Wie­der­ho­lungen von Satz­ele­menten

Wie­der­ho­lungen von Satz­ele­menten

Nachdem wir im letzten Teil der Reihe über das rhe­to­ri­sche Stil­mittel der Repe­titio und Wie­der­ho­lungen ganz all­ge­mein gespro­chen haben, geht es in diesem Artikel um Wie­der­ho­lungen von Satz­ele­menten, nament­lich um die Epa­nal­epse, die Gemi­natio, die Epi­zeuxis, die Ana­pher, die Epi­pher, die Sym­p­loke, den Kyklos, die Epa­na­di­p­lose, die Ana­di­p­lose und die Epip­loke. Jede dieser Stil­fi­guren wird unter Ein­be­zie­hung von je einem Bei­spiel ver­ständ­lich erklärt.

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In diesem Artikel schauen wir uns einige Stil­mittel der Wie­der­ho­lung etwas genauer an. Zunächst aber rufen wir uns den letzten Teil in Erin­ne­rung …

Wir befassten uns mit den Fragen:

  • Was sind Wie­der­ho­lungen und was bewirken sie in der Rhe­torik?

Und:

  • Wie können Wie­der­ho­lungen die Erzähl­struktur eines Textes beein­flussen?

Unsere wich­tigste Erkenntnis dabei war:

Wie­der­ho­lungen können Ele­mente her­vor­heben, mit­ein­ander ver­knüpfen und ihnen damit eine beson­dere Bedeu­tung ver­leihen.

Es gibt in der Rhe­torik viele ver­schie­dene Arten von Wie­der­ho­lungen. In diesem Artikel befassen wir uns jedoch spe­zi­fisch mit den Wie­der­ho­lungen von Satz­ele­menten, das heißt: der Wie­der­ho­lung von bestimmten Wör­tern oder Wort­gruppen in einem Satz, Absatz und so weiter …

Simple Wie­der­ho­lungen

Epa­nal­epse

Wiederholungen von SatzelementenSie ist gegeben, wenn ein Ele­ment (ein Wort oder eine Wort­gruppe) am Anfang des Satzes unmit­telbar danach oder mit Abstand wie­der­holt wird.

Bei­spiel:

„Rede nett, rede nett mit dem Mann. Rede weiter …“
Myron Levoy: Ein Schatten wie ein Leo­pard, Kapitel 6.

„Rede nett“ zweimal hin­ter­ein­ander wie­der­holt und des­wegen haben wir hier eine Epa­nal­epse.

Nun kann man den Satz aber auch ein wenig para­phra­sieren:

„Rede nett, ganz cool, rede nett mit dem Mann. Rede weiter …“

Hier haben wir zwi­schen „rede nett“ und „rede nett“ einen Abstand, aber die Epa­nal­epse bleibt erhalten. Es macht also keinen Unter­schied, ob das Ele­ment direkt am Anfang irgendwo in der Mitte oder ganz am Ende des Satzes wie­der­holt wird.

Wenn ein Ele­ment jedoch ohne Abstand wie­der­holt wird dann, han­delt es sich um den Spe­zi­al­fall einer …

Gemi­natio

Wiederholungen von SatzelementenBei­spiel:

„Nein! nein! ich thu‘ ihr Unrecht.“
Fried­rich Schiller: Die Räuber, Erster Akt, Erste Scene.

Wird das Ele­ment mehr als zweimal wie­der­holt (das heißt: dreimal, viermal, fünfmal, hun­dertmal …), dann han­delt es sich um eine …

Epi­zeuxis

Wiederholungen von Satzelementen„Nein! nein! nein! das kann nicht sein.“
Fried­rich Schiller: Die Räuber, Erster Akt, Erste Scene.

Bei der Gemi­natio und der Epi­zeuxis lässt sich auch anmerken, dass sie nicht zwangs­läufig am Satz­an­fang stehen müssen. Eine Gemi­natio ist also immer noch gegeben, wenn man sagt:

„Es gefällt mir sehr, sehr gut!“

Wie­der­ho­lungen am Anfang und am Ende

Ana­pher

Wiederholungen von SatzelementenHier wird ein Ele­ment am Anfang auf­ein­an­der­fol­gender Sätze oder Satz­teile wie­der­holt.

Bei­spiel:

„Dort treffe ich dann meinen Vater,
dort treffe ich meine Mutter, meine Schwes­tern und meine Brüder …
Dort treffe ich dann all jene Men­schen meiner Ahnen­reihe von Beginn an.“
John McTiernan, Michael Crichton: Der 13te Krieger.

Hier beginnen drei Sätze bzw. Satz­teile hin­ter­ein­ander mit: „dort treffe ich“.

Epi­pher

Wiederholungen von SatzelementenSie ist das genaue Gegen­teil der Ana­pher. Hier wird ein Ele­ment am Ende auf­ein­an­der­fol­gender Sätze oder Satz­teile wie­der­holt.

Bei­spiel:

„Want me, it all seems to say. Love me. Desire me. Choose me. I need you.“
Norah Vin­cent: Self-Made Man. One Woman‘s Year Dis­gu­ised as a Man, Kapitel: 4. Love.

Hier enden drei Sätze hin­ter­ein­ander auf: „me“.

Die Ana­pher und die Epi­pher kann man aller­dings auch ver­binden. Das Ergebnis davon nennt sich …

Sym­p­loke

Wiederholungen von SatzelementenDas ist die Wie­der­ho­lung von glei­chen Wör­tern am Anfang und am Ende auf­ein­an­der­fol­gender Sätze.

„You ignore me. You dis­dain me. You des­troy me. I hate you.“
Norah Vin­cent: Self-Made Man. One Woman‘s Year Dis­gu­ised as a Man, Kapitel: 4. Love.

Hier beginnen drei Sätze hin­ter­ein­ander mit „you“ und enden mit „me“.

Und wo wir schon bei Wie­der­ho­lungen am Anfang und am Ende eines Satzes sind, gehen wir auch gleich über zum …

Kyklos

Wiederholungen von SatzelementenWir wissen, dass wir es mit einem Kyklos zu tun haben, wenn ein Ele­ment am Anfang und am Ende eines Satzes wie­der­holt wird.

Bei­spiel:

„Ent­behren sollst du! sollst ent­behren!“
Johann Wolf­gang Goethe: Faust I, V. 1549.

Hier steht das Wort „ent­behren“ am Anfang und am Ende des Satzes.

Wenn wir es aber mit einer grö­ßeren Ein­heit zu tun haben – also nicht mehr einem Satz, son­dern mit einem ganzen Absatz oder sogar einem ganzen Werk … Dann haben wir eine …

Epa­na­di­p­lose

Wiederholungen von SatzelementenBei­spiel:

„Ich muss fort! Ich danke dir, Wil­helm, dass du meinen wan­kenden Ent­schluss bestimmt hast. Schon vier­zehn Tage gehe ich mit dem Gedanken um, sie zu ver­lassen. Ich muss fort. Sie ist wieder in der Stadt bei einer Freundin. Und Albert – und – ich muss fort!“
Johann Wolf­gang Goethe: Die Leiden des jungen Werther, Am 3. Sep­tember.

Hier haben wir also gleich einen ganzen Absatz, der mit „ich muss fort“ anfängt und mit „ich muss fort“ endet.

Ver­ket­tungen

Ana­di­p­lose

Wiederholungen von SatzelementenHier wird das letzte Ele­ment einer Ein­heit am Anfang der dar­auf­fol­genden Ein­heit wie­der­holt.

Bei­spiel:

„Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,
Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen.“
Johann Wolf­gang von Goethe: See­fahrt.

Hier endet ein Vers mit „Wind und Wellen“ und der nächste beginnt mit „Wind und Wellen“.

Meh­rere Ana­di­p­losen hin­ter­ein­ander bilden eine …

Epip­loke

Wiederholungen von SatzelementenBei­spiel:

„A real woman is a mind, and a mind is a wit­ness,
and a wit­ness is the last thing you need when you‘re ashamed.“
Norah Vin­cent: Self-Made Man. One Woman‘s Year Dis­gu­ised as a Man, Kapitel: 3. Sex.

Wie man an diesem hier sehen kann, kann man mit der Epip­loke sehr gut logi­sche Ketten bilden und oft auch eine Stei­ge­rung (Klimax) unter­bringen.

Abschlie­ßende Hin­weise

Wie euch sicher­lich schon auf­ge­fallen ist, treten Wie­der­ho­lungen sehr gerne in Kom­bi­na­tion mit anderen Stil­mit­teln auf, zum Bei­spiel mit anderen Formen der Wie­der­ho­lung, mit einer Klimax etc.

Es fällt auch auf, dass rhe­to­ri­sche Wie­der­ho­lungen oft beson­ders poe­tisch und emo­tional wirken.

Außerdem lassen sich viele der bespro­chenen Wie­der­ho­lungen nicht nur auf Satz­ele­mente anwenden. Der Film For­rest Gump zum Bei­spiel beginnt und endet mit einer flie­genden Feder. Damit ent­hält das Werk eine visu­elle Epa­na­di­p­lose.

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