er selbst. Auch ande­re machen sich über die­sen Punkt Gedan­ken und auch ich selbst kann von mei­nem aktu­el­len Pro­jekt sagen: Ich bin ein INFJ, mein Prot­ago­nist ist ein INTJ.

Mehr noch, das Phä­no­men mei­ne ich sogar bei eini­gen Büchern mei­nes Lieb­lings­au­tors Erich Maria Remar­que zu beobachten:

In Im Wes­ten nichts Neu­es erlebt Paul Bäu­mer den Ers­ten Welt­krieg, eben­so wie Remar­que selbst zumin­dest ein paar Wochen an der West­front ver­bracht hat. Man beach­te auch, dass Remar­que eigent­lich Erich Paul Remark hieß und der Geburts­na­me sei­ner Groß­mutter Bäu­mer war. Weil Paul Bäu­mer den Krieg nicht über­lebt, geht es in Der Weg zurück mit Ernst Birk­holz wei­ter. Die­ser fin­det sich nach dem Krieg im zivi­len Leben nicht mehr zurecht, wird Leh­rer, schmeißt den Beruf aber schon bald wie­der hin – eben­falls auto­bio­gra­fisch. In Der Schwar­ze Obe­lisk, der zumin­dest ursprüng­lich als Fort­set­zung von Der Weg zurück geplant war und sich auch immer noch so liest, heißt der Prot­ago­nist Lud­wig Bod­mer: Auch er hat im Ers­ten Welt­krieg an der West­front gekämpft, den Leh­rer­be­ruf hin­ge­schmis­sen und auch wei­te­re auto­bio­gra­fi­sche Ele­men­te sei­nes Schöp­fers geerbt. Paul, Ernst und Lud­wig waren vor dem Krieg schwär­me­ri­sche, ver­träum­te Natu­ren, wur­den im Krieg trau­ma­ti­siert und Paul und Lud­wig haben bzw. hat­ten – eben­so wie Remar­que selbst – eine krebs­kran­ke Mut­ter. Natür­lich habe ich Remar­que nicht per­sön­lich gekannt, aber soweit ich mit sei­ner Bio­gra­fie ver­traut bin, wir­ken Paul, Ernst und Lud­wig wie Alter Egos des Autors, mit deren Hil­fe Remar­que sei­ne Kriegs­er­leb­nis­se und sei­ne Jugend ver­ar­bei­tet hat.

Ich den­ke aller­dings nicht, dass Prot­ago­nis­ten, die dem Autor ähneln, immer Alter Egos sind: Um Him­mels Wil­len, wirf mich nicht mit mei­nem aktu­el­len Prot­ago­nis­ten in einen Topf! Der Kerl ist ein Kriegs­ver­bre­cher! Und ich habe auch schon über Figu­ren geschrie­ben, die mir viel weni­ger ähneln. Aber das ändert nichts dar­an, dass ich tat­säch­lich über­wie­gend über intro­ver­tier­te Figu­ren schrei­be oder sol­che, die durch bestimm­te Umstän­de ein­zel­gän­ge­risch gewor­den sind. Und auch ande­re per­sön­li­che Eigen­schaf­ten ver­er­be ich ger­ne, denn:

Gera­de bei Prot­ago­nis­ten muss man doch Gefüh­le und Denk­pro­zes­se glaub­haft dar­stel­len kön­nen. Und natür­lich ver­ar­bei­tet man beim Schrei­ben meis­tens auch – ob man es will oder nicht – sei­ne eige­nen Gedan­ken und Erfah­run­gen. Da ist es nur nach­voll­zieh­bar, dass die Per­sön­lich­keit des Autors zumin­dest auf die Reflek­tor­fi­gur „abfärbt“.

Es kann natür­lich aber auch sein, dass der Autor einen bestimm­ten Figu­ren­typ oder sogar einen bestimm­ten Arche­ty­pen ein­fach fas­zi­nie­rend fin­det und von Geschich­te zu Geschich­te mit sich schleppt:

Ich bei­spiels­wei­se bin – ziem­lich offen­sicht­lich – eine blon­de Frau. Aber – wie vie­le ande­re auch – habe ich eine gewis­se Fas­zi­na­ti­on für „dunk­le Männ­lich­keit“: Geheim­nis­vol­le, dunk­le Typen mit einem Trau­ma und grau­er Moral. Die­sen Arche­typ schlep­pe ich schon eine Wei­le mit mir her­um und wenn ich mein aktu­el­les Pro­jekt nicht mal wie­der ver­wer­fe, dann wird mein Prot­ago­nist mein vor­läu­fi­ger Höhe­punkt bei die­sem The­ma sein.

Nun bin ich bei wei­tem nicht die Autorin des Jahr­hun­derts, aber ich bin mal so dreist zu behaup­ten, dass eine Vor­lie­be für einen bestimm­ten Figu­ren­typ an sich nicht schlimm ist: Wenn ein The­ma einen beschäf­tigt und man es raus­las­sen möch­te, dann ist das so.

Pro­ble­ma­tisch wird es erst, wenn man Roman für Roman die­sel­be Geschich­te erzählt, mit den­sel­ben Figu­ren, nur ande­ren Namen. Denn das bedeu­tet schon, dass man sich nicht wei­ter­ent­wi­ckelt. – Und das ist fatal, denn: Wozu schreibt man dann noch, wenn man eh schon alles gesagt hat, was man zu sagen hatte?

Außer­dem kön­nen meh­re­re Roma­ne mit dem­sel­ben Prot­ago­nis­ten­typ durch­aus inter­es­sant sein. Vor­aus­set­zung ist, dass die Geschich­te, wie bereits ange­deu­tet, eine ande­re ist, sodass die Leser den Typ jedes Mal in einem neu­en Set­ting erle­ben. Außer­dem schließt das Umher­schlep­pen eines Prot­ago­nis­ten­typs eine bun­te Palet­te bei den Neben­fi­gu­ren nicht aus.

So ver­ar­bei­tet Remar­que zum Bei­spiel in den drei ange­spro­che­nen Roma­nen drei unter­schied­li­che Pha­sen sei­ner Jugend und die Neben­fi­gu­ren sind stets unter­schied­lich und schillernd.

Same Face Syndrome innerhalb eines einzigen Werkes

Fatal ist es, wenn das Same Face Syn­dro­me meh­re­re Figu­ren inner­halb eines ein­zi­gen Wer­kes trifft. Das kommt zustan­de, wenn der Autor den Figu­ren ent­we­der kei­ne nen­nens­wer­ten indi­vi­du­el­len Eigen­schaf­ten gibt oder wenn er die indi­vi­du­el­len Eigen­schaf­ten nicht rüber­brin­gen kann.

Das Ergeb­nis ist dann eine Grup­pe von Figu­ren mit der­sel­ben Per­sön­lich­keit, den­sel­ben Wer­ten und den­sel­ben Erfah­run­gen. Dem­entspre­chend sind die­se Figu­ren auch immer einer Mei­nung, haben auf alles die­sel­be Reak­ti­on, es gibt kein Kon­flikt­po­ten­ti­al, jede Figur kann durch eine ande­re ersetzt wer­den und letz­ten Endes fragt man sich, wozu all die­se Figu­ren über­haupt existieren.

Doch so sim­pel und über­schau­bar die­ser Anfän­ger­feh­ler auch klingt: Man kann hier zwei Arten des Same Face Syn­dro­me unterscheiden:

  • Die ers­te Art sind Grup­pen von iden­ti­schen Figu­ren. Wenn das Same Face Syn­dro­me die Hel­den­grup­pe bzw. den Prot­ago­nis­ten und die wich­tigs­ten Neben­fi­gu­ren betrifft, dann ist das eine Kata­stro­phe, denn die Exis­tenz all der Klo­ne des Prot­ago­nis­ten ist nicht gerechtfertigt.
    Man muss jedoch anmer­ken, dass das Same Face Syn­dro­me bei Rand­fi­gu­ren kein Dra­ma ist. In Tol­ki­ens Der Hob­bit zum Bei­spiel sind die meis­ten Zwer­ge nicht von­ein­an­der zu unter­schei­den. Sie sind ein­fach eine Rei­he von Namen, die in der Grup­pe han­deln. Weil es im Hob­bit aber nicht um eine kom­ple­xe Grup­pen­dy­na­mik geht und die ein­zel­nen Per­sön­lich­kei­ten nichts zur Gesamt­ge­schich­te bei­steu­ern wür­den, brau­chen die Zwer­ge auch kei­ne indi­vi­du­el­len Eigen­schaf­ten. Sie sind ein­fach da, um eine Hin­ter­grund­ku­lis­se zu bil­den, und es reicht voll­kom­men aus, wenn ihr Anfüh­rer Tho­rin Eichen­schild eine aus­ge­präg­te Per­sön­lich­keit hat. Es ist natür­lich zu loben, wenn Kli­schees auf­ge­bro­chen wer­den und die Hin­ter­grund­fi­gu­ren eine eige­ne Per­sön­lich­keit bekom­men, aber es soll­te für die Gesamt­ge­schich­te rele­vant sein.
  • Die ande­re Art kann mit der ers­ten Art ein­her­ge­hen oder auch nicht. Es geht dabei um iden­ti­sche Reflek­tor­fi­gu­ren: Wenn eine Geschich­te aus meh­re­ren Per­spek­ti­ven erzählt wird, die man aber gar nicht von­ein­an­der unter­schei­den kann, weil sie die­sel­ben Wer­te, den­sel­ben Cha­rak­ter und die­sel­be Spra­che haben. Das ist denk­bar lang­wei­lig und eigent­lich immer eine Kata­stro­phe.

Same Face Syndrome erkennen und beseitigen

Wenn man nun das Same Face Syn­dro­me – egal, wel­cher Art – über­win­den will, stößt man sehr schnell auf das Haupt­pro­blem: Betriebs­blind­heit.

Denn in Dei­nem Kopf kön­nen die Figu­ren noch so unter­schied­lich und groß­ar­tig sein. Das garan­tiert aber nicht, dass Dein Text das auch rüber­bringt. Ein Leser, der nicht auf das Wis­sen in Dei­nem Kopf zurück­grei­fen kann, hat nur den blo­ßen Text und sei­ne eige­nen Flau­sen. Und Du kannst Dich beim Lesen und Kor­ri­gie­ren Dei­nes Wer­kes nur bedingt in sei­ne Situa­ti­on hin­ein­ver­set­zen, weil Du Dein Hin­ter­grund­wis­sen und Dei­ne Vor­stel­lun­gen nicht ein­fach aus Dei­nem Kopf löschen kannst.

Die ein­zi­ge zuver­läs­si­ge Metho­de, gegen das Same Face Syn­dro­me anzu­ge­hen, sind daher Test­le­ser, die Dei­ner Ziel­grup­pe ent­spre­chen und an Dein Manu­skript unvor­ein­ge­nom­men herangehen.

Nichts­des­to­trotz gibt es eini­ge Metho­den, mit denen Du auch selbst das Same Face Syn­dro­me iden­ti­fi­zie­ren kannst:

  • Betrach­te Dei­ne Figu­ren kri­tisch: Wel­che Arche­ty­pen und Kli­schees ver­kör­pern sie? Hast Du das bewusst so gemacht oder hat es sich von selbst ein­ge­schli­chen? War­um? Und wie unter­schei­den sich Dei­ne Figu­ren von ande­ren Ver­tre­tern ihres Typs? Oder hast Du es mit den Kli­schees viel­leicht doch übertrieben?
  • Über­le­ge bei jeder wich­ti­ge­ren Figur, ob sie wirk­lich ein­zig­ar­tig ist: Was trägt sie zur Geschich­te bei, das nur sie bei­tra­gen kann? Was wür­de pas­sie­ren, wenn man sie weg­lässt? Könn­te eine ande­re Figur einspringen?
  • Set­ze Dich mit Per­sön­lich­keits­mo­del­len aus­ein­an­der und stel­le sicher, dass Dei­ne Figu­ren unter­schied­li­chen Per­sön­lich­keits­ty­pen ent­spre­chen. Behal­te dabei im Auge, was die aus­ge­wähl­ten Per­sön­lich­keits­ty­pen für die Geschich­te bedeu­ten: War­um muss eine Figur die­ser eine Typ sein und kein ande­rer? Und vor allem: Wie hängt das mit den ande­ren Figu­ren zusam­men? Was für eine Dyna­mik erge­ben die unter­schied­li­chen Per­sön­lich­kei­ten der Figu­ren und wel­che Rol­le spielt die­se Dyna­mik in Dei­ner Geschichte?
  • Über­le­ge auch, wor­an der Leser die indi­vi­du­el­len Eigen­schaf­ten der wich­ti­ge­ren Figu­ren erken­nen soll. Stel­len, an denen die Eigen­schaf­ten kon­kret benannt wer­den, zäh­len dabei nicht. Viel­mehr soll­test Du bestimm­te Sze­nen nen­nen kön­nen, in denen eine Figur die ein oder ande­re Eigen­schaft zeigt. Stich­wort: Show, don’t tell!
  • Ach­te dabei auch auf Dia­lo­ge: Die Indi­vi­dua­li­tät eines Men­schen schlägt sich stets auch in sei­ner Art zu spre­chen nie­der. Wie unter­schei­den sich also die „Stim­men“ Dei­ner Figu­ren? Benen­ne kon­kre­te indi­vi­du­el­le Merkmale.

Aber was, wenn Du nun tat­säch­lich Klo­ne ent­deckst? – Figu­ren, die sich nicht von­ein­an­der unter­schei­den? Ich sehe zwei Möglichkeiten:

  • Ers­tens: Dein Werk kom­plett über­ar­bei­ten und allen wich­ti­ge­ren Figu­ren eine indi­vi­du­el­le Per­sön­lich­keit geben.
  • Zwei­tens: Klo­ne strei­chen und ihre Hand­lun­gen Figu­ren mit Per­sön­lich­keit geben oder meh­re­re Klo­ne zu einer ein­zi­gen Figur zusam­men­fas­sen.

Wel­che die­ser Her­an­ge­hens­wei­sen für Dein kon­kre­tes Werk die rich­ti­ge ist, musst Du aber selbst wis­sen. Ich den­ke nicht, dass es da eine all­ge­mein­gül­ti­ge Regel gibt. Schau Dir Dein Manu­skript genau an und ent­schei­de selbst, was in Dei­nem Fall mehr Sinn macht. Viel­leicht kannst du die bei­den Mög­lich­kei­ten ja sogar kombinieren.

Same Face Syndrome vermeiden

Noch bes­ser als das Same Face Syn­dro­me zu iden­ti­fi­zie­ren und zu kor­ri­gie­ren ist, das Same Face Syn­dro­me gar nicht erst auf­kom­men zu las­sen. Das funk­tio­niert aber natür­lich nicht mit ein paar Tipps, die man sofort anwen­den kann, son­dern durch das Aneig­nen von bestimm­ten Gewohn­hei­ten. Die­se wären:

  • Vie­le fik­tio­na­le Wer­ke lesen und gän­gi­ge Arche­ty­pen, Kli­schees und ande­re Mus­ter beob­ach­ten. So ent­wi­ckelst Du ein Gefühl dafür, was es schon gibt, was davon wie funk­tio­niert und wie man damit „spie­len“ kann. Dadurch kannst Du Arche­ty­pen und Kli­schees bewusst anwenden.
  • Auto­bio­gra­fi­sche Wer­ke, Memoi­ren, Brie­fe und ähn­li­che Lite­ra­tur lesen, um die Per­spek­ti­ven und Innen­wel­ten ande­rer Men­schen ken­nen­zu­ler­nen. So basie­ren die drei in die­sem Arti­kel erwähn­ten Roma­ne Remar­ques nicht nur auf den Erfah­run­gen des Autors, son­dern auch auf denen ande­rer Leu­te: Denn im Gegen­satz zu sei­nen Prot­ago­nis­ten ging Remar­que nicht frei­wil­lig an die Front, son­dern wur­de ein­ge­zo­gen, und er hat dort, wie gesagt, nur ein paar Wochen ver­bracht, bevor er ver­wun­det wur­de. Dafür hat er bereits wäh­rend sei­ner Zeit im Laza­rett ande­re Sol­da­ten nach ihren Erleb­nis­sen befragt. Wir im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter haben noch sehr viel mehr Recher­che-Mög­lich­kei­ten und soll­ten sie auch nut­zen. Ein hei­ßer Tipp sind dabei Hil­fe­fo­ren im Inter­net, vor allem zu psy­cho­lo­gi­schen und zwi­schen­mensch­li­chen The­men: Denn hier schrei­ben vie­le unter­schied­li­che Men­schen über ihre Erfah­run­gen und bie­ten einen tie­fen Ein­blick in ihre Gefühls- und Erlebniswelt.
  • Sich regel­mä­ßig mit unter­schied­li­chen Per­sön­lich­keits­mo­del­len aus­ein­an­der­set­zen und psy­cho­lo­gi­sche Lite­ra­tur lesen: Eig­ne Dir theo­re­ti­sches Fach­wis­sen an und nut­ze es, um die recher­chier­ten Per­spek­ti­ven und Innen­wel­ten ande­rer Men­schen bes­ser zu ver­ste­hen. Haben die­se ande­ren Men­schen einen ande­ren Per­sön­lich­keits­typ als Du? Wie unter­schei­det sich ihre Welt­wahr­neh­mung und Emp­fin­dung? Wie kannst Du sie nach­ah­men, um Figu­ren eines ähn­li­chen Typs zu erschaffen?
  • Auch selbst prak­ti­sche Erfah­run­gen machen und mit offe­nen Augen durchs Leben gehen. Denn theo­re­ti­sche Recher­chen sind ja schön und gut, aber es ist von Vor­teil, wenn man auch selbst etwas erlebt hat. Dadurch kann man bes­ser an die Emp­fin­dun­gen ande­rer Men­schen anknüp­fen, sie bes­ser nach­voll­zie­hen, auch wenn sie sich von den eige­nen unter­schei­den mögen, und sie dem­entspre­chend auch bes­ser beschreiben.
  • Sich selbst beob­ach­ten: War­um schreibst Du über die Figu­ren, über die Du schreibst? Gibt es The­men, die Du immer wie­der auf­greifst? War­um tust Du das? Berei­cherst Du Dei­ne Lieb­lings­the­men in Dei­nen Wer­ken jedes Mal um neue Aspek­te? War­um ja oder war­um nein? Was ist es, das aus Dir her­aus­möch­te? Wie kannst Du es ver­ar­bei­ten, um Dich neu­en The­men zuzuwenden?

Schlusswort

Wir hal­ten also fest:

Das Same Face Syn­dro­me ist ein viel­sei­ti­ges Phä­no­men mit einer brei­ten Palet­te an Ursa­chen und Maß­nah­men zu sei­ner Bekämpfung.

Aller­dings ist das Same Face Syn­dro­me aber auch nicht immer und nicht in jeder Form schlecht. Es kommt also viel­mehr dar­auf an, es zu ken­nen und damit bewusst umge­hen zu können.

Dazu muss man anfü­gen, dass es auch noch den per­sön­li­chen Stil eines jeden Autors gibt:

Es ist nicht falsch, sich auf etwas zu spezialisieren.

Ja, Remar­ques Bücher sind sehr melan­cho­lisch. Aber genau das ist eins der Din­ge, die ich an ihnen mag. Und wenn ich auf etwas durch­gän­gig Hei­te­res Lust habe, lese ich eben einen ande­ren Autor.

Wäh­le also ruhig eine Nische, in der Du Dich wohl fühlst. Bloß schrei­be nicht immer kom­plett das Glei­che und ach­te auf eine bun­te Figu­ren-Kon­stel­la­ti­on inner­halb eines ein­zi­gen Werkes.

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