Plotter, Pantser und alles dazwi­schen

Plotter, Pantser und alles dazwi­schen

Manche Autoren plotten ihre Geschichten im Voraus, andere ent­de­cken sie erst mitten im Schreib­pro­zess. Die meisten sind irgendwo dazwi­schen. Alle Ansätze haben ihre Vor- und Nach­teile und man sollte seinen Typ kennen, um bewusst von seinen Stärken pro­fi­tieren zu können. Möge dieser Artikel ein Ori­en­tie­rungs­punkt für Dich sein!

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Wenn es um den Schreib­pro­zess geht, scheint es zwei Typen von Autoren zu geben: Plotter und Pantser. Das heißt: Autoren, die die Hand­lung durch­planen, bevor mit dem Schreiben anfangen, und Autoren, die die Geschichte erst wäh­rend des Schrei­bens „ent­de­cken“.

Beide Typen haben ihre Vor- und Nach­teile und sind außerdem auch keine Typen, son­dern viel­mehr zwei Enden eines Spek­trums.

Des­wegen ist es manchmal auch schwer, sich selbst richtig ein­zu­ordnen: Die meisten von uns haben von beidem etwas. Dabei ist es durchaus wichtig, seinen „Typ“ und dem­entspre­chend auch seine Bedürf­nisse beim Schreiben zu kennen:

Denn diese „Grund­kon­fi­gu­ra­tion“ eines Autors beein­flusst, welche Pro­bleme man beim Schreiben hat, wie man sie über­windet und wie man mit Schreib­tipps umgehen sollte.

Des­wegen spre­chen wir in diesem Artikel über Plotter und Pantser und wie man das Beste aus seinem „Typ“ macht.

Das Spek­trum

Beginnen wir mit einer Beschrei­bung der beiden Typen, die ja, wie bereits erwähnt, eigent­lich nur die beiden Extrem­punkte auf einer Skala sind. Das heißt:

Ja, es gibt ein­deu­tige Plotter und Pantser, aber die meisten Autoren dürften Misch­wesen sein.

Erwarte des­wegen nicht, Dich in einem der beiden Typen kom­plett wie­der­zu­er­kennen. Viel­mehr geht es darum, in welche Rich­tung man mehr ten­diert.

Plotter

Der Begriff „Plotter“ kommt – wer hätte das gedacht? – vom Wort „Plot“ und bedeutet somit, dass jemand beim Erschaffen einer Geschichte von der Hand­lung aus­geht bzw. dass die Hand­lung bereits fest­steht, wenn der Plotter zu schreiben anfängt.

Soll heißen: Der ide­al­ty­pi­sche Plotter plant jedes noch so kleine Detail einer Geschichte im Voraus. Hand­lung, Twists, Andeu­tungen, Sym­bole, Meta­phern, was auch immer. Das ist auch bitter nötig, denn ohne einen festen Plan im Kopf – oder in den Stich­punkten in seinen Notizen – kann er ein­fach nicht schreiben. Er muss immer genau wissen, was er gerade zu Papier bringt und warum.

Die Geschichte im Kopf des Plot­ters ist – wenn er ein guter Autor ist – bereits aus­ge­reift und er braucht sie „nur noch“ nie­der­zu­schreiben. Damit weiß der Plotter eigent­lich immer, was er gerade zu schreiben hat, und bleibt nicht ratlos an irgend­wel­chen Szenen oder Sätzen hängen und ist weniger anfällig für Schreib­blo­ckaden.

Der Nach­teil ist, dass mit einem festen Plan eine gerin­gere Fle­xi­bi­lität ein­her­geht. Wenn ein Detail auf halbem Weg geän­dert werden muss, dann muss auch gleich der kom­plette Plan ent­spre­chend ange­passt werden. Auch läuft ein Plotter eher Gefahr, dass die Figuren vor allem „mecha­nisch“ dem Plot dienen und ihre Emo­tionen sich beim Lesen etwas „starr“ bzw. „robo­ter­haft“ anfühlen. Dass die Gefühle und das Ver­halten einer Figur also nicht orga­nisch aus der Szene heraus ent­stehen, son­dern weil die Figur auf eine bestimmte Weise fühlen, denken und han­deln muss, damit der Plot funk­tio­niert.

Pantser

Der Begriff „Pantser“ kommt von der eng­li­schen Rede­wen­dung „to fly by the seat of one’s pants“, die so viel bedeutet wie: „aus dem Bauch(gefühl) heraus han­deln“. Eine alter­na­tive Bezeich­nung ist dis­co­very writer, also Ent­de­ckungs­autor. Gemeint ist also ein Autor, der ohne Plan, aus dem Bauch heraus zu schreiben anfängt, und die Geschichte erst wäh­rend des Schrei­bens ent­deckt.

Soll heißen: Da gibt es einen Funken von Inspi­ra­tion, der den Autor „juckt“, ein Satz viel­leicht, eine Szene, eine Figur … Und der Autor setzt sich hin, beginnt zu schreiben und schaut, was dabei her­aus­kommt. Nach Plan schreiben wie der Plotter kann er nicht, denn wenn der Pantser weiß, wie die Geschichte wei­ter­geht, ver­liert er schnell das Inter­esse am Schreiben. Oder er schmeißt den Plan ständig um, sodass es keinen Sinn macht, über­haupt erst einen zu machen.

Wenn der Pantser seine Visionen gut in Worte fassen kann, lesen sich seine Geschichten ten­den­ziell sehr „lebendig“. Die Gefühle, Gedanken und Hand­lungen der Figuren ent­stehen ganz orga­nisch aus der Szene heraus und die Gefühle des Autors, der „Funke von Inspi­ra­tion“, sind im Text sehr spürbar.

Der Nach­teil ist, dass man sich ohne Plan schnell ver­irrt oder in eine Sack­gasse manö­vriert. Es kann also pas­sieren, dass der Pantser irgend­wann vor seinem Text sitzt und keine Ahnung hat, wie es wei­ter­gehen soll. Schlimms­ten­falls macht keine seiner Ideen Sinn und/oder er merkt, dass seine Geschichte nur noch ein ein­ziges, ver­hed­dertes Chaos ist. Und sollte er sein Manu­skript doch noch beenden, muss mit größter Wahr­schein­lich­keit sehr viel über­ar­beitet werden, damit die Geschichte ein kohä­rentes Ganzes bildet.

Zwi­schen­formen und Selbst­ein­schät­zung

So viel zu den Extrem­formen. Doch die meisten Autoren liegen, wie gesagt, irgendwo dazwi­schen. Der exakte Mit­tel­punkt wäre, wenn man als Autor mit einer Vor­stel­lung vom Gesamt­plot zu schreiben anfängt, aber nicht viel kon­kret plant.

Wie findet man also heraus, ob man nun Plotter oder Pantser ist? Vor allem, wenn man eben gewis­ser­maßen beides macht, aber nichts von beidem in Extrem­form?

Ich wie­der­hole mich, aber: Es kommt wirk­lich vor allem darauf an, welche Seite über­wiegt. Doch das ist oft schwer ein­zu­schätzen, weil man teil­weise nicht weiß, wie man all seine ein­zelnen Ver­hal­tens­weisen beim Schreiben gewichten soll. Unter Umständen führt das sogar zur völ­ligen Fehl­ein­schät­zung. So habe ich mich zum Bei­spiel lange Zeit eher für einen Plotter gehalten, bin mitt­ler­weile aber sicher, dass ich ein Pantser bin.

Damit Du Dich nicht in Deiner Selbst­ein­schät­zung ver­irrst, emp­fehle ich, mög­lichst nur auf das Grund­le­gendste zu schauen:

Hast Du einen Plan und wie gehst Du damit um? Hältst Du ihn im Großen und Ganzen ein oder siehst Du ihn nur als grobe Richt­linie bzw. eine vor­läu­fige Idee?

  • Wie detail­liert planst Du Deine Geschichten? Arbei­test Du Details und Kau­sal­ver­hält­nisse heraus (eher Plotter) oder hast Du ein­fach nur Szenen im Kopf, die irgend­wann im spä­teren Ver­lauf irgendwie pas­sieren sollen (eher Pantser)?
  • Hältst Du dich mehr oder weniger streng an Deinen Plan (eher Plotter) oder schmeißt Du ihn auf halbem Weg gerne um und/oder änderst sogar das Ende ins Gegen­teil (eher Pantser)?
  • Bist Du miss­trau­isch gegen­über spon­tanen Ideen (eher Plotter) oder bin­dest Du sie ein, selbst wenn sie die Geschichte in eine völlig andere Rich­tung lenken (eher Pantser)?
  • Und so weiter und so fort …

Auch kannst Du beob­achten, wie „fruchtbar“ Deine aktu­elle Her­an­ge­hens­weise ist:

  • Wenn Du oft vor einem leeren Blatt oder Word-Doku­ment sitzt und nicht weißt, was Du schreiben sollst, könn­test Du viel­leicht pro­bieren zu planen. Denn das kann ein Hin­weis sein, dass Du eben kein Pantser bist, son­dern ein Plotter.
  • Wenn Du vor dem Schreiben aus­führ­lich plot­test, danach aber, wenn Du Worte zu Papier bringen willst, plötz­lich „die Luft raus ist“, obwohl Du genau weißt, was Du schreiben willst, dann bist du ver­mut­lich kein Plotter, son­dern ein Pantser. Viel­leicht hilft es ja, wenn Du Deinen Plan weniger detail­liert machst und den Rest erst beim Schreiben ent­deckst?

Bitte ver­wechsle Deinen Typ auch nicht mit banaler Dis­zi­plin­lo­sig­keit. Wenn Du immer nur auf Deine „Muse“, auf den „Funken von Inspi­ra­tion“, war­test, ist es kein Wunder, wenn Du schlecht vor­an­kommst. Gerade Pantser tappen in diese Falle, aber da die meisten Autoren ja Misch­wesen sind, sind auch die Plotter nicht kom­plett davor sicher: Die meisten von uns kennen das, wenn wir uns zum Schreiben hin­setzen, aber etwas uns ein­fach blo­ckiert. Ich habe schon länger über einen Artikel über Schreib­blo­ckaden nach­ge­dacht, wo ich ein paar Tipps teilen würde, wie man dagegen ankämpfen kann. Daher hebe ich mir dieses Thema für nächstes Jahr auf und begnüge mich an dieser Stelle mit dem wohl wich­tigsten Tipp:

Setze Dich auf Deine vier Buch­staben und schreib. Egal, ob es gut wird oder nicht. Über­ar­beiten kannst Du später immer noch. Haupt­sache, am Ende der Schreib­ses­sion steht da was. Sei es auch nur ein ein­ziger Absatz. Solange Du irgend­etwas geschrieben hast, sei stolz auf Dich und mach Dir auf keinen Fall Vor­würfe, es sei zu wenig.

Modell von Ellen Brock: 4 Typen

Eine regel­rechte Offen­ba­rung und ent­schei­dende Hilfe bei der Selbst­ein­schät­zung war für mich das Modell von Ellen Brock, einer US-ame­ri­ka­ni­schen Lek­torin und You­Tuberin. Sie unter­scheidet zwi­schen vier Typen von Autoren, da sie neben Plot­tern und Pantsern noch ein zweites Spek­trum ein­führt: die Oppo­si­tion von intui­tivem und metho­do­lo­gi­schem Schreiben.

  • Autoren mit einer extremen intui­tiven Aus­prä­gung plotten und über­ar­beiten ihre Manu­skripte „nach Gefühl“. Sie denken also eher emo­tional statt logisch und fühlen sich durch Theo­rien, Modelle, Struk­turen etc. eher ein­ge­schränkt.
  • Autoren mit einer extrem metho­do­lo­gi­schen Aus­prä­gung hin­gegen halten sehr viel von Theo­rien, Modellen, Struk­turen etc., sie kennen sie, wenden sie gerne an und emp­finden sie als hilf­reich. Sie denken also vor allem logisch und stra­te­gisch und wenn sie ver­su­chen, etwas intuitiv zu machen, dann kommen eher fade, ziel­lose Geschichten bei heraus.

Wie auch bei Plot­tern und Pantsern ist der Über­gang zwi­schen diesen beiden Extremen flie­ßend. Und in Kom­bi­na­tion mit den Plot­tern und Pantsern ergeben sich die bereits ange­kün­digten vier Typen.

Intui­tiver Pantser

Die Extrem­form des intui­tiven Pantsers ist die Ver­kör­pe­rung des roman­ti­sierten Schrift­steller-Kli­schees: Er hat keinen Plan, aber dafür krea­tive, ori­gi­nelle Ideen und weiß im Grunde nicht, was er tut, macht intuitiv aber alles richtig. Er setzt sich ein­fach hin, schreibt nach Gefühl, und das Ergebnis ist stimmig und solide.

Ellen findet, dass die meisten Autoren intui­tive Pantser sein wollen, aber die wenigsten es wirk­lich sind. Ihrer Mei­nung nach ist das der sel­tenste Typ, weil man dafür schon eine Art Wun­der­kind sein muss.

Das bedeutet, dass Du mit großer Wahr­schein­lich­keit kein intui­tiver Pantser bist und nicht ein­fach „frei nach Schnauze“ schreiben soll­test. Das ist aber natür­lich nicht aus­ge­schlossen, denn Men­schen, die so schreiben können, gibt es tat­säch­lich. Nur sind das sehr wenige.

Außerdem gilt: Nur weil intui­tive Pantser intuitiv und ohne Plan vieles richtig machen, heißt das nicht, dass ihre Erst­ent­würfe nicht kor­ri­giert gehören. Im Gegen­teil, Manu­skripte von intui­tiven Pantsern brau­chen oft sehr viele Kor­rek­turen. Diese machen die intui­tiven Pantser aber auch nach Gefühl, d. h. nicht, weil die Geschichte laut Modell XY dieses oder jenes Ele­ment braucht, son­dern weil ihre Intui­tion ihnen sagt, dass sie dieses oder jenes ein­bauen oder ändern sollten.

Intui­tiver Plotter

Der ide­al­ty­pi­sche intui­tive Plotter plant zwar alles im Voraus, tut es aber nicht anhand von bestimmten Hand­lungs­st­uk­turen und Modellen, son­dern nach Gefühl. Er hat ein­fach eine bestimmte Geschichte in seinem Kopf und/oder in seinen Notizen, küm­mert sich aber eher wenig um Theorie und gestaltet die Geschichte so, wie es sich für ihn „richtig“ anfühlt.

Das bedeutet: Wenn Du allein nach Gefühl Dich oft nicht mit Dir selbst darauf einigen kannst, wie Deine Geschichte zu ver­laufen hat, wenn Du also rein intuitiv meis­tens keine Lösungen fin­dest, bist Du ver­mut­lich kein intui­tiver, son­dern ein metho­do­lo­gi­scher Plotter.

Metho­do­lo­gi­scher Plotter

Beim ide­al­ty­pi­schen metho­do­lo­gi­schen Plotter ist alles extrem struk­tu­riert und kom­plett durch­ge­plant. Jede Szene folgt einer bestimmten Struktur, die Inter­ak­tionen der Figuren folgen einem festen Schema von Aktion und Reak­tion, jede Figu­ren­ent­wick­lung ist genau durch­ge­plant und ins­ge­samt han­gelt sich dieser Autor an einer Hand­lungs­struktur seiner Wahl ent­lang.

Ellen meint, dass der metho­do­lo­gi­sche Plotter sein Manu­skript mehr oder weniger im Voraus über­ar­beitet. Er bas­telt aus all seinen Ideen ein in sich stim­miges und durch­dachtes Gefüge, das auf nach­weis­lich funk­tio­nie­renden Struk­turen und Modellen basiert. Des­wegen sind später beim Über­ar­beiten nur wenige Ände­rungen nötig und wenn der metho­do­lo­gi­sche Plotter ein System gefunden hat, das bei ihm selbst gut funk­tio­niert, kann er dieses System immer wieder auf neue Bücher anwenden und dadurch schneller schreiben als andere Typen.

Metho­do­lo­gi­scher Pantser

Der metho­do­lo­gi­sche Pantser mag sich wie ein Wider­spruch in sich anfühlen, denn dieser Autor kom­bi­niert spon­tanes Ent­de­cken der Geschichte mit Theo­rien, Modellen, Struk­turen etc., aber es ist tat­säch­lich mög­lich: Ja, der metho­do­lo­gi­sche Pantser plant nur bedingt im Voraus, hat aber bestimmte Struk­turen im Kopf, in die er seine Ideen ein­ordnet.

In der Praxis ist der Schreib­pro­zess eines metho­do­lo­gi­schen Pantsers ein stän­diger Wechsel von Planen, Schreiben und Über­ar­beiten: Er plant ein biss­chen, dann schreibt er ein biss­chen, dann plant er noch ein biss­chen mehr, dann schreibt er ein biss­chen weiter, dann plant er weiter und merkt, dass etwas metho­do­lo­gisch nicht mehr passt, und über­ar­beitet einen frü­heren Abschnitt, schreibt dann weiter, plant noch etwas, schreibt, über­ar­beitet … Kurzum: alle Sta­dien des Buch­schrei­bens gleich­zeitig.

Ein­ordnen und berühmte Bei­spiele

So viel zu den vier Typen. Für eine bes­sere und aus­führ­li­chere Erklä­rung emp­fehle ich – wie immer – die ursprüng­liche Quelle, näm­lich Ellen Brocks Video zu dem Thema. Zum Schluss aber noch ein paar Worte zur Selbst­ein­ord­nung und der Ver­such einer Ein­ord­nung zweier bekannter Autoren:

Weil es sich bei dem Modell eher um Qua­dranten um zwei Achsen herum han­delt, können die Aus­prä­gungen ganz unter­schied­lich aus­fallen. Der eine mag ein extremer Plotter sein, aber auf der Intuitiv-metho­do­lo­gisch-Achse irgendwo in der Mitte liegen. Der andere ist viel­leicht ein extremer metho­do­lo­gi­scher Pantser. Der Nächste hat nur eine leichte Ten­denz zum Pants­ertum und einen leichten intui­tiven Ein­schlag. Autoren sind indi­vi­duell und die vier Typen dienen ein­fach der Ori­en­tie­rung.

Ich selbst habe mich im metho­do­lo­gi­schen Pantser wie­der­erkannt. Dass ich metho­do­lo­gisch ver­an­lagt bin, dürfte bei diesem Blog ja auch unbe­streitbar sein. Das heißt aber nicht, dass ich mich skla­visch an alle Modelle halte, die ich hier pre­dige, son­dern ich schaue, was zu meiner Geschichte passt, und wenn ein Modell nicht mehr passt, werfe ich es über Bord und wähle ein anderes.

Die Frage nach Plotter oder Pantser hin­gegen konnte ich mir erst durch Ellens Modell ein­deutig beant­worten und dass ich mich früher eher für einen Plotter gehalten habe, liegt wohl an meiner metho­do­lo­gi­schen Natur. Und wenn man den metho­do­lo­gi­schen Aspekt weg­lässt, bin ich tat­säch­lich eher ein Pantser: Ich bringe Figuren um, die ursprüng­lich über­leben sollten, ich schreibe am liebsten aus dem Bauch heraus, auch wenn ich mir Ziele setze, wo das Ganze hin­gehen soll, bin offen für spon­tane Ideen, die oft besser sind als das, was ich ursprüng­lich im Kopf hatte, und ich schreibe im Schne­cken­tempo, weil ich ständig zwi­schen Planen, Schreiben und Über­ar­beiten switche. Erst letz­tens habe ich in meinem aktu­ellen Pro­jekt, das zu drei Vier­teln geschrieben ist, mal eben die Haut­farbe einer Figur geän­dert. Ich hatte zwar eine Phase, in der ich sehr genau geplottet habe, aber in dieser Zeit konnte ich nur Kurz­ge­schichten schreiben. Und ich konnte ein­fach nicht ver­stehen, warum ich nichts Län­geres auf die Reihe bekommen habe. Jetzt weiß ich, was das Pro­blem war: Ich habe viel zu detail­liert geplottet und in all den Details die Essenz des Ganzen aus den Augen ver­loren.

Ich habe jetzt von mir selbst erzählt, weil ich von meinem eigenen Schreib­pro­zess wohl am meisten Ahnung habe. Ich kann nicht in die Köpfe anderer Autoren schauen oder sie Tag und Nacht stalken, um genau zu ver­stehen, wel­chem Typ sie ange­hören. Ich kann höchs­tens anhand von Büchern und Inter­views spe­ku­lieren:

  • So ver­mute ich, dass J. K. Row­ling ein intui­tiver Plotter ist. Laut Inter­views hat sie immer eine all­ge­meine Glie­de­rung des Plots und wusste von Anfang an, dass es sieben Harry Potter-Bände geben würde. Ich wüsste aber nicht, dass sie bewusst theo­re­ti­sche Modelle anwenden würde, und sie scheint Dinge wie die vielen Vater­fi­guren von Harry erst im Nach­hinein bemerkt zu haben. Sie ent­scheidet einige Dinge eben erst beim Schreiben und ich ver­mute, dass damit die intui­tive Kom­po­nente gemeint ist.

„I always have a basic plot out­line, but I like to leave some things to be decided while I write.“

  • George R. R. Martin unter­stelle ich, ein metho­do­lo­gi­scher Pantser zu sein. Er selbst unter­teilt Autoren in Archi­tekten und Gärtner, wobei Archi­tekten im Voraus planen und somit den Plot­tern ent­spre­chen und Gärtner im Grunde wissen, welche Art von Samen sie in die Erde ste­cken, aber keine Ahnung haben, wie viele Äste die Pflanze haben wird. Er selbst sieht sich als Gärtner, also Pantser. Das merkt man nicht zuletzt auch daran, dass Das Lied von Eis und Feuer mit einer ein­zigen Szene in seinem Kopf begann und schließ­lich in ein Mam­mut­werk aus­ge­artet ist, das er bis an den heu­tigen Tag nicht beendet hat. Aller­dings schreibt er nicht ein­fach wild drauflos, son­dern scheint durchaus bewusst bestimmten Regeln zu folgen, die Motive sehr stimmig wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und Andeu­tungen für zukünf­tige Plot-Twists äußerst absicht­lich zu streuen. Weil ich selbst ein metho­do­lo­gi­scher Pantser bin und sehr langsam schreibe, maße ich mir an, nach­voll­ziehen zu können, warum er sich mit dem nächsten Band der Eis und Feuer-Saga so viel Zeit lässt: Ver­mut­lich hat er eben nicht alles haar­klein durch­ge­plant, muss aber all die Hand­lungs­li­nien jon­glieren und sicher­stellen, dass alles passt, und die Erwar­tungen der welt­weiten Leser­schaft machen das Ganze nicht wirk­lich ein­fa­cher, denn dadurch muss alles umso mehr passen.

„I think there are two types of wri­ters, the archi­tects and the gar­deners. The archi­tects plan ever­y­thing ahead of time, like an archi­tect buil­ding a house. They know how many rooms are going to be in the house, what kind of roof they’re going to have, where the wires are going to run, what kind of plum­bing there’s going to be. They have the whole thing desi­gned and blue­printed out before they even nail the first board up. The gar­deners dig a hole, drop in a seed and water it. They kind of know what seed it is, they know if they planted a fan­tasy seed or mys­tery seed or wha­tever. But as the plant comes up and they water it, they don’t know how many bran­ches it’s going to have, they find out as it grows. And I’m much more a gar­dener than an archi­tect.“

Tipps für die unter­schied­li­chen Nei­gungen

Ver­ein­fa­chende, ver­all­ge­mei­nernde Modelle wie die Oppo­si­tion von Plot­tern und Pantsern oder die Erwei­te­rung von Ellen Brock können nun aber so hilf­reich wie ver­wir­rend sein. Hilf­reich, weil sie einen Über­blick ver­schaffen. Ver­wir­rend, weil die meisten Autoren ja irgendwo in der Mitte liegen. Die meisten arbeiten nun mal ein biss­chen mit Intui­tion und ein biss­chen mit irgend­wel­chen „Regeln“, die meisten haben eine Vor­stel­lung, in welche Rich­tung die Geschichte geht, machen unter­wegs jedoch inter­es­sante Ent­de­ckungen.

Die spe­zi­fi­schen Pro­bleme, die man beim Schreiben hat, liegen also in der indi­vi­du­ellen Mischung eines jeden Autors begründet und daher müssten die Lösungs­an­sätze für diese Pro­bleme eben­falls indi­vi­du­elle Mischungen sein.

Das ist auch ein Grund, warum Schreib­tipps sich oft wider­spre­chen und es immer am Autor selbst liegt, die Tipps aus­zu­wählen, denen er folgen möchte.

Zu Schreib­re­geln und zur Aus­wahl der pas­senden Schreib­tipps habe ich bereits einen eigen­stän­digen Artikel und ich möchte ihn Dir an dieser Stelle unbe­dingt ans Herz legen. Denn wenn ich jetzt dar­über rede, was ich per­sön­lich Autoren mit den ver­schie­denen Ten­denzen emp­fehlen würde, ist es Deine Auf­gabe zu ent­scheiden, wel­cher Tipp in wel­chem Ausmaß zu Dir passt.

Stärken nutzen

Bei meinen Gedanken, wie man den Nach­teilen der ver­schie­denen Nei­gungen ent­ge­gen­wirken kann, gehe ich davon aus, dass man seinen Typ wahr­schein­lich nicht ändern kann.

Wenn wir auf die Welt kommen, ist unser Gehirn auf eine bestimmte Weise vor­pro­gram­miert und wir funk­tio­nieren am besten, wenn wir diese Grund­pro­gram­mie­rung aner­kennen und bestim­mungs­gemäß nutzen.

Ja, oft würde man gerne von den Vor­teilen eines anderen Typs pro­fi­tieren. Doch wenn wir unsere eigene Natur ver­ge­wal­tigen, um diesem anderen Typ zu ent­spre­chen, kann ich mir ein­fach kein gutes Ergebnis vor­stellen. Und wenn man meint, mit seinem Typ keine guten Ergeb­nisse zu erzielen, dann ver­mute ich ent­weder eine fal­sche Nut­zung der eigenen Grund­kon­fi­gu­ra­tion oder eine fal­sche Typ­zu­ord­nung (wie bei mir selbst, als ich sehr detail­liert geplottet habe und nichts Län­geres her­vor­bringen konnte).

Beob­achte also Dich selbst, pro­biere herum und viel­leicht hilft ja der ein oder andere der fol­genden Tipps, Deine indi­vi­du­ellen Stol­per­steine zu über­winden. Es sind, wie gesagt, nur meine eigenen Über­le­gungen, ent­standen nach dem Prinzip: Wenn ich meine Natur nicht ändern kann – Wie kann ich dann meine Stärken nutzen, um meine Schwä­chen aus­zu­bü­geln?

Tipps für Plotter

Wenn der Plotter Gefahr läuft, etwas „starre“ Geschichten her­vor­zu­bringen, dann liegt das ver­mut­lich daran, dass er ein ziem­li­cher Kopf­mensch ist. Und wenn Du die Hand­lung gut planen kannst, dann soll­test Du auch Dinge wie Emo­tionen gut planen können, wenn Du genug Wissen dar­über hast.

Des­wegen ist meine Emp­feh­lung für Plotter eine ver­stärkte Lek­türe zu psy­cho­lo­gi­schen Themen und von Erleb­nis­be­richten, damit die Emo­tionen und Hand­lungen authen­tisch wirken.

Als Pantser, der auch ein biss­chen im Voraus plant, pas­siert es mir hin und wieder, dass ich erst beim Schreiben einer Szene merke, dass die Ent­schei­dung, die eine Figur fällen sollte, eigent­lich nicht passt, oder dass eine andere Ent­schei­dung ein­fach pas­sender und/oder inter­es­santer wäre. Als Pantser habe ich eben erst, wenn ich „mit­ten­drin“ stecke, wirk­lich etwas wie einen Über­blick, was eine Figur denkt und fühlt. Als Plotter müss­test Du aber in der Lage sein, diesen Über­blick schon im Voraus zu haben. Dazu müss­test Du als Kopf­mensch aber vor allem einen guten Über­blick über die psy­cho­lo­gi­schen Prin­zi­pien haben, wie Men­schen denken und wie sie ihre Ent­schei­dungen fällen. Je besser Deine Kenntnis dieser The­matik ist, desto rea­lis­ti­scher und authen­ti­scher han­deln Deine Figuren.

Tipps für Pantser

Wenn der Pantser zwar viele spon­tane Ideen hat, sich aber schnell darin ver­hed­dert, in Sack­gassen landet oder sogar eine Schreib­blo­ckade erlebt, dann sehe ich die Lösung nicht im Plotten, son­dern im Ankur­beln der krea­tiven Intui­tion. Die Geschichten, die der Pantser nie­der­schreibt, kommen in Wirk­lich­keit näm­lich nicht aus dem Bauch, nicht von Gott und auch nicht aus dem Uni­versum. Viel­mehr ent­stehen sie aus den Struk­turen und Gesetz­mä­ßig­keiten, die der Autor im Laufe seines Lebens ver­in­ner­licht hat und die nun in seinem Unter­be­wusst­sein sitzen, sich ver­mi­schen und ver­knoten und in Form von Geschichten an die Ober­fläche dringen: Der Pantser bringt somit das hervor, was er unter­be­wusst gelernt hat.

Wenn Du als Pantser also Aus­wege aus Sack­gassen suchst oder nicht weißt, wie es wei­ter­gehen soll, liegt das ver­mut­lich daran, dass Dein Unter­be­wusst­sein noch keine Lösungen für diese Situa­tionen gelernt hat.

Daher wäre mein Tipp an dieser Stelle, das Unter­be­wusst­sein, Dein Bauch­ge­fühl, zu füt­tern: Jeder Autor sollte viel lesen und ander­weitig Geschichten kon­su­mieren, ja, aber Pantser sollten es meiner Mei­nung nach umso mehr tun. Denn sie können sich nicht bewusst auf vor­ge­fer­tigte Hand­lungs­struk­turen stützen. Des­wegen sollte ihr Unter­be­wusst­sein mög­lichst viele ver­schie­dene Geschichten kennen, um etwas Neues und Ein­zig­ar­tiges daraus zu bas­teln.

Auch sollten Pantser stärker als Plotter auf ihre Schreib­dis­zi­plin achten und Mittel und Wege nutzen, um besser in den Schreib­fluss zu kommen. Gemeint sind bei­spiels­weise bestimmte Rituale, ein bestimmter Sound­track und so weiter. Aus­führ­li­chere Tipps dazu folgen in dem Artikel über Schreib­blo­ckaden.

Tipps für Intui­tive

Ähn­lich wie beim Pantser geht es beim intui­tiven Typ um eine Art unter­be­wusstes Wissen. Des­wegen auch hier:

Beson­ders viel lesen.

Durch Lek­türe guter Bücher prägen sich funk­tio­nie­rende Tech­niken im Unter­be­wusst­sein ein und können intuitiv ange­wandt werden. Die Kenntnis theo­re­ti­scher Modelle schadet zwar nicht, wenn man sich grund­sätz­lich dafür inter­es­siert. Aber als intui­tiver Typ wirst Du die Modelle wahr­schein­lich nicht anwenden können. Und wenn Du kein Inter­esse an ihnen hast, soll­test Du sie Dir auch nicht auf­zwingen.

Tipps für Metho­do­lo­gi­sche

Als metho­do­lo­gi­scher Typ pro­fi­tierst Du am meisten vom Ana­ly­sieren der Werke anderer, um die darin ver­wen­deten Tech­niken selbst zu nutzen. In Deinem Fall macht es also Sinn,

gezielt Werke mit einer inter­es­santen und/oder unge­wöhn­li­chen Struktur zu lesen, neue Modelle ken­nen­zu­lernen und Dich mit „rich­tigen“ lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­chen Ana­lysen zu befassen, so sperrig geschrieben sie auch sein mögen.

Denn Du läufst Gefahr, „stu­pide“ immer wieder die­selben Struk­turen anzu­wenden. Das kann zwar ein Vor­teil sein, weil Du so schneller schreibst als andere und/oder später weniger über­ar­beiten musst, aber womög­lich leidet die Ori­gi­na­lität. Du soll­test Deine Liebe für Struk­turen und Modelle, Deine nahezu wis­sen­schaft­liche Her­an­ge­hens­weise, also nutzen, um die große, weite Welt der unbe­grenzten Mög­lich­keiten besser ken­nen­zu­lernen.

2 Kommentare

  1. Hey,

    bei den Tipps für Metho­do­lo­gi­sche schreibst du: „und Dich mit „rich­tigen“ lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­chen Ana­lysen zu befassen“

    Hät­test du ein kon­kretes Bei­spiel für solch eine Ana­lyse?

    Steffen
    1. Mein per­sön­li­cher Favorit wäre ja: Puškins Prosa in poe­ti­scher Lek­türe: Die Erzäh­lungen Bel­kins von Wolf Schmid. Aber Du kannst auch recher­chieren, was es für lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Bei­träge zu Deinen Lieb­lings­werken gibt. Dazu könn­test Du zum Bei­spiel auf die Web­site einer Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek Deiner Wahl gehen und dort die Suche nutzen, um Sekun­där­li­te­ratur spe­ziell zu diesen Lieb­lings­werken zu finden.

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