Tipps für bessere Dialoge

Tipps für bessere Dialoge

Kaum eine Geschichte kommt ohne Dialoge aus. Und diese kön­nen sowohl zu den High­lights ein­er Erzäh­lung gehören als auch zu ein­er Qual für den Leser wer­den. — Je nach­dem, wie man sie hand­habt. Deswe­gen schauen wir uns in diesem Artikel an, auf welche Aspek­te man acht­en sollte, um gute Dialoge zu schreiben.

Die Folien für dieses Video gibt es für Steady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf YouTube als PDF zum Down­load.

Sie lassen die Geschichte lebendi­ger wirken, sor­gen für Dynamik und machen einen Text angenehmer zu lesen: Dialoge.

Sie sind eine der weni­gen Gele­gen­heit­en, Fig­urenrede unver­fälscht durch den Erzäh­ler in der Geschichte unterzubrin­gen. Damit sind sie ein wun­der­bares Mit­tel, um die Fig­uren zu charak­ter­isieren und ihre Per­spek­tiv­en darzustellen. — Und das oft mit wertvollem Sub­text.

Nicht zulet­zt sind Dialoge in der Regel zeit­deck­end. Für den Leser bedeutet das: Echtzeit-Kopfki­no. Keine Verzögerun­gen oder Zeitraf­fun­gen, son­dern flüs­siges Geschehen.

Kaum ein guter Roman kommt ohne gute Dialoge aus. Deswe­gen schauen wir uns heute an, wie man sie schreibt.

Ein katastrophaler Dialog …

Begin­nen wir heute zur Ein­stim­mung aus­nahm­sweise mit einem Beispiel, wie man keine Dialoge schreiben sollte.

“Guten Mor­gen”, lächelte Lieschen.

“Guten Mor­gen”, antwortete Fritzchen.

“Schönes Wet­ter heute, nicht wahr?”, meinte die Braun­haarige.

“Ja, sehr schönes Wet­ter”, bestätigte der Blauäugige.

“Wollen wir uns draußen hin­set­zen?”, schlug die junge Frau vor.

“Ja, gerne”, willigte ihr Kol­lege ein.

Und? Rollen sich bei diesem Dia­log auch Deine Zehen­nägel hoch? Ich habe hier längst nicht alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, aber schon sehr viel. Reden wir also nun darüber, was man bei Dialo­gen tun und lassen sollte, und machen anschließend einen besseren Dia­log daraus.

Relevanz

Der erste und vielle­icht wichtigte Punkt ist etwas, das eigentlich für jedes Ele­ment ein­er Geschichte gilt:

Dialoge soll­ten rel­e­vant sein. Das heißt: Jed­er Dia­log sollte für die Geschichte eine wichtige Funk­tion erfüllen.

Wenn ein Dia­log aus der Geschichte gestrichen wer­den kann, ohne dass etwas ver­loren geht, sollte er eben gestrichen wer­den.

Denn nie­mand mag sinnlosen Filler-Con­tent. Wenn nichts passiert, ist der Leser zu Recht gelang­weilt. Ver­schwende also bitte nicht seine Zeit mit über­flüs­si­gen Dialo­gen (und über­flüs­si­gen Szenen generell).

Achte also auf fol­gende Punk­te:

  • Deine Dialoge soll­ten inhaltlich zur Geschichte beis­teuern und ide­al­er­weise den Plot vorantreiben. Ereignishaftigkeit ist hier­bei ein wichtiges Stich­wort. Dazu ver­weise ich an dieser Stelle auf meinen bere­its existieren­den Artikel zu diesem The­ma.
  • Gute Dialoge (wie auch gute Szenen generell) haben in der Regel einen Kon­flikt: Denn nie­mand will über Leute lesen, die sich ganz doll lieb haben und in deren Leben es nur Son­nen­schein gibt. (Dieses The­ma haben wir übri­gens bere­its in einem früheren Artikel angeschnit­ten.)
  • Weil in Dialo­gen Fig­urenrede zumin­d­est ver­meintlich unver­fälscht wiedergegeben wird, eignen sie sich her­vor­ra­gend dazu, Fig­uren zu charak­ter­isieren. Über diesen Punkt reden wir in diesem Artikel noch aus­führlich­er.

Relevanz auch im Detail

Rel­e­vant sollte jedoch nicht nur der Dia­log ins­ge­samt sein, son­dern auch einzelne Wörter und Sätze des Dialogs soll­ten eine Exis­tenzberech­ti­gung haben. Das heißt: Du soll­test keine Infor­ma­tio­nen wieder­holen, die es bere­its ander­swo gibt. Das ist eine Stolper­falle, in die viele tap­pen.

Im obi­gen Beispiel für den katas­trophalen Dia­log kamen bere­its mehrere solche Fälle vor. Zum Beispiel dieser Satz:

“Ja, gerne”, willigte ihr Kol­lege ein.

Wenn jemand “Ja, gerne” sagt, dann willigt er ein. Dieses Wort ist im Begleit­satz also eine dop­pelt-gemop­pelte Infor­ma­tion.

Oder ein anderes, etwas offen­sichtlicheres Beispiel:

Lieschen fragte sich, wie es Fritzchen wohl ging.

“Wie geht es dir?”, fragte sie.

Etwas bess­er wäre:

Als sie Fritzchen begeg­nete, erin­nerte sie sich schla­gar­tig an den gestri­gen Vor­fall.

“Wie geht es dir?”, fragte sie.

Vermeide Info-Dump!

Eine weit­ere mögliche Funk­tion von Dialo­gen ist die Expo­si­tion: Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen für den Leser, damit er ver­ste­ht, wie die nar­ra­tive Welt funk­tion­iert. Grund­sät­zlich ist es ele­gan­ter, Infor­ma­tio­nen in Dialo­gen unterzubrin­gen als dass der Erzäh­ler sie direkt beim Leser ablädt (das heißt: den Erzäh­ler­text wie einen Sach­text mit Infor­ma­tio­nen voll­stopft). Allerd­ings lauern hier auch viele Gefahren:

  • Da wären erstens die soge­nan­nten “As you know”-Erzählsituationen: Wenn die Fig­uren sich gegen­seit­ig von Din­gen erzählen, von denen sie alle bere­its wis­sen, hat der Text inner­halb der Geschichte selb­st keine Exis­tenzberech­ti­gung.
  • Auch soll­test du bei Expo­si­tion in Dialo­gen lange Textblöcke mei­den. Kein Men­sch der Welt gibt Sach­texte auswendig wieder. Ein langer Monolog inner­halb eines Dialogs ist höch­stens nur dann berechtigt, wenn eine Fig­ur eine Geschichte erzählt und man deren Erzählfluss nicht unter­brechen möchte.

Als weit­er­führen­des Mate­r­i­al ver­weise ich an dieser Stelle zu meinem Artikel zum The­ma Info-Dump.

Figuren und ihre Individualität

Ein häu­figer Ratschlag bezüglich der Dialoge lautet, dass der Leser anhand der wörtlichen Rede allein den Sprech­er iden­ti­fizieren kön­nen sollte.

Das bedeutet, dass die Art und Weise, wie die Fig­uren sprechen, indi­vidu­ell sein sollte.

Denn das macht Dialoge und die Geschichte ins­ge­samt nicht nur lebendi­ger, son­dern die Art zu sprechen ist wichtig für die Charak­ter­isierung der einzel­nen Fig­uren.

Wie macht man die wörtliche Rede also indi­vidu­ell?

Dazu gibt es eine Menge Punk­te, an die man denken kön­nte bzw. sollte:

  • Zu den ersten Din­gen, über die man nach­denken sollte, gehören Dialekt und Sozi­olekt: Bei­de zeigen an, wo die Fig­ur herkommt — geo­graphisch und gesellschaftlich. Rund um Han­nover, wo ich herkomme, spricht man zum Beispiel anders als in Tübin­gen, wo ich studiert habe. Denn viele Schwaben “schwä­beln”, selb­st wenn sie eigentlich Hochdeutsch sprechen. Mein Exfre­und, der Bade ist, schwä­belt aus Prinzip nicht und spricht reines Hochdeutsch, obwohl er in der Nähe von Stuttgart aufgewach­sen ist. Was eine Menge über seine Per­sön­lichkeit und das his­torische Ver­hält­nis zwis­chen Baden und Würt­tem­berg aus­sagt.
    Das­selbe Prinzip gilt für auch für den Sozi­olekt: Denn man saugt die spez­i­fis­che Sprech­weise des eige­nen sozialen Milieus mehr oder weniger mit der Mut­ter­milch auf — oder man wehrt sich dage­gen, was ja auch sehr viel über einen aus­sagt.
  • Auch Sub­kul­turen bee­in­flussen die Sprache eines Men­schen. Ich bin beispiel­sweise Rus­s­land­deutsche und ich kann damit aus erster Hand bezeu­gen, dass wir Rus­s­land­deutschen bes­timmte Wörter aus dem Deutschen entlehnt und zum Teil verun­stal­tet haben, sodass unser Rus­sisch von den Russen in Rus­s­land — oder auch in anderen Teilen der Welt — nicht immer zu 100 % ver­standen wer­den kann. — Und dann gebraucht meine Oma auch Wörter, die ich lange Zeit nicht ver­ste­hen kon­nte, weil sie kon­servierte Überbleib­sel eines deutschen Dialek­ts aus dem 19. Jahrhun­dert mit rus­sich­er Aussprache sind. Von Din­gen wie Jugend­slang, Fach­jar­gon aller möglichen Bere­iche und Begrif­f­en, die zum Beispiel um bes­timmte Musikrich­tun­gen herum entste­hen, will ich gar nicht erst anfan­gen.
  • Nicht zulet­zt hat jed­er Men­sch auch seinen höchst eige­nen Idi­olekt: die indi­vidu­elle Sprache eines Men­schen inklu­sive Wortschatz, Syn­tax und Aussprache.
  • Aber auch die Per­sön­lichkeit bee­in­flusst die Sprache: So gibt es z.B. Men­schen, die gerne viel Sub­text in ihre Sprache ein­bauen, wie auch Men­schen, die alles buch­stäblich nehmen und auch selb­st immer genau das sagen, was sie meinen. Manche Men­schen neigen mehr zu Din­gen wie Ironie und Sarkas­mus, manche weniger. Manche schimpfen mehr, manche weniger und manche gar nicht.
  • Außer­dem haben viele Men­schen neben recht gängi­gen Mack­en wie bes­timmten Füll­wörtern (“sozusagen”, “irgend­wie”), Nuscheln und Sicher­heits­fra­gen (“…, oder?”, “…, nicht wahr?”) auch sehr spezielle Sprachticks: Ob es nun eine bes­timmte Lieblingsmetaphorik ist, ein Hang zu Sprich­wörtern oder Wort­spie­len oder auch das unvergessliche Chrm, chrm von Dolores Umbridge in den Har­ry Pot­ter-Büch­ern. Ich selb­st zum Beispiel habe eine ziem­liche Vor­liebe für Diminu­tive.

Nicht vergessen wer­den sollte auch, dass die Sprache eines Indi­vidu­ums sich je nach Sit­u­a­tion und Adres­sat gerne ändert:

  • So kön­nen Eigen­heit­en wie Stot­tern nicht nur etwas über eine Per­sön­lichkeit ins­ge­samt aus­sagen, son­dern auch über den aktuellen Gemüt­szu­s­tand des Men­schen.
  • Auch die Reak­tion zweier Men­schen auf ein und dieselbe Sit­u­a­tion kann grund­sät­zlich unter­schiedlich aus­fall­en: Abhängig vom Tem­pera­ment mag jemand auf eine schlechte Nachricht gelassen reagieren, während ein ander­er vielle­icht wütend loss­chre­it.
  • Und außer­dem hängt unsere Sprache sehr stark davon ab, ob wir uns im Kreis der Fam­i­lie, unter Fre­un­den oder unter unseren Kol­le­gen befind­en. Ob wir mit einem Mann reden oder mit ein­er Frau. Mit einem Erwach­se­nen oder einem Kind. Mit ein­er Putzfrau oder einem Staat­sober­haupt.

Vor allem aber sagt die Art und Weise, wie sich die Sprache eines Men­schen verän­dert, sehr viel darüber aus, wer er ist.

Was ich unterm Strich also sagen will, ist:

Was die Fig­uren wie und in welch­er Sit­u­a­tion sagen, sagt sehr viel über sie aus. Und was wir bere­its über sie wis­sen, spiegelt sich fol­glich in dem, was sie sagen, sodass wir sie alleine daran erken­nen kön­nen.

Tipps für bessere Dialoge

Hier ein sim­ples Beispiel:

Aus dem bish­eri­gen Ver­lauf der Geschichte wis­sen wir, dass Lieschen eine Pes­simistin ist und Fritzchen ein unverbesser­lich­er Opti­mist. Nun stürzen die bei­den von einem Hochhaus.

Dabei schre­it ein­er: “Aaaaaaaaah, ich falle!”

Und der andere: “Juhu­uu, ich fliege!”

Und weil wir die Fig­uren ja bere­its ken­nen, kön­nen wir ohne Hil­fe seit­ens des Erzäh­lers zuord­nen, welch­er Schrei zu wem gehört. Außer­dem erken­nen wir, dass Lieschen zwar einen besseren Sinn für Real­ität besitzt, aber Fritzchen im Hier und Jet­zt der glück­lichere Men­sch ist.

So weit, so gut. Aber an dieser Stelle auch eine War­nung:

Bitte, bitte nicht übertreiben!

Dass man den Sprech­er anhand der wörtlichen Rede iden­ti­fizieren kön­nen sollte, ist ein Ide­al. Es sollte nicht in Dialoge ausarten, in denen jed­er einen markan­ten Sprachtick hat, jed­er Stot­ter­er expliz­it einge­baut wird und alle nur noch Dialekt reden. Denn dann ist die Suppe schnell über­würzt.

Realismus

Grund­sät­zlich wird es gerne gese­hen, wenn Dialoge real­is­tisch und authen­tisch sind. Es ist meis­tens zum Beispiel eher schwierig, zu Fig­uren ein Gefühl von Nähe aufzubauen, wenn sie immer extrem hochgestochen sprechen. Das Gegen­teil von hochgr­a­dig stil­isiert­er Rede ist die wortwörtliche Wieder­gabe dessen, wie Men­schen wirk­lich sprechen:

  • Sie ver­haspeln sich und stot­tern,
  • bilden unvoll­ständi­ge Sätze,
  • missver­ste­hen sich und reden aneinan­der vor­bei,
  • schweifen in ihren Gesprächen ab zu völ­lig irrel­e­van­ten Din­gen,
  • ver­wen­den viele über­flüs­sige Wörter,
  • wieder­holen sich inhaltlich,
  • hal­ten sich an auss­chweifende Höflichkeit­srituale,
  • fall­en sich gegen­seit­ig ins Wort und reden sog­ar gle­ichzeit­ig

Ein Text, der in seinen Dialo­gen das alles peni­bel umset­zt, wird für den Leser schnell zur Qual. Denn in erzäh­len­den Tex­ten geht es bei Gesprächen meis­tens mehr um das Was und weniger um das Wie. — Natür­lich ist es wichtig, wie jemand etwas sagt, aber es ist in den meis­ten Fällen das Was, das den Plot vorantreibt. So real­is­tisch einzelne kos­metis­che Details wie das Stot­tern oder Füll­wörter auch sein mögen — sie tra­gen meis­tens wenig zur Hand­lung bei und sind somit über­flüs­sig. Denn schlimm­sten­falls lenken sie sog­ar von den wichti­gen Din­gen ein­er Geschichte ab.

Real­is­mus ist bei Dialo­gen wie Salz beim Kochen: In Maßen sorgt es für Authen­tiz­ität und Nähe zum Leser sowie für eine bessere Charak­ter­isierung der Fig­uren. Doch wenn man es übertreibt, ist die Suppe ver­salzen und unge­nießbar.

Deswe­gen soll­ten die in diesem Abschnitt aufge­lis­teten Punk­te mehr als eine Art dezente Deko­ra­tion ver­wen­det wer­den und nicht als Hauptschw­er­punkt der Dialoge auftreten. Wenn Du sie ein­baust, soll­ten sie abseits vom Real­is­mus eine wichtige Funk­tion inner­halb der Hand­lung erfüllen. Und wenn sie es nicht tun, dann lass sie weg.

Subtext

Der Psy­chologe und Kom­mu­nika­tion­wis­senschaftler Friede­mann Schulz von Thun hat das Kom­mu­nika­tion­squadrat entwick­elt. Nach diesem Mod­ell enthält jede Äußerung vier Botschaften gle­ichzeit­ig:

  • die Sach­in­for­ma­tion
    (Fak­ten, Dat­en, Sachver­halte)
  • die Selb­stkundgabe
    (was der Sprech­er durch das Gesagte über sich selb­st aus­sagt)
  • der Beziehung­sh­in­weis
    (wie der Sprech­er meint zum Adres­sat­en zu ste­hen)
  • der Appell
    (was der Sprech­er beim Adres­sat­en erre­ichen möchte)

Das bedeutet zum Beispiel:

Lieschen betritt einen Raum und sagt: “Es ist kalt hier drin.”

Diese Aus­sage hat nach Schulz von Thun nun vier Bedeu­tun­gen. Diese kön­nten sein:

  • die Sach­in­for­ma­tion: “In diesem Raum ist es kalt.”
  • die Selb­stkundgabe: “Ich friere.”
  • der Beziehung­sh­in­weis: “Ich ver­traue auf deine Hil­fs­bere­itschaft.”
  • der Appell: “Mach das Fen­ster zu.”

Wenn deine Fig­uren also miteinan­der ins Gespräch kom­men, bedenke, dass die Kom­mu­nika­tion eben nicht nur auf der Sachebene stat­tfind­et. Was sagen sie zwis­chen den Zeilen? Was ist ihre Selb­stkundgabe, ihr Beziehung­sh­in­weis und ihr Appell?

Denn reale Men­schen sagen immer etwas zwis­chen den Zeilen und Dialoge, die auss­chließlich auf der Sachebene stat­tfind­en, wirken deswe­gen leicht real­itäts­fern, platt und lang­weilig.

So weit so gut. Doch wenn wir noch einen Schritt weit­er gehen …

Wir Men­schen sind ver­schieden und in einem Dia­log gibt es da noch min­destens einen Gegenüber, der die Aus­sage inter­pretiert. Und diese Inter­pre­ta­tion kann etwas völ­lig Anderes sein als das, was der Sprech­er gemeint hat.

Kehren wir also zurück zu unserem Beispiel:

Fritzchen hat Lieschens Aus­sage gehört, auf seine eigene Weise inter­pretiert und antwortet: “Hm. Den Ein­druck habe ich nicht.”

Er hat auf seine Weise zwis­chen den Zeilen gele­sen und denkt ehrlich und aufrichtig, dass Lieschen nur seine Mei­n­ung zur Raumtem­per­atur wis­sen möchte. Deswe­gen kann er beim besten Willen nicht nachvol­lziehen, warum sie plöt­zlich so ver­let­zt ist.

Wie Du also siehst, bietet auch das Ver­ste­hen oder Nichtver­ste­hen von Sub­text einen frucht­baren Nährbo­den für Kon­flik­te und inter­es­sante Inter­ak­tio­nen zwis­chen Fig­uren generell.

Das Drumherum von Dialogen

Doch nicht nur der Inhalt der wörtlichen Rede macht einen guten Dia­log aus, son­dern auch das Drumherum. Hier also einige solche Dinge …

Das Talking Head Syndrome

Ver­giss nie das buch­stäbliche Drumherum von Dialo­gen. Denn eine gute Dia­log-Szene beste­ht nicht nur aus dem, was die Fig­uren sagen.

Denn wenn Men­schen reden, bewe­gen sie ihren Kör­p­er, haben Gestik und Mimik, und sie inter­agieren mit ihrer Umwelt.

Wenn du deinen Dia­log nicht mit diesen gesprächs­be­glei­t­en­den Hand­lun­gen auflock­erst, kommt es zum soge­nan­nten Talk­ing Head Syn­drome:

Weil die Fig­uren außer Reden offen­bar nichts tun, sieht man als Leser keine lebendi­ge Szene vor sich, son­dern zwei Köpfe in einem leeren Raum, die Wörter aus­tauschen.

Mache Dir also bei jedem Dia­log auch Gedanken darüber, was Deine Fig­uren während des Redens tun und was um sie herum passiert.

Solche Hand­lun­gen sind übri­gens auch ein gutes Mit­tel, um Textblöcke in der wörtlichen Rede aufzu­lock­ern. Und außer­dem helfen sie auch beim näch­sten Punkt …

Begleitsätze

Die wohl schmerzhaftesten Stolper­fall­en bei Dialo­gen lauern in Begleit­sätzen zur wörtlichen Rede. Denn lei­der, lei­der ler­nen viele von uns in der Schule zwei blödsin­nige Dinge: viele Syn­onyme für “sagen” und viele Umschrei­bun­gen für den Sprech­er.

Du hast es bes­timmt schon vorhin bei meinem Beispiel für einen katas­trophalen Dia­log gespürt:

Die Syn­onyme für “sagen” sind oft inhaltlich über­flüs­sig, schlimm­sten­falls ein­fach unpassend, und lenken vom Dia­log selb­st ab.

Auch Umschrei­bun­gen der Sprech­er wirken oft fehl am Platze und lenken vom Dia­log ab.

Ger­ade bei den Umschrei­bun­gen der Sprech­er gibt es bei anfan­gen­den Autoren diesen irrsin­ni­gen Trend, immer wieder die Augen- und Haar­far­ben der Fig­uren her­vorzuheben, obwohl diese rein gar nichts zur Hand­lung beitra­gen.

In Bezug auf Begleit­sätze ist es wichtig zu ver­ste­hen:

Ein per­fek­ter Begleit­satz hat möglichst unauf­fäl­lig zu sein, um den Fluss des Dialogs nicht zu stören.

Aber wie macht man das?

Nun, bei den Umschrei­bun­gen der Sprech­er kann man ganz klas­sisch die Namen ver­wen­den und sie so oft wie möglich mit Per­son­al­pronomen (“er”/“sie”) erset­zen. — Keine Sorge, dass es die Leser nervt! Denn “Fritzchen” fällt in einem Text viel weniger auf als “der Blauäugige” und markiert zugle­ich ganz unmissver­ständlich den Sprech­er.

Auch “sagen” braucht keine Umschrei­bun­gen und Syn­onyme. Denn “sagen” ist ein so gebräuch­lich­es, sim­ples und neu­trales Wort, dass es beim Lesen kaum ins Auge fällt. Das bedeutet nicht, dass man auf Syn­onyme kom­plett verzicht­en sollte, aber diese sind nur sel­ten zu gebrauchen und auss­chließlich nur dann, wenn es passt.

Noch bess­er als “sagen”, ist es aber, die Begleit­sätze durch Hand­lun­gen zu erset­zen. Zum Beispiel so:

Fritzchen blicke aus dem Fen­ster und nick­te. “Ja, sehr schönes Wet­ter.”

Hier geht aus dem Text von alleine her­vor, dass Fritzchen der Sprech­er ist. Ein Begleit­satz ist nicht nötig.

Und, last but not least, bietet es sich tat­säch­lich manch­mal an, die wörtliche Rede ein­fach so ohne Begleit­satz oder sog­ar Hand­lung ste­hen zu lassen. Das ist vor allem dann sin­nvoll, wenn zwei Fig­uren einen schnellen Wortwech­sel haben (und man die Erzäh­lzeit nicht in die Länge ziehen will) und/oder wenn aus dem Zusam­men­hang sowieso klar ist, wer ger­ade spricht.

Formalia

Zulet­zt möchte ich hoch auf zwei Punk­te zur for­malen Textgestal­tung einge­hen.

Erstens:

Beginne jedes, jedes, JEDES Mal einen neuen Absatz, wenn der Sprech­er wech­selt!

Kaum etwas ist unüber­sichtlich­er als ein Dia­log, in dem der Über­gang von einem Sprech­er zum anderen nicht visuell gekennze­ich­net ist. Ver­gle­iche selb­st, was leser­lich­er ist:

  • Ohne Absätze:

“Guten Mor­gen”, lächelte Lieschen. “Guten Mor­gen”, antwortete Fritzchen. “Schönes Wet­ter heute, nicht wahr?”, meinte die Braun­haarige. “Ja, sehr schönes Wet­ter”, bestätigte der Blauäugige. “Wollen wir uns draußen hin­set­zen?”, schlug die junge Frau vor. “Ja, gerne”, willigte ihr Kol­lege ein.

  • Mit Absätzen:

“Guten Mor­gen”, lächelte Lieschen.

“Guten Mor­gen”, antwortete Fritzchen.

“Schönes Wet­ter heute, nicht wahr?”, meinte die Braun­haarige.

“Ja, sehr schönes Wet­ter”, bestätigte der Blauäugige.

“Wollen wir uns draußen hin­set­zen?”, schlug die junge Frau vor.

“Ja, gerne”, willigte ihr Kol­lege ein.

Zweit­ens:

Achte auf die kor­rek­te Zeichenset­zung bei der wörtlichen Rede!

  • Benutze Anführungsstriche, um die wörtliche Rede zu kennze­ich­nen.
  • Trenne die wörtliche Rede vom Begleit­satz durch ein Kom­ma.
  • Wenn die wörtliche Rede von einem Begleit­satz gefol­gt wird, wird bei der wörtlichen Rede kein Punkt. Ein Aus­rufe- oder Frageze­ichen hinge­gen schon.

Diesen Punkt haben wir übri­gens bere­its in in einem früheren Artikel angeschnit­ten.

Besserer Dialog

Da wären wir also nun. So viel zu meinen Tipps für bessere Dialoge. Und wie anfangs ver­sprochen, will ich nun schauen, ob ich aus dem katas­trophalen Dia­log vom Anfang einen besseren machen kann. Ich behaupte nicht, dass meine bessere Vari­ante grandios ist, aber alle­mal bess­er als die katas­trophale Vari­ante.

Als Lieschen den Raum betrat, saß Fritzchen bere­its am Tisch und star­rte mit säuer­lich­er Miene ins Leere.

Sie quetschte ein Lächeln her­vor. “Guten Mor­gen.”

Fritzchen blick­te auf.

“Guten Mor­gen”, sagte sein Mund. “Fall tot um”, sagten seine Augen.

Sie holte tief Luft. Ja, auch ihr Magen wollte sich des Früh­stücks entledi­gen bei dem bloßen Gedanken, dass sie den ganzen Tag mit ihm zusam­me­nar­beit­en musste. Aber sie waren doch zwei erwach­sene Men­schen!

Na ja. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Augen zu und durch!

Sie ließ ihren Blick durch das dun­kle Besprechungsz­im­mer schweifen und blieb am Fen­ster hän­gen. Ein saftiges Grün und ein kräftiges Blau leuchteten here­in.

“Schönes Wet­ter heute, nicht wahr?”

“Ja, sehr schönes Wet­ter.” Fritzchen hat­te sich nicht ein­mal die Mühe gemacht, aus dem Fen­ster zu schauen.

“Wollen wir uns draußen hin­set­zen?”

Fritzchen antwortete nicht sofort. Für einen Moment wurde seine Miene sog­ar noch säuer­lich­er und seine ver­schränk­ten Hände wirk­ten verkrampft. Doch dann entspan­nte sich plöt­zlich seine gesamte Hal­tung wie ein Bal­lon, aus dem Luft abge­lassen wurde.

“Ja, gerne”, sagte er leise.

Ich hoffe, ich kon­nte mit den bei­den Vari­anten ein und des­sel­ben Dialogs demon­stri­eren, welchen Unter­schied die Befol­gung zumin­d­est einiger der in diesem Video erwäh­n­ten Tipps aus­machen kann. Und vor allem: Warum gute Dialoge wirk­lich, wirk­lich wichtig sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert