Serien schreiben: Typen von Serien, Plot, Figuren, Kontinuität

Serien schreiben: Typen von Serien, Plot, Figuren, Kontinuität

Serien spie­len auf dem heuti­gen Lit­er­atur­markt eine immer größere Rolle. Die Leser sollen stärk­er an Geschicht­en gebun­den wer­den und über Jahre hin­weg mit den Fig­uren mit­fiebern. Deswe­gen wird Autoren oft ger­at­en, Serien zu schreiben. Doch was muss man dabei beacht­en? Welche Arten von Serien gibt es? Und wie über­windet man die Her­aus­forderun­gen? — Darüber sprechen wir in diesem Artikel.

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Sie helfen, einen fes­ten Leser­stamm aufzubauen und regelmäßige Verkäufe zu erzie­len, sie prä­gen die Autoren­marke und vor allem: Sie bieten viel Raum für kom­plexe Geschicht­en, die nicht in ein Einzel­buch passen wür­den, oder ein­fach nur Geschicht­en, in die man gerne immer wieder ein­taucht: Buch-Serien.

Es gibt viele Gründe, warum Autoren statt einem lit­er­arischen Einzelkämpfer ein ganzes Buch-Geschwad­er her­aus­brin­gen. Viele davon sind finanzieller Natur, andere kreativ­er und wiederum andere sind eine Kom­bi­na­tion aus bei­dem.

Wenn man sich also entschließt, eine Buch-Serie zu schreiben: Was muss man alles beacht­en? Welche Gefahren lauern? Und was für Arten von Serien gibt es über­haupt?

Das besprechen wir in diesem Artikel!

Serien: Breites Typenspektrum

Unter Buch-Serien sind im Großen und Ganzen zwei Haupt­ten­den­zen erkennbar: Ich nenne sie episodis­che Serien und pro­gres­sive Serien. Es gibt dabei zwei Extrem­punk­te und jede Menge Raum dazwis­chen.

Definieren will ich diese Begriffe anhand von konkreten Beispie­len:

  • Am äußer­sten Ende des episodis­chen Typs find­en sich unter anderem Kri­mi-Serien wie Sher­lock Holmes:
    Diese Serien beste­hen aus vie­len in sich abgeschlosse­nen Einzelgeschicht­en, die in der Regel auch in ein­er beliebi­gen Rei­hen­folge gele­sen wer­den kön­nen.
  • Zu den episodis­cheren – aber nicht kom­plett episodis­chen – Serien zählt die Ani­morphs-Rei­he:
    Hier gibt es einen über­greifend­en Plot, der sich im Ver­lauf der Serie dur­chaus entwick­elt. Doch jedes einzelne Buch bildet eine eigene, in sich geschlossene Geschichte. Dabei sind viele dieser Einzelgeschicht­en episodisch, d.h., sie kön­nen wegge­lassen wer­den, ohne dass sich am Gesamt­plot etwas ändert.
  • Auf der pro­gres­siv­eren Seite des Spek­trums haben wir Har­ry Pot­ter:
    Jedes Buch ein­er solchen Serie erzählt eine eigene, in sich geschlossene Geschichte mit Anfang, Mit­tel­teil und Schluss. Doch all die Einzelgeschicht­en bauen unmit­tel­bar aufeinan­der auf und man kann keins der späteren Büch­er lesen, ohne die vorheri­gen gele­sen zu haben.
  • Am äußer­sten Ende des pro­gres­siv­en Typs beobacht­en wir Werke wie den Her­rn der Ringe:
    Die Rei­he ist eine einzige durchgängige Geschichte. Sie lässt sich zwar in einzelne Arcs aufteilen. Diese sind aber nur Bestandteile des Gesamt­nar­ra­tivs und kön­nen nicht für sich alleine ste­hen.

Während in let­zter Zeit ein Trend mehr zum pro­gres­siv­en Typ zu beobacht­en ist, muss man sagen, dass kein­er dieser Typen bess­er oder schlechter ist als die anderen. Jed­er Seri­en­typ hat seine Vorzüge und Nachteile. Welch­er Typ für eine bes­timmte Geschichte am besten ist, hängt — wie so oft — von der Geschichte selb­st ab.

Handlungsorientierte und figurenorientierte Serien

Neben der Unter­schei­dung von episodis­chen und pro­gres­siv­en Geschicht­en kann man Serien auch danach unter­schei­den, ob sie eher hand­lungs- oder fig­urenori­en­tiert sind. Diese Unter­schei­dung ist jedoch nicht spez­i­fisch für Serien: Auch für sich allein ste­hende Romane kön­nen entwed­er stärk­er auf Hand­lung oder das Innen­leben der Fig­uren fokussiert sein.

Außer­dem bin ich auf unter­schiedliche Ver­wen­dung der Wörter “hand­lung­sori­en­tiert” und “fig­urenori­en­tiert” gestoßen. Deswe­gen hier eine Über­sicht, wie ich diese Begriffe gebrauche:

  • Den Her­rn der Ringe sehe ich als hand­lung­sori­en­tiert: Die Fig­uren sind hier über­wiegend sta­tisch. Die “Guten” bleiben “gut”, die “Bösen” bleiben “böse”. Ver­glichen mit Werken wie dem Lied von Eis und Feuer machen die Fig­uren bis auf Fro­do kaum eine Entwick­lung durch.
  • Auch Sher­lock Holmes sehe ich als hand­lung­sori­en­tierte Serie, denn hier geht es keineswegs um die seel­is­chen Abgründe von Sher­lock Holmes oder Dr. Wat­son, son­dern um die Lösung eines Krim­i­nal­falls.
  • Hand­lung­sori­en­tiert ist auch die Ani­morphs-Rei­he. Doch die Fig­uren wer­den dabei mit kom­plex­en The­men kon­fron­tiert und müssen schwierige Entschei­dun­gen fällen. Obwohl die Bände oft episodisch sind, wer­den die Fig­uren stetig von ihren Erleb­nis­sen bee­in­flusst. Deswe­gen ist Ani­morphs deut­lich fig­urenori­en­tiert­er als Sher­lock Holmes.
  • Auch Werke wie Das Lied von Eis und Feuer und Har­ry Pot­ter sind sowohl hand­lungs- als auch fig­urenori­en­tiert. Die kom­plexe, span­nende Hand­lung ist unmit­tel­bar mit der Entwick­lung der Fig­uren ver­woben. Dabei würde ich Das Lied von Eis und Feuer auf­grund der kom­plex­eren Psy­cholo­gie nochmal als ein Stückchen fig­urenori­en­tiert­er ein­stufen als Har­ry Pot­ter.
  • Als sehr fig­urenori­en­tiertes Beispiel würde ich Krieg und Frieden anse­hen. Die grobe äußere Hand­lung kann in jedem Geschichts­buch nachgeschla­gen wer­den. Die wichtig­ste Rolle spie­len eher die inneren Wel­ten der Fig­uren, ihre Entwick­lung und ihre Beziehun­gen zueinan­der.

Bildet man nun auf Grund­lage der bei­den eben beschriebe­nen Unter­schei­dun­gen von Serien eine X- und eine Y‑Achse, ergibt sich fol­gen­des Bild:

Serien schreiben: Typen von Serien, Plot, Figuren, Kontinuität

Wir sehen also:

Serien sind sehr vielfältig.

Wiedererkennungswert

Doch eine Sache haben alle Arten von Serien gemein­sam:

Denn eine gute Serie ist immer auch eine Marke. Mit Wieder­erken­nungswert.

Von Buch zu Buch kann in ein­er Serie prak­tisch alles wech­seln: Jed­er Band kann einen anderen Pro­tag­o­nis­ten haben, einen anderen Schau­platz, ein anderes zen­trales The­ma oder auch ein anderes Genre oder Sub­genre.

Doch was dabei wichtig ist:

Es sollte nicht alles auf ein­mal wech­seln.

  • Die Fan­dorin-Krim­is von Boris Akunin sind alle in unter­schiedlichen Kri­mi-Sub­gen­res geschrieben, haben ver­schiedene zen­trale The­men und wech­sel­nde Schau­plätze. Aber der Pro­tag­o­nist ist immer der­selbe.
  • In der Ani­morphs-Rei­he rotieren die Pro­tag­o­nis­ten, aber das Genre und der zen­trale Kon­flikt bleiben erhal­ten.
  • Im West­en nichts Neues und seine Fort­set­zung Der Weg zurück haben unter­schiedliche Pro­tag­o­nis­ten. Und während der erste Roman über­wiegend an der Front des Ersten Weltkrieges spielt, han­delt sein Nach­fol­ger von der Zeit nach dem Krieg. Doch sie haben bei­de den Ersten Weltkrieg und die Trau­ma­ta der Sol­dat­en als zen­trales The­ma.

Behalte daher stets im Hin­terkopf, was konkret Deine Serie aus­macht:

Was sollen die Leser erwarten, wenn sie einen neuen Band auf­schla­gen? Was ist die Essenz der Serie? Was willst Du mit der Serie erre­ichen?

Diese Über­legun­gen erle­ichtern im Übri­gen auch die Entschei­dung, wie episodisch oder pro­gres­siv Deine Serie aus­fall­en sollte …

Episodisch vs. progressiv: Vorteile, Herausforderungen, Tipps

Meis­tens gibt die Geschichte dabei aber selb­st eine Ten­denz in Rich­tung episodisch oder pro­gres­siv vor. Doch für welchen Typ Du Dich auch entschei­dest, sei Dir stets bewusst, von welchen Vorteilen Du prof­i­tierst und welche Her­aus­forderun­gen Dich erwarten. Let­ztere gibt es ger­ade bei pro­gres­siv­en Geschicht­en sehr viele — weswe­gen wir auch über ihre Über­win­dung sprechen wer­den.

Episodische Serien

Weil episodis­che Serien ja aus vie­len kürz­eren Einzelgeschicht­en beste­hen, unter­schei­det sich das Plot­ten hier nicht son­der­lich von eigen­ständi­gen Roma­nen: Denn es sind ja im Prinzip eigen­ständi­ge Romane, nur mit densel­ben Fig­uren.

Die Eigen­ständigkeit der einzel­nen Büch­er min­imiert auch das Fehler­risiko: Wenn der Pro­tag­o­nist im zweit­en Buch plöt­zlich eine andere Haar­farbe hat als im ersten Buch, dann entste­ht ein Kon­flikt, ja. Denn der Pro­tag­o­nist ist eine Kon­stante der Serie. Aber wenn er in jedem Buch andere Mit­stre­it­er hat, dann sind die Haar­far­ben der Neben­fig­uren in den früheren Büch­ern her­zlich egal.

Auf­grund der Eigen­ständigkeit find­et die Entwick­lung der wiederkehren­den Fig­uren auch nur sehr langsam im Hin­ter­grund statt oder wird mit jedem neuen Teil sog­ar zurück­ge­set­zt.

Ein Beispiel für Ersteres wäre, wenn der Pro­tag­o­nist in einem Teil z.B. seine Lei­den­schaft für Sei­den­malerei ent­deckt, diese aber in den späteren Büch­ern keine Rolle spielt. Dafür ent­deckt der Pro­tag­o­nist in den späteren Büch­ern vielle­icht andere kreative Hob­bies und wird im Ver­lauf der Serie langsam zu ein­er ins­ge­samt kreativ­eren Per­son.

Ein Beispiel für Let­zteres find­et sich klas­sis­cher­weise in älteren Fernsehse­rien: So lernt mein Lieblingssu­per­held Dark­wing Duck zum Beispiel in fast jed­er Folge, sein mon­strös­es Ego zurück­zuschrauben. — Und trotz­dem ist dieses Ego in jed­er neuen Folge in vollem Aus­maß wieder da.

Eine Alter­na­tive zur langsamen oder immer wieder zurück­ge­set­zten Entwick­lung ist der Verzicht auf wiederkehrende Fig­uren:

Im West­en nichts Neues und Der Weg zurück sind als Serie sehr episodisch und kön­nen völ­lig getren­nt voneinan­der gele­sen wer­den. Trotz­dem ist der Plot in bei­den Roma­nen zweitrangig und es geht um das Innere der Fig­uren. Diese wer­den zwis­chen den Büch­ern jedoch kom­plett aus­gewech­selt: Nur der Pro­tag­o­nist des ersten Buch­es wird im zweit­en kurz erwäh­nt. Denn die meis­ten Fig­uren aus Im West­en nichts Neues leben in Der Weg zurück schlicht und ergreifend nicht mehr.

Die Abgeschlossen­heit der einzel­nen Romane hat auch den Vorteil, dass der Leser an jed­er beliebi­gen Stelle in die Serie ein­steigen kann und eine voll­w­er­tige Geschichte bekommt. Und wenn Dir ein Aus­rutsch­er passiert und ein Buch nicht so gut gelingt, dann ist das insofern verkraft­bar, als dass Deine Leser seine Exis­tenz eher ver­drän­gen kön­nen als ein schlecht­es Buch in ein­er pro­gres­siv­en Rei­he.

In all den aufge­führten Punk­ten schwin­gen jedoch bere­its auch die Nachteile mit: Weil keine “große”, kom­plexe Geschichte erzählt wird und oft auch keine oder nur wenig Charak­ter­en­twick­lung stat­tfind­et, ist das Poten­tial für Langzeit-Span­nung ten­den­ziell geringer als bei pro­gres­siv­en Serien. Jed­er Teil hat ein run­des Ende und die Leser fra­gen sich nicht fieber­haft, wie es wohl weit­erge­ht. Das Warten auf ein kom­plett neues Aben­teuer ist meis­tens erträglich­er als das Warten auf die Fort­set­zung ein­er span­nen­den Geschichte. — Und das wiederum hat oft finanzielle Fol­gen: Denn es ist weniger wahrschein­lich, dass die Leser das näch­ste Buch jet­zt und sofort haben wollen.

Progressive Serien

Pro­gres­sive Serien hinge­gen sind ten­den­ziell rentabler: Hier sind die Geschicht­en oft größer und kom­plex­er, das World-Build­ing mas­siv­er und ver­woben­er, zen­trale Hand­lungs­bö­gen ziehen sich durch mehrere Bände und hal­ten die Span­nung aufrecht, und die Leser sind deut­lich stärk­er emo­tion­al an die Serie gebun­den. Das alles kurbelt natür­lich die Verkäufe an. Und deswe­gen wird Autoren, die vom Schreiben leben wollen, oft ger­at­en, solche Serien zu schreiben.

Weil pro­gres­sive Serien oft aber kom­plex­er sind als episodis­che, sind sie eine Her­aus­forderung der beson­deren Art. Beson­ders, wenn es ums Plot­ten geht:

Plot

Während bei episodis­chen Serien nach einem Band erst­mal Schluss ist und darauf eine neue Geschichte anfängt, ist in pro­gres­siv­en Serien alles miteinan­der ver­woben.

Deswe­gen macht bewusstes Plot­ten bei pro­gres­siv­en Serien beson­ders viel Sinn.

Ja, unter Autoren gibt es die Plot­ter und die Pantser, zwei grund­ver­schiedene Ansätze der Entwick­lung von Hand­lung, und bei­de haben ihre Vor- und Nachteile. Doch bei pro­gres­siv­en Serien scheinen die Plot­ter tat­säch­lich bess­er dran zu sein: Denn wenn Du über mehrere Büch­er hin­weg die Span­nung erhal­ten und die Fig­uren inter­es­sant gestal­ten möcht­est, dann soll­test Du nicht ein­fach ins Blaue hinein­schreiben, son­dern wis­sen, wohin es mit Dein­er Geschichte geht.

Es macht dabei sehr viel Sinn, auf den Gesamt­plot eine Hand­lungsstruk­tur Dein­er Wahl anzuwen­den: Ob klas­sis­che Helden­reise, die Drei-Akte-Struk­tur, das Sieben-Punk­te-Sys­tem oder irgen­det­was anderes — Eine Struk­tur hil­ft Dir dabei, den Span­nungs­bo­gen zu pla­nen und einzuhal­ten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Har­ry Pot­ter-Rei­he:

Band 1 und 2 fungieren eher als Ein­leitung und gegen Ende von Band 3 deutet eine ominöse Prophezeiung an, dass sich im Hin­ter­grund etwas zusam­men­braut. In Band 4 bis 6 kehrt Volde­mort zurück und baut seine Macht aus. Band 7 schließlich bildet das große Finale.

Was Har­ry Pot­ter eben­falls gut hin­bekommt, ist, dass auch die einzel­nen Bände eine feste Plot­struk­tur haben: Man kön­nte sagen, dass jed­er Band gewis­ser­maßen eine kleine Helden­reise inner­halb ein­er großen Helden­reise bildet. — Und das ist der Vorteil ein­er gewis­sen Eigen­ständigkeit einzel­ner Teile ein­er Rei­he: Während der Gesamt­plot im Hin­ter­grund vor sich hin plätschert und über­greifende Fra­gen und Hand­lungsstränge offen bleiben, hat jed­er Unter­plot einen eige­nen Kon­flikt, meis­tens einen eige­nen Antag­o­nis­ten und vor allem einen Anfang und ein Ende. — Im Gegen­satz zu extrem pro­gres­siv­en Geschicht­en wie dem Her­rn der Ringe, wo es nur einen zen­tralen Kon­flikt und Antag­o­nis­ten gibt und dessen zweit­er Band abrupt mit­ten­drin anfängt und abrupt mit­ten­drin endet.

Den Gesamt­plot in Unter­plots aufzuteilen ist kein Muss, aber für viele Geschicht­en sehr empfehlenswert. Dabei sollte in jedem Buch immer mehr auf dem Spiel ste­hen:

Wenn Fritzchen schon im ersten Band die Welt ret­tet und es im zweit­en Buch nur noch um den Schnupfen seines Kan­inchens geht, dann ist das sehr antik­li­mak­tisch.

Doch gle­ichzeit­ig sollte das erste Buch der Rei­he sich nicht wie ein Teas­er lesen, der große Ereignisse nur andeutet, in dem selb­st aber noch nichts Großar­tiges passiert. Der Leser wird anhand des ersten Ban­des entschei­den, ob er die Serie weit­er­ver­fol­gen will oder nicht. Lief­ere ihm also ein Erleb­nis, das Appetit auf mehr macht!

Figuren

Zusam­men mit dem Plot kön­nen sich natür­lich auch die Fig­uren weit­er­en­twick­eln. Und je fig­urenori­en­tiert­er die Serie, desto mehr Fig­uren soll­ten sich entwick­eln. Zumin­d­est die Haupt­fig­uren soll­ten sich kon­stant verän­dern.

Weil die Fig­uren aber ja miteinan­der inter­agieren, soll­ten auch ihre Entwick­lun­gen zusam­men­hän­gen. Sie soll­ten sich gegen­seit­ig ergänzen und einan­der spiegeln und sich durch ihre Inter­ak­tio­nen verän­dern. Deswe­gen soll­test Du das Fig­urenge­flecht sorgfältig kon­stru­ieren:

Jede Fig­ur sollte eine bes­timmte Funk­tion für den Plot und das Fig­urenge­flecht erfüllen.

Die einzel­nen Akteure soll­ten einzi­gar­tig sein und einan­der her­aus­fordern.

Und ide­al­er­weise sollte die Fig­urenkon­stel­la­tion bis zum Ende der Geschichte inter­es­santes Kon­flik­t­po­ten­tial liefern.

Achte am besten darauf, dass Du die Entwick­lung der Fig­uren mit der Struk­tur der Gesamthand­lung verknüpf­st:

Was muss jede einzelne Fig­ur tun, damit der Antag­o­nist besiegt wer­den kann? Was kann nur sie zur Hand­lung beis­teuern? Welche Zwis­chen­schritte ihrer Entwick­lung durch­läuft sie in den einzel­nen Bän­den?

Das Fig­urenge­flecht wird schnell zu ein­er sehr kom­plex­en Angele­gen­heit, wenn die einzel­nen Akteure ein­er ständi­gen Entwick­lung unter­wor­fen sind. Deswe­gen dürften hand­lung­sori­en­tierte pro­gres­sive Geschicht­en leichter zu schreiben sein. — Was aber nicht bedeutet, dass hand­lung­sori­en­tierte Serien schlechter sind. Nur vielle­icht etwas bess­er für Anfänger.

Kontinuität

Die dritte Her­aus­forderung bei pro­gres­siv­en Serien resul­tiert aus ihrer Kom­plex­ität und ihrem World-Build­ing:

Was ist, zum Beispiel, wenn Du mit dem World-Build­ing in einem bere­its veröf­fentlicht­en Buch nicht mehr zufrieden bist und etwas ändern möcht­est?

Das passiert lei­der häu­figer, als uns allen lieb ist. Selb­st die härtesten Plot­ter haben Momente, in denen ihre Geschichte eine unvorherge­se­hene Rich­tung ein­schlägt. — Und wenn das passiert, wün­scht man sich, man kön­nte die Zeit zurück­drehen und die früheren Büch­er anders schreiben. Doch wenn sie bere­its veröf­fentlicht sind, geht das nur bed­ingt:

Die erste Ver­sion von Tolkiens Buch Der Hob­bit wurde beispiel­sweise 1937 veröf­fentlicht. Damals hat Gol­lum seinen Ring beim Rät­sel­spiel mit Bil­bo bewusst einge­set­zt und Bil­bo hat ihn ehrlich gewon­nen. Gol­lum hat ihn darauf friedlich gehen lassen. Das passte natür­lich nicht mehr zur 1954 erschiene­nen Fort­set­zung Der Herr der Ringe. Also über­ar­beit­ete Tolkien den Hob­bit und der ursprüngliche Ablauf des Rät­sel­spiels wurde in der Ein­führung im ersten Band des Her­rn der Ringe als Bil­bos Lüge ent­larvt.

Ein anderes promi­nentes Beispiel find­et sich in der alten Star Wars-Trilo­gie: In Episode IV sagt Obi-Wan Keno­bi, Lukes Vater Anakin Sky­walk­er wäre von Darth Vad­er getötet wor­den. Damals war Star Wars ein eigen­ständi­ger Film. Als später aber doch die Fort­set­zung fol­gte, stellte sich her­aus, dass Anakin Sky­walk­er und Darth Vad­er tat­säch­lich dieselbe Per­son sind. Als Luke Obi-Wan in Episode VI mit der Lüge kon­fron­tiert, erk­lärt Obi-Wan, er habe Luke dur­chaus die Wahrheit gesagt: Der gute Anakin sei durch den bösen Darth Vad­er gestor­ben. Die “Lüge” in Episode IV wurde also zu ein­er Wahrheit im über­tra­ge­nen Sinne.

Wenn Du an Dein­er Geschichte also nachträglich etwas ändern möcht­est, dann musst Du gewis­ser­maßen mogeln:

Hat die Fig­ur, die die zu ändernde Infor­ma­tion gegeben hat, einen Grund zu lügen? Kann sie sich auch geir­rt haben? Wurde sie getäuscht?

Es gibt jedoch lei­der kein Pauschal­rezept, das für jede Geschichte funk­tion­iert. Du musst über Deine Geschichte und Dein World-Build­ing inten­siv nach­denken und schauen, wie die Lüge oder der Irrtum speziell in Dein­er Geschichte erk­lärt wer­den kann.

Ein anderes Prob­lem, das aufkom­men kann, sind reine Aufmerk­samkeits­fehler, beispiel­sweise die wech­sel­nden Augen­far­ben im Lied von Eis und Feuer.

Hier kannst Du natür­lich wie bei nachträglichen Änderun­gen über­legen, wie Du das erk­lären kannst: Vielle­icht sind die wech­sel­nden Augen­far­ben ja eine optis­che Täuschung. Doch meis­tens wirst Du wohl ein­fach die Zähne zusam­men­beißen und es cool ertra­gen müssen. Denn wir alle machen Fehler.

Es macht jedoch Sinn, solchen Fehlern im Voraus ent­ge­gen­zuwirken:

Wenn Du Angst hast, bei kleinen Details Fehler zu machen, dann mache Dir Noti­zen. Lege für Deine Fig­uren Steck­briefe an oder zeichne sie. Lege Dir Karten, Stadt­pläne und Grun­drisse von Gebäu­den an. Und was Dir son­st noch ein­fällt.

Das ver­sichert Dich nicht kom­plett gegen nervige Aufmerk­samkeits­fehler, aber es min­imiert das Risiko.

Abschließende Bemerkungen

Im Großen und Ganzen muss man fes­thal­ten:

Eine Serie zu schreiben ist schw­er. Vor allem, wenn man noch uner­fahren ist.

Und wenn man ein blutiger Schreiban­fänger ist, sollte man vielle­icht erst­mal einen abgeschlosse­nen, eigen­ständi­gen Roman schaf­fen.

Außer­dem ist es laut meinen Recherchen auch eher schwierig, als Anfänger mit ein­er Serie bei einem Ver­lag unterzukom­men: Denn nie­mand ken­nt Dich, nie­mand weiß, wie sich Deine Büch­er verkaufen wer­den und ob die Investi­tion sich lohnen wird.

Deswe­gen macht es Sinn, wenn das erste Buch ein­er Serie auch als eigen­ständi­ger Roman funk­tion­iert.

So kann man erst­mal aus­pro­bieren, ob das Konzept, das Set­ting, die Fig­uren und so weit­er über­haupt funk­tion­ieren. Und wenn die Leser mehr wollen, kannst Du ja immer noch eine Serie daraus machen.

Und ganz am Ende habe ich auch noch ein paar Fra­gen an Dich:

  • Was hältst du von meinen Beobach­tun­gen, meinen Rechercheergeb­nis­sen und meinem Ver­such, Serien in eine Art von Mod­ell einzuord­nen?
  • Meinst Du, ich kann weit­er damit arbeit­en?
  • Kennst Du bessere Konzepte und Mod­elle?

Lass es mich bitte wis­sen! Denn das ist ein inter­es­santes The­ma und ich bilde mich da gerne weit­er.

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