Repe­titio und Wie­der­ho­lungen all­ge­mein

Repe­titio und Wie­der­ho­lungen all­ge­mein

Rhe­to­ri­sche Figuren ver­bes­sern den Schreib­stil. Und die Repe­titio ist eine davon. In diesem Artikel beschäf­tigen wir uns mit ihr und Wie­der­ho­lungen ganz all­ge­mein: Was Wie­der­ho­lungen in einer Erzäh­lung bewirken können, erkläre ich unter Ein­be­zie­hung von Bei­spielen.

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Wie­der­ho­lungen. Mal sind sie emo­tional, mal witzig, doch meis­tens haben sie eine ganz beson­dere Bedeu­tung. Fangen wir aber ganz all­ge­mein an:

Ein anderes Wort für „Wie­der­ho­lung“ ist die Rekur­renz. Sie kommt vom latei­ni­schen Wort für „wie­der­kehren“ und bezeichnet jede Form von Wie­der­ho­lung. Zu den Effekten, die man mit Wie­der­ho­lungen errei­chen kann, zählen nicht nur die Her­vor­he­bung und Ver­stär­kung von etwas, son­dern auch die Her­stel­lung von Zusam­men­hängen im Text und damit eine innere Struk­tu­rie­rung des Textes.

Repe­titio

In der Rhe­torik bezeichnet man die Wie­der­ho­lung als Repe­titio. Dieser Begriff bedeutet wört­lich „Wie­der­ho­lung“ und bezeichnet die Wie­der­ho­lung von Wör­tern, Sätzen, Satz­glie­dern etc. inner­halb einer bestimmten Ein­heit (Text­ab­schnitt, Vers etc.).

Damit ist die Repe­titio eher ein Sam­mel­be­griff für alles, das sich in der Rhe­torik wie­der­holt und vor allem der Ver­stär­kung des Gesagten dient. Das lässt sich an einem Bei­spiel von Goethe demons­trieren:

Was man ein Kind ist! Was man nach so einem Blicke geizt! Was man ein Kind ist! […] Die Frau­en­zimmer fuhren hinaus, und wäh­rend unserer Spa­zier­gänge glaubte ich in Lot­tens schwarzen Augen – ich bin ein Tor, ver­zeih mir‘s! du soll­test sie sehen, diese Augen. […] Ich suchte Lot­tens Augen; ach sie gingen von einem zum andern! Aber auf mich! mich! mich! der ganz allein auf sie resi­gniert dastand, fielen sie nicht! […] O was ich ein Kind bin!“
Johann Wolf­gang Goethe: Die Leiden des jungen Werther, Kapitel: Am 8. Julius.

Werther bringt seine unkon­trol­lier­baren Gefühle durch zahl­reiche Wie­der­ho­lungen zum Aus­druck: Da ist zum einen die Gleich­set­zung von sich selbst mit einem Kind, das stän­dige Gerede von Lot­tens Augen und natür­lich der drei­fache Ausruf: „mich! mich! mich!“

Viele Arten der Wie­der­ho­lung

Wie man sich denken kann, gibt es in der Rhe­torik allein extrem viele Arten der Wie­der­ho­lung. Das hier ist zum Bei­spiel eine Liste von Wortwuchs.net (kann ich übri­gens sehr emp­fehlen):

  • Stil: Ana­di­p­lose, Ana­pher, Dia­phora, Epa­na­di­p­lose, Epa­nal­epse, Epa­nas­trophe, Epanodos, Epi­pher, Epip­loke, Epi­zeuxis, Gemi­natio, Kyklos, Polyp­toton, Sym­p­loke
  • Son­der­formen: Alli­te­ra­tion, Figura ety­mo­lo­gica, iden­ti­scher Reim, Par­al­le­lismus
  • Inhalt­lich: Pleo­nasmus, Tau­to­logie

Im Rahmen dieser Stil­mittel-Reihe werden wir uns all diese ver­schie­denen Formen der rhe­to­ri­schen Wie­der­ho­lung genauer anschauen. Diesen Artikel jedoch möchte ich etwas all­ge­meiner halten und dar­über reden, was Wie­der­ho­lungen gene­rell bewirken können.

Wie­der­ho­lung und Erzähl­struktur

Ich habe ja anfangs schon erwähnt, dass Wie­der­ho­lungen struk­tu­rieren können. Ebenso wie eine Meta­pher eine zen­trale Rolle in einer Erzäh­lung ein­nehmen kann, können näm­lich auch Wie­der­ho­lungen eine pro­mi­nente Stel­lung und eine beson­dere Bedeu­tung haben.

Dabei müssen diese Wie­der­ho­lungen nicht einmal rein rhe­to­risch sein. Zum Bei­spiel gibt es solche Dinge wie den Run­ning Gag, die Catch­phrase und die unzeit­liche Ver­knüp­fung, nur um einige Bei­spiele zu nennen.

Run­ning Gag

Der Run­ning Gag ist wört­lich ein „lau­fender Witz“. Dar­unter ver­steht man einen Witz, der sich inner­halb einer Erzäh­lung wie­der­holt. Wenn ein Run­ning Gag gut ist, wird er durch die Wie­der­ho­lung umso lus­tiger und prägt sich auch ein.

Aber dann gibt es solche Bei­spiele wie A Game of Thrones von George R. R. Martin. In diesem Roman bekommt Tyrion von den Krie­gern der Berg­stämme wie­der­holt die Dro­hung:

„I’ll chop off your man­hood and feed it to the goats.“

Mit der Zeit beginnt er aller­dings, in Anwe­sen­heit der Berg­stämme mit dieser Dro­hung zu spielen. Als er die Berg­stämme in einer Schlacht anführt, ruft er ihnen zu:

„[…] hack off their cocks and feed them to the fishes.“

Dieses Bei­spiel zeigt, dass Run­ning Gags vieles andere mehr bewirken können. In diesem kon­kreten Bei­spiel: die Dar­stel­lung von Bezie­hungen. Dadurch, dass Tyrion die Dro­hung auf­greift, spie­gelt er einer­seits das Ver­halten der Berg­stämme und passt sich an. Ande­rer­seits kann man da auch eine gewisse Ironie fühlen: Der hoch­ade­lige Tyrion nimmt die pri­mi­tiven Berg­stämme anschei­nend nicht so ganz ernst – zumin­dest auf rein intel­lek­tu­eller Ebene.

Catch­phrase

Eine Ctach­phrase (alter­nativ auch „catch-phrase“ oder „catch phrase“) bedeutet im Deut­schen so viel wie „Schlag­wort“ oder „Slogan“. Dar­unter ver­steht man nichts anderes als dass eine Aus­sage immer wieder wie­der­holt wird. Oft erfolgt die Wie­der­ho­lung durch eine ein­zige Figur und dadurch wird die Catch­phrase sozu­sagen zum Mar­ken­zei­chen dieser Figur. Vor allem sagt die Catch­phrase oft sehr viel über die Figur aus, die sie aus­spricht.

Bei­spiele von Catch­phrases es im Prinzip überall:

  • Shay Patrick Cormac im Video­spiel Assassin’s Creed: Rogue
    (jedes Mal, wenn Glück, For­tuna etc. erwähnt wird):

    „I make my own luck.“

  • Sher­lock Holmes in der BBC-Serie Sher­lock
    (in ver­schie­denen Varia­tionen):

    „I’m not a psy­cho­path. I’m a high-func­tio­ning socio­path.“

  • Souji Okita im Anime Hakuouki
    (auf­grund seiner unheil­baren Krank­heit):

    „I can still fight.“

Unzeit­liche Ver­knüp­fung durch Wie­der­ho­lung

Nun hatten wir die Run­ning Gags und Catch­phrases; aber vor allem können Wie­der­ho­lungen unzeit­liche Ver­knüp­fungen her­stellen.

Um diesen Begriff kurz zu defi­nieren:

Eine zeit­liche Ver­knüp­fung liegt vor, wenn zwei Ele­mente chro­nisch und kausal mit­ein­ander ver­bunden sind. Also wenn zwei Ele­mente (in einer Geschichte können das zum Bei­spiel zwei Ereig­nisse sein) durch ein Vorher und Nachher mit­ein­ander ver­bunden sind. Das heißt: Das eine ist die Ursache und das andere ist die Folge.

Eine unzeit­liche Ver­knüp­fung hin­gegen ist, wenn zwei Ele­mente durch Ähn­lich­keit oder Unter­schied mit­ein­ander ver­bunden sind. Zum Bei­spiel können der Anfang und das Ende einer Geschichte eine ähn­liche Szene beschreiben, aber es liegt trotzdem ein gra­vie­render Unter­schied vor: Durch die Ähn­lich­keit wird auf den Aus­gangs­zu­stand ver­wiesen, aber durch den Unter­schied wird deut­lich, was sich in der Zwi­schen­zeit ver­än­dert hat.

„[D]ie unzeit­liche Ver­klam­me­rung bringt die zeit­liche Ver­än­de­rung und ihre Logik in vielen Fällen aller­erst in Erschei­nung.“
Wolf Schmid: Ele­mente der Nar­ra­to­logie, 2. Auf­lage von 2008, Kapitel: I.1.f.

Wenn es bei einer unzeit­li­chen Ver­knüp­fung also unter anderem um Ähn­lich­keiten geht, dann liegen logi­scher­weise oft Wie­der­ho­lungen vor.

Bei­spiel 1: Eine Catch­phrase am Anfang und am Ende

Ein Para­de­bei­spiel findet sich im Film Die Truman Show: Der Prot­ago­nist Truman ver­ab­schiedet sich von anderen Men­schen gerne mit den Worten:

„Und falls wir uns nicht mehr sehen sollten: Guten Tag, guten Abend und gute Nacht!“

Das ist eine Stan­dard-Abschieds­formel und gewis­ser­maßen auch Catch­phrase. Im Ver­lauf des Films findet Truman aber heraus, dass er der unwis­sende Prot­ago­nist einer Fern­seh­sen­dung ist. Die Stadt, in der er lebt, ist in Wirk­lich­keit eine ein­zige große Fern­seh­ku­lisse und die Men­schen um ihn herum ent­puppen sich als Schau­spieler.

Am Ende des Films beschließt er, die Sen­dung zu ver­lassen, und ver­ab­schiedet sich mit seiner Stan­dard-Abschieds­formel.

Als wir den Spruch zum ersten Mal hören, ist Truman noch kom­plett unwis­send. Aber am Ende, wo wir diesen Abschied zum letzten Mal hören, da hat er schon das Geheimnis gelüftet und sich für die Frei­heit ent­schieden.

Bei­spiel 2: Abge­hackte Hände

Dass es bei unzeit­li­chen Ver­knüp­fungen nicht immer um Worte gehen muss, zeigt unter anderem Star Wars: Hier werden gene­rell mit bemer­kens­werter Häu­fig­keit Kör­per­teile abge­hakt. Aber beson­ders auf­fällig sind da die Hände von Anakin Sky­walker und Luke Sky­walker.

Anakin wird von einem Böse­wicht der Arm abge­hackt und er lässt sich später auf die dunkle Seite ziehen. Jahre ver­gehen und Anakin schlägt seinem Sohn Luke die Hand ab. Dieser lässt sich aber nicht auf die dunkle Seite ziehen und „rettet“ Anakin sogar wieder auf die Seite der Guten.

Fazit

Nach diesem Exkurs in das Thema „Wie­der­ho­lungen all­ge­mein“ halten wir also fest:

Wie­der­ho­lungen sind nicht nur in der Rhe­torik ein wich­tiges Werk­zeug, son­dern auch in der Kunst des Erzäh­lens.

Sie können Ele­mente her­vor­heben, mit­ein­ander ver­knüpfen und ihnen damit eine beson­dere Bedeu­tung ver­leihen.

Und nicht zuletzt:

Wie­der­ho­lungen gibt es in vielen ver­schie­denen Formen. Der Krea­ti­vität sind keine Grenzen gesetzt.

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