Schreibstil verbessern: Besser formulieren für ausdrucksstarke Texte

Schreibstil verbessern: Besser formulieren für ausdrucksstarke Texte

Ein guter Schreib­stil erfordert natür­lich sehr viel Übung. Doch mit eini­gen Tricks kannst Du ihn jet­zt sofort verbessern. Und genau diese Tricks ver­rate ich Dir in diesem Artikel: Lerne bess­er zu for­mulieren und schreibe bessere, aus­drucksstarke Texte.

Die Folien für dieses Video gibt es für Steady-Abon­nen­ten und Kanal­mitglieder auf YouTube als PDF zum Down­load.

Es ist nahezu gruselig, wie ein­fach man seinen Schreib­stil verbessern kann. — Und das sollte das Ziel eines jeden Autors sein: Denn wer würde schon eine noch so inter­es­sante Geschichte lesen, wenn sie unles­bar geschrieben ist? Wenn man jeden Satz zweimal lesen muss, um ihn zu ver­ste­hen? Wenn man mit­ten­drin den Faden ver­liert?

Ein flüs­siger Schreib­stil ist eine Kun­st für sich. Sprache, die ein­fach nur müh­e­los dahin­flutscht, erfordert natür­lich viel Übung. Mehr noch:

An ein­er ein­fachen, flüs­si­gen und schein­bar müh­elosen Sprache erken­nt man einen Autor, der sein Handw­erk wirk­lich beherrscht.

Dass man viel schreiben muss, um an diesen Punkt zu gelan­gen, ver­ste­ht sich von selb­st. Doch Du kannst den Lern­prozess mächtig ankurbeln. Dafür musst Du Dir bewusst machen, welche konkreten Dinge Deinen Schreib­stil schw­er­fäl­lig machen. Worauf Du beim Schreiben acht­en und was Du beim Über­ar­beit­en eli­m­inieren soll­test.

Und um genau solche Details — häu­fige Stil­fehler — geht es in diesem Video. Wenn Du sie stets im Hin­terkopf behältst — glaube mir, Dein Schreib­stil wird schla­gar­tig bess­er.

Komplizierter Schreibstil vs. einfacher Schreibstil

Ja, es gibt sie: Erfol­gre­iche Autoren, die einen unmöglich kom­plizierten Schreib­stil haben. Und manch­mal ist so ein Schreib­stil auch dur­chaus berechtigt. Doch in den meis­ten Fällen ste­ht ein kom­pliziert­er Schreib­stil dem Erfolg eines Romans eher im Weg.

So haben Jodie Archer und Matthew L. Jock­ers her­aus­ge­fun­den, dass die meis­ten Best­seller im Gegen­satz zu den meis­ten Nicht-Best­sellern auf eine authen­tis­che All­t­agssprache Wert leg­en. Auf eine ein­fache Sprache, die nah am Leser ist. Die nur so dahin­fließt, sodass der Leser sich zurück­lehnen und sich von der Hand­lung treiben lassen kann. Wenn jed­er Satz beson­dere Konzen­tra­tion erfordert, ist das natür­lich nicht möglich.

Viele begin­nende Autoren hal­ten die Schw­er­fäl­ligkeit ihrer Sprache oft für ihren indi­vidu­ellen Schreib­stil. Dabei sind es in Wirk­lichkeit immer wieder diesel­ben Dinge, die einen Text unnötig verkom­plizieren. Ich würde daher sagen:

Erst, wenn Du diesen Wust an stilis­tis­chen Anfänger­fehlern ver­mei­dest, kommt Deine wahre Indi­vid­u­al­ität zum Vorschein.

Aber was sind denn nun diese stilis­tis­chen Anfänger­fehler? — Gehen wir sie doch nacheinan­der durch!

Stilfalle 1: Satzlänge

Man möchte meinen, ein­fache Sätze zu bilden wäre ein­fach. Ist es aber nicht. Denn viele Autoren — inklu­sive mich selb­st — neigen zumin­d­est in der Anfangsphase zu end­losen Schach­tel­sätzen.

Merke Dir also fol­gende Faus­tregeln:

Ein guter, kurz­er Satz beste­ht aus 8–12 Wörtern. Max­i­mal 20 Wörtern.

Jed­er Gedanke braucht einen eige­nen Satz.

Wenn ein Satz zu lang ist bzw. zu viele Gedanken enthält, merkst Du das ganz leicht an den vie­len Kom­mas. Diese Kom­mas sind oft gute Stellen, um einen Satz zu teilen. Erset­ze also passende Kom­mas ein­fach durch Punk­te. Und mache Neben­sätze zu Haupt­sätzen oder eli­m­iniere sie kom­plett.

Extremes Beispiel:

“Nach­dem Fritzchen und Lieschen das Café, wo sie der Bedi­enung, die sehr fre­undlich gewe­sen war, ein großzügiges Trinkgeld hin­ter­lassen hat­ten, ver­lassen hat­ten, gin­gen sie ins Kino, allerd­ings nur ganz kurz, denn es lief nichts Gutes, also gin­gen die nach Hause und gön­nten sich einen Net­flix-Abend.”

Bess­er wäre:

“Fritzchen und Lieschen gaben der fre­undlichen Bedi­enung ein großzügiges Trinkgeld. Dann ver­ließen sie das Café und gin­gen ins Kino. Da lief aber nichts Gutes. Also gin­gen sie nach Hause und gön­nten sich einen Net­flix-Abend.”

Wenn Du aber nun mehrere Sätze hast, dann hast Du mehrere säu­ber­lich getren­nte Gedanken. Und mehrere Gedanken ergeben einen Aspekt.

Noch eine Faus­tregel:

Jed­er Aspekt braucht einen eige­nen Absatz.

Das heißt: Jedes Mal, wenn das The­ma auch nur ansatzweise in eine neue Rich­tung driftet — Neuen Absatz begin­nen! Denn “Tex­twände” sind schw­er zu lesen.

Zum Beispiel:

Hier ist ein Foto aus dem Step­pen­wolf von Her­mann Hesse. Der Autor macht eher wenig Absätze. Inhaltlich mochte ich das Buch, aber das Lesen an sich war stel­len­weise eine Qual.

Schreibstil verbessern: Besser formulieren für ausdrucksstarke Texte
Bei allem Respekt für Her­mann Hesse: Die “Textwand” macht einem Angst.

Stilfalle 2: Schwerfällige Formulierungen

Doch nicht nur die Länge an sich macht Sätze kom­pliziert: Das Deutsche ken­nt mehrere gram­ma­tis­che Kon­struk­tio­nen, die den Sprach­stil schw­er­fäl­lig machen. Wenn Du sie also nicht unbe­d­ingt brauchst, soll­test Du sie ver­mei­den.

Der Konjunktiv

Die erste sper­rige Kon­struk­tion ist der Kon­junk­tiv. Zur Erin­nerung:

  • Man ver­wen­det den Kon­junk­tiv I bei Wün­schen und Auf­forderun­gen sowie bei indi­rek­ter Rede:

“Möge die Macht mit dir sein!”

“Fritzchen sagte, er wolle noch etwas erledi­gen.”

  • Der Kon­junk­tiv II ist entwed­er eine Alter­na­tive zum Kon­junk­tiv I, falls die entsprechende Form mit ein­er anderen Form ver­wech­selt wer­den kön­nte; oder er drückt etwas Unwahrschein­lich­es aus:

“Ich sagte, ich hätte einen Hund.”
(Statt: “Ich sagte, ich habe einen Hund.”)

“Ich wollt’, ich wär’ ein Huhn.”

Der Kon­junk­tiv II hat außer­dem die “Würde”-Form als Alter­na­tive:

“Ich würde dir zus­tim­men, wenn ich deine Mei­n­ung teilen würde.”

Wie schw­er zu überse­hen ist, fühlen sich Kon­junk­tive oft ver­al­tet an. Sie wer­den in der gesproch­enen Sprache kaum ver­wen­det und fall­en beim Lesen deswe­gen sofort ins Auge.

Auch muss man ger­ade beim Irre­alis etwas umdenken, weil man ein­er­seits eine Infor­ma­tion bekommt, diese aber nicht stimmt.

Darüber hin­aus haben bei­de Kon­junk­tive das Prob­lem, dass sie nichts Konkretes aus­sagen: Es sind Wün­sche, Möglichkeit­en und die Wieder­gabe von etwas, das jemand ange­blich gesagt hat. Was Kon­junk­tive hinge­gen nicht haben, sind klare Aus­sagen und Autorität.

Wenn die jew­eilige Textstelle es also nicht zwangsläu­fig erfordert, ist es sin­nvoll, sich beim Schreiben ein­er Geschichte um Kon­junk­tive herumzuschlän­geln und dem Leser etwas Konkretes und — vor allem — Reales zu geben.

Das Passiv

Die zweite sper­rige Kon­struk­tion ist das Pas­siv. Auch sie ist umständlich und erfordert ein Umdenken:

“Lieschen wird von Fritzchen geliebt.”

Im Aktiv klingt der Satz nicht nur viel präg­nan­ter, son­dern ist auch kürz­er und ein­fach­er:

“Fritzchen liebt Lieschen.”

Außer­dem: Eine Geschichte braucht Hand­lung. Jemand muss han­deln. Und das Aktiv drückt genau das aus. Das Pas­siv hinge­gen hin­ter­lässt einen Ein­druck von Pas­siv­ität. Die Dinge passieren ein­fach, ohne dass jemand etwas dafür tut.

Daher macht der Gebrauch des Pas­sivs nur Sinn, wenn die entsprechende Sit­u­a­tion es wirk­lich erfordert.

Die Negation

Die dritte sper­rige Kon­struk­tion ist die Nega­tion. Das sind Sätze mit Wörtern wie “nicht”, “kein” und “ohne”. Auch hier muss das Gehirn umdenken: Es sieht ein Bild — und dann erst die Nega­tion. Es schwebt also immer die Gefahr mit, dass die Leser die Nega­tion überse­hen oder vergessen. Damit sind Missver­ständ­nisse vor­pro­gram­miert.

Außer­dem schwingt auch hier etwas Unkonkretes mit. Wir bekom­men eine Infor­ma­tion — und dann wird sie umge­dreht. Ver­gle­iche:

“Fritzchen will Lieschen nicht ver­lieren.”

“Fritzchen will um Lieschen kämpfen.”

Der neg­a­tive Satz drückt vor allem Angst, Pas­siv­ität und eine Opfer­rolle aus. Im pos­i­tiv­en Satz ist Fritzchen aktiv und han­delt. Welche Vari­ante von Fritzchen ist dem Leser wohl sym­pa­this­ch­er?

Das­selbe gilt übri­gens auch für verneinende Suf­fixe wie “-los” und “-frei” und Prä­fixe wie “un-”. Denn die Wörter “gren­zen­los”, “ein­wand­frei” und “unschön” beste­hen größ­ten­teils immer noch aus den Wörtern “Gren­ze”, “Ein­wand” und “schön”. Wenn eine Negierung also keinen bes­timmten Zweck erfüllt, soll­test Du lieber auf Wörter wie “vol­lkom­men” oder “ewig”, “per­fekt” oder “richtig” und “hässlich” oder “schlecht” zurück­greifen. Das sind klare, ein­deutige Aus­sagen, die Autorität ausstrahlen.

Und natür­lich gilt das Ganze umso mehr für dop­pelte Vernei­n­un­gen. Ver­gle­iche:

“Fritzchen fand Lieschen nicht unschön.”

“Fritzchen fand Lieschen schön.”

Gib es zu: “Nicht unschön” ist ein ver­wirren­des — und vor allem über­flüs­siges — Nega­tions-Labyrinth. Tu es Deinen Lesern nicht an. Zumin­d­est nicht ohne guten Grund.

Der Infinitiv

Die vierte und let­zte sper­rige Kon­struk­tion ist der Infini­tiv. Wir alle ken­nen ihn: Er macht sim­ple Aus­sagen zu end­losen Schach­tel­sätzen. Zum Beispiel:

“Endlich traute sich Fritzchen, Lieschen auf ein Date einzu­laden.”

Warum for­muliert man es nicht ein­fach­er?

“Endlich lud Fritzchen Lieschen auf ein Date ein.”

Der Infini­tiv macht die Sprache äußert schw­er­fäl­lig — vor allem, wenn er häu­fig vorkommt. Es gilt daher auch hier: Wenn Du ihn nicht unbe­d­ingt brauchst — weg damit!

Stilfalle 3: Wortwahl

Doch nicht nur beim For­mulieren von Sätzen kann einiges schief laufen. Auch bei der Wort­wahl lauern viele Gefahren.

Wie Du Dir nach dem Abschnitt über die Sat­zlänge denken kannst, ist auch die Länge einzel­ner Wörter wichtig. Achte darauf, dass die Wörter in Deinen Tex­ten max­i­mal 4 Sil­ben enthal­ten. Wenn das Wort, das Du ver­wen­den willst, länger ist, suche lieber nach einem kürz­eren Syn­onym. — Und selb­st wenn das Wort nur drei oder vier Sil­ben hat: Wenn es ein kürz­eres Syn­onym gibt, benutze es!

Sei auch vor­sichtig mit Fach­sprache, Slang und Fremd­wörtern. Hier sind natür­lich Deine Ziel­gruppe und Dein Set­ting entschei­dend: Wenn Deine Geschichte in einem Kranken­haus spielt, wer­den natür­lich einige medi­zinis­che Fachaus­drücke fall­en. Wenn es um Teenag­er geht, darf­st Du auch Wörter ver­wen­den, die ältere Men­schen vielle­icht nicht ver­ste­hen. Halte die Menge solch­er Wörter jedoch immer möglichst klein.

Verzichte bitte, bitte auch auf alles, was sich nach Behör­den oder Recht­s­tex­ten anhört. Das sind Wörter und For­mulierun­gen wie: hin­sichtlich, ins­beson­dere, während­dessen, auf­grund von, insofern …

Auf­passen soll­test Du auch bei Wörtern, die ein­fach nur dop­pelt-gemop­pel­ter Unsinn sind. Zum Beispiel: aller­meiste, einzig­ster … — Man kann nicht einziger sein als einzig!

Eine weit­ere Gefahr sind Sub­stan­tivierun­gen. Denn auch sie gehören zu den Din­gen, die das Gehirn zum Umdenken zwin­gen. Ver­gle­iche selb­st:

“Die Bauern ergrif­f­en Maß­nah­men zur Schädlings­bekämp­fung.”

“Die Bauern bekämpften Schädlinge.”

Welch­er Satz ist ver­ständlich­er? Daher Vor­sicht bei Wörtern, die auf “-ung” enden! Das sind oft sub­stan­tivierte Ver­ben.

Sub­stan­tivierte Adjek­tive hinge­gen erken­nt man oft an den Endun­gen “-heit”, “-keit” und “-nis”. Auch sie machen Texte kom­pliziert. Ver­gle­iche:

“Zwis­chen Fritzchen und Lieschen herrschte Einigkeit.”

“Fritzchen und Lieschen waren sich einig.”

Stilfalle 4: Überflüssige Wörter und Information

Jet­zt haben wir lang und bre­it darüber gesprochen, was alles para­phrasiert gehört. Worüber wir aber noch unbe­d­ingt reden müssen, sind Dinge, die Du kom­plett stre­ichen soll­test.

An erster Stelle ste­hen hier natür­lich Füll­wörter. Das sind Wörter wie: also, eigentlich, über­haupt, nun, dann, doch, irgend­wie … Ja, sie tra­gen manch­mal zur Bedeu­tung eines Satzes bei oder lock­ern die Sprache etwas auf. Aber in sehr, sehr vie­len Fällen tra­gen sie nichts zum Text bei und ziehen ihn kün­stlich in die Länge. Lass sie lieber weg.

Etwas schwieriger zu erken­nen sind hinge­gen über­flüs­sige Adjek­tive und Adver­bi­en sowie verzicht­bare Textab­schnitte. Schauen wir uns das Ganze etwas genauer an.

Überflüssige Adjektive und Adverbien

Adjek­tive und Adver­bi­en sollen einem Text the­o­retisch mehr Leben und Farbe ver­lei­hen. Doch oft sind sie schlichtweg über­flüs­sig. Schau deswe­gen immer genau hin, ob Du sie wirk­lich brauchst! Zum Beispiel:

“Du bist doof!”, schrie Lieschen.

“Du bist doofer!”, rief Fritzchen verärg­ert.

In dieser Sit­u­a­tion ergibt es sich von selb­st, dass Fritzchen verärg­ert ist. Und abge­se­hen davon schre­it dieser Dia­log nach “Show, don’t tell”.

Anderes Beispiel:

“Meine Eltern lasen mein Zeug­nis mit sichtlichem Stolz.”

Ähem. Wenn der Stolz der Eltern nicht “sichtlich” wäre, würde das “Ich” es nicht sehen. Beschreibe lieber, wie sie vor Stolz nur so strahlen. Wie sie das “Ich” loben. Denn auch dieser Satz schre­it nach “Show, don’t tell”.

Und weil alle guten Dinge drei sind:

“Fritzchen nahm Anlauf und sprang ins feuchte Nass.”

… Hast Du schon mal trock­enes Nass gese­hen? Schreibe lieber: “plan­schte ins Wass­er” oder sowas. Das­selbe gilt natür­lich auch für “grünes Gras”, “harten Beton” und so weit­er und so fort.

Inhaltliche Zusammenfassungen

Über­flüs­sig sind, wie gesagt, gerne mal auch ganze Textab­schnitte. Abge­se­hen von über­flüs­si­gen Szenen, die nichts zur Geschichte beitra­gen, gibt es da näm­lich auch das Phänomen der nut­zlosen inhaltlichen Zusam­men­fas­sun­gen und Erk­lärun­gen.

Hier ein äußerst sünd­haftes Beispiel aus ein­er früheren Ver­sion meines eige­nen Manuskripts:

Für den Kon­text: Mein Pro­tag­o­nist mit dem Spitz­na­men Jara ist Kadett an ein­er Akademie, wo er zum Elitesol­dat­en aus­ge­bildet wird. Zur Aus­bil­dung gehört auch zer­e­monieller Wach­di­enst vor dem Tor der Akademie. Und während des Wach­di­en­stes machen sich einige Pas­san­ten einen Spaß daraus, die unbe­weglichen Wächter zu provozieren.

Eine beson­dere Art von Pro­voka­tion kommt von ein­er Gruppe Mäd­chen. Sie reduzieren die Kadet­ten offen auf Objek­te sex­ueller Begierde und reden über äußerst intime The­men. Ein Mäd­chen namens Cor­nelia ist ger­ade dabei, eine hitzige Diskus­sion zu ver­lieren.

“Cor­nelia rümpfte nur belei­digt die Nase, während Jara mit größter Mühe der Ver­suchung wider­stand, in den gefühlten Abgrund neben ihm zu sprin­gen. Er presste die Zähne noch stärk­er aufeinan­der und stand fest und stein­ern mit sein­er Helle­barde in der Hand wie ein Fels in der Bran­dung. Die weib­lichen Intim­itäten prall­ten gegen ihn, eine Welle nach der anderen, und er gab sich größte Mühe, die ganzen Wahrheit­en über das weib­liche Geschlecht, die auf ihn nur so ein­pras­sel­ten, zu über­hören.”
(Anmerkung: Der “gefühlte Abgrund” hat sich bere­its an früher­er Stelle zwis­chen Jara und seinem Kam­er­aden auf der anderen Seite des Tores aufge­tan.)

Was ist an diesem einen Absatz also alles falsch?

  • Zunächst erst­mal: Dass Cor­nelia “belei­digt” ist, ist aus dem Zusam­men­hang klar. Über­flüs­siges Adverb. Weg damit.
  • Der erste Satz enthält einen Infini­tiv.
  • Dass der “Fels in der Bran­dung” “fest und stein­ern” ist, ver­ste­ht sich von selb­st. Löschen.
  • Die Sätze sind generell sehr lang. Kürzen.
  • Und nun worum es mir hier eigentlich geht: Der let­zte Satz, der immer­hin den hal­ben Absatz aus­macht, ist nicht nur lang, son­dern auch kom­plett über­flüs­sig. Er fasst ein­fach nur zusam­men, was der Leser ger­ade erst gele­sen hat. Außer­dem ver­wässert das Geschwafel das Bild vom “Fels in der Bran­dung”. Also weg mit dieser unnöti­gen Erk­lärung.

In der aktuellen Ver­sion des Manuskripts lautet diese Stelle so:

“Cor­nelia rümpfte nur die Nase, während der gefühlte Abgrund Jara ein­ladend angrin­ste. Er presste die Zähne noch stärk­er aufeinan­der und stand mit sein­er Helle­barde da wie ein Fels in der Bran­dung.”

- Und? Spürst Du den Unter­schied?

Weitere Bemerkungen

Nun haben wir ganz aus­führlich über jede Menge “Don’t“s gesprochen. Was sind aber die “Do“s?

An erster Stelle soll­test Du natür­lich für Deine Ziel­gruppe schreiben. Ein Buch für Kinder muss viel ein­fach­er geschrieben sein als ein Buch für Erwach­sene. Doch für prak­tisch alle Ziel­grup­pen gilt:

In der Kürze liegt die Würze!

Außer­dem:

Schreibe möglichst nah an der gesproch­enen Sprache. Denn sie fühlt sich am natür­lich­sten an.

Halte sie außer­dem so bild­haft und emo­tion­al wie möglich. Stich­punkt: “Show, don’t tell” und Kopfki­no.

Und doch … Manch­mal …

Manch­mal erfüllt kom­plizierte Sprache dur­chaus einen bes­timmten Zweck. Entschei­de also selb­st, wie sklavisch Du Dich an die Tipps in diesem Artikel hal­ten willst!

4 Kommentare

  1. Zu deinem Manuskript: “Wie ein Fels in der Bran­dung” ist auch ein geeigneter Fraß für die Löschtaste. Eine abge­latschte Meta­pher. Bess­er klingt: “Er stand stein­ern mit sein­er Helle­barde da”, das erweckt automa­tisch Bilder vom Fels in der Bran­dung und weist außer­dem eine schöne Allit­er­a­tion.

    Nachwuchsschreiber
    1. Du hast abso­lut recht. An dieser konkreten Stelle macht eine abge­latschte Meta­pher mein­er Mei­n­ung nach aber dur­chaus Sinn, weil der näch­ste Satz begin­nt mit: “Das redete er sich zumin­d­est ein.” Der klis­chee­hafte Fels in der Bran­dung ist also eher das Bild, das ein Nicht-Lit­er­at für sich selb­st erzeugt. Aber in dem Text/Video habe ich diesen Aspekt nicht erwäh­nt, daher hast Du auf jeden Fall recht und das ist eine wichtige Bemerkung. Vie­len Dank!

      Was die Allit­er­a­tion ange­ht, so fände ich per­sön­lich sie eher deplatziert bzw. der Satz liest sich dadurch hol­priger. — Ein­fach, weil sie nichts aus­drückt, dafür aber einen Semi-Zun­gen­brech­er erzeugt.

    1. Meinst Du Wieder­hol­un­gen von Wörtern? Es gibt Soft­ware, die sie erken­nt und markiert — die Syn­onyme oder Umschrei­bun­gen oder was auch immer muss man aber selb­st ein­fü­gen. Die Soft­ware, die ich benutze, ist Papyrus Autor, aber das kostet um die 200 €, ist also nicht für jeden Geld­beu­tel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert