Schreib­stil ver­bes­sern: Besser for­mu­lieren für aus­drucks­starke Texte

Schreib­stil ver­bes­sern: Besser for­mu­lieren für aus­drucks­starke Texte

Ein guter Schreib­stil erfor­dert natür­lich sehr viel Übung. Doch mit einigen Tricks kannst Du ihn jetzt sofort ver­bes­sern. Und genau diese Tricks ver­rate ich Dir in diesem Artikel: Lerne besser zu for­mu­lieren und schreibe bes­sere, aus­drucks­starke Texte.

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Es ist nahezu gru­selig, wie ein­fach man seinen Schreib­stil ver­bes­sern kann. – Und das sollte das Ziel eines jeden Autors sein: Denn wer würde schon eine noch so inter­es­sante Geschichte lesen, wenn sie unlesbar geschrieben ist? Wenn man jeden Satz zweimal lesen muss, um ihn zu ver­stehen? Wenn man mit­ten­drin den Faden ver­liert?

Ein flüs­siger Schreib­stil ist eine Kunst für sich. Sprache, die ein­fach nur mühelos dahin­flutscht, erfor­dert natür­lich viel Übung. Mehr noch:

An einer ein­fa­chen, flüs­sigen und scheinbar mühe­losen Sprache erkennt man einen Autor, der sein Hand­werk wirk­lich beherrscht.

Dass man viel schreiben muss, um an diesen Punkt zu gelangen, ver­steht sich von selbst. Doch Du kannst den Lern­pro­zess mächtig ankur­beln. Dafür musst Du Dir bewusst machen, welche kon­kreten Dinge Deinen Schreib­stil schwer­fällig machen. Worauf Du beim Schreiben achten und was Du beim Über­ar­beiten eli­mi­nieren soll­test.

Und um genau solche Details – häu­fige Stil­fehler – geht es in diesem Video. Wenn Du sie stets im Hin­ter­kopf behältst – glaube mir, Dein Schreib­stil wird schlag­artig besser.

Kom­pli­zierter Schreib­stil vs. ein­fa­cher Schreib­stil

Ja, es gibt sie: Erfolg­reiche Autoren, die einen unmög­lich kom­pli­zierten Schreib­stil haben. Und manchmal ist so ein Schreib­stil auch durchaus berech­tigt. Doch in den meisten Fällen steht ein kom­pli­zierter Schreib­stil dem Erfolg eines Romans eher im Weg.

So haben Jodie Archer und Matthew L. Jockers her­aus­ge­funden, dass die meisten Best­seller im Gegen­satz zu den meisten Nicht-Best­sel­lern auf eine authen­ti­sche All­tags­sprache Wert legen. Auf eine ein­fache Sprache, die nah am Leser ist. Die nur so dahin­fließt, sodass der Leser sich zurück­lehnen und sich von der Hand­lung treiben lassen kann. Wenn jeder Satz beson­dere Kon­zen­tra­tion erfor­dert, ist das natür­lich nicht mög­lich.

Viele begin­nende Autoren halten die Schwer­fäl­lig­keit ihrer Sprache oft für ihren indi­vi­du­ellen Schreib­stil. Dabei sind es in Wirk­lich­keit immer wieder die­selben Dinge, die einen Text unnötig ver­kom­pli­zieren. Ich würde daher sagen:

Erst, wenn Du diesen Wust an sti­lis­ti­schen Anfän­ger­feh­lern ver­mei­dest, kommt Deine wahre Indi­vi­dua­lität zum Vor­schein.

Aber was sind denn nun diese sti­lis­ti­schen Anfän­ger­fehler? – Gehen wir sie doch nach­ein­ander durch!

Stil­falle 1: Satz­länge

Man möchte meinen, ein­fache Sätze zu bilden wäre ein­fach. Ist es aber nicht. Denn viele Autoren – inklu­sive mich selbst – neigen zumin­dest in der Anfangs­phase zu end­losen Schach­tel­sätzen.

Merke Dir also fol­gende Faust­re­geln:

Ein guter, kurzer Satz besteht aus 8–12 Wör­tern. Maximal 20 Wör­tern.

Jeder Gedanke braucht einen eigenen Satz.

Wenn ein Satz zu lang ist bzw. zu viele Gedanken ent­hält, merkst Du das ganz leicht an den vielen Kommas. Diese Kommas sind oft gute Stellen, um einen Satz zu teilen. Ersetze also pas­sende Kommas ein­fach durch Punkte. Und mache Neben­sätze zu Haupt­sätzen oder eli­mi­niere sie kom­plett.

Extremes Bei­spiel:

„Nachdem Fritz­chen und Lies­chen das Café, wo sie der Bedie­nung, die sehr freund­lich gewesen war, ein groß­zü­giges Trink­geld hin­ter­lassen hatten, ver­lassen hatten, gingen sie ins Kino, aller­dings nur ganz kurz, denn es lief nichts Gutes, also gingen die nach Hause und gönnten sich einen Net­flix-Abend.“

Besser wäre:

„Fritz­chen und Lies­chen gaben der freund­li­chen Bedie­nung ein groß­zü­giges Trink­geld. Dann ver­ließen sie das Café und gingen ins Kino. Da lief aber nichts Gutes. Also gingen sie nach Hause und gönnten sich einen Net­flix-Abend.“

Wenn Du aber nun meh­rere Sätze hast, dann hast Du meh­rere säu­ber­lich getrennte Gedanken. Und meh­rere Gedanken ergeben einen Aspekt.

Noch eine Faust­regel:

Jeder Aspekt braucht einen eigenen Absatz.

Das heißt: Jedes Mal, wenn das Thema auch nur ansatz­weise in eine neue Rich­tung driftet – Neuen Absatz beginnen! Denn „Text­wände“ sind schwer zu lesen.

Zum Bei­spiel:

Hier ist ein Foto aus dem Step­pen­wolf von Her­mann Hesse. Der Autor macht eher wenig Absätze. Inhalt­lich mochte ich das Buch, aber das Lesen an sich war stel­len­weise eine Qual.

Schreibstil verbessern: Besser formulieren für ausdrucksstarke Texte
Bei allem Respekt für Her­mann Hesse: Die „Text­wand“ macht einem Angst.

Stil­falle 2: Schwer­fäl­lige For­mu­lie­rungen

Doch nicht nur die Länge an sich macht Sätze kom­pli­ziert: Das Deut­sche kennt meh­rere gram­ma­ti­sche Kon­struk­tionen, die den Sprach­stil schwer­fällig machen. Wenn Du sie also nicht unbe­dingt brauchst, soll­test Du sie ver­meiden.

Der Kon­junktiv

Die erste sper­rige Kon­struk­tion ist der Kon­junktiv. Zur Erin­ne­rung:

  • Man ver­wendet den Kon­junktiv I bei Wün­schen und Auf­for­de­rungen sowie bei indi­rekter Rede:

„Möge die Macht mit dir sein!“

„Fritz­chen sagte, er wolle noch etwas erle­digen.“

  • Der Kon­junktiv II ist ent­weder eine Alter­na­tive zum Kon­junktiv I, falls die ent­spre­chende Form mit einer anderen Form ver­wech­selt werden könnte; oder er drückt etwas Unwahr­schein­li­ches aus:

„Ich sagte, ich hätte einen Hund.“
(Statt: „Ich sagte, ich habe einen Hund.“)

„Ich wollt‘, ich wär‘ ein Huhn.“

Der Kon­junktiv II hat außerdem die „Würde“-Form als Alter­na­tive:

„Ich würde dir zustimmen, wenn ich deine Mei­nung teilen würde.“

Wie schwer zu über­sehen ist, fühlen sich Kon­junk­tive oft ver­altet an. Sie werden in der gespro­chenen Sprache kaum ver­wendet und fallen beim Lesen des­wegen sofort ins Auge.

Auch muss man gerade beim Irrealis etwas umdenken, weil man einer­seits eine Infor­ma­tion bekommt, diese aber nicht stimmt.

Dar­über hinaus haben beide Kon­junk­tive das Pro­blem, dass sie nichts Kon­kretes aus­sagen: Es sind Wün­sche, Mög­lich­keiten und die Wie­der­gabe von etwas, das jemand angeb­lich gesagt hat. Was Kon­junk­tive hin­gegen nicht haben, sind klare Aus­sagen und Auto­rität.

Wenn die jewei­lige Text­stelle es also nicht zwangs­läufig erfor­dert, ist es sinn­voll, sich beim Schreiben einer Geschichte um Kon­junk­tive her­um­zu­schlän­geln und dem Leser etwas Kon­kretes und – vor allem – Reales zu geben.

Das Passiv

Die zweite sper­rige Kon­struk­tion ist das Passiv. Auch sie ist umständ­lich und erfor­dert ein Umdenken:

„Lies­chen wird von Fritz­chen geliebt.“

Im Aktiv klingt der Satz nicht nur viel prä­gnanter, son­dern ist auch kürzer und ein­fa­cher:

„Fritz­chen liebt Lies­chen.“

Außerdem: Eine Geschichte braucht Hand­lung. Jemand muss han­deln. Und das Aktiv drückt genau das aus. Das Passiv hin­gegen hin­ter­lässt einen Ein­druck von Pas­si­vität. Die Dinge pas­sieren ein­fach, ohne dass jemand etwas dafür tut.

Daher macht der Gebrauch des Pas­sivs nur Sinn, wenn die ent­spre­chende Situa­tion es wirk­lich erfor­dert.

Die Nega­tion

Die dritte sper­rige Kon­struk­tion ist die Nega­tion. Das sind Sätze mit Wör­tern wie „nicht“, „kein“ und „ohne“. Auch hier muss das Gehirn umdenken: Es sieht ein Bild – und dann erst die Nega­tion. Es schwebt also immer die Gefahr mit, dass die Leser die Nega­tion über­sehen oder ver­gessen. Damit sind Miss­ver­ständ­nisse vor­pro­gram­miert.

Außerdem schwingt auch hier etwas Unkon­kretes mit. Wir bekommen eine Infor­ma­tion – und dann wird sie umge­dreht. Ver­gleiche:

„Fritz­chen will Lies­chen nicht ver­lieren.“

„Fritz­chen will um Lies­chen kämpfen.“

Der nega­tive Satz drückt vor allem Angst, Pas­si­vität und eine Opfer­rolle aus. Im posi­tiven Satz ist Fritz­chen aktiv und han­delt. Welche Vari­ante von Fritz­chen ist dem Leser wohl sym­pa­thi­scher?

Das­selbe gilt übri­gens auch für ver­nei­nende Suf­fixe wie „-los“ und „-frei“ und Prä­fixe wie „un-“. Denn die Wörter „gren­zenlos“, „ein­wand­frei“ und „unschön“ bestehen größ­ten­teils immer noch aus den Wör­tern „Grenze“, „Ein­wand“ und „schön“. Wenn eine Negie­rung also keinen bestimmten Zweck erfüllt, soll­test Du lieber auf Wörter wie „voll­kommen“ oder „ewig“, „per­fekt“ oder „richtig“ und „häss­lich“ oder „schlecht“ zurück­greifen. Das sind klare, ein­deu­tige Aus­sagen, die Auto­rität aus­strahlen.

Und natür­lich gilt das Ganze umso mehr für dop­pelte Ver­nei­nungen. Ver­gleiche:

„Fritz­chen fand Lies­chen nicht unschön.“

„Fritz­chen fand Lies­chen schön.“

Gib es zu: „Nicht unschön“ ist ein ver­wir­rendes – und vor allem über­flüs­siges – Nega­tions-Laby­rinth. Tu es Deinen Lesern nicht an. Zumin­dest nicht ohne guten Grund.

Der Infi­nitiv

Die vierte und letzte sper­rige Kon­struk­tion ist der Infi­nitiv. Wir alle kennen ihn: Er macht simple Aus­sagen zu end­losen Schach­tel­sätzen. Zum Bei­spiel:

„End­lich traute sich Fritz­chen, Lies­chen auf ein Date ein­zu­laden.“

Warum for­mu­liert man es nicht ein­fa­cher?

„End­lich lud Fritz­chen Lies­chen auf ein Date ein.“

Der Infi­nitiv macht die Sprache äußert schwer­fällig – vor allem, wenn er häufig vor­kommt. Es gilt daher auch hier: Wenn Du ihn nicht unbe­dingt brauchst – weg damit!

Stil­falle 3: Wort­wahl

Doch nicht nur beim For­mu­lieren von Sätzen kann einiges schief laufen. Auch bei der Wort­wahl lauern viele Gefahren.

Wie Du Dir nach dem Abschnitt über die Satz­länge denken kannst, ist auch die Länge ein­zelner Wörter wichtig. Achte darauf, dass die Wörter in Deinen Texten maximal 4 Silben ent­halten. Wenn das Wort, das Du ver­wenden willst, länger ist, suche lieber nach einem kür­zeren Syn­onym. – Und selbst wenn das Wort nur drei oder vier Silben hat: Wenn es ein kür­zeres Syn­onym gibt, benutze es!

Sei auch vor­sichtig mit Fach­sprache, Slang und Fremd­wör­tern. Hier sind natür­lich Deine Ziel­gruppe und Dein Set­ting ent­schei­dend: Wenn Deine Geschichte in einem Kran­ken­haus spielt, werden natür­lich einige medi­zi­ni­sche Fach­aus­drücke fallen. Wenn es um Teen­ager geht, darfst Du auch Wörter ver­wenden, die ältere Men­schen viel­leicht nicht ver­stehen. Halte die Menge sol­cher Wörter jedoch immer mög­lichst klein.

Ver­zichte bitte, bitte auch auf alles, was sich nach Behörden oder Rechts­texten anhört. Das sind Wörter und For­mu­lie­rungen wie: hin­sicht­lich, ins­be­son­dere, wäh­rend­dessen, auf­grund von, inso­fern …

Auf­passen soll­test Du auch bei Wör­tern, die ein­fach nur dop­pelt-gemop­pelter Unsinn sind. Zum Bei­spiel: aller­meiste, ein­zigster … – Man kann nicht ein­ziger sein als einzig!

Eine wei­tere Gefahr sind Sub­stan­ti­vie­rungen. Denn auch sie gehören zu den Dingen, die das Gehirn zum Umdenken zwingen. Ver­gleiche selbst:

„Die Bauern ergriffen Maß­nahmen zur Schäd­lings­be­kämp­fung.“

„Die Bauern bekämpften Schäd­linge.“

Wel­cher Satz ist ver­ständ­li­cher? Daher Vor­sicht bei Wör­tern, die auf „-ung“ enden! Das sind oft sub­stan­ti­vierte Verben.

Sub­stan­ti­vierte Adjek­tive hin­gegen erkennt man oft an den Endungen „-heit“, „-keit“ und „-nis“. Auch sie machen Texte kom­pli­ziert. Ver­gleiche:

„Zwi­schen Fritz­chen und Lies­chen herrschte Einig­keit.“

„Fritz­chen und Lies­chen waren sich einig.“

Stil­falle 4: Über­flüs­sige Wörter und Infor­ma­tion

Jetzt haben wir lang und breit dar­über gespro­chen, was alles para­phra­siert gehört. Wor­über wir aber noch unbe­dingt reden müssen, sind Dinge, die Du kom­plett strei­chen soll­test.

An erster Stelle stehen hier natür­lich Füll­wörter. Das sind Wörter wie: also, eigent­lich, über­haupt, nun, dann, doch, irgendwie … Ja, sie tragen manchmal zur Bedeu­tung eines Satzes bei oder lockern die Sprache etwas auf. Aber in sehr, sehr vielen Fällen tragen sie nichts zum Text bei und ziehen ihn künst­lich in die Länge. Lass sie lieber weg.

Etwas schwie­riger zu erkennen sind hin­gegen über­flüs­sige Adjek­tive und Adver­bien sowie ver­zicht­bare Text­ab­schnitte. Schauen wir uns das Ganze etwas genauer an.

Über­flüs­sige Adjek­tive und Adver­bien

Adjek­tive und Adver­bien sollen einem Text theo­re­tisch mehr Leben und Farbe ver­leihen. Doch oft sind sie schlichtweg über­flüssig. Schau des­wegen immer genau hin, ob Du sie wirk­lich brauchst! Zum Bei­spiel:

„Du bist doof!“, schrie Lies­chen.

„Du bist doofer!“, rief Fritz­chen ver­är­gert.

In dieser Situa­tion ergibt es sich von selbst, dass Fritz­chen ver­är­gert ist. Und abge­sehen davon schreit dieser Dialog nach „Show, don’t tell“.

Anderes Bei­spiel:

„Meine Eltern lasen mein Zeugnis mit sicht­li­chem Stolz.“

Ähem. Wenn der Stolz der Eltern nicht „sicht­lich“ wäre, würde das „Ich“ es nicht sehen. Beschreibe lieber, wie sie vor Stolz nur so strahlen. Wie sie das „Ich“ loben. Denn auch dieser Satz schreit nach „Show, don’t tell“.

Und weil alle guten Dinge drei sind:

„Fritz­chen nahm Anlauf und sprang ins feuchte Nass.“

… Hast Du schon mal tro­ckenes Nass gesehen? Schreibe lieber: „planschte ins Wasser“ oder sowas. Das­selbe gilt natür­lich auch für „grünes Gras“, „harten Beton“ und so weiter und so fort.

Inhalt­liche Zusam­men­fas­sungen

Über­flüssig sind, wie gesagt, gerne mal auch ganze Text­ab­schnitte. Abge­sehen von über­flüs­sigen Szenen, die nichts zur Geschichte bei­tragen, gibt es da näm­lich auch das Phä­nomen der nutz­losen inhalt­li­chen Zusam­men­fas­sungen und Erklä­rungen.

Hier ein äußerst sünd­haftes Bei­spiel aus einer frü­heren Ver­sion meines eigenen Manu­skripts:

Für den Kon­text: Mein Prot­ago­nist mit dem Spitz­namen Jara ist Kadett an einer Aka­demie, wo er zum Eli­te­sol­daten aus­ge­bildet wird. Zur Aus­bil­dung gehört auch zere­mo­ni­eller Wach­dienst vor dem Tor der Aka­demie. Und wäh­rend des Wach­dienstes machen sich einige Pas­santen einen Spaß daraus, die unbe­weg­li­chen Wächter zu pro­vo­zieren.

Eine beson­dere Art von Pro­vo­ka­tion kommt von einer Gruppe Mäd­chen. Sie redu­zieren die Kadetten offen auf Objekte sexu­eller Begierde und reden über äußerst intime Themen. Ein Mäd­chen namens Cor­nelia ist gerade dabei, eine hit­zige Dis­kus­sion zu ver­lieren.

„Cor­nelia rümpfte nur belei­digt die Nase, wäh­rend Jara mit größter Mühe der Ver­su­chung wider­stand, in den gefühlten Abgrund neben ihm zu springen. Er presste die Zähne noch stärker auf­ein­ander und stand fest und stei­nern mit seiner Hel­le­barde in der Hand wie ein Fels in der Bran­dung. Die weib­li­chen Inti­mi­täten prallten gegen ihn, eine Welle nach der anderen, und er gab sich größte Mühe, die ganzen Wahr­heiten über das weib­liche Geschlecht, die auf ihn nur so ein­pras­selten, zu über­hören.“
(Anmer­kung: Der „gefühlte Abgrund“ hat sich bereits an frü­herer Stelle zwi­schen Jara und seinem Kame­raden auf der anderen Seite des Tores auf­getan.)

Was ist an diesem einen Absatz also alles falsch?

  • Zunächst erstmal: Dass Cor­nelia „belei­digt“ ist, ist aus dem Zusam­men­hang klar. Über­flüs­siges Adverb. Weg damit.
  • Der erste Satz ent­hält einen Infi­nitiv.
  • Dass der „Fels in der Bran­dung“ „fest und stei­nern“ ist, ver­steht sich von selbst. Löschen.
  • Die Sätze sind gene­rell sehr lang. Kürzen.
  • Und nun worum es mir hier eigent­lich geht: Der letzte Satz, der immerhin den halben Absatz aus­macht, ist nicht nur lang, son­dern auch kom­plett über­flüssig. Er fasst ein­fach nur zusammen, was der Leser gerade erst gelesen hat. Außerdem ver­wäs­sert das Geschwafel das Bild vom „Fels in der Bran­dung“. Also weg mit dieser unnö­tigen Erklä­rung.

In der aktu­ellen Ver­sion des Manu­skripts lautet diese Stelle so:

„Cor­nelia rümpfte nur die Nase, wäh­rend der gefühlte Abgrund Jara ein­la­dend angrinste. Er presste die Zähne noch stärker auf­ein­ander und stand mit seiner Hel­le­barde da wie ein Fels in der Bran­dung.“

- Und? Spürst Du den Unter­schied?

Wei­tere Bemer­kungen

Nun haben wir ganz aus­führ­lich über jede Menge „Don’t„s gespro­chen. Was sind aber die „Do„s?

An erster Stelle soll­test Du natür­lich für Deine Ziel­gruppe schreiben. Ein Buch für Kinder muss viel ein­fa­cher geschrieben sein als ein Buch für Erwach­sene. Doch für prak­tisch alle Ziel­gruppen gilt:

In der Kürze liegt die Würze!

Außerdem:

Schreibe mög­lichst nah an der gespro­chenen Sprache. Denn sie fühlt sich am natür­lichsten an.

Halte sie außerdem so bild­haft und emo­tional wie mög­lich. Stich­punkt: „Show, don’t tell“ und Kopf­kino.

Und doch … Manchmal …

Manchmal erfüllt kom­pli­zierte Sprache durchaus einen bestimmten Zweck. Ent­scheide also selbst, wie skla­visch Du Dich an die Tipps in diesem Artikel halten willst!

4 Kommentare

  1. Zu deinem Manu­skript: „Wie ein Fels in der Bran­dung“ ist auch ein geeig­neter Fraß für die Lösch­taste. Eine abge­latschte Meta­pher. Besser klingt: „Er stand stei­nern mit seiner Hel­le­barde da“, das erweckt auto­ma­tisch Bilder vom Fels in der Bran­dung und weist außerdem eine schöne Alli­te­ra­tion.

    Nachwuchsschreiber
    1. Du hast absolut recht. An dieser kon­kreten Stelle macht eine abge­latschte Meta­pher meiner Mei­nung nach aber durchaus Sinn, weil der nächste Satz beginnt mit: „Das redete er sich zumin­dest ein.“ Der kli­schee­hafte Fels in der Bran­dung ist also eher das Bild, das ein Nicht-Literat für sich selbst erzeugt. Aber in dem Text/Video habe ich diesen Aspekt nicht erwähnt, daher hast Du auf jeden Fall recht und das ist eine wich­tige Bemer­kung. Vielen Dank!

      Was die Alli­te­ra­tion angeht, so fände ich per­sön­lich sie eher deplat­ziert bzw. der Satz liest sich dadurch holp­riger. – Ein­fach, weil sie nichts aus­drückt, dafür aber einen Semi-Zun­gen­bre­cher erzeugt.

    1. Meinst Du Wie­der­ho­lungen von Wör­tern? Es gibt Soft­ware, die sie erkennt und mar­kiert – die Syn­onyme oder Umschrei­bungen oder was auch immer muss man aber selbst ein­fügen. Die Soft­ware, die ich benutze, ist Papyrus Autor, aber das kostet um die 200 €, ist also nicht für jeden Geld­beutel.

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