Das Thema für Deinen Roman

Das Thema für Deinen Roman

Wie schreibt man einen Best­seller? Gibt es etwas wie einen Best­seller-Code? Jodie Archer und Matthew L. Jock­ers meinen, diesen Code “gek­nackt” zu haben. In diesem Artikel schauen wir uns an, was die bei­den zur The­men­wahl eines Buch­es sagen: Welche The­men und welch­es The­men­ver­hält­nis steigern die Best­seller­tauglichkeit eines Romans?

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Wenn man Schreibtipps durch­stöbert, stößt man oft auf die Aus­sage, es gäbe keinen Best­seller-Code. Man könne nicht im Voraus kalkulieren, wie erfol­gre­ich ein Buch wird.

Auch ich habe jahre­lang daran geglaubt.

Bis mir das Buch Der Best­seller-Code von Jodie Archer und Matthew L. Jock­ers in die Hände fiel. Die bei­den Wis­senschaftler beweisen näm­lich:

Einen Best­seller-Code gibt es doch!

Und weil man ger­ade als Autor dadurch sehr viel ler­nen kann, habe ich beschlossen, eine kleine Rei­he daraus zu machen.

Ein “bahnbrechender Algorithmus”

Die Autoren vom Best­seller-Code haben einen Com­put­er-Algo­rith­mus entwick­elt, der Büch­er lesen, analysieren und ver­gle­ichen kann. Sie haben ca. 5000 Best­seller und Nicht-Best­seller an ihn “ver­füt­tert” und tat­säch­lich bes­timmte Regelmäßigkeit­en fest­gestellt, die Best­seller von Nicht-Best­sellern unter­schei­den.

Der Hak­en ist hier natür­lich: Ein Best­seller ist ein Buch, das sich gut verkauft. Nicht mehr und nicht weniger.

Und was sich gut verkauft, ist nicht immer qual­i­ta­tiv gut.

Damit ist Der Best­seller-Code keine Anleitung, wie man ein gutes Buch schreibt. Aber er kann dur­chaus als Hil­fe dienen, um den eige­nen — hof­fentlich guten — Roman einem bre­it­eren Pub­likum schmack­haft zu machen.

Heute geht es, wie gesagt, um die Wahl eines best­seller­tauglichen The­mas und wir stürzen und jet­zt endlich ins Gefecht!

Genre vs. Thema

Bin ich eigentlich die Einzige, die Gen­res für ziem­lich über­flüs­sig hält? Klar kön­nte ich sagen, dass ich ten­den­ziell Büch­er mit his­torischem und gerne auch fan­tastis­chem Set­ting bevorzuge; aber ich lese kein Buch, ein­fach weil es Schw­ert­er und Elben bein­hal­tet. Im Gegen­teil, meis­tens lege ich solche Büch­er sofort wieder aus der Hand, weil viele davon mir eher wie Herr der Ringe-Abklatsch vorkom­men. Und Herr der Ringe kann ich mit­tler­weile fast auswendig.

Was mir bei einem Buch wichtig ist, ist der — sagen wir mal — “langfristige Nutzen”. Wenn ich tat­säch­lich ein einziges Lieblings­genre nen­nen müsste, wären das in meinem Fall wohl Klas­sik­er. — Ein­fach, weil ich nach deren Lek­türe sel­ten Leere spüre und mich frage, warum das Buch über­haupt existiert.

Es gibt immer einen Grund, warum ein Klas­sik­er zum Klas­sik­er gewor­den ist. Denn es sind in der Regel Büch­er, durch die man auf bahn­brechende neue Gedanken kommt, durch die man eine völ­lig neue Per­spek­tive auf sich und die Welt erhält und die einem das Leben verän­dern.

Und das ist es, was ich per­sön­lich von einem guten Buch erwarte. Das Genre ist da her­zlich irrel­e­vant.

Nach der Lek­türe des Best­seller-Codes weiß ich, dass zumin­d­est der Com­put­er auf mein­er Seite ist. Klar gibt es zu jed­er Zeit in Bezug auf das Genre bes­timmte Mod­eer­schei­n­un­gen, aber diese sind vergänglich und laut dem Com­put­er-Algo­rith­mus eher irrel­e­vant für den Verkauf­ser­folg.

Rel­e­vant sind eher The­men — und grund­sät­zlich kann jedes The­ma in jedem Genre vorkom­men.

Ein Liebesro­man kann von Ver­brechen han­deln und in einem Kri­mi kann es auch um Liebe gehen. Beim Genre geht es nur um den Anteil bes­timmter The­men, aber das ändert nichts daran, dass bes­timmte The­men gen­re­un­ab­hängig zum Verkauf­ser­folg beitra­gen.

Top und Flop

Top-The­men sind:

  • zwis­chen­men­schliche Inter­ak­tio­nen und Beziehun­gen
  • Alltäglich­es: Zuhause, Arbeit, Fam­i­lie
  • mod­erne Tech­nolo­gien
  • außer­dem: Waf­fen, Schmerzen, Ärzte, Tod, Medi­en …

Flop-The­men sind:

  • Fan­tastis­ches und Außerirdis­ches
  • Sex

“In Nicht-Best­sellern erscheint es im Durch­schnitt zwölf­mal so häu­fig wie in Best­sellern.”
S. 61.

  • heik­le The­men: Reli­gion, Dro­gen …
  • außer­dem: (zu) große Emo­tio­nen, Rev­o­lu­tio­nen, Geschäftemachen, exis­ten­zial­is­tis­che und philosophis­che Abhand­lun­gen, …

Na? Über­rascht?

Klar fall­en einem bei jedem der Flop-The­men sofort Best­seller ein, die genau davon han­deln. Jedoch wer­den bei diesen Best­sellern die Flop-The­men von anderen The­men und/oder anderen Best­seller-Fak­toren aus­bal­anciert.

Was wollen Leser?

Archer und Jock­ers wer­fen berechtigter­weise die Frage auf, ob Men­schen (zumin­d­est der bücher­lesende Teil der amerikanis­chen Bevölkerung) “am lieb­sten mehr oder weniger über sich selb­st lesen möchte” (S. 75). Bzw. über “ihre eige­nen möglichen Real­itäten in ein­er drama­tisierten Form”.

Ich kann diese Frage natür­lich nicht für alle Leser beant­worten, aber nur für mich selb­st sprechend würde ich sagen: Ja, schon. Natür­lich habe ich meine ganz eige­nen, indi­vidu­ellen Ansprüche, aber unterm Strich geht es mir darum, dass ein Roman irgend­wie mein Leben bee­in­flussen muss, damit ich ihn inter­es­sant finde. Und das schafft ein Roman nicht, wenn er von Din­gen han­delt, die zu meinem Leben keinen Bezug haben oder schlicht und ergreifend nicht rel­e­vant genug sind.

Und damit macht der abschließende Ratschlag von Archer und Jock­ers sehr viel Sinn:

“Nehmen Sie Ihre Leser nicht weit­er mit, als Sie selb­st jemals gekom­men sind — und wenn Sie weit­er gekom­men sind als die meis­ten von uns, dann heben Sie sich das für Ihre Mem­oiren auf.”
S. 77.

Die richtige Themen-Mischung

Doch die Wahl des richti­gen The­mas allein ist nicht genug. Entschei­dend ist auch die richtige Mis­chung. Denn jed­er Roman hat mehrere The­men — und jedes gute Rezept enthält genaue Angaben über die benötigte Menge der jew­eili­gen Zutat­en.

Was Best­seller von Nicht-Best­sellern hier vor allem unter­schei­det, ist, dass in Best­sellern klare Schw­er­punk­te geset­zt wer­den: Das Schw­er­punk­t­the­ma kann dabei tief ergrün­det wer­den, während die Geschichte trotz­dem noch leicht zu ver­ste­hen ist. Und wenn man als Autor von Roman zu Roman ein bes­timmtes Schw­er­punk­t­the­ma immer wieder auf­greift, das ein­fach nur mit unter­schiedlichen anderen The­men kom­biniert wird, dann trägt das zur Marken­bil­dung bei und die Leser wis­sen, was sie von einem erwarten kön­nen.

Wie ist aber nun die per­fek­te Mis­chung?

  • 30% des Romans soll­ten aus drei oder vier Haupt­the­men beste­hen.
    Mehr Haupt­the­men “ver­wässern” den Inhalt. — Und ganz ehrlich? Wer mag schon Romane, bei denen nicht klar ist, worum es geht?
  • Ide­al­er­weise ste­ht das wichtig­ste The­ma im Kon­flikt mit den nächst­wichtig­sten The­men.
    Denn: Was ist eine span­nende Geschichte ohne einen guten Kon­flikt, der sich wie ein rot­er Faden durch die kom­plette Hand­lung zieht?
  • Viele kleine Neben­the­men sind sehr gut und wichtig zum “Würzen” (denn jede gute Geschichte braucht “Atem­pausen”), aber auf unnötige Neben­hand­lun­gen sollte verzichtet wer­den.

Diese Beobach­tun­gen deck­en sich dur­chaus mit grundle­gen­den Schreibtipps: Set­ze Schw­er­punk­te, for­muliere eine Prämisse, entwick­le einen Kon­flikt. Mit anderen Worten: Schreibe eine gut durch­dachte und struk­turi­erte Geschichte. Viele Best­seller mögen Müll sein, aber zumin­d­est in diesem Punkt ist im Hin­blick auf Verkauf­s­tauglichkeit Qual­ität gefragt. Und anscheinend ist dieser Punkt sehr wohl in der Lage, andere ästhetis­che Patzer “auszubal­ancieren”.

Zum Schluss …

Wie sieht das also nun bei Deinem aktuellen Roman­pro­jekt aus?

Schreib­st Du ger­ade den näch­sten Best­seller oder einen Flop?

Ich selb­st bin mir da über­haupt sich sich­er und schwanke zwis­chen den Extremen. Mein einziger Trost ist:

Not­falls gibt es immer eine Nach­frage nach Nis­chen­the­men. Bloß sollte man dann nicht mit über­mäßigem Verkauf­ser­folg rech­nen.

Wenn Du bei der Ein­schätzung Dein­er Roman­the­men ganz sich­er gehen und/oder mehr Details willst, empfehle ich Dir die Lek­türe des Best­seller-Code-Buch­es: Hier kannst Du Dein eigenes Exem­plar bestellen. Denn unab­hängig davon, ob man die Tipps in Der Best­seller-Code für seine eige­nen Geschicht­en ver­wen­den will: Das Buch bietet äußerst inter­es­sante Erken­nt­nisse über das Lesen und Schreiben.

2 Kommentare

  1. Bilde ich mir es nur ein, oder wer­den nur Romane zu Best­sellern, in denen möglichst wenig Fan­tasie steckt? Jet­zt nichts gegen Lieb­haber des Generes “All­t­agsleben”, aber wenn man solche Geschicht­en will, kann man auch den Nach­barn zwei Türen weit­er um seine Mem­o­rien bit­ten. Und wenn religiöse und poli­tis­che The­men sich schw­er verkaufen, wie soll man die Welt dann anders als aus sein­er eige­nen beschränk­ten Per­spek­tive wahrnehmen? Fördert das Schreiben über solche Sachen denn nicht die Soli­tar­ität und den Zusam­men­halt?

    Viola
    1. Dass eher “fan­tasielose” Romane zu Best­sellern wer­den, ist eine Ten­denz, ja, aber keine Regel. In Har­ry Pot­ter gibt es zum Beispiel sehr viel Fan­tasie — wobei sie aber natür­lich mit dem All­t­ags­the­ma Schule kom­biniert wird. Also ja, diese Beobach­tung machen Archer und Jock­ers auch, die Leute wollen offen­bar vor allem über sich selb­st bzw. über das All­t­agsleben lesen, wenn auch vielle­icht mit dem ein oder anderen ungewöhn­lichen Twist. Das zeigt im Übri­gen auch der Erfolg von trashin­gen (Scripted-)Reality-Shows — bloß auf einem deut­lich weniger niveau­vollen Lev­el als bei All­t­agsro­ma­nen. Und generell wer­den anscheinend eher die Romane zu Best­sellern, die vor allem unter­hal­ten, nicht zum Nach­denken anre­gen. Aber als Autor kann man ja ver­suchen, anspruchsvoll zu unter­hal­ten bzw. in einen Unter­hal­tungsro­man religiöse, poli­tis­che und ander­weit­ig per­spek­tiver­weit­ernde The­men hineinzuschmuggeln. Wenn man denn unbe­d­ingt möchte, natür­lich. Ein guter Roman muss ja nicht unbe­d­ingt ein Best­seller wer­den. Solange er seine Leser­schaft find­et, ist doch alles in But­ter.

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