Was ist guter Schreibstil?

Was ist guter Schreibstil?

Ein guter Schreib­stil steigert die Wahrschein­lichkeit, dass ein Buch ein Best­seller wird. In ihrer Mono­gra­phie Der Best­seller-Code erk­lären Jodie Archer und Matthew L. Jock­ers, was laut ihrem Com­put­er-Algo­rith­mus einen best­seller­tauglichen Schreib­stil aus­macht. In diesem Artikel wer­fen wir einen Blick auf ihre Beobach­tun­gen und die daraus fol­gen­den Tipps für einen besseren Schreib­stil.

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Wenn Men­schen gefragt wer­den, warum sie einen bes­timmten Autor mögen, nen­nen sie oft u.a. den Schreib­stil. Mehr noch, meis­tens sind Autoren anhand von ihrem Stil iden­ti­fizier­bar, selb­st wenn sie unter einem anderen Namen schreiben.

Sowohl Joanne K. Rowl­ing als auch Stephen King haben das gezeigt:

Bei­de haben mit Pseu­do­ny­men (Robert Gal­braith und Richard Bach­mann) exper­i­men­tiert, wur­den aber recht schnell ent­tarnt. Und natür­lich sind die Verkäufe nach der Ent­tar­nung in die Höhe geschossen. Aber: Erfol­gre­ich waren die unter Pseu­do­nym veröf­fentlicht­en Büch­er auch vorher schon.

Was ler­nen wir also daraus?

Der Schreib­stil ist ein wichtiger Erfols­fak­tor von Roma­nen.

Allerd­ings geht es hier nicht um Meta­phern und per­fekt gewählte Aus­drücke. Nein. Nach­dem Jodie Archer und Matthew L. Jock­ers 5000 Best­seller und Nicht-Best­seller an einen Com­put­er-Algo­rith­mus “ver­füt­tert” haben, stellen sie fest, dass hier in der Regel nur unbe­wusst wahrgenommene Details eine Rolle spie­len.

Wer­fen wir also einen genaueren Blick darauf, wie ein best­seller­tauglich­er Schreib­stil laut dem Best­seller-Code von Archer und Jock­ers aussieht.

Schreibstil und “linguistische DNA”

Stellen wir uns zuallererst die Frage:

Was ist Schreib­stil über­haupt?

Denn wir schreiben ja nicht immer gle­ich: Eine E‑Mail an einen Fre­und hat einen ganz anderen Stil als ein offizieller Brief ans Finan­zamt. Wir alle passen unseren Stil stets dem Zweck und der Ziel­gruppe unseres Textes an.

Gle­ichzeit­ig ist es mit dem Schreib­stil aber ähn­lich wie mit dem Ausse­hen eines Men­schen:

Wir kön­nen unsere Frisur ändern, wir kön­nen uns Tat­toos stechen lassen oder uns sog­ar ein­er plas­tis­chen Oper­a­tion unterziehen. Das alles ändert aber rein gar nichts an unser­er DNA. Auch wenn wir alle Reg­is­ter ziehen, um unser Ausse­hen zu verän­dern: Wir kön­nen unsere Gene nicht aus­tauschen.

Genau­so kön­nen wir unseren Schreib­stil so sehr anpassen wie wir wollen:

Unser rein indi­vidu­eller Sprachge­brauch scheint in allem durch, was wir schreiben.

Archer und Jock­ers nen­nen es die “lin­guis­tis­che DNA”. Und offen­bar kön­nen manche Men­schen tat­säch­lich von Natur aus “best­seller­tauglich­er” schreiben als andere. Aber es gibt auch Dinge, die man sich dur­chaus abguck­en kann. Genau dazu ist dieser Artikel ja da. 😉

Merkmale eines bestsellertauglichen Schreibstils

Was macht also einen best­seller­tauglichen Schreib­stil aus?

Um diese Frage zu beant­worten, unter­sucht­en Archer und Jock­ers den Sprachge­brauch in Bezug auf:

  • Artikel, Kon­junk­tio­nen, Prä­po­si­tio­nen
  • Syn­tax, Sat­zlänge, Zeichenset­zung, Wor­tarten
  • häu­fig­ste Ver­ben, Sub­stan­tive, Adjek­tive, Adver­bi­en

Natür­lich muss man berück­sichti­gen, dass ihr Tex­tko­r­pus aus englis­chsprachi­gen Werken beste­ht. Deswe­gen müssen wir ihre Beobach­tun­gen immer ins Deutsche “umdenken”. An den Grund­prinzip­i­en, die diese Beobach­tun­gen zu Tage brin­gen, dürfte das aber nichts ändern.

Schauen wir uns also nun diese Beobach­tun­gen an:

  • Das Wort “do” (“tun”) kommt in Best­sellern häu­figer vor als in Nicht-Best­sellern. Das Wort “very” (“sehr”) sieht man häu­figer in Nicht-Best­sellern.
  • Best­seller enthal­ten häu­figer Verkürzun­gen (z.B. “don’t”, “can’t”) und informelle Wörter (“okay”, “ugh”).
  • Im Ver­gle­ich zu Nicht-Best­sellern enthal­ten Best­seller mehr Frageze­ichen und weniger Aus­rufeze­ichen.
  • In Best­sellern find­en sich auch öfter Ellipsen, die für unvol­len­dete Über­legun­gen ste­hen.
  • Punk­te kom­men in Best­sellern oft vor, Semi­kolons und Dop­pelpunk­te sel­tener.
  • Best­seller set­zen weniger auf Adjek­tive und Adver­bi­en, dafür aber stärk­er auf Ver­ben.
  • Generell beste­hen Best­seller eher aus kürz­eren, sauberen Sätzen ohne unnötige Wörter.

Der stilis­tis­che Trend ist hier klar erkennbar:

Leser mögen eine authen­tis­che All­t­agssprache und keine “Schwafelei”. Der Stil sollte möglichst ein­fach und umgangssprach­lich sein, möglichst nah am Leser.

Texte soll­ten keine Übertrei­bun­gen im Gebrauch von Aus­rufeze­ichen und Beschrei­bun­gen enthal­ten, dafür aber hand­lung­sori­en­tiert sein.

Außer­dem mögen es Leser, Gedanken des Erzäh­lers oder der Fig­uren zu Ende zu denken.

Natür­lich gibt es auch Best­seller, die gegen diesen Trend ver­stoßen. Nichts­destotrotz ist er aber da und Leser merken sehr schnell, mit welch­er Art von Stil sie es zu tun haben …

Guter Schreibstil vom ersten Satz an

Archer und Jock­ers find­en, dass man den Stil eines Autors bere­its am ersten Satz des Romans erken­nt. Deswe­gen ist es beson­ders wichtig, dass dieser erste Satz gut ist. Und gute erste Sätze fall­en laut Archer und Jock­ers durch fol­gende Merk­male auf:

  • Sie sind kurz und rel­a­tiv ein­fach.
  • Die Zeichenset­zung sorgt für eine klare Struk­tur.
  • Sie wirken authen­tisch und der Erzäh­ler strahlt Autorität aus, denn er spricht mit Gewis­sheit. Seine Überzeu­gun­gen bringt er ide­al­er­weise witzig und schein­bar müh­e­los auf den Punkt.
  • Sie enthal­ten den gesamten Kon­flikt des Romans in ca. 20 Wörtern oder weniger und ver­sprechen vor allem: Hand­lung, Hand­lung, Hand­lung!

Fazit

Abschließend hal­ten wir also fest:

Leser wollen einen leicht dahin­plätsch­ern­den Fluss, keinen Wald, durch den man sich kämpfen muss.

Sie wollen sich vom Strom der Hand­lung treiben lassen.

Gle­ichzeit­ig wollen sie aber auch mit­denken - und zwar über das Inhaltliche (nicht wegen sprach­lich­er Kom­plex­ität).

Wer sich für genauere Details inter­essiert, find­et sie in Der Best­seller-Code von Archer und Jock­ers.

6 Kommentare

  1. Sehr guter Artikel, lei­der ein klein­er Tippfehler im “bet­seller-”:

    erk­lären Jodie Archer und Matthew L. Jock­ers, was laut ihre
    im Com­put­er-Algo­rith­mus einen bet­seller­tauglichen Schreib­stil aus­macht.

    Wolfgang Möckel

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