Same Face Syn­drome in Geschichten

Same Face Syn­drome in Geschichten

Wenn die Figuren in einer Geschichte alle die­selbe Per­sön­lich­keit haben, dann ist das lang­weilig. Doch Ähn­lich­keiten zwi­schen Figuren können auch geschich­ten­über­grei­fend auf­treten und das ist nicht immer zu ver­teu­feln. In diesem Artikel klauen wir den Begriff Same Face Syn­drome aus dem Bereich der visu­ellen Medien und wenden ihn auf das Schreiben an: Wie kommt das Same Face Syn­drome in Geschichten zustande, wann und warum ist das schlecht und wie kann man ihm ent­ge­gen­wirken?

Die Folien für dieses Video gibt es für Steady-Abon­nenten und Kanal­mitglieder auf You­Tube als PDF zum Down­load.

Wie ein­zig­artig sind die Helden in Deiner Geschichte? – Eins der mar­kan­testen Merk­male eines uner­fah­renen Autors sind Figuren, die man kaum von­ein­ander unter­scheiden kann. Wenn es um die visu­elle Dar­stel­lung von Figuren geht – also durch Zeichnen, Malen, 3D-Design etc. – spricht man bei extrem ähn­li­chen Figuren vom Same Face Syn­drome. Und ich denke, man kann diesen Begriff auch auf das Schreiben über­tragen – auch wenn es dabei mehr um die Per­sön­lich­keit einer Figur geht, weil das Schreiben ja kein visu­elles Medium ist.

Span­nend an diesem Thema ist auch, dass gleich meh­rere Zuschauer des zu dieser Web­seite gehö­renden You­Tube-Kanals das Pro­blem unab­hängig von­ein­ander ange­spro­chen haben, und dieser Artikel auch spe­ziell durch einen Kom­mentar von Story Picker inspi­riert wurde. Und auch Mit­glieder der Krea­tiv­Crew, die mit dem Begriff etwas anfangen konnten, haben sich aus­führ­lich dazu geäu­ßert. Ich bin daher bei weitem nicht die Ein­zige, die das Same Face Syn­drome in Geschichten beob­achtet. Und den­noch habe ich nur ein Video gefunden, in dem über dieses Phä­nomen beim Schreiben gespro­chen wird.

Kor­ri­gieren wir also diesen Umstand!

Defi­ni­tion

Der Begriff stammt, wie bereits erwähnt, aus den visu­ellen Medien. Bei seinem Gebrauch lassen sich jedoch zwei Kate­go­rien beob­achten:

  • Die erste Kate­gorie ist all­ge­mei­nerer Natur. Schau Dir bei­spiels­weise die Prot­ago­nisten von Video­spielen an: Ein sehr großer Teil von ihnen sind weiße Männer, die optisch extrem stark dem heu­tigen Männ­lich­keits­ideal ent­spre­chen mit ihrem mus­ku­lösen Kör­perbau, der tiefen Stimme und dem breiten Kiefer.
    Es geht also um das Auf­greifgen von bestimmten Arche­typen und Kli­schees.
  • Die zweite Kate­gorie ist spe­zi­eller auf den Künstler bezogen und ist auch das, was mit Same Face Syn­drome meis­tens gemeint ist: Wenn man die Figuren eines Künst­lers kom­plett nackt aus­zieht, ihnen die Frisur weg­ra­siert und iden­ti­sche Kon­takt­linsen ein­setzt, kann man sie nicht mehr von­ein­ander unter­scheiden.
    Es geht also buch­stäb­lich darum, dass ein Künstler offenbar nicht in der Lage oder gewillt ist, den Figuren ver­schie­dene Gesichts­züge und Kör­per­s­ta­turen zu geben.

Die Ursa­chen für das Same Face Syn­drome in den visu­ellen Medien rei­chen von

  • Mar­ke­ting­ent­schei­dungen, weil das Publikum eine bestimmte Optik bei den Figuren bevor­zugt oder angeb­lich bevor­zugt,
  • über pro­duk­ti­ons­spe­zi­fi­sche Ursa­chen, weil Figuren mit iden­ti­schen Gesichts­zügen und Kör­pern bil­liger und schneller zu ani­mieren sind,
  • bis hin zu banaler Unfä­hig­keit, weil der Künstler ein Anfänger ist und nur einen Typ von Figur zeichnen kann.

Nun lässt sich all das aber auch auf das Schreiben über­tragen. Spe­ziell würde ich hier zwi­schen drei Typen des Same Face Syn­drome unter­scheiden, von denen aber nur einer wirk­lich schlimm ist, wäh­rend die anderen beiden unter Umständen sogar eine Daseins­be­rech­ti­gung haben.

Arche­typen und Kli­schees

Die viel­leicht all­ge­meinste Form des Same Face Syn­drome in Geschichten sind Arche­typen und Kli­schees: Figuren, die gefühlt von Geschichte zu Geschichte wan­dern, manchmal sogar im Ver­lauf von Jahr­hun­derten und Jahr­tau­senden.

Klas­si­sches Bei­spiel:

Der weise, alte Mann mit langem Bart, mys­te­riöser Ver­gan­gen­heit und oft magi­scher Bega­bung.

Ich bin Tol­kien-Fan seit 1995. Als „Harry Potter“ her­auskam, emp­fand ich Dum­ble­dore tat­säch­lich als Gan­dalf-Klon. Tat­sache ist jedoch, dass ein­fach beide die­selben uralten Kli­schees ver­kör­pern, die wir bei­spiels­weise auch schon von Sagen­ge­stalten wie Merlin her kennen.

Autoren beein­flussen sich gegen­seitig und so ist es nur natür­lich, dass sich mit der Zeit gewisse Trends oder beliebte Muster abzeichnen. Es ist auch nicht falsch, sich an bereits exis­tie­renden Mus­tern, Arche­typen und Kli­schees zu bedienen. Denn oft gibt es einen Grund, warum sie so gut funk­tio­nieren.

Wichtig ist bei Arche­typen und Kli­schees ein­fach, dass eine Figur mehr bietet als eine bloße Ver­kör­pe­rung eines beliebten Mus­ters. Denn wenn eine Figur nichts Neues mit sich bringt und nur eine nackte Ansamm­lung von Kli­schees dar­stellt, dann ist sie bes­ten­falls lang­weilig und schlimms­ten­falls nervig.

Dass Figuren wie Gan­dalf und Dum­ble­dore trotz aller Kli­schees funk­tio­nieren, liegt daran, dass die Kli­schees eben nur ober­fläch­lich sind. Wir sehen einen weisen, alten Zau­berer mit langem Bart und mys­te­riöser Ver­gan­gen­heit und können ihn somit schnell und zuver­lässig zuordnen: Er ist der Mentor des Helden und ein mäch­tiger Ver­bün­deter. Gleich­zeitig sind Gan­dalf und Dum­ble­dore aber auch fest in ihren jewei­ligen fik­tiven Welten ver­an­kert und haben sehr indi­vi­du­elle Eigen­schaften: Gan­dalf ent­puppt sich als eine Art gött­li­ches Wesen, das noch vor der Erschaf­fung der Welt exis­tierte, und Dum­ble­dore ist ein hoch­be­gabter Sterb­li­cher, der in seiner Ver­gan­gen­heit viele furcht­bare Fehler gemacht hat.

Eine Vor­liebe für bestimmte Prot­ago­nisten

In einem Kom­mentar zu meinem Video zum Myers-Briggs-Typen­in­di­kator, schrieb Odin All­vater, dass viele seiner Haupt­fi­guren einen ähn­li­chen Per­sön­lich­keitstyp haben wie er selbst. Auch andere machen sich über diesen Punkt Gedanken und auch ich selbst kann von meinem aktu­ellen Pro­jekt sagen: Ich bin ein INFJ, mein Prot­ago­nist ist ein INTJ.

Mehr noch, das Phä­nomen meine ich sogar bei einigen Büchern meines Lieb­lings­au­tors Erich Maria Remarque zu beob­achten:

In Im Westen nichts Neues erlebt Paul Bäumer den Ersten Welt­krieg, ebenso wie Remarque selbst zumin­dest ein paar Wochen an der West­front ver­bracht hat. Man beachte auch, dass Remarque eigent­lich Erich Paul Remark hieß und der Geburts­name seiner Groß­mutter Bäumer war. Weil Paul Bäumer den Krieg nicht über­lebt, geht es in Der Weg zurück mit Ernst Birk­holz weiter. Dieser findet sich nach dem Krieg im zivilen Leben nicht mehr zurecht, wird Lehrer, schmeißt den Beruf aber schon bald wieder hin – eben­falls auto­bio­gra­fisch. In Der Schwarze Obe­lisk, der zumin­dest ursprüng­lich als Fort­set­zung von Der Weg zurück geplant war und sich auch immer noch so liest, heißt der Prot­ago­nist Ludwig Bodmer: Auch er hat im Ersten Welt­krieg an der West­front gekämpft, den Leh­rer­beruf hin­ge­schmissen und auch wei­tere auto­bio­gra­fi­sche Ele­mente seines Schöp­fers geerbt. Paul, Ernst und Ludwig waren vor dem Krieg schwär­me­ri­sche, ver­träumte Naturen, wurden im Krieg trau­ma­ti­siert und Paul und Ludwig haben bzw. hatten – ebenso wie Remarque selbst – eine krebs­kranke Mutter. Natür­lich habe ich Remarque nicht per­sön­lich gekannt, aber soweit ich mit seiner Bio­grafie ver­traut bin, wirken Paul, Ernst und Ludwig wie Alter Egos des Autors, mit deren Hilfe Remarque seine Kriegs­er­leb­nisse und seine Jugend ver­ar­beitet hat.

Ich denke aller­dings nicht, dass Prot­ago­nisten, die dem Autor ähneln, immer Alter Egos sind: Um Him­mels Willen, wirf mich nicht mit meinem aktu­ellen Prot­ago­nisten in einen Topf! Der Kerl ist ein Kriegs­ver­bre­cher! Und ich habe auch schon über Figuren geschrieben, die mir viel weniger ähneln. Aber das ändert nichts daran, dass ich tat­säch­lich über­wie­gend über intro­ver­tierte Figuren schreibe oder solche, die durch bestimmte Umstände ein­zel­gän­ge­risch geworden sind. Und auch andere per­sön­liche Eigen­schaften ver­erbe ich gerne, denn:

Gerade bei Prot­ago­nisten muss man doch Gefühle und Denk­pro­zesse glaub­haft dar­stellen können. Und natür­lich ver­ar­beitet man beim Schreiben meis­tens auch – ob man es will oder nicht – seine eigenen Gedanken und Erfah­rungen. Da ist es nur nach­voll­ziehbar, dass die Per­sön­lich­keit des Autors zumin­dest auf die Reflek­tor­figur „abfärbt“.

Es kann natür­lich aber auch sein, dass der Autor einen bestimmten Figu­rentyp oder sogar einen bestimmten Arche­typen ein­fach fas­zi­nie­rend findet und von Geschichte zu Geschichte mit sich schleppt:

Ich bei­spiels­weise bin – ziem­lich offen­sicht­lich – eine blonde Frau. Aber – wie viele andere auch – habe ich eine gewisse Fas­zi­na­tion für „dunkle Männ­lich­keit“: Geheim­nis­volle, dunkle Typen mit einem Trauma und grauer Moral. Diesen Archetyp schleppe ich schon eine Weile mit mir herum und wenn ich mein aktu­elles Pro­jekt nicht mal wieder ver­werfe, dann wird mein Prot­ago­nist mein vor­läu­figer Höhe­punkt bei diesem Thema sein.

Nun bin ich bei weitem nicht die Autorin des Jahr­hun­derts, aber ich bin mal so dreist zu behaupten, dass eine Vor­liebe für einen bestimmten Figu­rentyp an sich nicht schlimm ist: Wenn ein Thema einen beschäf­tigt und man es raus­lassen möchte, dann ist das so.

Pro­ble­ma­tisch wird es erst, wenn man Roman für Roman die­selbe Geschichte erzählt, mit den­selben Figuren, nur anderen Namen. Denn das bedeutet schon, dass man sich nicht wei­ter­ent­wi­ckelt. – Und das ist fatal, denn: Wozu schreibt man dann noch, wenn man eh schon alles gesagt hat, was man zu sagen hatte?

Außerdem können meh­rere Romane mit dem­selben Prot­ago­nis­tentyp durchaus inter­es­sant sein. Vor­aus­set­zung ist, dass die Geschichte, wie bereits ange­deutet, eine andere ist, sodass die Leser den Typ jedes Mal in einem neuen Set­ting erleben. Außerdem schließt das Umher­schleppen eines Prot­ago­nis­ten­typs eine bunte Palette bei den Neben­fi­guren nicht aus.

So ver­ar­beitet Remarque zum Bei­spiel in den drei ange­spro­chenen Romanen drei unter­schied­liche Phasen seiner Jugend und die Neben­fi­guren sind stets unter­schied­lich und schil­lernd.

Same Face Syn­drome inner­halb eines ein­zigen Werkes

Fatal ist es, wenn das Same Face Syn­drome meh­rere Figuren inner­halb eines ein­zigen Werkes trifft. Das kommt zustande, wenn der Autor den Figuren ent­weder keine nen­nens­werten indi­vi­du­ellen Eigen­schaften gibt oder wenn er die indi­vi­du­ellen Eigen­schaften nicht rüber­bringen kann.

Das Ergebnis ist dann eine Gruppe von Figuren mit der­selben Per­sön­lich­keit, den­selben Werten und den­selben Erfah­rungen. Dem­entspre­chend sind diese Figuren auch immer einer Mei­nung, haben auf alles die­selbe Reak­tion, es gibt kein Kon­flikt­po­ten­tial, jede Figur kann durch eine andere ersetzt werden und letzten Endes fragt man sich, wozu all diese Figuren über­haupt exis­tieren.

Doch so simpel und über­schaubar dieser Anfän­ger­fehler auch klingt: Man kann hier zwei Arten des Same Face Syn­drome unter­scheiden:

  • Die erste Art sind Gruppen von iden­ti­schen Figuren. Wenn das Same Face Syn­drome die Hel­den­gruppe bzw. den Prot­ago­nisten und die wich­tigsten Neben­fi­guren betrifft, dann ist das eine Kata­strophe, denn die Exis­tenz all der Klone des Prot­ago­nisten ist nicht gerecht­fer­tigt.
    Man muss jedoch anmerken, dass das Same Face Syn­drome bei Rand­fi­guren kein Drama ist. In Tol­kiens Der Hobbit zum Bei­spiel sind die meisten Zwerge nicht von­ein­ander zu unter­scheiden. Sie sind ein­fach eine Reihe von Namen, die in der Gruppe han­deln. Weil es im Hobbit aber nicht um eine kom­plexe Grup­pen­dy­namik geht und die ein­zelnen Per­sön­lich­keiten nichts zur Gesamt­ge­schichte bei­steuern würden, brau­chen die Zwerge auch keine indi­vi­du­ellen Eigen­schaften. Sie sind ein­fach da, um eine Hin­ter­grund­ku­lisse zu bilden, und es reicht voll­kommen aus, wenn ihr Anführer Thorin Eichen­schild eine aus­ge­prägte Per­sön­lich­keit hat. Es ist natür­lich zu loben, wenn Kli­schees auf­ge­bro­chen werden und die Hin­ter­grund­fi­guren eine eigene Per­sön­lich­keit bekommen, aber es sollte für die Gesamt­ge­schichte rele­vant sein.
  • Die andere Art kann mit der ersten Art ein­her­gehen oder auch nicht. Es geht dabei um iden­ti­sche Reflek­tor­fi­guren: Wenn eine Geschichte aus meh­reren Per­spek­tiven erzählt wird, die man aber gar nicht von­ein­ander unter­scheiden kann, weil sie die­selben Werte, den­selben Cha­rakter und die­selbe Sprache haben. Das ist denkbar lang­weilig und eigent­lich immer eine Kata­strophe.

Same Face Syn­drome erkennen und besei­tigen

Wenn man nun das Same Face Syn­drome – egal, wel­cher Art – über­winden will, stößt man sehr schnell auf das Haupt­pro­blem: Betriebs­blind­heit.

Denn in Deinem Kopf können die Figuren noch so unter­schied­lich und groß­artig sein. Das garan­tiert aber nicht, dass Dein Text das auch rüber­bringt. Ein Leser, der nicht auf das Wissen in Deinem Kopf zurück­greifen kann, hat nur den bloßen Text und seine eigenen Flausen. Und Du kannst Dich beim Lesen und Kor­ri­gieren Deines Werkes nur bedingt in seine Situa­tion hin­ein­ver­setzen, weil Du Dein Hin­ter­grund­wissen und Deine Vor­stel­lungen nicht ein­fach aus Deinem Kopf löschen kannst.

Die ein­zige zuver­läs­sige Methode, gegen das Same Face Syn­drome anzu­gehen, sind daher Test­leser, die Deiner Ziel­gruppe ent­spre­chen und an Dein Manu­skript unvor­ein­ge­nommen her­an­gehen.

Nichts­des­to­trotz gibt es einige Methoden, mit denen Du auch selbst das Same Face Syn­drome iden­ti­fi­zieren kannst:

  • Betrachte Deine Figuren kri­tisch: Welche Arche­typen und Kli­schees ver­kör­pern sie? Hast Du das bewusst so gemacht oder hat es sich von selbst ein­ge­schli­chen? Warum? Und wie unter­scheiden sich Deine Figuren von anderen Ver­tre­tern ihres Typs? Oder hast Du es mit den Kli­schees viel­leicht doch über­trieben?
  • Über­lege bei jeder wich­ti­geren Figur, ob sie wirk­lich ein­zig­artig ist: Was trägt sie zur Geschichte bei, das nur sie bei­tragen kann? Was würde pas­sieren, wenn man sie weg­lässt? Könnte eine andere Figur ein­springen?
  • Setze Dich mit Per­sön­lich­keits­mo­dellen aus­ein­ander und stelle sicher, dass Deine Figuren unter­schied­li­chen Per­sön­lich­keits­typen ent­spre­chen. Behalte dabei im Auge, was die aus­ge­wählten Per­sön­lich­keits­typen für die Geschichte bedeuten: Warum muss eine Figur dieser eine Typ sein und kein anderer? Und vor allem: Wie hängt das mit den anderen Figuren zusammen? Was für eine Dynamik ergeben die unter­schied­li­chen Per­sön­lich­keiten der Figuren und welche Rolle spielt diese Dynamik in Deiner Geschichte?
  • Über­lege auch, woran der Leser die indi­vi­du­ellen Eigen­schaften der wich­ti­geren Figuren erkennen soll. Stellen, an denen die Eigen­schaften kon­kret benannt werden, zählen dabei nicht. Viel­mehr soll­test Du bestimmte Szenen nennen können, in denen eine Figur die ein oder andere Eigen­schaft zeigt. Stich­wort: Show, don’t tell!
  • Achte dabei auch auf Dia­loge: Die Indi­vi­dua­lität eines Men­schen schlägt sich stets auch in seiner Art zu spre­chen nieder. Wie unter­scheiden sich also die „Stimmen“ Deiner Figuren? Benenne kon­krete indi­vi­du­elle Merk­male.

Aber was, wenn Du nun tat­säch­lich Klone ent­deckst? – Figuren, die sich nicht von­ein­ander unter­scheiden? Ich sehe zwei Mög­lich­keiten:

  • Ers­tens: Dein Werk kom­plett über­ar­beiten und allen wich­ti­geren Figuren eine indi­vi­du­elle Per­sön­lich­keit geben.
  • Zwei­tens: Klone strei­chen und ihre Hand­lungen Figuren mit Per­sön­lich­keit geben oder meh­rere Klone zu einer ein­zigen Figur zusam­men­fassen.

Welche dieser Her­an­ge­hens­weisen für Dein kon­kretes Werk die rich­tige ist, musst Du aber selbst wissen. Ich denke nicht, dass es da eine all­ge­mein­gül­tige Regel gibt. Schau Dir Dein Manu­skript genau an und ent­scheide selbst, was in Deinem Fall mehr Sinn macht. Viel­leicht kannst du die beiden Mög­lich­keiten ja sogar kom­bi­nieren.

Same Face Syn­drome ver­meiden

Noch besser als das Same Face Syn­drome zu iden­ti­fi­zieren und zu kor­ri­gieren ist, das Same Face Syn­drome gar nicht erst auf­kommen zu lassen. Das funk­tio­niert aber natür­lich nicht mit ein paar Tipps, die man sofort anwenden kann, son­dern durch das Aneignen von bestimmten Gewohn­heiten. Diese wären:

  • Viele fik­tio­nale Werke lesen und gän­gige Arche­typen, Kli­schees und andere Muster beob­achten. So ent­wi­ckelst Du ein Gefühl dafür, was es schon gibt, was davon wie funk­tio­niert und wie man damit „spielen“ kann. Dadurch kannst Du Arche­typen und Kli­schees bewusst anwenden.
  • Auto­bio­gra­fi­sche Werke, Memoiren, Briefe und ähn­liche Lite­ratur lesen, um die Per­spek­tiven und Innen­welten anderer Men­schen ken­nen­zu­lernen. So basieren die drei in diesem Artikel erwähnten Romane Remar­ques nicht nur auf den Erfah­rungen des Autors, son­dern auch auf denen anderer Leute: Denn im Gegen­satz zu seinen Prot­ago­nisten ging Remarque nicht frei­willig an die Front, son­dern wurde ein­ge­zogen, und er hat dort, wie gesagt, nur ein paar Wochen ver­bracht, bevor er ver­wundet wurde. Dafür hat er bereits wäh­rend seiner Zeit im Laza­rett andere Sol­daten nach ihren Erleb­nissen befragt. Wir im Infor­ma­ti­ons­zeit­alter haben noch sehr viel mehr Recherche-Mög­lich­keiten und sollten sie auch nutzen. Ein heißer Tipp sind dabei Hil­fe­foren im Internet, vor allem zu psy­cho­lo­gi­schen und zwi­schen­mensch­li­chen Themen: Denn hier schreiben viele unter­schied­liche Men­schen über ihre Erfah­rungen und bieten einen tiefen Ein­blick in ihre Gefühls- und Erleb­nis­welt.
  • Sich regel­mäßig mit unter­schied­li­chen Per­sön­lich­keits­mo­dellen aus­ein­an­der­setzen und psy­cho­lo­gi­sche Lite­ratur lesen: Eigne Dir theo­re­ti­sches Fach­wissen an und nutze es, um die recher­chierten Per­spek­tiven und Innen­welten anderer Men­schen besser zu ver­stehen. Haben diese anderen Men­schen einen anderen Per­sön­lich­keitstyp als Du? Wie unter­scheidet sich ihre Welt­wahr­neh­mung und Emp­fin­dung? Wie kannst Du sie nach­ahmen, um Figuren eines ähn­li­chen Typs zu erschaffen?
  • Auch selbst prak­ti­sche Erfah­rungen machen und mit offenen Augen durchs Leben gehen. Denn theo­re­ti­sche Recher­chen sind ja schön und gut, aber es ist von Vor­teil, wenn man auch selbst etwas erlebt hat. Dadurch kann man besser an die Emp­fin­dungen anderer Men­schen anknüpfen, sie besser nach­voll­ziehen, auch wenn sie sich von den eigenen unter­scheiden mögen, und sie dem­entspre­chend auch besser beschreiben.
  • Sich selbst beob­achten: Warum schreibst Du über die Figuren, über die Du schreibst? Gibt es Themen, die Du immer wieder auf­greifst? Warum tust Du das? Berei­cherst Du Deine Lieb­lings­themen in Deinen Werken jedes Mal um neue Aspekte? Warum ja oder warum nein? Was ist es, das aus Dir her­aus­möchte? Wie kannst Du es ver­ar­beiten, um Dich neuen Themen zuzu­wenden?

Schluss­wort

Wir halten also fest:

Das Same Face Syn­drome ist ein viel­sei­tiges Phä­nomen mit einer breiten Palette an Ursa­chen und Maß­nahmen zu seiner Bekämp­fung.

Aller­dings ist das Same Face Syn­drome aber auch nicht immer und nicht in jeder Form schlecht. Es kommt also viel­mehr darauf an, es zu kennen und damit bewusst umgehen zu können.

Dazu muss man anfügen, dass es auch noch den per­sön­li­chen Stil eines jeden Autors gibt:

Es ist nicht falsch, sich auf etwas zu spe­zia­li­sieren.

Ja, Remar­ques Bücher sind sehr melan­cho­lisch. Aber genau das ist eins der Dinge, die ich an ihnen mag. Und wenn ich auf etwas durch­gängig Hei­teres Lust habe, lese ich eben einen anderen Autor.

Wähle also ruhig eine Nische, in der Du Dich wohl fühlst. Bloß schreibe nicht immer kom­plett das Gleiche und achte auf eine bunte Figuren-Kon­stel­la­tion inner­halb eines ein­zigen Werkes.

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