Hel­den brau­chen ihre Men­to­ren. Des­we­gen sind Geschich­ten voll von ihnen: Der Men­tor gehört zu den grund­le­gens­ten Arche­ty­pen des Sto­rytel­lings. Und aus die­sem Grund ist er auch so kli­schee­be­haf­tet. Wie erschafft man also eine gute Men­tor-Figur? – In die­sem Arti­kel erfährst Du genau das.

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Was ist ein noch so aus­er­wähl­ter Held ohne sei­nen Men­tor? Ohne die­sen alten Mann mit lan­gem Bart, der für jede Situa­ti­on den rich­ti­gen Rat­schlag parat hat, und mit sei­ner unend­li­chen Weis­heit den Hel­den auf den rech­ten Pfad führt?

Der Men­tor gehört zu einem Hel­den wie die Mon­ta­ge­an­lei­tung zu einem IKEA-Regal. Erst mit sei­ner Hil­fe kann der Held sein Poten­ti­al entfalten.

Und damit gehört der Men­tor zu den Figu­ren, die meis­tens eine zen­tra­le Rol­le für den Plot spielen.

Wor­auf müs­sen wir also ach­ten, wenn wir Men­to­ren erschaf­fen? Wie passt der Men­tor in die Struk­tur einer Geschich­te? Und muss er wirk­lich immer ein bär­ti­ger, alter Mann sein? – Das alles erfährst Du in die­sem Artikel.

Der Mentor: Seine Funktion im Plot

Wie bereits ange­deu­tet, hat der Men­tor häu­fig eine wich­ti­ge Funk­ti­on für den Plot. Er ist einer der grund­le­gen­den Arche­ty­pen - beson­ders in Geschich­ten, die nach dem Prin­zip der klas­si­schen Hel­den­rei­se auf­ge­baut sind:

Der Men­tor lehrt den Hel­den, gibt sein Wis­sen und Kön­nen an ihn wei­ter und fun­giert somit als eine Art Kata­ly­sa­tor für die Ent­wick­lung des Hel­den.

Und das zeigt auch, was eine gut gemach­te Men­tor-Figur ausmacht:

Der Held muss ein Ziel errei­chen. Er hat aber eine Schwä­che, die ihn dar­an hin­dert. Und damit er sie über­win­den kann, kommt der Men­tor ins Spiel.

Die Rol­le des Men­tors und damit auch sein Wis­sen und sein Kön­nen sind sehr eng mit der Schwä­che des Hel­den verknüpft!

Luke Sky­wal­ker ist unge­stüm, uner­fah­ren und kann trotz ange­bo­re­nem Talent die Macht nicht nut­zen. – Obi-Wan Kenobi und Meis­ter Yoda sind legen­dä­re Jedi, die über uner­schöpf­li­ches Wis­sen ver­fü­gen und stets einen küh­len Kopf bewahren.

Damit hängt die Men­tor-Figur auch sehr stark mit den zen­tra­len The­men der Geschich­te zusammen:

Obi-Wan und Yoda klä­ren Luke über die Macht auf, dar­über, wie alles im Uni­ver­sum zusam­men­hängt, und sie leh­ren ihn Selbst­be­herr­schung und Selbstvertrauen.

Elemente einer Mentor-Figur

Die­se zen­tra­le Funk­ti­on des Men­tors geht oft mit eini­gen typi­schen Ele­men­ten die­ses Arche­typs einher:

  • Weil der Held über­durch­schnitt­lich oft eine Wai­se ist, wird der Men­tor häu­fig zum Vater­er­satz.
  • Und weil der Held irgend­wann auf eige­nen Füßen ste­hen muss, kommt der Men­tor über­durch­schnitt­lich oft tra­gisch ums Leben.
  • Weil der Men­tor außer­dem selbst mal jung war, hat er ger­ne auch sei­nen eige­nen Men­tor. Die­ser Men­tor wie­der­um hat sei­nen Men­tor und so wei­ter und so fort … Und manch­mal sehen wir auch, wie der Held spä­ter selbst Schü­ler auf­nimmt und ein Men­tor wird. Auf die­se Wei­se ent­ste­hen regel­rech­te Men­tor-Schü­ler-Ket­ten, die bei­na­he einem Fami­li­en­stamm­baum ähneln.

Doch auch, wenn Men­to­ren häu­fig unfehl­bar sind:

  • Man­che Men­to­ren machen tat­säch­lich Fehler.

So kann Obi-Wan Kenobi sei­nen Schü­ler Ana­kin Sky­wal­ker nicht davon abbrin­gen, auf die Dunk­le Sei­te der Macht zu wechseln.

Und bei all sei­ner Wich­tig­keit für die Ent­wick­lung des Helden:

  • Auch der Men­tor kann sei­nen eige­nen Arc haben:
    Ob es nun eine inter­es­san­te Hin­ter­grund­ge­schich­te ist oder ob der Men­tor sich wäh­rend der Haupt­hand­lung eben­falls wei­ter­ent­wi­ckelt – Ein Men­tor, der mehr ist als ein blo­ßer Kata­ly­sa­tor für die Cha­rak­ter­ent­wick­lung des Hel­den, ist deut­lich inter­es­san­ter. Ich bin also abso­lut dafür, dass Du Dei­ne Men­to­ren vor allem auch als inter­es­san­te, kom­ple­xe Figu­ren konzipierst.

Arten von Mentoren

Beim Erschaf­fen von Men­tor-Figu­ren musst Du aber kei­nes­wegs am Bild des bär­ti­gen, alten Man­nes fest­hal­ten. Denn tat­säch­lich gibt es Men­tor-Figu­ren in allen mög­li­chen For­men und Farben:

  • Ja, es gibt den wei­sen alten Mann oder auch die wei­se alte Frau.
  • Aber es gibt auch den gro­ßen Bru­der oder die gro­ße Schwes­ter (sowohl buch­stäb­lich als auch im über­tra­ge­nen Sinne).
  • Es gibt jun­ge, gut­aus­se­hen­de Men­to­ren, die sich auch zum Love Inte­rest des Hel­den ent­wi­ckeln können.
  • Man­che Men­to­ren haben die Form eines nied­li­chen Mas­kott­chens.
  • Ande­re Men­to­ren sind magi­sche Kin­der­mäd­chen.
  • Und wie­der­um ande­re Men­to­ren sind böse und/​oder kri­mi­nell.
  • Und das waren nur eini­ge der vie­len Variationen …

An die­ser Stel­le emp­feh­le ich daher einen Blick in den „Men­tor Index“ auf TV Tro­pes. Dort fin­dest Du eine Lis­te von Kli­schees, die mit die­sem Arche­typ zusam­men­hän­gen, und bekommst dadurch einen guten Ein­druck von der Viel­falt der Men­tor-Figu­ren und Mentor-Schüler-Beziehungen.

Menge von Mentoren

Doch auch inner­halb eines ein­zi­gen Wer­kes kann es vie­le ver­schie­de­ne Men­to­ren geben. Unter­schied­li­che Figu­ren kön­nen ihre eige­nen Men­to­ren haben, aber auch eine ein­zi­ge Figur kann Schü­ler meh­re­rer Men­to­ren sein.

Grund­sätz­lich kön­nen sich aber gene­rell alle Figu­ren gegen­sei­tig wei­ter­hel­fen. Denn so funk­tio­niert das ja auch im rea­len Leben: Wir ler­nen immer etwas von­ein­an­der. Schü­ler ler­nen von ihren Leh­rern, Leh­rer ler­nen von ihren Schü­lern. Wir ler­nen auch von Men­schen, die ein­fach ähn­li­che Inter­es­sen haben wie wir. Oder auch ein­fach von unse­ren Freunden.

Sehr schön imge­setzt wird das im Man­ga Fruits Bas­ket und in sei­nen bei­den Ani­me-Adap­tio­nen: Die Prot­ago­nis­tin Toru nimmt eine Art Mut­ter­rol­le für die ande­ren Figu­ren ein und bringt ihnen bei, sich selbst zu akzep­tie­ren und zu lie­ben. Gleich­zei­tig brin­gen die ande­ren Figu­ren ihr bei, dass ein gewis­ses Maß an Ego­is­mus durch­aus gesund ist. Yuki bringt Kisa bei, sich ihren Ängs­ten zu stel­len. Und wäh­rend Aya­me im zwi­schen­mensch­li­chen Umgang viel zu ler­nen hat, macht ihn sein Selbst­be­wusst­sein zum Vor­bild für Rit­su. Außer­dem lernt Rit­su von Toru, am Leben fest­zu­hal­ten, und gibt die­se Lek­ti­on an Mit­su­ru weiter.
Damit hebt sich Fruits Bas­ket sehr posi­tiv von vie­len ver­gleich­ba­ren Geschich­ten ab: Häu­fig sieht man nur eine ein­zi­ge Figur, die für die ande­ren immer das rich­ti­ge Wort parat hat. In Fruits Bas­ket hin­ge­gen sehen wir ein kom­ple­xes Figu­ren­ge­flecht, in dem jeder von jedem etwas ler­nen kann.
(Und neben­bei bemerkt: Gera­de läuft das Reboot des Ani­mes und soll – im Gegen­satz zum Vor­gän­ger – eine Kom­plett­ad­ap­ti­on des Man­gas wer­den. An die­ser Stel­le also eine aus­drück­li­che Emp­feh­lung von mir. In Fruits Bas­ket geht es vor allem um all­ge­mein­mensch­li­che Din­ge, um Gefüh­le, Sor­gen und Ängs­te, die wir alle ken­nen. Es ist daher ein Ani­me, den ich auch Nicht-Ani­me-Fans ans Herz legen kann.)

Archetyp und Klischees

Wir sehen also:

Der Men­tor-Arche­typ ist sehr viel­fäl­tig und geht weit über den typi­schen wei­sen alten Mann hinaus.

Doch auch wei­se alte Män­ner kön­nen gute Figu­ren sein, wenn ihre Funk­ti­on für den Plot kor­rekt umge­setzt ist und die Men­tor-Figur dabei mehr ist als ein Zahn­rad im Getrie­be. Man schaue sich nur Dum­ble­do­re aus der Har­ry Pot­ter-Rei­he an: Er erfüllt vie­le Kli­schees, ist dabei aber immer noch eine inter­es­san­te Figur.

Schlecht ist eine Men­tor-Figur dem­entspre­chend, wenn sie ihre Funk­ti­on ver­fehlt. Wenn sie mit der Schwä­che des Hel­den und den zen­tra­len The­men des Wer­kes kaum ver­kn­rüpft ist. Wenn der Men­tor ein­fach so exis­tiert und abge­dro­sche­ne Weis­hei­ten aus irgend­wel­chen Kalen­dern oder Geschenk­bü­chern nach­plap­pert, ohne dass sie irgend­ei­nen Bezug zur Geschich­te haben.

Bit­te ver­zich­te auch auf fron­ta­le Moral­pre­dig­ten, in denen der Men­tor detail­liert Dein per­sön­li­ches Welt­bild aus­legt. Denn wie bei so vie­len ande­ren Din­gen: Wenn es nichts zum Plot – und in die­sem Fall nichts zur Cha­rak­ter­ent­wick­lung des Hel­den bei­trägt, dann lass! Es! Weg!

Und eine Bit­te von mir ganz per­sön­lich: Bit­te sei vor­sich­tig, wenn der Men­tor irgend­wel­chen Kitsch über das ach so „rei­ne Herz“ des Hel­den redet. Denn meis­tens ist die­ses „rei­ne Herz“ nichts als eine hoh­le Phra­se, weil der Held in Wirk­lich­keit kei­nen Deut bes­ser ist als Otto Nor­mal­ver­brau­cher. Doch das ist ein The­ma, über das ich mich lan­ge aus­las­sen könn­te. Des­we­gen belas­se ich es heu­te bei die­ser kur­zen Bemer­kung. Und wenn Du möch­test, spre­chen wir über das Kli­schee des „rei­nen Her­zens“ in einem ande­ren Artikel.

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