Kreatives Feedback geben und nehmen

Kreatives Feedback geben und nehmen

Feed­back ist nicht immer ein­fach, vor allem in solchen kreativ­en Bere­ichen wie dem Schreiben. Wie gibt man also hil­fre­iche Kri­tik, ohne zu ver­let­zen? Und wie geht man als Autor mit Kri­tik um? Wie zieht man aus nichtssagen­dem oder gar ver­let­zen­dem Feed­back den­noch einen Nutzen? In diesem Artikel besprechen wir konkrete Schritte für Feed­back-Geber und Feed­back-Nehmer.

Die Folien für dieses Video gibt es für Steady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf YouTube als PDF zum Down­load.

Wer eine Geschichte schreibt, will in der Regel auch wis­sen, ob sie etwas taugt. Doch lei­der ist wirk­lich hil­fre­iche, kon­struk­tive Kri­tik ein seltenes Gut. Und während man sich als Autor häu­fig mit nichtssagen­der oder gar belei­di­gen­der Kri­tik herum­schla­gen muss, gerät man als Feed­back-Geber erschreck­end oft an schein­bar kri­tikun­fähige Adres­sat­en, die auf ver­meintlich sach­liche Kri­tik wütend reagieren.

Was läuft also falsch in der Feed­back-Welt? Was macht kon­struk­tive Kri­tik aus? Wie erken­nt man inkom­pe­tente Kri­tik und wie geht man damit um? Wie gibt man selb­st hil­fre­ich­es Feed­back ohne zu ver­let­zen?

Um diese Fra­gen dreht sich der heutige Artikel. Ich sage nicht, dass ich die Wahrheit mit Löf­feln gefressen habe — aber ich wage mal zu hof­fen, dass meine Erken­nt­nisse aus 17 Jahren Erfahrung mit unter­schiedlichen Arten von Geschicht­en-Feed­back irgend­wie hil­fre­ich sind.

Viel Spaß!

Schlechte Kritik

Begin­nen wir am besten mit ein­er Beschrei­bung des “Prob­lems”: Wie sieht inkom­pe­tente Kri­tik eigentlich aus bzw. was kann man beim Kri­tisieren der Werke ander­er alles falsch machen?

Nichtssagende Kritik

Die erste Anlauf­stelle auf der Suche nach Feed­back ist bei uns Autoren oft das unmit­tel­bare Umfeld: Fam­i­lie und Fre­unde. Von diesen Feed­back-Gebern wird meis­tens jedoch abger­at­en, und das aus gutem Grund: Denn das sind in der Regel Men­schen, die Dich lieben und entwed­er tat­säch­lich alles toll find­en, was Du tust, oder Dich zumin­d­est nicht ver­let­zen wollen. Außer­dem haben diese Men­schen mit Lit­er­atur oft her­zlich wenig am Hut und drück­en sich daher sehr schwammig aus. Oft wird die Geschichte als “toll”, “cool” oder ander­weit­ig nichtssagend beschrieben. Auf Dauer kann so viel schwammiges Lob sog­ar deprim­ierend wirken, wenn Dich näm­lich irgend­wann der Gedanke quält: “Gibt es zu mein­er Geschichte denn nichts zu sagen außer: ‘Supi, mach weit­er so’?”

Sollte sich aber den­noch jemand zu Kri­tik durchrin­gen, ist auch das oft wenig hil­fre­ich, denn in der Regel kön­nen Nah­este­hende nicht aus­drück­en, warum sie etwas “komisch” find­en. Du erfährst also nur, dass ihnen etwas nicht gefällt, aber nicht, wo das Prob­lem liegt.

Und ja, natür­lich kann schwammige Kri­tik auch von anderen als dem unmit­tel­baren Umfeld kom­men: Wenn man seine Geschicht­en im Inter­net veröf­fentlicht, ist das die häu­fig­ste Art von Feed­back durch anonyme Fremde. Und weil das meiste Feed­back eben nichtssagend ist, sind aus­führliche, kon­struk­tive Kri­tiken so begehrt, dass sie den Beruf des Lek­tors notwendig machen.

Beleidigende Kritik

Erschreck­end viele Men­schen haben nur ein sehr eingeschränk­tes Empathiev­er­mö­gen oder wollen sich auf Deine Kosten selb­st bestäti­gen und noch mehr Men­schen sind es ein­fach nicht gewohnt, über ihre Wort­wahl nachzu­denken. Und so kom­men dann Kri­tiken zus­tande, die mit Worten wie “Schwachsinn”, “dumm” und “unerträglich” hantieren. Oft wird auch der Autor selb­st per­sön­lich ange­grif­f­en. Dabei kann es dur­chaus sein, dass der Kri­tik­er wichtige Punk­te nen­nt, die in Kom­bi­na­tion mit ein­er anderen Wort­wahl erstk­las­siges Feed­back wären. Andere wiederum wollen sich am Autor ein­fach nur die Füße abwis­chen und kri­tisieren belei­di­gend und schwammig, sodass der Nutzen von solchem Feed­back irgend­wo bei null liegt.

Allerd­ings sollte hier nochmal betont wer­den, dass belei­di­gende Kri­tik nicht immer böswillig ist. Denn, wie gesagt, viele Men­schen — vor allem jün­gere — denken ein­fach nicht aus­re­ichend über ihre For­mulierun­gen nach und merken besten­falls erst im Nach­hinein, dass es auch fre­undlich­er ging. Sie drück­en ein­fach ihre Gefüh­le und Gedanken aus, wie sie ihnen in den Sinn kom­men, abso­lut unge­filtert. Und sie wer­fen oft mit Übertrei­bun­gen um sich, sodass statt beispiel­sweise einem Hin­weis, dass eine Szene lang­weilig war, ein Fronta­lan­griff kommt: “Gott, was hab ich da geschnar­cht! Von Span­nung ver­stehst du echt nix!”

Subjektive Kritik

Natür­lich ist jede Kri­tik im Grunde sub­jek­tiv, weil wir alle Sub­jek­te sind mit unseren sub­jek­tiv­en Erfahrun­gen, Mei­n­un­gen und Geschmäck­ern. Prob­lema­tisch wird es allerd­ings, wenn wir nur unsere Sub­jek­tiv­ität gel­ten lassen und sie als objek­tive Mei­n­ung hin­stellen. Also rigide Vorstel­lun­gen von dem, was gut und was schlecht ist. So gibt es zum Beispiel ger­ade unter Schreiber­lin­gen solche, die offen­bar zu viele Schreibrat­ge­ber gele­sen haben und nun alles zer­fet­zen, was nicht den Empfehlun­gen der Rat­ge­ber fol­gt. — Egal, ob die Empfehlun­gen in den Rat­ge­bern zur Vision des Autors passen oder nicht. Eine prim­i­ti­vere Vari­ante ist, wenn ein­fach alles niedergemäht wird, was nicht den eige­nen Geschmack trifft bzw. was man selb­st anders geschrieben hätte. — Also auch hier kom­plettes Ignori­eren der Tat­sache, dass der Autor seine eigene Vision hat.

Auch bei dieser Art von Kri­tik kann es in Wirk­lichkeit um Selb­st­bestä­ti­gung gehen, selb­st wenn der Kri­tik­er nicht belei­di­gend wird. So kann ein sub­jek­tiv­er Feed­back-Geber seinen Lieblingsautor als Maß aller Dinge nehmen und äußerst höflich for­mulieren, warum die kri­tisierte Geschichte nicht an die Genial­ität von Kaf­ka her­ankommt. Dass der Autor kein zweit­er Kaf­ka sein will, ist für einen solchen Kri­tik­er irrel­e­vant. Denn er will nicht helfen, son­dern nur sich selb­st erhöhen: “Guck, was für einen erlese­nen Lit­er­aturgeschmack ich habe! Ich lese Kaf­ka und du ver­mut­lich nicht. Ich bin bess­er als du!!”

Hochgr­a­dig sub­jek­tiv und schwierig im Umgang sind in übri­gens auch Leute, die emo­tion­al “getrig­gert” wur­den. Es kann eine Kleinigkeit sein oder auch etwas Grund­sät­zlich­es, das die emo­tionale Reak­tion aus­gelöst hat, und es muss auch nicht an Dein­er Geschichte liegen. Manch­mal hat ein Men­sch ein­fach etwas sehr Spez­i­fis­ches erlebt und hat seit­dem einen sehr indi­vidu­ellen, für andere Men­schen völ­lig unvorherse­hbaren Trig­ger. Und wenn die emo­tionale Bombe hochge­ht, sieht der Kri­tik­er nur noch rot, hat einen kom­plet­ten Tun­nel­blick und lehnt die ganze Geschichte kat­e­gorisch ab. Natür­lich ist es bei so ein­er Reak­tion sin­nvoll zu prüfen, ob Du nicht doch ein sen­si­bles The­ma unsen­si­bel gehand­habt hast, aber, wie gesagt, sie kann auch bei dur­chaus sen­si­bler Hand­habung auftreten. — Ein­fach, weil wir Men­schen eben indi­vidu­ell sind.

Unverständnis und/oder falsche Zielgruppe

Viel zu häu­fig kommt es vor, dass Men­schen ein Werk nur deswe­gen kri­tisieren, weil sie es nicht ver­ste­hen. Entwed­er, weil sie beim Lesen bes­timmte Details überse­hen oder anders inter­pretiert haben, den Sub­text nicht gele­sen haben oder weil sie nicht zur Ziel­gruppe gehören und das Werk somit nicht ver­ste­hen oder genießen kön­nen. Häu­fig sind diese Men­schen auch noch Opfer des Dun­ning-Kruger-Effek­ts und sind der felsen­festen Überzeu­gung, dass die Geschichte das Prob­lem ist, nicht sie selb­st. Dabei hat der Autor hier höch­stens den Fehler gemacht, die Geschichte den falschen Leuten zu geben bzw. falsch zu ver­mark­ten. Die Geschichte an sich ist, wenn sie der eigentlichen Ziel­gruppe gefällt, völ­lig in Ord­nung. Und wenn ein liebesgeschicht­en­has­sender Kri­tik­er von sich aus das Werk gele­sen hat, obwohl es klar als Liebesgeschichte deklar­i­ert wurde, dürfte er sich eigentlich nicht über das “Liebesgesülze” beschw­eren.

Und wie gesagt, selb­st wenn der Kri­tik­er zur Ziel­gruppe gehört, kann es immer noch passieren, dass er, sagen wir mal, auf dem Schlauch ste­ht. An einen solchen Dun­ning-Kruger-Moment erin­nere ich mich beson­ders gut:

Die Geschichte hat­te einen autodiegetis­chen Erzäh­ler und die Kri­tik war, dass die Sprache viel zu beurteilend war und es keine Ein­blicke in das Innen­leben der Neben­fig­uren gab. Ich wieder­hole: Es war ein autodiegetis­ch­er Erzäh­ler. Der ide­al­typ­is­chste Ich-Erzäh­ler, den es geben kann. Natür­lich war seine Innen­welt hochgr­a­dig sub­jek­tiv und er kon­nte auch keine Gedanken lesen. Die Geschichte han­delte vom Innen­leben des Pro­tag­o­nis­ten. Der Kri­tik­er darf dur­chaus sein Inter­esse am Innen­leben der anderen Fig­uren äußern — aber wenn es nicht die Vision des Autors ist, dann ist es nicht die Vision des Autors, und die Geschichte wird dadurch an sich nicht schlechter. Man kann höch­stens darüber disku­tieren, ob die Vision des Autors durch eine andere Erzählper­spek­tive nicht bess­er aus­ge­drückt wor­den wäre, aber ander­er­seits wird der Autor sich doch aus bes­timmten Grün­den für den autodiegetis­chen Erzäh­ler entsch­ieden haben.

Jeden­falls: Obwohl ich damals nur eine unbeteiligte dritte Partei war, ist das in mein­er Erin­nerung ein­er der ein­drück­lich­sten Feed­back-Momente der let­zten 17 Jahre. Es war ein klein­er und pri­vater, aber den­noch Wet­tbe­werb und der Kri­tik­er saß in der Jury.

Deprim­ierend kann Unver­ständ­nis im Übri­gen auch sein, wenn die Kri­tik pos­i­tiv aus­fällt: Nehmen wir mal an, Du bist der Autor von Break­ing Bad und dann kommt jemand daher und lobt das Werk für seinen Pro­tag­o­nis­ten, weil er doch so ein pos­i­tives männlich­es Vor­bild sei. Sofort quält Dich die Frage, was Du um Him­mels Willen falsch gemacht hast, dass das Werk mit all dem Lügen, Betrü­gen und Mor­den der­maßen falsch ver­standen wurde.

Alles nutzlos?

So viel also zu meinem Ver­such zu beschreiben, was inkom­pe­tente Kri­tik alles aus­machen kann. Und bes­timmt hast Du selb­st schon die ganze Zeit ver­sucht, die Kri­tik, die Du bish­er bekom­men hast, hier irgend­wo einzuord­nen. Und bist gescheit­ert, weil inkom­pe­tentes Feed­back häu­fig unter mehrere dieser Punk­te gle­ichzeit­ig fällt. Deswe­gen ist das hier keine Typolo­gie, son­dern eher eine Samm­lung von Merk­malen: Kri­tik, die nut­z­los ist oder bei der man zumin­d­est um die Ecke denken sollte. Doch dazu kom­men wir später.

Kompetent kritisieren: Theorie

Vor­erst befassen wir uns mit der The­o­rie von Kri­tik und eini­gen uns zunächst darauf, dass wir mit allem, was wir sagen und tun, etwas über uns selb­st ver­rat­en. Unsere Umwelt hinge­gen nehmen wir durch ein sub­jek­tives Pris­ma wahr und kön­nen uns nur sehr bed­ingt von dieser Sub­jek­tiv­ität lösen, sodass unsere Wahrnehmung der Umwelt vor allem unser eigenes Inneres spiegelt.

Was ich damit sagen will, ist:

Kri­tik sagt IMMER etwas über den Kri­tik­er aus und nur manch­mal etwas über das Werk!

Behalte das bitte stets im Hin­terkopf. Sowohl wenn Du inkom­pe­tente Kri­tik bekommst, als auch wenn Du selb­st kri­tisierst. Denn wenn Du inkom­pe­tent kri­tisierst, stehst Du schnell als rüpel­hafter Vol­lid­iot mit einem gewalti­gen Min­der­w­er­tigkeit­skom­plex da. (Es sei denn, du bist ein­fach ein Lit­er­atur­dilet­tant und kannst es nicht bess­er oder Du bist ger­ade ein­fach von Deinen Emo­tio­nen über­wältigt. In diesen Fällen sei Dir verziehen.)

Wie kri­tisiert man aber kom­pe­tent?

Persönlichkeitsgrenzen

Die psy­chol­o­gis­che Coachin Casy Dins­ing, die den YouTube-Kanal Bet­ter Call Casy betreibt, stellt in einem ihrer Videos fünf Per­sön­lichkeits­gren­zen vor, die man beim Kri­tisieren “angreifen” kann:

  • Kon­text: konkretes Ver­hal­ten in ein­er konkreten Sit­u­a­tion

Beispiel: “In Kapi­tel 5 hast Du einen Satz, der über zehn Zeilen geht. Das ist schw­er zu lesen.”

  • Ver­hal­ten: ver­all­ge­mein­ernde Beobach­tun­gen zum Ver­hal­ten

Beispiel: “Du schreib­st gerne lange Sätze. Das ist auf Dauer anstren­gend zu lesen.”

  • Fähigkeit­en: Rückschlüsse auf die Fähigkeit­en der Per­son

Beispiel: “Du kannst Dich ein­fach nicht ver­ständlich aus­drück­en.”

  • Werte: Unter­stel­lun­gen bes­timmter Werte

Beispiel: “Es ist Dir wohl egal, ob Deine Leser den Text ver­ste­hen.”

  • Iden­tität: Urteile über das Wesen des Adres­sat­en

Beispiel: “Du bist ein schlechter Autor.”

Wie Du sich­er gemerkt hast, ist da eine Steigerung, wie schmerzhaft die Kri­tik ist: Angriffe auf Kon­text und Ver­hal­ten sind die harm­los­es­ten, ab der Gren­ze der Fähigkeit­en wird es per­sön­lich und Angriffe auf die Iden­tität sind die übel­sten.

Was sich außer­dem beobacht­en lässt, ist eine Steigerung der Sub­jek­tiv­ität: Während kon­textbasierte Kri­tik und Kri­tik am Ver­hal­ten in der Regel beleg­bar sind, geht es ab der Ebene der Fähigkeit­en in den Bere­ich der sub­jek­tiv­en Inter­pre­ta­tion des Kri­tik­ers. Wer also auf den Ebe­nen der Fähigkeit­en, Werte oder gar der Iden­tität kri­tisiert, sagt deut­lich mehr über sich selb­st aus als über das kri­tisierte Werk.

Und wenn Du selb­st der Feed­back-Geber bist, dann soll­test Du peni­bel darauf acht­en,

dass Du auss­chließlich das Werk inter­pretierst und kri­tisierst, nicht den Autor.

Das erle­ichtert es Dir, keine Gren­zen zu über­schre­it­en, ab denen Kri­tik per­sön­lich wird. Denn wenn Du Dir nur das Werk anschaust und gar nicht darüber nach­denkst, welche per­sön­lichen Schwächen des Autors zu den Schwächen im Text geführt haben, dann bist Du auch weniger ver­sucht, diese ver­meintlichen per­sön­lichen Schwächen zu kri­tisieren. Ver­giss nie, dass Du ein leben­des und füh­len­des Wesen vor Dir bzw. am anderen Ende der Leitung hast. Und Du hast keine Ahnung, wie es im Inneren dieser Per­son wirk­lich aussieht und welche per­sön­lichen Eigen­schaften zu dem lit­er­arischen Werk geführt haben, das Dir vor­liegt. Du hast ein­fach nicht genug Wis­sen, um über die per­sön­lichen Hin­ter­gründe der lit­er­arischen Schwächen zu spekulieren. Deine Inter­pre­ta­tion wird also mit größter Wahrschein­lichkeit falsch und ver­let­zend aus­fall­en.

Verständnis der Vision

Wichtig ist bei kreativem Feed­back jedoch nicht nur bloße Höflichkeit und ein Bemühen um Objek­tiv­ität, son­dern auch das Ver­ständ­nis der Vision des Autors. Ein kreatives Werk ist näm­lich vor allem etwas sehr Per­sön­lich­es und das Schreiben wird nicht umson­st manch­mal als “See­len­striptease” beschrieben.

Und was will ein Men­sch, der anderen sein tief­stes Inneres offen­bart?

Unterm Strich will er vor allem gese­hen und ver­standen wer­den.

Sicher­lich macht er bei seinem “See­len­striptease” aber auch Fehler und kön­nte Dein Feed­back gut gebrauchen. Doch um die Qual­ität von seinem “Striptease” über­haupt beurteilen und Verbesserungsvorschläge geben zu kön­nen, musst Du über­haupt erst ver­ste­hen, was der Autor aus­drück­en will.

In einem äußerst inter­es­san­ten Blog­a­r­tikel stellt der Autor Bran­don die These auf, dass man an einem Werk nur drei Dinge beurteilen kann:

  • 1. Ist der Zweck hin­ter der Geschichte aufrichtig gut?
  • 2. Sind die ver­wen­de­ten Mit­tel dem Zweck angemessen?
  • 3. Wer­den die Mit­tel gut einge­set­zt?

Damit im Zusam­men­hang präsen­tiert Bran­don auch eine Faus­tregel: Wenn Du die Absicht des Autors nicht erken­nen kannst, ist Deine Mei­n­ung über das Werk irrel­e­vant.

Doch so sehr der Artikel mir auch gefällt, würde ich hier eine Sache ein­wen­den: Geschicht­en sind ein Mit­tel der Kom­mu­nika­tion und diese erfordert nicht nur Anstren­gung seit­ens des Empfängers, son­dern auch des Senders. Wir kön­nen nur ver­ste­hen und ver­standen wer­den, wenn wir alle aufeinan­der zuge­hen.

Während ich also dur­chaus zus­timme, dass ein guter Feed­back-Geber ver­suchen sollte, die Absicht des Autors zu ver­ste­hen und seine Kri­tik darauf aufzubauen, möchte ich den­noch darauf hin­weisen, dass auch der Autor sich bemühen sollte so zu schreiben, dass seine Absicht zumin­d­est für sein Zielpub­likum erkennbar wird.

Ich spreche dabei natür­lich nicht von belehren­den Pas­sagen, die die Moral von der Geschicht’ zusam­men­fassen. Aber wenn nie­mand oder kaum jemand ein Werk ver­ste­ht — und vor allem nicht Leute, für die das Werk bes­timmt ist -, dann ist das die Schuld des Autors. Denn wie ich so gerne sage:

Wenn Du nur für Dich selb­st schreib­st, brauchst Du Dich nicht zu wun­dern, wenn es kein­er liest bzw. ver­ste­ht.

Aufbau der Kritik

Abge­se­hen vom Inhaltlichen — also dem, was man kri­tisiert und auf welch­er Ebene -, sind auch for­male Dinge wie Auf­bau und Wort­wahl entschei­dend. Denn wenn die Form unap­peti­tlich ist, will man gar nicht erst wis­sen, was da im Inneren steckt. In der Prax­is führt das oft dazu, dass der Autor ein­er Kri­tik von vorn­here­in ablehnend begeg­net und über sie auch nicht nach­denken will.

So weißt Du sicher­lich bere­its, dass es keine gute Idee ist, auf einen Men­schen einen ganzen Schwall von neg­a­tiv­en Bemerkun­gen loszu­lassen, seien sie auch noch so berechtigt. Evo­lu­tions­be­d­ingt nimmt der Men­sch Neg­a­tives viel stärk­er wahr als Pos­i­tives und wenn Du ihm nur Neg­a­tives servierst, ver­mit­telst Du ihm zumin­d­est auf rein emo­tion­al-instink­tiv­er Ebene, dass an seinem Werk rein gar nichts stimmt. Und das ist schade, wenn die Geschichte Dir ins­ge­samt gefall­en hat und Du ein­fach nur die weni­gen Dinge aufzählst, die verbessert wer­den soll­ten.

Daher meine Empfehlung:

Keine Kri­tik ohne Lob!

Ich gebe aber zu, dass Neg­a­tives meis­tens aus­führlich­er aus­fällt als Pos­i­tives, ein­fach weil es in der Regel näher­er Erk­lärun­gen bedarf: Denn wenn Du lob­st, dass die Fig­uren sehr gut her­aus­gear­beit­et sind, ist damit im Prinzip schon alles Wesentliche gesagt und Du kannst das Lob nur noch ein wenig auss­chmück­en. Wenn Du hinge­gen die ungenü­gende Her­ausar­beitung der Fig­uren kri­tisierst, ist es — wenn Du wirk­lich helfen willst — meis­tens notwendig zu erläutern, wo genau das Prob­lem liegt bzw. wo Du es ver­mutest.

Dieser Sachver­halt macht eine gesunde Mis­chung von Lob und Kri­tik umso notwendi­ger. Vor allem ist es wichtig, mit Lob anz­u­fan­gen und zu enden. Anz­u­fan­gen, weil Lob am Anfang des Feed­backs dem Autor sig­nal­isiert, dass Du ihm wohlgeson­nen bist, und es seine innere, oft unter­be­wusste Abwehrhal­tung abbaut und ihn Dein­er Kri­tik öffnet. Am Ende soll­test Du loben, weil dem Men­schen meis­tens das Let­zt­ge­sagte am besten in Erin­nerung bleibt. Daher hin­ter­lässt Lob am Ende eines kri­tis­chen Feed­backs meis­tens einen angenehmen Nachgeschmack, der wiederum den Gesamtein­druck vom Feed­back pos­i­tiv bee­in­flusst.

Außer­dem ist es bei vie­len kri­tis­chen Bemerkun­gen in der Mitte des Feed­backs sehr sin­nvoll, die Kri­tik hier und da durch etwas Lob aufzu­lock­ern. So wird es für den Empfänger auf Dauer nicht zu deprim­ierend, die Welle der Neg­a­tiv­ität wird abgeschwächt. Hier und da ein klein­er Ego-Boost hil­ft dem Autor, die Schwach­stellen seines Textes nicht als Män­gel, son­dern mehr als Möglichkeit­en zur Verbesserung anzuse­hen. Die implizite Botschaft lautet dann im Prinzip: “Hey, Du hast X und Y klasse hingekriegt, also wirst Du Schwach­stelle Z garantiert aus­bügeln kön­nen!”

Wichtig ist bei Lob vor allem, dass es ehrlich ist. Die Sache ist ein­fach, dass wir die pos­i­tiv­en Dinge an einem Werk oft nicht wirk­lich wahrnehmen. Zumin­d­est weniger als die Dinge, die uns stören. Deswe­gen empfehle ich, dass Du, bevor Du jeman­dem Dein Feed­back verabre­ichst, erstens über­legst, was Dir wirk­lich gefall­en hat, und zweit­ens schaust, welche pos­i­tiv­en Dinge Dir nicht aufge­fall­en sind. Hier­bei kannst Du ein­fach all­ge­meine Punk­te abcheck­en wie: Stim­men Gram­matik und Zeichenset­zung? Ist der Plot logisch? Sind die Fig­uren inter­es­sant? Hast Du eine Lieblings­fig­ur? Eine Lieblingsszene? Ist das World-Build­ing span­nend? Ver­mit­telt die Geschichte eine gute Botschaft? Passt die Erzählper­spek­tive zum Konzept der Geschichte? Und so weit­er …

Formulierungen

Auch die Grun­dregeln für For­mulierun­gen sind Dir sicher­lich bere­its bekan­nt:

  • So soll­test Du bei Kri­tik vor allem Ich-Botschaften aussenden, keine Du-Botschaften. Dadurch unter­stre­ichst Du, dass Du nur Deine eigene Sichtweise wiedergib­st und Dir nicht anmaßt, die objek­tive Wahrheit zu predi­gen. Im Prinzip gestehst Du dem Autor dadurch einen gewis­sen Spiel­raum zu: Er kann sich Deine Bemerkun­gen anhören oder durch­le­sen und dann selb­st entschei­den, was an Deinen sub­jek­tiv­en Wahrnehmungen dran ist. Du drängst ihn zu nichts, beschuldigst ihn nicht und dadurch sollte er es auch nicht nötig haben, in die Defen­sive zu gehen.
  • Außer­dem bietet das Deutsche auch generell zahlre­iche Möglichkeit­en, scharfe Aus­sagen abzuschwächen. Und das ist vor allem bei schriftlich­er Kom­mu­nika­tion wichtig, weil hier wesentliche Kom­mu­nika­tion­skanäle wie Gestik, Mimik und Stimm­führung weg­fall­en und an sich neu­trale Aus­sagen in einem rein schriftlichen Text äußerst bru­tal wirken kön­nen. Wenn Du dem Adres­sat­en Deines Feed­backs also wohlgeson­nen bist, dann soll­test Du es durch Deine For­mulierun­gen auch rüber­brin­gen. Ehrlich­es Feed­back, ver­packt in Samthand­schuhe, ist immer noch ehrlich­es Feed­back, aber dafür mit größer­er Wahrschein­lichkeit, gehört und akzep­tiert zu wer­den.

Beispiele für abschwächende Aus­sagen wären übri­gens:

  • “Ich hätte es bess­er gefun­den, wenn XY” statt “XY wäre bess­er”

  • “Du kön­ntest XY machen” statt “Du soll­test XY machen”

  • “Vielle­icht wäre es möglich, XY zu machen” statt “Mach am besten XY”

Ich glaube, Du ver­stehst das Prinzip. 😉 Und übri­gens musst Du auch nicht auf Teufel komm raus jede Dein­er Aus­sagen abschwächen. Vielmehr geht es um den Grundtenor: “Ich schlage nur Möglichkeit­en vor, Du entschei­dest.” Wenn hier und da ein Imper­a­tiv auftritt oder eine Aus­sage mit Objek­tiv­ität­sanspruch, dann ist das nicht schlimm, wenn die anderen Aus­sagen es aus­bal­ancieren und der san­fte Grundtenor rüberkommt.

  • Anson­sten soll­test Du peni­bel auf Deine Wort­wahl Nichtssagende und/oder belei­di­gende Wörter wie “doof” rutschen uns ziem­lich leicht her­aus. Und sie sind auch selb­st dann nicht gerecht­fer­tigt, wenn auf sie ein “weil” mit ein­er aus­führlichen Begrün­dung fol­gt. Statt also die Haupt­fig­ur als “doof, weil …” zu beschreiben, soll­test Du eine Beschrei­bung wählen, die weniger emo­tion­al aufge­laden, dafür aber präzis­er ist.

Beispiel­sweise: “Lei­der verkör­pert die Haupt­fig­ur etwas zu viele Klis­chees.”

Oder: “Die Szene im Café hat­te keinen erkennbaren Kon­flikt, daher man­gelte es ihr an Span­nung.”
Statt: “Die Szene im Café war lang­weilig, weil es keinen erkennbaren Kon­flikt gab.”

Wie Du also siehst, schwächt das banale Her­aus­fil­tern von nichtssagen­den, emo­tionalen Wörtern auch die Sub­jek­tiv­ität ab, weil der Fokus von Deinen per­sön­lichen Empfind­un­gen auf konkrete Prob­lem­stellen gelenkt wird.

  • Und nicht zulet­zt: Ironie, Sarkas­mus und andere Witzeleien haben in kon­struk­tivem Feed­back nichts ver­loren. Aus Dein­er Per­spek­tive mögen sie das Feed­back auflock­ern, unter­halt­samer machen und Deine ach so coole Per­sön­lichkeit aus­drück­en, aber erstens geht es beim Feed­back um das Werk Deines Adres­sat­en und nicht um Deine coole Per­sön­lichkeit und zweit­ens hat der Autor sein Werk mit Herzblut geschrieben, er hat sich Dir emo­tion­al ent­blößt und ist dadurch ger­ade sehr ver­let­zlich. Witzeleien über sein Werk sind Witzeleien über seine innere Essenz. Und nur die wenig­sten kön­nen so etwas wirk­lich hand­haben. Die meis­ten tun nur so. Füge anderen Men­schen also nicht grund­los diesen Schmerz zu.

Kompetent kritisieren in der Praxis: Schritt-für-Schritt-Anleitung

So viel zu den the­o­retis­chen Grund­prinzip­i­en. Leit­en wir daraus nun konkrete Schritte ab, die zu hil­fre­ichem, kon­struk­tivem Feed­back führen, das auch dankbar angenom­men wird.

Schritt 1: Arbeite das zentrale Thema des Werks und die Intention des Autors heraus.

Natür­lich kannst Du keine Gedanken lesen und Dir daher auch nicht sich­er sein, ob Deine Inter­pre­ta­tion kor­rekt ist. Du musst damit arbeit­en, was der Text hergibt. Lies ihn also aufmerk­sam, gerne auch mehrmals, und frage Dich:

  • Was ist der zen­trale Kon­flikt?
  • Welchen Arc macht der Pro­tag­o­nist durch?
  • Welche Arcs machen die Neben­fig­uren durch?
  • Welche Motive tauchen immer wieder und/oder an wichti­gen Stellen auf?
  • Welche The­men wer­den immer wieder ange­sprochen?
  • Und wie hängt das alles zusam­men?

Schraube also Deine per­sön­lichen Erwartun­gen zurück und ver­suche zu ver­ste­hen, was der Autor will. Denn auf diesem Ver­ständ­nis baut die gesamte Legit­im­ität Deines Feed­backs auf.

Schritt 2a: Hinterfrage Deine Interpretation und u. U. auch Deine Intelligenz.

Viele Feed­back-Geber gehen an ein Werk mit der Hal­tung her­an: “Wenn ich etwas nicht mag oder ver­ste­he, hat der Autor etwas falsch gemacht.”

Ich schlage vor, Du änder­st diese Ein­stel­lung, denn sie ist ein direk­ter Weg zum Dun­ning-Kruger-Effekt. (Also wenn inkom­pe­tente Leute sich für unheim­lich kom­pe­tent hal­ten, weil ihnen die nötige Kom­pe­tenz fehlt, um ihre Inkom­pe­tenz zu erken­nen.)

Bitte sei also kein Dun­ning-Kruger-Idiot und frage Dich jedes Mal, wenn Dir etwas nicht gefällt oder Du etwas nicht ver­stehst, ob es nicht Du selb­st bist, der/die sich ger­ade doof anstellt. Ob dieses Etwas, aus­ge­hend von der Botschaft des Werkes, nicht doch seine Berech­ti­gung hat, wenn man lange genug darüber nach­denkt.

Schritt 2b: Löse Dich von Deinen Gefühlen.

Ver­giss nie, dass Deine Ein­drücke immer sub­jek­tiv sind. Über­lege also jedes Mal, wie Deine Sub­jek­tiv­ität Deine Wahrnehmung des Werkes bee­in­flusst. Es ist keineswegs falsch, dem Autor Deine sub­jek­tiv­en Ein­drücke, deine Gefüh­le mitzuteilen. In der Regel inter­essiert es den Autor sog­ar sehr, welche Gefüh­le seine Geschichte in Dir aus­löst.

Behan­dle Deine Gefüh­le jedoch als das, was sie sind: Deine sub­jek­tiv­en Gefüh­le.

Und wenn Du einen Schritt weit­er gehen willst, kannst Du auch über­legen, warum bes­timmte Dinge in der Geschichte diese Gefüh­le aus­lösen. Liegt das primär an der Geschichte oder an Dir? Passt der Aus­lös­er dieser Gefüh­le nicht zur Botschaft des Werkes oder passt er ein­fach nicht in Dein sub­jek­tives Welt­bild?

Und vor allem: Vor­sicht, wenn Dich etwas emo­tion­al “trig­gert”!

Sollte der Text auf irgen­deine Weise sehr starke neg­a­tive Gefüh­le in Dir aus­lösen, dann nimm Dir eine Auszeit und schlaf eine Nacht drüber.

Kri­tik sollte niemals unter Emo­tio­nen geäußert wer­den. Denn es führt nur zur Eskala­tion, einem Kon­flikt und schlimm­sten­falls zer­brechen Beziehun­gen. Vor allem wird der Autor Deine Kri­tik möglicher­weise nicht annehmen, wenn Du ihn wütend angreif­st. Du wirst Deine Zeit und Kraft also sinn­los ver­schwen­det haben.

Schritt 3: Überprüfe die Umsetzung des Konzepts.

In den Schrit­ten 2a und 2b hast Du das Werk von Dein­er Sub­jek­tiv­ität gelöst und geprüft, ob der Text in sich stim­mig ist und zu sein­er eige­nen Botschaft passt. Nun kann es aber sein, dass im Text zwar in der The­o­rie alles zusam­men­passt, in der Prax­is aber nicht funk­tion­iert.

Vielle­icht han­delt es sich um einen Kri­mi, den Du allerd­ings über­haupt nicht span­nend find­est. Und auf dem Papi­er passt alles: Der Autor will ein State­ment gegen Tier­mis­shand­lung machen und deswe­gen ermit­telt der Detek­tiv gegen einen grausamen Tierquäler. Der Pro­tag­o­nist selb­st liebt Tiere über alles und über­prüft den Grad der Tier­liebe unter den Verdächti­gen. Das Prob­lem ist aber, dass Du schon ganz am Anfang erkan­nt hast, wer der Tierquäler ist, sodass jede Span­nung von vorn­here­in ver­loren war.

Dass Du die Geschichte als lang­weilig empfind­est, liegt in diesem Fall also offen­bar nicht an Dir, son­dern am Text. Der Autor hat ein solides Konzept her­aus­gear­beit­et, es aber nicht gut umge­set­zt.

Du kannst Dich nun also fra­gen, warum Du den Täter schon gle­ich am Anfang iden­ti­fiziert hast. Gab es viel zu ein­deutige Hin­weise? War der Red Her­ring, die Ablenkung vom Täter, nicht überzeu­gend genug? Hat sich der Autor eines alt­bekan­nten Klis­chees bedi­ent?

Ich gebe zu, für diese Über­legun­gen sind oft Ken­nt­nisse von schreibtech­nis­chem Werkzeug nötig. Doch dazu hast Du diese Web­site. Und wenn Du den­noch nicht benen­nen kannst, was der Autor falsch gemacht hat, oder keine Zeit oder Lust hast, es zu recher­chieren, dann reicht es auch dur­chaus, wenn Du dem Autor sagst, dass Du den Täter schon am Anfang iden­ti­fiziert hast. Damit ist das Prob­lem bere­its ziem­lich präzise benan­nt und der Autor kann selb­st recher­chieren. Teile dem Autor ein­fach mit, was Du ihm mit­teilen kannst. Eine umfassendere Hil­festel­lung ist schon Auf­gabe des Lek­tors.

Schritt 4: Liste Positives auf.

Weil Lob genau­so wichtig ist wie Kri­tik, soll­test Du möglichst frühzeit­ig anfan­gen, alles zu notieren oder zu markieren, was Dir gefällt. Stellen, an denen Du aufgelacht oder beson­ders mit­ge­fiebert hast, zum Beispiel. Oder Du kannst auch ein solides Konzept loben. Oder auch ein­fach die Tat­sache, dass der Autor den Ersten­twurf tat­säch­lich zu Ende geführt hat. — Das ist näm­lich tat­säch­lich eine beson­dere Leis­tung: Viele Men­schen schreiben, aber die wenig­sten been­den ihre Pro­jek­te.

Nun fragst Du Dich aber sicher­lich: Was, wenn es an dem Werk nichts zu loben gibt?

Nun, solange es nicht so schlimm ist wie My Immor­tal von Tara Giles­bie oder Kon­sorten, wirst Du bes­timmt etwas Lobenswertes find­en, wenn Du lange genug suchst. Wenn Du nun aber tat­säch­lich gar nichts Gutes an der Geschichte find­est, dann frage Dich, ob Du wirk­lich Deine Zeit damit ver­schwen­den soll­test. Denn wenn das Werk objek­tiv schlecht ist und der Autor sich offen­bar nicht ein­mal bemüht, etwas Stim­miges zu erschaf­fen, dann ist er an Dein­er Kri­tik ohne­hin nicht inter­essiert. Und wenn Du ein­fach nicht zur Ziel­gruppe gehörst, wirst Du nichts Wertvolles sagen kön­nen. In bei­den Fällen sind Deine Bemühun­gen, ein Feed­back zu hin­ter­lassen, also kom­plett sinn­los.

Schritt 5: Baue das Feedback sorgfältig auf und achte auf Deine Formulierungen.

Beginne und beende Dein Feed­back mit Lob und lockere damit auch hin und wieder die Kri­tik auf. Begründe dabei jede Dein­er Aus­sagen am Text und lass Deine Speku­la­tio­nen über den Autor außen vor. Achte auf Deine For­mulierun­gen und Deine Wort­wahl und dränge dem Autor Deine Mei­n­ung nicht auf.

Bei Lob kannst Du allerd­ings einige Regeln über Bord wer­fen. Ja, wenn etwas nicht span­nend ist, dann liegt das am Text. Aber wenn die Geschichte Dich wild mit­fiebern lässt, dann darf der Autor ruhig erfahren, wie tal­en­tiert er ist. Wenn Du die Beweg­gründe des Pro­tag­o­nis­ten nicht ver­stehst, dann ver­stehst Du sie nicht und vielle­icht liegt das am Text. Wenn die Moti­va­tion des Pro­tag­o­nis­ten aber gut rüberkommt, dann darf­st Du dem Autor gerne sagen, wie sorgfältig und liebevoll er sie her­aus­gear­beit­et hat. Lob darf also ruhig per­sön­lich sein, mit Du-Botschaften operieren und emo­tion­s­ge­ladene, unpräzise Aus­drücke wie “toll”, “mitreißend” und “wun­der­bar” enthal­ten. Der Autor wird sich freuen und Dein Feed­back mit größer­er Wahrschein­lichkeit dankbar annehmen und beherzi­gen.

Positive Erfahrungen

Wie Du also siehst:

Ein guter Kri­tik­er ist vor allem selb­stkri­tisch.

Er ist demütig und nimmt das Werk an, wie es ist. Er ver­sucht nicht, daraus etwas zu machen, das es nicht sein will. Er ver­sucht nicht, dem Autor seine ver­meintlich objek­tiv­en Kri­te­rien aufzu­drück­en. Und er ist sich stets sein­er per­sön­lichen Gren­zen bewusst.

Ich sage nicht, dass ich selb­st diese Prinzip­i­en immer ide­al umset­ze, aber ich bemühe mich. Ich war in meinem Leben bere­its auf bei­den Seit­en der Front und habe sowohl Fehler ander­er erlebt als auch eige­nen Mist verzapft. Und ich habe beobachtet, dass Autoren in 99 Prozent aller Fälle auf Feed­back, das nach den hier präsen­tierten Prinzip­i­en aufge­baut ist, mit Begeis­terung und tiefer Dankbarkeit reagieren. Ich wiederum hat­te in diesen Fällen das wun­der­bare Gefühl, tat­säch­lich geholfen zu haben.

Und das ste­ht im Kon­trast zu dem, was man manch­mal son­st so liest von Feed­back-Gebern, die meinen, sie wür­den gutes Feed­back verteilen: Ich war früher ja sehr viel in Online-Schreib­com­mu­ni­ties, vor allem auf Fanfiktion.de unter­wegs. Und manch­mal las man da Beschw­er­den von Usern, dass Autoren immer sooo aggres­siv auf kon­struk­tive Kri­tik reagieren wür­den. Und dann ging man auf ihr Pro­fil, um zu schauen, was für Feed­back sie so schreiben und Mam­ma mia! An Stelle der betrof­fe­nen Autoren hätte ich zwar zumin­d­est so getan, als wäre ich für das Feed­back dankbar, aber grund­sät­zlich war das Feed­back nicht wirk­lich wohlwol­lend und wertschätzend. Das, was die entsprechen­den Kri­tik­er hin­ter­ließen, war rein inhaltlich zwar dur­chaus berechtigt, aber alles andere war die rein­ste Katas­tro­phe. Unangemessen­er Sarkas­mus, per­sön­liche Belei­di­gun­gen, Du-Botschaften, aggres­sive Wort­wahl und nur durchgängige Neg­a­tiv­ität. Kein Wun­der, dass die Autoren defen­siv wur­den!

Allerd­ings will ich nicht so tun, als gäbe es keine kri­tikun­fähi­gen Autoren. Es gibt nun mal Men­schen, da bemüht man sich bewusst, nur das Ver­hal­ten zu kri­tisieren, und sie nehmen es als Angriff auf ihre Iden­tität. Und so gibt es auch Autoren, die sofort Fack­eln und Mist­ga­beln raus­holen, wenn Du auch nur andeutest, dass Du nicht begeis­tert bist. — Aber ich denke, wir kön­nen uns leicht darauf eini­gen, dass diese Leute drin­gend einen Ter­min beim Psy­chother­a­peuten brauchen. Ver­mut­lich lei­den sie auch in anderen Lebens­bere­ichen unter ihrer offen­sichtlichen narzis­stis­chen Per­sön­lichkeitsstörung. Mach einen großen Bogen um diese Leute und lass ihre Prob­leme nicht zu Deinen Prob­le­men wer­den. Mögen sie in ihrem Sumpf ein­sam vor sich hin schmoren, solange sie wollen.

Ich jeden­falls bleibe dabei, dass fast jed­er Men­sch ohne narzis­stis­che Per­sön­lichkeitsstörung oder ander­weit­ige Ursache für krankhafte Kri­tikun­fähigkeit gerne Feed­back annimmt, auch wenn es kri­tisch ist. Und beim Kri­tisieren sollte man aus Respekt vor dem Mit­men­schen sen­si­bel sein. Ja, manche Men­schen mögen fordern, dass Autoren sich ein­fach eine dickere Haut zule­gen sollen. Das Leben sei ja schließlich kein Pony­hof. Aber erstens ist es gar nicht so “ein­fach” und zweit­ens wirken diese Kri­tik­er, die sich in der Regel für ach so reif und erwach­sen hal­ten, außeror­dentlich infan­til: “Nicht ich muss mich an die Welt anpassen, son­dern die Welt an mich!!” — Faus­tregel: Je mehr jemand auf seine geistige Reife pocht, desto infan­til­er ist er.

Und ja, das Leben ist kein Pony­hof. Doch genau deswe­gen soll­ten wir aufeinan­der so viel Rück­sicht nehmen wie möglich. Jed­er hat ein schw­eres, schmerzhaftes Päckchen zu tra­gen, und beim Schreiben wird dieses Päckchen geöffnet. Deswe­gen halte ich die hier aufge­lis­teten Prinzip­i­en für essen­ziell und gebe mir Mühe, sie beim Lek­to­ri­eren einzuset­zen, selb­st wenn die Autoren mir sagen, dass sie die Samthand­schuhe nicht unbe­d­ingt brauchen. (Schaden tut es ja nicht, denn das Feed­back ist inhaltlich das­selbe.)

Umgang mit schlechter Kritik

Nun wirst Du als Autor in 95 Prozent aller Fälle nicht solch­es Feed­back bekom­men. Selb­st wenn Du von Belei­di­gun­gen ver­schont bleib­st, bleiben da noch die ganzen sub­jek­tiv­en Schwammigkeit­en und eventuell sog­ar man­gel­ndes Ver­ständ­nis des Werks. Wie holst Du aus solchem Feed­back aber den­noch Nutzen her­aus?

Schritt 1: Verdaue die Kritik.

Bedenke dabei vor allem, dass das Wort des Kri­tik­ers keine objek­tive, in Stein gemeißelte Wahrheit darstellt.

Es ist die Mei­n­ung eines Indi­vidu­ums, nicht mehr und nicht weniger.

Es ist dabei egal, ob das Feed­back pos­i­tiv oder neg­a­tiv ist. Am Ende liegt es auss­chließlich an Dir, das Feed­back unter­schiedlich­er Leute auszuw­erten, zu ver­gle­ichen und Deine Geschichte selb­st kri­tisch zu beäu­gen. Du entschei­dest, ob Du mit Dein­er Geschichte zufrieden bist oder nicht. Ob Du erre­icht hast, was Du erre­ichen woll­test, oder ob Du noch etwas verbessern soll­test. Denn es ist Deine Geschichte, Deine Welt und Du bist hier Gott.

Sollte die Kri­tik dabei unsen­si­bel, belei­di­gend oder ander­weit­ig ver­let­zend sein, dann gilt vor allem: Beruhige dich. Schlaf eine Nacht drüber. Der Kri­tik­er hat seine höchst eige­nen Gründe für sein Ver­hal­ten und sie haben nichts mit Dir zu tun. Und ja, ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, vor allem, wenn der Kri­tik­er einen wun­den Punkt getrof­fen hat. Aber bitte ver­suche den­noch, Dir ins Bewusst­sein zu rufen, dass Kri­tik vor allem über den Kri­tik­er etwas aus­sagt, und wenn die Kri­tik ver­let­zend aus­fällt, dann ist der Kri­tik­er eben ein Rüpel, schlecht erzo­gen oder ein unwis­sendes Opfer des Dun­ning-Kruger-Effek­ts.

Schritt 2a: Wer ist der Kritiker?

Der Kri­tik­er kri­tisiert eine Geschichte, weil er ist, was er ist. Er nimmt die Geschichte auf eine bes­timmte Weise wahr, weil er ein bes­timmter Men­sch ist mit ein­er bes­timmten Welt­sicht und einem bes­timmten Erfahrung­shor­i­zont. Um zu ver­ste­hen, warum ein Kri­tik­er bes­timmte Dinge kri­tisiert, musst Du ihn als Men­schen wahrnehmen und ver­ste­hen.

Und wie gesagt:

Kri­tik ist voller Aus­sagen über den Kri­tik­er!

Natür­lich kannst Du keine Gedanken lesen und Deine Möglichkeit­en sind somit dur­chaus eingeschränkt. Aber meis­tens lassen sich den­noch Infor­ma­tio­nen find­en, mit denen man arbeit­en kann:

  • Was ver­rät der Kri­tik­er zum Beispiel direkt und indi­rekt durch sein Feed­back? Wenn er expliz­it schreibt, dass er keine Liebes­dreiecke mag, dann hast Du einen expliziten Hin­weis auf seinen sub­jek­tiv­en Geschmack. Wenn er die schöne, poet­is­che Sprache lobt, dann impliziert das, dass er poet­is­che Sprache toll find­et.
  • Was kannst Du son­st noch über ihn her­aus­find­en? Weißt Du vielle­icht bere­its etwas, weil diese Per­son zu Deinem per­sön­lichen Umfeld gehört? Ist diese Per­son vielle­icht eine langjährige Inter­net-Bekan­ntschaft? Hat diese Per­son Pro­file in den sozialen Medi­en, die etwas preis­geben? Oder hast Du die Per­son sog­ar ganz streb­sam einen Frage­bo­gen aus­füllen lassen, um sie ein­er Ziel­gruppe zuord­nen zu kön­nen?

Halte vor allem Auss­chau nach Infor­ma­tio­nen über den per­sön­lichen Geschmack, das Lesev­er­hal­ten und die Erwartun­gen. Denn wenn der Kri­tik­er in seinem Feed­back seine Sub­jek­tiv­ität nicht selb­st von dem tren­nen kann, was tat­säch­lich im Text ste­ht, dann helfen diese Infor­ma­tio­nen Dir dabei, diese Arbeit nachträglich zu machen. Also einzuschätzen, wo der Kri­tik­er tat­säch­lich mehr oder weniger objek­tiv recht hat und wo er ein­fach durch seine Sub­jek­tiv­ität verblendet ist. Außer­dem kannst Du durch das Analysieren des Feed­backs und Deine Nach­forschun­gen fest­stellen, ob der Kri­tik­er über­haupt zu Dein­er Ziel­gruppe gehört, ob er bes­timmte Dinge nicht mag oder ver­ste­ht, weil das Werk ein­fach nicht sein Ding ist, ob seine sub­jek­tive Mei­n­ung also über­haupt rel­e­vant ist.

Sei aber vor sichtig, dass Du nicht jeden, der von Dein­er Geschichte nicht hel­lauf begeis­tert ist, unter “nicht meine Ziel­gruppe” verordnest. Denn wenn Du so vorgehst, bist irgend­wann vielle­icht nur Du selb­st als Deine Ziel­gruppe übrig und darf­st Dich nicht darüber beschw­eren, dass sich nie­mand für Deine Geschichte inter­essiert.

Schritt 2b: Nimm den Kritiker ernst.

Das Ziel der Infor­ma­tion­ssamm­lung über den Kri­tik­er beste­ht auch nicht darin, sich selb­st die Erlaub­nis zu erteilen, seine Mei­n­ung abzulehnen oder gar zu ignori­eren. Egal, ob der Kri­tik­er kom­pe­tent ist oder nicht, ob sein Feed­back sub­jek­tiv ist oder nicht und ob er zur Ziel­gruppe gehört oder nicht: Nimm sein Feed­back ernst!

Ob Du dieses Feed­back beherzi­gen sollst, wirst Du später entschei­den. An dieser Stelle geht es vor­erst darum, seine Wahrnehmung und sein Innen­leben zu akzep­tieren und zu respek­tieren. Denn in sein­er eige­nen Blase hat ein Feed­back-Geber immer recht:

Wenn jemand Deine Geschichte kri­tisiert, weil er sich mit dem Pro­tag­o­nis­ten nicht iden­ti­fizieren kon­nte, dann mag das daran liegen, dass er nicht zur Ziel­gruppe gehört, oder vielle­icht hat er auch ein­fach nicht ver­standen, dass Du Deine Geschichte bewusst so geschrieben hast, weil Du woll­test, dass die Leser den Pro­tag­o­nis­ten hin­ter­fra­gen. Doch in sein­er eige­nen, kleinen Welt hat er jedes Recht der Welt, unzufrieden zu sein: Er wollte sich in jemand anderen hinein­ver­set­zen, es hat nicht geklappt und jet­zt ist er ent­täuscht. — Und Du kannst mit noch so guten Argu­menten daherkom­men: Die Wahrschein­lichkeit, dass es etwas an seinen Gefühlen ändert, ist äußerst ger­ing.

Das soll­test Du vor allem bei “Getrig­gerten” bedenken: Wenn Deine Geschichte bei jeman­dem einen wun­den Punkt getrof­fen hat, ist natür­lich erst mal zu prüfen, ob Du die entsprechen­den The­men wirk­lich sen­si­bel gehand­habt hast. Ver­giss dabei jedoch nicht, dass Men­schen indi­vidu­ell sind und Du nicht jeden sub­jek­tiv­en Trig­ger vorherse­hen kannst. Irgend­wann, wenn bes­timmte Stan­dards eige­hal­ten wur­den, ist mit der Sen­si­bil­ität auch Schluss. Wenn jemand sich dann sub­jek­tiv getrig­gert fühlt, ist das eine Über­reak­tion. Das ist irra­tional. Aber es sind auch echte Gefüh­le im Spiel. Und Gefüh­le kann man nicht wegdisku­tieren. Solange der getrig­gerte Kri­tik­er sich irra­tional aufregt, kann er keine ratio­nalen Argu­mente aufnehmen — sofern Deine Argu­mente denn über­haupt ratio­nal sind und nicht eben­falls eine Aus­ge­burt Deines sub­jek­tiv­en Innen­lebens und des Dun­ning-Kruger-Effek­ts. Und wenn Du die Per­son zu beruhi­gen ver­suchst, indem Du diesen Gefühlen, die ja eine reale Ursache haben, die Legit­im­ität absprichst, dann ist das bere­its Gaslight­ing und damit eine emo­tionale Gewalt­tat. Solch­es Vorge­hen ist unsen­si­bel, unem­pathisch und führt nur zur Eskala­tion.

Was ich also sagen will, ist:

Jed­er hat ein Recht darauf, so zu fühlen, wie er fühlt. Weil jed­er einen Grund hat so zu fühlen, wie er fühlt. Und wenn diese Gefüh­le aus Dein­er Sicht irra­tional wirken, ist das lediglich nur Deine sub­jek­tive Sicht. Du weißt nicht alles über die Per­son vor Dir und somit hast Du auch kein Recht zu beurteilen, ob ihre Gefüh­le berechtigt sind oder nicht.

Ob Du nun also mit starken Gefühlen oder ein­fach nur mit banaler Sub­jek­tiv­ität kon­fron­tiert bist: Am besten, Du nimmst so etwas ein­fach hin. Ver­suche nachzu­vol­lziehen, warum der Kri­tik­er so reagiert, wie er reagiert, und verurteile ihn nicht. Finde her­aus, ob seine Reak­tion für Dich rel­e­vant ist, aber sprich ihr nicht die Legit­im­ität ab. Nimm die Gefüh­le und die sub­jek­tiv­en Wer­tun­gen als indi­rek­te Hin­weise auf die Erwartun­gen und den per­sön­lichen Geschmack dieses Men­schen und nicht als Aus­druck per­sön­lich­er Män­gel.

Schritt 3: Überprüfe die Kritik.

Nun weißt du also, wer der Feed­back-Geber ist und warum er Dir das Feed­back gibt, das er Dir gibt. Im näch­sten Schritt machst Du von diesen Infor­ma­tio­nen Gebrauch und über­legst, ob an der Kri­tik tat­säch­lich etwas dran ist.

Dabei ist wichtig zu bedenken, dass Kri­tik nicht immer wörtlich zu nehmen ist. Ein anschaulich­es Beispiel gibt es in einem anderen Bere­ich als dem Schreiben, näm­lich in der Welt der Such­maschi­nen:

Sicher­lich kennst Du das, wenn Du bei Google etwas ein­gib­st, Dich aber ver­tippst und Google Dir die richtige Schreib­weise vorschlägt. — Nun, diese Funk­tion hat­te Google nicht immer und eines Tages häuften sich Beschw­er­den, dass Google nicht ein­mal etwas über Stars wie Brit­ney Spears find­en kon­nte. Im Prinzip wurde also die Funk­tion­sweise des Algo­rith­mus infrage gestellt. In Wirk­lichkeit jedoch funk­tion­ierte der Algo­rith­mus völ­lig ein­wand­frei und das Prob­lem lag bei den Nutzern selb­st, die ihre Suchan­fra­gen mit Tippfehlern über­säten.

Nun hat Google aber nicht ein­fach die Schuld auf seine Nutzer geschoben, son­dern einge­se­hen, dass seine Ziel­gruppe aus fehlbaren Men­schen beste­ht. Deswe­gen wurde eben die Autoko­r­rek­tur einge­baut und das Prob­lem war für alle gelöst. Die unberechtigte Kri­tik am Algo­rith­mus ent­pup­pte sich also als wertvolle Anre­gung, wie Google seinen Ser­vice verbessern kon­nte.

Über­tra­gen auf das Schreiben bedeutet das: Wenn eine Geschichte nicht gefällt, dann ist etwas schiefge­laufen. — Aber was? Manch­mal kann der Feed­back-Geber das Prob­lem sehr genau benen­nen - vor allem, wenn er ein Profi ist. Manch­mal ist es jedoch nötig, um die Ecke zu denken und nach alter­na­tiv­en Ursachen für das Miss­fall­en zu suchen.

Vielle­icht wun­der­st Du Dich, warum Deine Leser den Pro­tag­o­nis­ten für eine Mary Sue hal­ten. Ich meine, Du hast peni­bel darauf geachtet, dass Dein Pro­tag­o­nist gravierende Schwächen hat und Fehler macht. Und trotz­dem beschw­eren sich die Leute, dass er doch ach so per­fekt ist. Also erin­nerst Du Dich an John Trubys Empfehlung, dass der Pro­tag­o­nist möglichst früh in der Geschichte jeman­den ver­let­zten sollte. Und Dir fällt auf: Am Anfang der Geschichte macht der Pro­tag­o­nist tat­säch­lich keine Fehler! Somit ist der erste Ein­druck, den die Leser bekom­men, tat­säch­lich, dass der Pro­tag­o­nist fehler­los ist. Und der erste Ein­druck zählt nun mal am meis­ten.

Oder hast Du Deine Aben­teuergeschichte vielle­icht ungeschick­ter­weise als Liebesgeschichte “verkauft”? Hast Du in der Beschrei­bung viel zu stark betont, dass die Pro­tag­o­nistin einem geheimnisvollen Prinzen begeg­net, und damit unbe­ab­sichtigt Erwartun­gen geschürt und eine ganz bes­timmte, romanzen­liebende Klien­tel ange­zo­gen? Natür­lich sind die Leute dann ent­täuscht, wenn die Pro­tag­o­nistin nicht mit dem Prinzen zusam­menkommt!

Oder hast Du vielle­icht nicht aus­re­ichend klar gemacht, dass der Leser sich nicht mit dem Pro­tag­o­nis­ten iden­ti­fizieren soll? Hast Du den Sub­text nicht klar genug rüberge­bracht? Oder vielle­icht soll­test Du die Sym­bole und Motive etwas ver­ständlich­er machen?

Mit anderen Worten:

Über­prüfe, ob der Feed­back-Geber die Geschichte wirk­lich richtig ver­standen und die essen­ziellen Details wahrgenom­men hat. Nutze Dein Wis­sen über ihn, um zu ver­ste­hen, warum er etwas nicht ver­standen oder überse­hen hat. Und sofern er zu Dein­er Ziel­gruppe gehört und dieselbe Kri­tik auch von anderen Lesern kommt, soll­test Du Deinem Pub­likum ent­ge­genkom­men und das Prob­lem aus­bügeln.

Dabei kann es übri­gens hil­fre­ich sein, bei den Feed­back-Gebern ein­fach weit­er nachzufra­gen. Vor allem, wenn das Feed­back schwammig ist. Vielle­icht kön­nen sie, wenn Du nach­hakst, konkret benen­nen, warum sie etwas lang­weilig oder unver­ständlich fan­den.

Auch gibt es die Möglichkeit, von vorn­here­in mit einem Fra­genkat­a­log zu arbeit­en. Nicht nur kannst Du darin Fra­gen zum Feed­back-Geber selb­st unter­brin­gen, beispiel­sweise zu seinem Lesev­er­hal­ten, son­dern Du kannst auch fra­gen, was konkret die Per­son wie ver­standen hat, was ihr gefall­en hat und was nicht und was sie sich vielle­icht noch gewün­scht hätte. Ob der Text sich flüs­sig liest, ob die Moti­va­tio­nen der Fig­uren nachvol­lziehbar sind, ob der Plot Sinn ergibt etc. Ger­ade, wenn Deine Feed­back-Geber Dilet­tan­ten sind, beispiel­sweise Fam­i­lie, Fre­unde oder Bekan­nte, wis­sen sie oft nicht, worauf genau sie acht­en sollen, und wenn Du sie dann um Rück­mel­dun­gen bittest, set­zt die Angst vor dem leeren Blatt ein und sie wis­sen erst recht nicht, was sie sagen sollen. Da kann es dur­chaus hil­fre­ich sein, wenn sie Fra­gen haben, an denen sie sich end­lang­hangeln kön­nen. Und wenn jemand keine Angst vor dem leeren Blatt hat und Dir sein Feed­back lieber “frei nach Schnau­ze” geben möchte, kann diese Per­son es ja immer noch gerne tun.

Wenn Nach­fra­gen Dich aber nicht weit­er­bringt, wirst Du wohl nicht umhin kön­nen, Dein the­o­retis­ches Wis­sen einzuset­zen bzw. das nötige the­o­retis­che Wis­sen zu recher­chieren: Wenn eine bes­timmte Szene als lang­weilig emp­fun­den wird, dann informiere Dich, was eine Szene inter­es­sant macht, und checke die Szene auf die entsprechen­den Ele­mente und Tech­niken durch. Wenn jemand ganz pampig meint, dass Du Dich ein­fach nicht ver­ständlich aus­drück­en kannst, dann nimm Deinen Schreib­stil und den Tex­tauf­bau genauer unter die Lupe. — Ein aufwendi­ges, aber ein­fach­es Prinzip also.

Was erfahrenere Feed­back-Geber ange­ht, so wis­sen sie in der Regel ziem­lich genau, worauf man so acht­en kann. Langjährige Leser­at­ten kön­nen Dein Werk mit zahlre­ichen anderen Büch­ern ver­gle­ichen und wis­sen in der Regel, was ein Buch aus­macht, das ihnen gefällt. Dass Lek­toren einen Text in all seinen Facetten pro­fes­sionell durchcheck­en, ver­ste­ht sich von selb­st. Wed­er die Leser­at­ten noch die Profis brauchen also einen Fra­genkat­a­log. Doch wenn Dich bes­timmte Aspek­te beson­ders beschäfti­gen, kannst Du die Leute natür­lich bit­ten, auf diese Dinge ver­stärkt zu acht­en.

Bei allen Feed­back-Gebern sollte aber das Prinzip gel­ten:

Das Feed­back ist nur eine Mei­n­ung von vie­len.

Wenn ein einziger Testleser Deinen Pro­tag­o­nis­ten blöd find­et, alle anderen aber begeis­tert sind, dann liegt es wahrschein­lich an dem einen Testleser und seinem indi­vidu­ellen Geschmack. Ander­er­seits aber würde ich dur­chaus sagen, dass die Mei­n­ung von erfahre­nen Leser­at­ten und Lit­er­atur­profis schw­er­er wiegen sollte als die von Gele­gen­heit­sle­sern oder sog­ar Nicht-Lesern. Denn Let­ztere haben oft ein­fach nicht die Kom­pe­tenz, Qual­ität einzuschätzen, weil sie Deine Geschichte nicht wirk­lich mit richtig guten und richtig schlecht­en Werken ver­gle­ichen kön­nen und auch die aktuellen Trends nicht ken­nen. Das kann dazu führen, dass sie einen Text loben, von dem jed­er erfahrene Leser oder Profi sofort sagen würde, dass er sämtliche Klis­chees seines Gen­res enthält und daher zum Scheit­ern verurteilt ist.

Schritt 4: Auf die Kritik antworten und den Text korrigieren.

Wenn Du nun also weißt, was genau das “Prob­lem” ist, kannst Du entschei­den, wie Du darauf reagierst.

In jedem Fall soll­test Du Dich als Erstes bedanken. Selb­st dann, wenn die Kri­tik unangemessen und ver­let­zend war. Tue wenig­stens so, als wärst Du dankbar. — Es sei denn, das Feed­back war wirk­lich sub­stan­z­los und durchgängig belei­di­gend, ein klas­sis­ch­er Hater-Kom­men­tar. Dann kannst Du dieses “Feed­back” get­rost ignori­eren und nicht weit­er Deine Zeit damit ver­schwen­den.

Alles Weit­ere ist option­al. Wenn Du Dich mit dem Feed­back-Geber weit­er aus­tauschen möcht­est und er das auch will, soll euch nichts im Weg ste­hen. Aber grund­sät­zlich bist Du nicht verpflichtet, Deine Entschei­dun­gen zu erk­lären und zu recht­fer­ti­gen.

Eine Aus­nahme ist es jedoch, wenn Dir etwas Schlimmes vorge­wor­fen wird. Beson­ders, wenn es öffentlich passiert. Hier geht es um Deinen Ruf und eine Erläuterung Dein­er Posi­tion, eine Richtig­stel­lung der Tat­sachen oder auch eine Entschuldigung wäre dur­chaus sin­nvoll. Aber sei vor­sichtig und lass Dich nicht in eine tox­is­che End­los-Diskus­sion ver­wick­eln.

Nach der Reak­tion gegenüber dem Feed­back-Geber kannst Du Dich daran machen, die Kri­tik umzuset­zen. Hier soll­test Du Dich zuerst aber entschei­den, ob Du sie über­haupt umset­zen kannst und willst. Frage Dich daher:

Passen die gewün­scht­en Änderun­gen zu Dein­er Vision und bist Du über­haupt in der Lage, sie einzubauen?

Wenn ein Kri­tik­er sich poet­is­chere Beschrei­bun­gen wün­scht, dann ist erst mal zu prüfen, ob es über­haupt etwas zu Dein­er Geschichte beitra­gen würde und ob Du sie wirk­lich haben willst. Denn wenn Du selb­st keine poet­is­chen Beschrei­bun­gen magst, dann musst Du sie auch nicht ein­bauen. Wenn Du den Vorschlag aber für eine gute Idee hältst, dann kannst Du Dich bemühen, recher­chieren, üben und vielle­icht kommt auch etwas Gutes dabei her­aus. Vielle­icht hast Du aber auch ein­fach kein Tal­ent für sowas und die Beschrei­bun­gen so zu lassen, wie sie sind, wäre das ger­ing­ste Übel. Entschei­de selb­st.

Und damit hängt zusam­men:

Lass Dir nichts auf­drän­gen!

Nicht jed­er, der vorgibt, Dir helfen zu wollen, meint es tat­säch­lich gut mit Dir. Manche Men­schen glauben ein­fach, alles bess­er zu wis­sen, und wollen sich wichtig­machen. Set­ze daher nur das um, was Deine Geschichte tat­säch­lich bere­ichert: Feed­back soll aufzeigen, wie Dein Werk verbessert wer­den kann. Ob diese Möglichkeit­en nun direkt benan­nt oder erst von Dir ermit­telt wer­den müssen. Aber sofern Deine Botschaft und Vision nicht tox­isch sind und Du weit­er­hin zu ihnen ste­hen willst, beste­ht auch kein Grund, sie über den Haufen zu wer­fen, nur weil jemand anderes das so will.

Schlusswort: Wann welches Feedback einholen?

Am Ende dieses Artikels möchte ich nur noch sagen, dass jed­er Text vor der Veröf­fentlichung mehrmals geprüft und über­ar­beit­et wer­den sollte. Ob Du Dir jedoch schon während des Schreibens Feed­back ein­holst oder Deinen Feed­back-Gebern erst einen fer­ti­gen Entwurf präsen­tierst, musst Du selb­st entschei­den: Je nach dem, wie Du bess­er arbeit­en kannst.

In der Prax­is ist aber auch die Ver­füg­barkeit von poten­tiellen Feed­back-Gebern ein Fak­tor. Fre­unde, Fam­i­lie und Bekan­nte sind oft gerne ver­füg­bar, aber wie Du sicher­lich bere­its gemerkt hast, sind sie nicht immer die besten Kri­tik­er. Manche Autoren suchen sich daher Kri­tik­part­ner, also andere Autoren, mit denen sie sich aus­tauschen. Oder einen Nicht-Autor, der sich aber trotz­dem mit dem Schreiben ausken­nt:

Denn in den ganz frühen Sta­di­en der Entste­hung des Textes sollte sich der Feed­back-Geber in Deine Lage ver­set­zen kön­nen. Die späteren Testleser, die den fer­ti­gen Entwurf oder das bere­its über­ar­beit­ete Manuskript lesen sollen, kön­nen ruhig ein­fach nur Leute sein, die gerne lesen und in Deine Ziel­gruppe passen.

Bevor Du einen fer­ti­gen Entwurf ver­schickst, ist es übri­gens sin­nvoll, ihn erst mal selb­st zu prüfen. So kannst Du bere­its erste Fehler und Ungereimtheit­en beseit­i­gen. — Aber tu, was für Dich am meis­ten Sinn macht.

Wichtig ist, dass vor der Veröf­fentlichung auf jeden Fall ein Lek­torat kommt. Wenn Du bei einem Ver­lag unterkommst, küm­mert sich der Ver­lag darum. Wenn Du aber die Self-Pub­lish­ing-Route ein­schla­gen willst, musst Du selb­st einen passenden Lek­tor find­en, der Deinen Text auch annimmt. Viele Lek­toren haben da ihre Schw­er­punk­te und Du soll­test einem Lek­tor, der sich auf Liebesgeschicht­en spezial­isiert, keinen Kri­mi zusenden.

Ide­al­er­weise sollte der Entwurf, den Du an einen Lek­tor schickst, abgeschlossen sein. Solange die Rohfas­sung noch im Entste­hen ist, sind viele Dinge unklar, sodass kein wirk­lich umfassendes Feed­back gegeben wer­den kann: Wenn die Geschichte noch kein Ende hat, dann kann noch nicht viel über den Arc des Pro­tag­o­nis­ten gesagt wer­den, das The­ma und die Botschaft wur­den noch nicht voll ent­fal­tet, man kann noch nicht ein­schätzen, welche Szenen und Details eventuell über­flüs­sig sind, etc. Außer­dem: Ein Lek­torat kostet und wer weiß, ob Du den Entwurf über­haupt been­d­est?

Also meine Empfehlung lautet:

Suche Dir schreibfreudi­ge Mit­stre­it­er, tausche Dich mit ihnen aus, beende den Entwurf und schicke ihn erst dann an Testleser und Lek­tor.

Aber wenn Du trotz­dem pro­fes­sionelle Hil­fe während der Entste­hung des Manuskripts brauchst, kannst Du gerne auch eine Beratung buchen. Ich würde mit Dir dann über Deine Vision, das Konzept und Deine Stolper­steine reden. Über was immer Dir Kopf­schmerzen bere­it­et.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert